18.17

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Europa und die Welt sehen sich zunehmend mit humanitären Krisen konfrontiert – seien es bewaffnete Konflikte, die Klimakrise, Naturkatastrophen oder andere Elementarereignisse. Das alles erfordert koordinierte und effiziente Herangehensweisen, auch auf europäischer Ebene, um sicherzustellen, dass Hilfe schnell und wirksam bei jenen ankommt, die sie dringend und sofort benötigen.

Das ist der Punkt, an dem neutrale Länder wie Österreich eine mitunter entscheidende Rolle spielen könnten, ja müssten. Die Neutralität Österreichs erlaubt es uns, in Krisensituationen Brückenbauer zu sein. Wir können vermitteln und helfen, wir können agieren, ohne parteiisch zu sein. Sie ermög­licht uns, Zugang zu Krisengebieten zu erhalten, um humanitäre Hilfe organisieren und Bedürfnisse der betroffenen Menschen in den Mittelpunkt stellen zu können. In Friedenszeiten ist die Neutralität vielleicht ein Regelwerk, in Krisenzeiten jedoch hohe politische Kunst. Daran sollten wir immer wieder erinnert werden und daran sollten wir denken. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, am 19. September hat Aserbaidschan die mehr­heit­lich von Armeniern bewohnte Region Bergkarabach angegriffen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats UNHCR sind mehr als 100 000 Ge­flüchtete aus der Region in Armenien angekommen. Zahlreiche Beobachter sprechen von einem Massenexodus, von ethnischer Säuberung, von Vertreibung. Es herrschen Zustände, bei denen wir als internationale Gemeinschaft nicht wegsehen dürfen.

Ich erinnere daran, dass Erdoğan und Alijew den Schwur der Bruderschaft abgelegt haben – ein Volk, zwei Nationen, Türkei und Aserbaidschan –, unter anderem mit dem Ziel, den Sangesur-Korridor von Baku in die Türkei zu etablieren. Dieser Korridor läuft aber durch Armenien.

Beim Besuch von Bundeskanzler Nehammer am 10. Oktober in Ankara wurde diese gefährliche Entwicklung allerdings nicht angesprochen, zumindest nicht öffentlich.

Die Türkei hat eine historische Verantwortung – ich erinnere an den osmanischen Völkermord an einer Million Armenierinnen und Armeniern im Jahr 1915.

Gewalttätige Aggressionen müssen mit aller Entschiedenheit verurteilt werden. Wir können nicht zulassen, dass sich das Chaos in den Regionen etabliert, ja bereits etabliert hat, vor allem jetzt nicht, wenn unsere Welt, so wie wir sie kennen und kennengelernt haben, vor einem weiteren Wendepunkt steht – Sie alle wissen, was ich meine –, und doch gab es ein lautes Schweigen in Europa während der Tage der Verfolgung.

Da hätte auch Österreich als Bundesregierung schnell und beispielgebend agieren müssen. Leider haben auch wir, das offizielle Österreich, weggesehen. Österreich muss in Europa wieder eine laute Stimme für soziale Gerechtigkeit, für Solidarität und für Menschlichkeit sein. Österreich muss außen- und europapolitisch die Stimme für die Bedrohten in der Welt sein und nicht nur Diener der Wirtschaftslobbyisten. Ein engagiertes, ein neutrales Öster­reich kann mehr als zum derzeitigen Status quo, meine Damen und Herren! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

18.21

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Melanie Erasim. – Bitte.