17.59

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Minister! Hohes Haus! Zu den historischen Konfliktherden zählen die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan, nicht zuletzt wegen der armenischen Enklave Bergkarabach, oder besser gesagt der ehe­ma­ligen armenischen Enklave Bergkarabach. Diese wurde in einer Blitzoffensive von Aserbaidschan unter Kontrolle genommen und soll beziehungsweise wird ab Jänner 2024 nicht mehr bestehen.

Die selbstständigen Staaten Armenien und Aserbaidschan entstanden aus ehemaligen Sowjetrepubliken. Die politische, wirtschaftliche und kulturelle Unterstützung war auch gleichsam definiert: Russland als Schutzmacht der Armenier, die Türkei als Schutzmacht von Aserbaidschan. Die Situation in Bergkarabach, mehrheitlich von Christen bewohnt, führte immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen, wobei von 19. auf 20. September 2023 seitens Aserbaidschans militärische Tatsachen gesetzt wurden.

Im Entschließungsantrag des Menschenrechtsausschusses vom 10. Oktober 2023, der einstimmig verabschiedet wurde, heißt es in einer Aufforderung an den Nationalrat unter anderem, neben der eindeutigen Verurteilung des Einmarsches: Forderung eines Endes des militärischen Kampfeinsatzes, Zugang der Bevölkerung „zu lebenswichtigen Gütern“, Einsatz „für die strikte Einhaltung des humanitären Völkerrechts und den Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Infrastruktur“, und „sich für einen“ sofortigen „freien und ungehinderten Zugang internationaler [...] Organisationen nach Bergkarabach einzusetzen“.

In der Zwischenzeit hat in Bergkarabach eine Massenflucht nach Armenien eingesetzt, man spricht von mehr als 100 000 Menschen. Aktuell sollen sich nach Schätzungen noch 500 bis 1 000 Armenier in der Region aufhalten.

Offizielle Vertreter Aserbaidschans haben sich gestern, am 18. Oktober, gegenüber österreichischen Parlamentariern dahin gehend geäußert, dass Aserbaidschan die geflohene armenische Bevölkerung zur Rückkehr auffordert und einlädt. Sie sprachen dabei von Sicherheitsgarantien, von der Garantie der Unversehrtheit der Menschen sowie deren Wohnungen, Häuser, kirchlicher und infrastruktureller Einrichtungen. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Darüber hinaus wurde eine Sicherheitsgarantie gegenüber den territorialen Grenzen und der Souveränität Armeniens abgegeben. Wir werden beobachten können, ob diesen Worten auch Taten folgen werden.

Ungeachtet der jüngsten Ereignisse sind die Armenier historisch gesehen ein leidgeprüftes Volk. Als eines der ältesten christlichen Völker über Jahrhunderte und auch jetzt in verschiedenen Staaten lebend, teils durch Grenzziehungen, teils durch erlittene Diaspora (Abg. Stögmüller: Sie fallen auch auf jede Propaganda rein!), darf man die systematische Vernichtung von 1,5 Millionen Armeniern durch Massaker, Seuchen und Hunger durch das Osmanische Reich im Jahr 1915 nicht vergessen. Ich empfehle dem Hohen Haus den sehr beeindruckenden und schrecklichen Roman des österreichischen Schriftstellers Franz Werfel „Die vierzig Tage des Musa Dagh“.

Ingeborg Bachmann wird das Zitat zugeschrieben: „Die Geschichte lehrt dauernd, aber sie findet keine Schüler.“ (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

18.03

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.