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Plenarsitzung

des Nationalrates

Stenographisches Protokoll

 

235. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 19. Oktober 2023

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Nationalratssaal


Stenographisches Protokoll

235. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode               Donnerstag, 19. Oktober 2023

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 19. Oktober 2023: 9.06 – 22.51 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Erste Lesung: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundes­voranschlages für das Jahr 2024 (Bundesfinanzgesetz 2024 – BFG 2024) samt Anlagen

2. Punkt: Bericht über den Antrag 3623/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, die Europawahlordnung, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden

3. Punkt: Bericht über den Antrag 3622/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung der Stiftung Forum Verfassung erlassen wird, geändert wird


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 2

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Österreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetz geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundes-Ehrenzeichen sowie das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst (Ehrenzeichengesetz – EhrenzeichenG) erlassen wird und das Militärauszeichnungsgesetz 2002 geändert wird, sowie Bericht über den

Antrag 76/A und Zu 76/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 2. April 1952 über die Schaffung von Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen (Bundes-Ehrenzeichengesetz) sowie das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst geändert werden (Ehrenzeichenrechtsänderungsgesetz)

6. Punkt: Bericht über den Antrag 3630/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Christoph Matznetter, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekämpfung der Aktivitäten der Wagner-Gruppe

7. Punkt: Bericht über den Antrag 3551/A(E) der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Solidarität mit den Frauen in Afghanistan

8. Punkt: Bericht über den Antrag 3629/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Gudrun Kugler, Dr. Harald Troch, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stopp des militärischen Kampfeinsatzes und der humanitären Krise in Bergkarabach

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975 geändert wird


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 3

10. Punkt: Bericht über den Grünen Bericht 2023 der Bundesregierung

11. Punkt: Bericht über den Antrag 3603/A(E) der Abgeordneten Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringliche Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie zur Wasserversorgung der Landwirtschaft und rasche Forschung zu Wasserentnahmen wegen der drohenden Grundwasserkrise bis zum Jahr 2050

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geändert werden

13. Punkt: Bericht über den Antrag 3535/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ASFINAG-Gesetz geändert wird

14. Punkt: Bericht über den Antrag 3536/A der Abgeordneten Hermann Weratschnig, MBA MSc, Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird

15. Punkt: Bericht über den Antrag 1079/A(E) der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bemautung von Wohnmobilen mittels Vignette

16. Punkt: Bericht über den Antrag 2628/A(E) der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Führen von Hunden von Fahrrädern aus

17. Punkt: Bericht über den Antrag 3531/A der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011), das Erdölbevorratungs­gesetz 2012 und das Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) geändert werden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 4

18. Punkt: Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 3607/A(E) der Abgeordneten Franz Hörl, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Weiterentwicklung der Erfolgsmessung im Tourismus durch langfristige und zielgerichtete Erhebungen zur Tourismusakzeptanz in der Bevölkerung

19. Punkt: Bericht über den Antrag 3201/A(E) der Abgeordneten Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Guide Michelin in Österreich

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Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht des Abgeordneten Karl Schmidhofer ......................................     30

Angelobung der Abgeordneten Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß .......................     30

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................     30

Geschäftsbehandlung

Antrag des Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, dem Verfassungs­aus­schuss zur Berichterstattung über den Antrag 2897/A der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem die XXVIl. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 24. November 2023 zu setzen – Ablehnung .......................................  33, 473

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG .............................................................................................................     34


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 5

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA betreffend die aus seiner Sicht unzureichende Beantwortung der Dringlichen Anfrage und Ersuchen um Behandlung dieses Themas in der nächsten Präsidialkonferenz ..................................................................................................  247

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ............................................................................................     31

Ausschüsse

Zuweisungen ............................................................................................  31, 138

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „COFAG-Skandal: 20 Milliarden mittels rechtswidriger Konstruktion verteilt – Wann bekommen wir unser Geld von Benko&Co zurück?“(16643/J) .............................................................  212

Begründung: Julia Elisabeth Herr ..........................................................................  222

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. ..........................................................  232

Debatte:

Kai Jan Krainer .........................................................................................................  248

Dr. Christian Stocker ...............................................................................................  251

Christian Hafenecker, MA .......................................................................................  255

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ...................................................................................  262

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  267

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................  271

Karlheinz Kopf .........................................................................................................  274

Kai Jan Krainer (tatsächliche Berichtigung) .........................................................  278

Wolfgang Zanger .....................................................................................................  278

Dr. Elisabeth Götze ..................................................................................................  281


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 6

Mag. Gerald Loacker ................................................................................................  284

Dr. Elisabeth Götze (tatsächliche Berichtigung) ...................................................  288

Ing. Reinhold Einwallner ..........................................................................................  288

Mag. Andreas Hanger ..............................................................................................  291

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................  294

Michael Bernhard ....................................................................................................  297

Katharina Kucharowits ...........................................................................................  301

Mag. (FH) Kurt Egger ...............................................................................................  304

Julia Elisabeth Herr (tatsächliche Berichtigung) ..................................................  306

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................  307

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................  309

Dr. Nikolaus Scherak, MA .......................................................................................  311

Verhandlungen

1. Punkt: Erste Lesung: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2024 (Bundesfinanzgesetz 2024 – BFG 2024) samt Anlagen (2178 d.B.) ................................................................................................     34

Redner:innen:

August Wöginger .....................................................................................................     35

Philip Kucher ............................................................................................................     40

MMag. DDr. Hubert Fuchs ......................................................................................     44

Sigrid Maurer, BA .....................................................................................................     48

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ..........................................................................     53

Peter Haubner ..........................................................................................................     58

Kai Jan Krainer .........................................................................................................     61

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................     67

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ...................................................................................     71

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................     75

Dipl.-Ing. Georg Strasser .........................................................................................     79

Eva Maria Holzleitner, BSc ......................................................................................     80

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................     83


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 7

August Wöginger (tatsächliche Berichtigung) ......................................................     87

Mag. Meri Disoski ....................................................................................................     88

Mag. Gerald Loacker ................................................................................................     91

Gabriel Obernosterer ...............................................................................................     94

Alois Stöger, diplômé ...............................................................................................     97

Maximilian Linder ....................................................................................................  100

Lukas Hammer .........................................................................................................  103

Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß .............................................................................  106

Ing. Reinhold Einwallner ..........................................................................................  108

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................  110

Mag. Agnes Sirkka Prammer ...................................................................................  113

Martina Diesner-Wais .............................................................................................  115

Mag. Gerald Hauser (tatsächliche Berichtigung) .................................................  117

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................  118

Mag. Hannes Amesbauer, BA .................................................................................  120

Hermann Weratschnig, MBA MSc ..........................................................................  123

Mag. Selma Yildirim .................................................................................................  125

Mag. Eva Blimlinger .................................................................................................  128

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................  130

Mag. Philipp Schrangl ..............................................................................................  133

Karlheinz Kopf .........................................................................................................  135

Dr. Christoph Matznetter (tatsächliche Berichtigung) ........................................  137

Zuweisung der Regierungsvorlage 2178 d.B. an den Budgetausschuss .........  138

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 3623/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlord­nung 1992, die Europawahlordnung, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden (2219 d.B.) ................................................................................  138


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 8

Redner:innen:

Mag. (FH) Kurt Egger ...............................................................................................  139

Mag. Christian Drobits ............................................................................................  139

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................  141

Annahme des Gesetzentwurfes in 2219 d.B. .....................................................  143

3. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 3622/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung der Stiftung Forum Verfassung erlassen wird, geändert wird (2220 d.B.) ......................................................................................  143

Redner:innen:

Mag. Wolfgang Gerstl ..............................................................................................  144

Christian Oxonitsch .................................................................................................  147

Annahme des Gesetzentwurfes in 2220 d.B. .....................................................  149

4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (2206 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Österreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetz geändert wird (2221 d.B.) .......................................................  150

Redner:innen:

Mag. Martin Engelberg ............................................................................................  150

Ing. Reinhold Einwallner ..........................................................................................  158

Dr. Susanne Fürst .....................................................................................................  160

Mag. Eva Blimlinger .................................................................................................  165

Dr. Helmut Brandstätter .........................................................................................  167

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ..........................................................  170

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................  173

Annahme des Gesetzentwurfes in 2221 d.B. .....................................................  175


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 9

5. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (2197 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Ehren­zeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundes-Ehrenzeichen sowie das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst (Ehren­zeichengesetz – EhrenzeichenG) erlassen wird und das Militärauszeich­nungsgesetz 2002 geändert wird, sowie über den

Antrag 76/A und Zu 76/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 2. April 1952 über die Schaffung von Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen (Bundes-Ehrenzeichengesetz) sowie das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst geändert werden (Ehrenzeichenrechtsänderungsgesetz) (2222 d.B.) ..............................  176

Redner:innen:

Dr. Susanne Fürst .....................................................................................................  176

Mag. Wolfgang Gerstl ..............................................................................................  179

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................  182

Mag. Eva Blimlinger .................................................................................................  184

Dr. Nikolaus Scherak, MA .......................................................................................  186

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ..........................................................  188

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................  190

Annahme des Gesetzentwurfes in 2222 d.B. .....................................................  193

6. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 3630/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Christoph Matznetter, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 10

und Kollegen betreffend Bekämpfung der Aktivitäten der Wagner-Gruppe (2229 d.B.) ...............................................................................................................  194

Redner:innen:

Dr. Reinhold Lopatka ...............................................................................................  194

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................  197

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ............................................................................................  199

Dr. Helmut Brandstätter .........................................................................................  201

Andreas Minnich ......................................................................................................  204

David Stögmüller .....................................................................................................  205

Dr. Susanne Fürst .....................................................................................................  207

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2229 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Bekämpfung der Aktivitäten der Wagner-Gruppe“ (341/E) .....................................................................................................  209

7. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 3551/A(E) der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Solidarität mit den Frauen in Afghanistan (2230 d.B.) ............................................................................................ 209

Redner:innen:

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................  209

Dr. Reinhold Lopatka ...............................................................................................  211

Henrike Brandstötter ...............................................................................................  313

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ............................................................................................  315

Mag. Selma Yildirim .................................................................................................  316

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2230 d.B. hinsichtlich des Antrages 3551/A(E) ...............................................................................................  318

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2230 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Wahrung der Menschenrechte, insbesondere von Frauen und Mädchen, in Afghanistan“ (342/E) .......................................  318


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 11

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 3629/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Gudrun Kugler, Dr. Harald Troch, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stopp des militärischen Kampfeinsatzes und der humanitären Krise in Bergkarabach (2240 d.B.) .................................................  318

Redner:innen:

Hans Stefan Hintner ................................................................................................  319

Dr. Harald Troch ......................................................................................................  321

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................  322

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ............................................................................................  324

Dr. Helmut Brandstätter .........................................................................................  325

Robert Laimer ...........................................................................................................  327

Melanie Erasim, MSc ...............................................................................................  329

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2240 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Verurteilung der militärischen Handlungen durch Aserbaidschan sowie Schutz von Minderheitenrechten und Kultur­gütern in Bergkarabach“ (343 E) ...........................................................................  331

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (2205 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Forstge­setz 1975 geändert wird (2264 d.B.) ......................................................................................  331

Redner:innen:

Michael Seemayer ....................................................................................................  331

Dipl.-Ing. Georg Strasser .........................................................................................  333

Peter Schmiedlechner ..............................................................................................  335

Clemens Stammler ...................................................................................................  337

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  339

Bundesminister Mag. Norbert Totschnig, MSc ......................................................  340

Andreas Kühberger ..................................................................................................  344

Alois Kainz ................................................................................................................  345


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 12

Dr. Astrid Rössler .....................................................................................................  347

Annahme des Gesetzentwurfes in 2264 d.B. .....................................................  349

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Bericht 2023 der Bundesregierung (III-1019/2265 d.B.) ...................  349

Redner:innen:

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ...............................................................................  349

Franz Leonhard Eßl ..................................................................................................  351

Peter Schmiedlechner ..............................................................................................  354

Clemens Stammler ...................................................................................................  360

Dietmar Keck ...........................................................................................................  361

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  363

Bundesminister Mag. Norbert Totschnig, MSc ......................................................  365

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................  371

Ing. Manfred Hofinger .............................................................................................  376

Dipl.-Ing. Olga Voglauer ..........................................................................................  378

Ing. Johann Weber ...................................................................................................  380

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „freiheitliches Entlastungspaket für die Landwirtschaft“ – Ablehnung ..............................................................  357, 382

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutz der Almwirtschaft vor dem Wolf“ – Ablehnung ..............................................................................................  373, 382

Kenntnisnahme des Berichtes III-1019 d.B. .......................................................  382

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 3603/A(E) der Abgeordneten Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringliche Erarbeitung einer Machbar­keitsstudie zur Wasserversorgung der Landwirtschaft und rasche


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 13

Forschung zu Wasserentnahmen wegen der drohenden Grundwasserkrise bis zum Jahr 2050 (2266 d.B.) ..............................................................................  382

Redner:innen:

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ...............................................................................  383

Irene Neumann-Hartberger ....................................................................................  384

Alois Kainz ................................................................................................................  387

Clemens Stammler ...................................................................................................  388

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................  389

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2266 d.B. hinsichtlich des Antrages 3603/A(E) ...............................................................................................  391

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2266 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „dringliche Erarbeitung einer Studie zur Wasserversorgung der Landwirtschaft und rasche Forschung zu Wasser­entnahmen wegen des steigenden Ausnutzungsgrades der Grundwas­serressourcen bis zum Jahr 2050“ (344/E) .........................................................  391

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (2204 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geändert werden (2251 d.B.) ..................................  391

13. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 3535/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ASFINAG-Gesetz geändert wird (2252 d.B.) ......................................................  392

14. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 3536/A der Abgeordneten Hermann Weratschnig, MBA MSc, Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (2253 d.B.) .....................  392


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 14

15. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1079/A(E) der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bemautung von Wohnmobilen mittels Vignette (2254 d.B.) ...........................  392

Redner:innen:

Alois Stöger, diplômé ...............................................................................................  392

Hermann Weratschnig, MBA MSc ..........................................................................  393

Andreas Ottenschläger ............................................................................................  396

Julia Elisabeth Herr ..................................................................................................  398

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  401

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  404

Franz Leonhard Eßl ..................................................................................................  407

Alois Schroll ..............................................................................................................  409

Rebecca Kirchbaumer ..............................................................................................  410

Klaus Köchl ...............................................................................................................  411

Hermann Gahr .........................................................................................................  413

Dietmar Keck ...........................................................................................................  415

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................  416

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 2251, 2252 und 2253 d.B. ..................  418

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2254 d.B. ..........................................  419

16. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 2628/A(E) der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Führen von Hunden von Fahrrädern aus (2255 d.B.) ....................  419

Redner:innen:

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................  419

Johann Singer ...........................................................................................................  420

MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................  421

Lukas Brandweiner ..................................................................................................  423


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 15

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2255 d.B. ..........................................  424

17. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3531/A der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirt­schaftsgesetz 2011 (GWG 2011), das Erdölbevorratungsgesetz 2012 und das Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) geändert werden (2239 d.B.) ...............................................................................................................  424

Redner:innen:

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................  424

Peter Haubner ..........................................................................................................  426

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  428

Alois Schroll ..............................................................................................................  430

Lukas Hammer .........................................................................................................  432

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  437

Tanja Graf .................................................................................................................  441

Mag. Dr. Petra Oberrauner .....................................................................................  443

Johann Höfinger ......................................................................................................  445

Annahme des Gesetzentwurfes in 2239 d.B. .....................................................  446

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 3607/A(E) der Abgeordneten Franz Hörl, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Weiterentwicklung der Erfolgsmessung im Touris­mus durch langfristige und zielgerichtete Erhebungen zur Tourismus­akzeptanz in der Bevölkerung (2223 d.B.) ..........................................................  448

19. Punkt: Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 3201/A(E) der Abgeordneten Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Guide Michelin in Österreich (2224 d.B.) ............................................................  448


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 16

Redner:innen:

Melanie Erasim, MSc ...............................................................................................  448

Franz Hörl .................................................................................................................  450

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................  454

Barbara Neßler ........................................................................................................  456

Maximilian Köllner, MA ...........................................................................................  458

Mag. Julia Seidl ........................................................................................................  460

Staatssekretärin Mag. Susanne Kraus-Winkler .....................................................  462

Thomas Spalt ............................................................................................................  464

Gabriel Obernosterer ...............................................................................................  466

Rebecca Kirchbaumer ..............................................................................................  469

Bettina Zopf .............................................................................................................  470

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2223 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „die Weiterentwicklung der Erfolgsmessung im Tourismus durch langfristige und zielgerichtete Erhebungen zur Tourismus­akzeptanz in der Bevölkerung“ (345/E) ...............................................................  473

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2224 d.B. hinsichtlich des Antrages 3201/A(E) ...............................................................................................  473

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2224 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Maßnahmen zur Steigerung der internationalen Sichtbarkeit des kulinarischen Angebots in Österreich“ (346/E) .....................  473

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2224 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Einführung des Guide Michelin in Österreich“ (347/E) ...  473

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Breiter zivilgesellschaftlicher Prozess für ein umfangreiches, neues ORF-Gesetz (3645/A)(E)


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Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vertrauensstelle vera* im Westen einrichten (3646/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prüfung der Türkei als sicheres Herkunftsland für Kurd:innen und Oppositionelle“ (3647/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prüfung der Türkei als sicheres Herkunftsland für Kurd:innen und Oppositionelle“ (3648/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verurteilung und Verbot autonomer Waffensysteme“ (3649/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bereitstellung von höheren finanziellen Mitteln für die KI-Grundlagenforschung“ (3650/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bereitstellung von höheren finanziellen Mitteln für die KI-Grundlagenforschung“ (3651/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend gender­spezifi­sche Auswirkungen in der Klima- und Energiepolitik ernstnehmen – Energy-Gender-Nexus! (3652/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klickarbeiter:innen vor Ausbeutung schützen“ (3653/A)(E)

Tanja Graf, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz geändert wird (3654/A)

Mag. Ernst Gödl, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz und das Arbeits- und Sozial­gerichtsgesetz geändert werden (3655/A)

Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft genehmigt und mit dem das Bundesgesetz hinsichtlich Begleitmaßnahmen zur Durchführung der


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Verordnung (EU) 2023/1781 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. September 2023 zur Schaffung eines Rahmens für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Halbleiter-Ökosystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2021/694 (Chip-Gesetz-Begleitmaßnahmengesetz) erlassen wird (3656/A)

Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Pensionsordnungen der Oesterreichischen Nationalbank geändert und das Bundesgesetz zur Änderung von Betriebspensionszusagen im Bereich der Austrian Airlines (AUA-Betriebspensions-Änderungsgesetz) erlassen wird (3657/A)

Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bundes­rechen­zentrum GmbH (BRZ GmbH) geändert wird (3658/A)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend humanitärer Waffenstillstand im Nahen Osten (3659/A)(E)

Lukas Hammer, Johannes Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz – KliBG) geändert wird (3660/A)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der Almwirtschaft vor dem Wolf (3661/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freiheitliches Entlastungspaket für die Landwirtschaft (3662/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Abschaffung der ORF-Zwangssteuer, mit dem das Bundesgesetz über die Erhebung eines ORF-Beitrags 2024 (ORF-Beitrags-Gesetz 2024), BGBl. I Nr. 112/2023, aufgehoben wird. (3663/A)


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Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendigung der Charmeoffensive gegenüber der Türkei und Verurteilung der völkerrechts­widrigen türkischen Militäroperationen (3664/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sanierung der Luegbrücke und Start des Projekts „Tunnel Lueg“ (3665/A)(E)

Dr. Reinhold Lopatka, Petra Bayr, MA MLS, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Terrorangriff der Hamas auf Israel (3666/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Rechnungshofes betreffend vom Beteiligungscontrolling erfasste Einheiten (16552/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Auslandsreise in die Türkei (16553/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Auslandsreise in die Türkei (16554/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Auslandsreise in die Türkei (16555/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Rückstellungen für AK-Wahlen auf Rekordniveau: Wo bleibt die Aufsicht, Herr Minister? (16556/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gleichbehandlungsbeauftragte im Innenministerium (16557/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Wofür wurde Geld


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 20

der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit in Palästina verwendet? (16558/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Maßnahmen gegen Menschenhandel (16559/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Maßnahmen gegen Menschenhandel (16560/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Ermittlungen zur Causa Riedl (16561/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungsgerichtshofes (16562/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungsgerichtshofes (16563/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungsgerichtshofes (16564/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungsgerichtshofes (16565/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungsgerichtshofes (16566/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungsgerichtshofes (16567/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 21

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungs­gerichtshofes (16568/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungsgerichtshofes (16569/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungs­gerichtshofes (16570/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungsgerichtshofes (16571/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungsgerichtshofes (16572/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungsgerichtshofes (16573/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungs­gerichtshofes (16574/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Folgen des COFAG-Urteils des Verfassungsgerichtshofes (16575/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bejubeln von Terror, antisemitische Parolen: Folgen für Einzelpersonen und Versammlungen? (16576/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 22

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Nachbesetzung von Kassenarztstellen im Bundesland Burgenland (16577/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Nachbesetzung von Kassenarztstellen im Bundesland Niederösterreich (16578/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Nachbesetzung von Kassenarztstellen im Bundesland Oberösterreich (16579/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Nachbesetzung von Kassenarztstellen im Bundesland Salzburg (16580/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Nachbesetzung von Kassenarztstellen im Bundesland Steiermark (16581/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Nachbesetzung von Kassenarztstellen im Bundesland Tirol (16582/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Nachbesetzung von Kassenarztstellen im Bundesland Vorarlberg (16583/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Nachbesetzung von Kassenarztstellen im Bundesland Wien (16584/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kooperationen mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA (16585/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 23

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Kooperationen mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA (16586/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Kooperationen mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA (16587/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kooperationen mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA (16588/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Kooperationen mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA (16589/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Koope­rationen mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA (16590/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Kooperationen mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA (16591/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Kooperationen mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA (16592/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kooperationen mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA (16593/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Kooperationen mit dem Meinungsforschungs­institut SORA (16594/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 24

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Kooperationen mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA (16595/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Kooperationen mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA (16596/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kooperationen mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA (16597/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Kooperationen mit dem Meinungsforschungs­institut SORA (16598/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend Kosten des Festspielsommers 2023 der Bundesregierung (16599/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Kosten des Festspielsommers 2023 der Bundesregierung (16600/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Kosten des Festspielsommers 2023 der Bundesregierung (16601/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten des Festspielsommers 2023 der Bundesregierung (16602/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Kosten des Festspielsommers 2023 der Bundesregierung (16603/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 25

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kosten des Festspielsommers 2023 der Bundesregierung (16604/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Kosten des Festspielsommers 2023 der Bundesregierung (16605/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Kosten des Festspielsommers 2023 der Bundesregierung (16606/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten des Festspielsommers 2023 der Bundesregierung (16607/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Kosten des Festspielsommers 2023 der Bundesregierung (16608/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Kosten des Festspielsommers 2023 der Bundesregierung (16609/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Kosten des Festspielsommers 2023 der Bundesregierung (16610/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Kosten des Festspielsommers 2023 der Bundesregierung (16611/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kosten des Festspiel­sommers 2023 der Bundesregierung (16612/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 26

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Kosten des Neuen Corporate Designs für das Bundesheer (16613/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Unterstützung der Initiative „Love Politics“ durch das ÖBH (16614/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schwarzlisten-Betrügerische Inkassoschreiben (16615/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Schwarzlisten-Betrügerische Inkassoschreiben (16616/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Neuerliche Anschläge von Linksextremisten auf Parteieinrichtungen der FPÖ Tirol an mehreren Standorten in Innsbruck (16617/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Europäisches Verbraucherzentrum: Hotel bucht nach Bezahlung nochmal Geld ab (16618/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend VKI-Test Eigenheim-Haushaltsversicherung: Große Unterschiede bei Prämienhöhe (16619/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Mehrwertsteuer-Senkung durch Diskonter Lidl (16620/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Finanzierung des Schienenverkehrs in den Landeshauptstädten durch den Bund (16621/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 27

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Fördergelder für die Anschaffung von vollelektrischen PKWs (16622/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Wie viel Klimabonus überweisen wir ins Ausland? (16623/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Primärversorgungs­zentren und Kassenarztstellen im Bundesland Tirol (16624/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Shrinkflation: Lebensmittel schrumpfen, Preise steigen – Gesetz wie in Frankreich gefordert (16625/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Aus für WAMS-Läden (16626/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Aus für WAMS-Läden (16627/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Die Energierechnung, die keiner versteht, sorgte für rekordhohe Beschwerden (16628/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Die Energierechnung, die keiner versteht, sorgte für rekordhohe Beschwerden (16629/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Die Energierechnung, die keiner versteht, sorgte für rekordhohe Beschwerden (16630/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 28

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Organisationsänderung (16631/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pharma­standort mit integrierter Standortpolitik stärken (16632/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend ÖÄK zum Finanzausgleich: Präventionsmedizin stärken (16633/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Photovoltaikanlagen auf Freiflächen (16634/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Photovoltaik­anlagen auf Freiflächen (16635/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Photovol­taikanlagen auf Freiflächen (16636/J)

Clemens Stammler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Umsetzung der „naBe“-Kriterien im Bereich Lebensmittel durch die Bundesbeschaffung GmbH (BBG) (16637/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Sperre von e-cards ohne Foto (16638/J)

Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend „Das Österreichische Bundesheer in Personalnot“ (16639/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 29

Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend „Evakuierungschaos in Israel“ (16640/J)

Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend „Panne bei der Evakuierung von Österreicher:innen aus Israel“ (16641/J)

MMag. Michaela Schmidt, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Ausbau der Eisenbahninfrastruktur im Bundesland Salzburg (16642/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend COFAG-Skandal: 20 Milliarden mittels rechtswidriger Konstruktion verteilt – Wann bekommen wir unser Geld von Benko&Co zurück? (16643/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (15467/AB zu 15991/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen (15468/AB zu 15996/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 30

09.06.13Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.06.14*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Sie ersuchen, Platz zu nehmen, und darf die Damen und Herren Abgeord­neten recht herzlich zur 235. Sitzung begrüßen, die ich damit für eröffnet erklären darf. Mein Gruß gilt auch den Damen und Herren der Journalistik, der Medien, den Besuchern hier auf der Galerie und den Zuseherinnen und Zusehern zu Hause vor den Bildschirmen.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA, Mag. Jörg Leichtfried, Sabine Schatz, Heike Grebien und Douglas Hoyos-Trauttmansdorff.

09.06.42Mandatsverzicht und Angelobung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, dass Abgeordneter Karl Schmidhofer auf sein Mandat verzichtet hat und an seiner Stelle Frau Mag.a Dr.in Juliane Bogner-Strauß in den Nationalrat berufen wurde.

Da der Wahlschein bereits vorliegt und die Genannte im Hause anwesend ist, werde ich sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die neue Abgeordnete die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten haben.

Ich darf Frau Schriftführerin Mag. Michaela Steinacker um die Verlesung der Gelöbnisformel ersuchen. – Bitte sehr.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 31

Schriftführerin Mag. Michaela Steinacker: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“ – Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß.

*****

(Abg. Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß leistet die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete, ich darf dich recht herzlich in unserer Mitte begrüßen. Dir ist ja das Hohe Haus nicht fremd. Ich freue mich, dass du hier Platz gefunden hast, und wünsche dir alles erdenklich Gute für deine politische Arbeit. (Allgemeiner Beifall.)

09.08.12Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher wird durch Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft Mag. Susanne Kraus-Winkler und Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner durch den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek vertreten.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhand­lungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 32

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 16552/J bis 16642/J

2. Anfragebeantwortungen: 15467/AB und 15468/AB

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Budgetausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2024 bis 2027 erlassen wird (Bundesfinanzrahmengesetz 2024 bis 2027 – BFRG 2024-2027) (2179 und Zu 2179 d.B.)

Budgetbegleitgesetz 2024 (2267 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundes­minister/die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie genehmigt wird (2269 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie genehmigt wird (2270 d.B.)

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Kontroll- und Digitalisierungs-Durchführungsgesetz erlassen wird sowie das Tierseuchengesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz geändert werden (2271 d.B.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 33

Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie:

Bundesgesetz über die erneuerbare Wärmebereitstellung in neuen Baulichkeiten (Erneuerbare-Wärme-Gesetz – EWG) (2268 d.B.)

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Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Klub der SPÖ hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 16643/J der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „COFAG-Skandal: 20 Milliarden mittels rechtswidriger Konstruktion verteilt – Wann bekommen wir unser Geld von Benko&Co zurück?“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weiters darf ich mitteilen, dass ein Fristsetzungsantrag des Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA vorliegt, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2897/A eine Frist bis zum 24. November 2023 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendi­gung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht.


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Wie üblich überträgt ORF 2 die Sitzung bis 13 Uhr, ORF III bis 19.15 Uhr. Daran anschließend wird die Sitzung in der TVthek übertragen. Auch die privaten Fernsehanstalten übertragen die Sitzung in Teilen.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 12 bis 15 sowie 18 und 19 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir haben in der Präsidialkonferenz einen Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Es wurde eine Tagesblockzeit von 9,5 „Wiener Stunden“ vereinbart. Es ergeben sich daraus folgende Redezeiten: 185 Minuten für die ÖVP, 128 für die SPÖ, 105 für die FPÖ, 95 für die Grünen und 76 für die NEOS. Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, 38 Minuten und die Debattenredezeit wird auf 5 Minuten beschränkt.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist nunmehr einstimmig.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

09.10.511. Punkt

Erste Lesung: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2024 (Bundesfinanzgesetz 2024 – BFG 2024) samt Anlagen (2178 d.B.)



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu Tagesordnungspunkt 1.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Wöginger. Das Wort steht bei ihm. – Bitte.


9.11.12

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Bei Budgetdebatten ist es ja so, dass sehr stark zum Ausdruck kommt, dass der Standort den Standpunkt bestimmt – das ist seit Jahrzehnten so. Die Regie­rungs­parteien loben das Budget natürlich und heben die positiven Elemente besonders hervor. Die Opposition übt natürlich Kritik am Budget – das ist bei diesen Debatten so. Vielleicht ist es aber möglich, dass man in dieser Generaldebatte auch die positiven Seiten bewertet, weil sie in diesem Budget zweifelsohne auch enthalten sind. (Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Es ist ein Budget, das der Situation, in der wir uns befinden, angepasst ist. Es ist ein Budget, das den Wohlstand sichert und die Zukunft gestaltet. Daher würde ich als Erstredner einfach appellieren, auch die positiven Elemente in diesem Budget so zu bewerten, wie sie sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir setzen die Entlastungsmaßnahmen fort, die wir in den letzten Jahren – muss man schon sagen – gesetzt haben. Es besteht die Situation, dass es eine hohe Inflation gibt, aber sie geht Gott sei Dank stark zurück. Wir liegen derzeit bei 6 Prozent. Der Arbeitsmarkt ist robust und stabil. Es gibt nach wie vor 200 000 offene Stellen. Die Kaufkraft der Menschen wurde gestärkt wie beinahe in keinem anderen Land der Europäischen Union, und die Realeinkommen sind deutlich gestiegen.

Das hängt natürlich auch mit der Inflation zusammen, denn dann, wenn die Leute einkaufen können, ist natürlich auch die Inflation höher, weil die


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Nachfrage gegeben ist. Daher wollen wir uns auch nicht mit Ländern wie Spanien vergleichen, wo die Kaufkraft deutlich gesunken ist und es daher natürlich auch eine niedrigere Inflation gibt – aber davon haben die Menschen nichts, weil wichtig ist, dass die Kaufkraft erhalten bleibt.

Dass auch die Einkommen klar gestiegen sind, sagt auch die Statistik des Budgetdienstes des Hauses, bei dem ich mich ausdrücklich bedanken möchte, auch für die Bereitstellung dieser wichtigen Unterlagen. In diesen ist eindeutig ersichtlich, dass die Realeinkommen im kommenden Jahr deutlich steigen, sogar über den Inflationswert steigen. Das heißt, dass diese Maßnahmen auch greifen, und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein Meilenstein, der im Budget festgeschrieben ist, ist die Abschaffung der kalten Progression – ein sperriges Wort. Das ist die schleichende Steuer­erhöhung, die seit Jahrzehnten diskutiert wird. Wir haben sie jetzt abgeschafft, und zwar zur Gänze, auch wenn die Bundesregierung das eine Drittel festlegt, aber bei diesem sind auch mehr als die Hälfte auf die Tarife gegangen.

Bisher war es noch so, dass man bis zu einem Jahreseinkommen von 11 600 Euro keine Steuer bezahlt. Im kommenden Jahr werden es 12 800 Euro sein, für die man keine Steuern zahlt, da diese Tarifgrenzen in unserem progressiven Steuersystem angepasst werden. Bei einem Jahreseinkommen von rund 40 000 Euro bedeutet die Abschaffung der kalten Progression, 1 000 Euro mehr in der Brieftasche zu haben. Das ist die Erklärung dafür. Wir nehmen das Geld nicht mehr ein, sondern wir belassen es bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. (Abg. Scherak: Endlich!) Das ist sozial gerecht und auch fair, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die kalte Progression macht im kommenden Jahr 3,6 Milliarden Euro aus. Wir haben die Familien- und Sozialleistungen valorisiert. Ich nehme immer folgendes Beispiel her, weil ja eine große Tageszeitung in Österreich vor wenigen Monaten getitelt hat, eine vierköpfige Familie brauche 4 000 Euro mehr zum


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Leben. Das ist damals aufgrund einer Arbeiterkammerstudie sozusagen bekannt gegeben worden.

Das ist richtig, das wird auch so sein. Wir haben das also an dem Beispiel einer vierköpfigen Familie – ein Pfleger, eine Lehrerin mit einem durch­schnittlichen Einkommen, zwei Kinder von acht und elf Jahren – nachgerechnet: Wenn man die Gehaltserhöhungen, die ja für das heurige Jahr gut ausgefallen sind, und die gesamten Entlastungsmaßnahmen inklusive Valorisierung der Familienleistungen zusammenrechnet, bleiben dieser Familie 4 642 Euro netto mehr im heurigen Jahr. Das bedeutet bei 4 000 Euro Mehrausgaben und 4 600 Euro, die wir mit den Maßnahmen erwirkt haben – vor allem auch die Kollektivvertragspartner, denen auch der Dank gilt –: Es wurden mehr als die Mehrausgaben abgegolten. Das ist die Situation, die es bei uns im Land gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Gestern haben wir die Pensionsanpassungen beschlossen, 9,7 Prozent. Das ist der errechnete Wert. Das sind also fast 10 Prozent Plus bei den Pensionen. Wir haben in den letzten Jahren vor allem auch die untersten Einkommen stärker gestärkt, auch im Bereich der Pensionen. Wenn man bei den Mindestpensionen das letzte Jahr und das heurige Jahr zusammenzählt, entspricht das einer Erhöhung von über 20 Prozent, die sockelwirksam ist – das sind nicht Einmalzah­lungen, sondern wir haben die Ausgleichszulagenrichtsätze um mehr als 20 Prozent angehoben.

Vor allem investieren wir mit diesem Budget in die Zukunft. 20 Milliarden Euro sind Zukunftsausgaben im Bereich Wissenschaft und Forschung (Abg. Loacker: 30 Milliarden sind Pensionsausgaben!), im Bereich der Halbleitertech­nologie, im Bereich der Sicherheit – es werden im Bereich Polizei und Bundesheer zusätzliche Gerätschaften angeschafft –, in den Bereichen Kinder­betreuung, Transformation und Klimaschutz.

Ich möchte da ein Beispiel bringen, weil ich der Meinung bin, dass das wichtig ist, dass wir das seitens der Bundesregierung auch machen. Es wird 1 Milliarde


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Euro für den sogenannten Heizkesseltausch zur Verfügung gestellt. Die Förde­rung wird auf 75 Prozent angehoben. Das bedeutet, wenn man in einem Einfamilienhaus auf Luftwärmepumpe umstellt, werden bei einem Kostenrahmen von 25 000 Euro in Zukunft 18 750 Euro Förderung bereitgestellt; das sind 75 Prozent der Kosten.

Das heißt, das ist ein Anreiz und es ist zugleich auch ein Konjunkturpaket, wenn wir diese Unterstützungsmaßnahmen setzen. Das ist daher eine Sache, mit der wir den Klimaschutz unterstützen, mit der wir ihn vorantreiben. Wir haben uns in der Bundesregierung darauf verständigt, das auch umzusetzen. 75 Prozent Förderung für den Tausch von Öl- und Gasheizungen – daher auch ein Appell an die Bevölkerung, das zu tun. Das Geld ist bereitgestellt, es ist im Budget abgesichert. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es sind überhaupt stärkende Konjunkturmaßnahmen von rund 3 Milliarden Euro im Budget beinhaltet. Ich nenne nur einige Beispiele: Gebäudesanierung mit 200 Millionen Euro; die Fotovoltaikanlagen werden wir in Zukunft so regeln, dass die Mehrwertsteuer einfach wegfällt. Das ist Bürokratievereinfachung, denn es ist leichter für die Menschen, einfach die Steuer nicht zu bezahlen, anstatt sich bei den Calls anstellen zu müssen, damit sie einen Förderbetrag bekommen. Das ist eine Bürokratievereinfachung. Viele Menschen haben sich das gewünscht, die Regierung hat geliefert. Wir setzen das um. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Öffentliche Bauprojekte werden vorgezogen – 640 Millionen Euro –, und der Energiekostenzuschuss in der Höhe von 3 Milliarden Euro für die Betriebe, der eine enorme Bedeutung hat, damit Standort und Arbeitsplätze gesichert werden, ist fertig ausverhandelt und ist in diesem Budget auch abgebildet. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu guter Letzt gibt es den Finanzausgleich für Länder, Städte und Gemeinden, den der Herr Bundesminister erfolgreich zu Ende verhandelt hat. Finanz-


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ausgleichsverhandlungen sind immer mühsam, weil sehr viele Interessenver­treter an einem Tisch sitzen. Es ist ein großes Projekt, bei dem die Landeshauptleute von ÖVP und SPÖ und auch wir in der Bundesregierung mit dem Städte- und Gemeindebund eine Lösung gefunden haben: 3,4 Milliarden Euro mehr pro Jahr, 2,4 Milliarden Euro frisches Geld für die Spitalsfinanzierung (Abg. Meinl-Reisinger: „Frisches Geld“?! Was ist „frisches Geld“?), für die Weiterfinanzierung der Maßnahmen in der Pflege, für die Kinderbetreuung, für Wohnraumschaffung und auch für ökologische Maßnahmen im Bereich von Gebäudesanierung.

Das ist das, was die Einigung in diesem Finanzausgleich ausmacht: Das sind Zukunftsinvestitionen, und daher gibt es auch diesen Zukunftsfonds mit 1,1 Milliarden Euro. Das Geld wird bei den Gemeinden und bei den Städten ankommen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Dort muss es auch hin, weil dort die Ausgaben zu tätigen sind, gerade auch im Bereich der Kinderbetreuung, auch im Bereich von Pflege- und Spitalsfinanzierung. Es ist ein Abschluss, der sich sehen lassen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Österreich ist ein starkes Land und es steht besser da, als es von vielen – auch öffentlich – bewertet wird. Wir entlasten die Menschen mit diesem Budget weiterhin. Wir investieren in die Zukunft und wir sichern dadurch auch den Wohlstand für die Menschen. Schlechtreden und Krankjammern bringt nichts. Österreich ist ein Land, das immer wieder auch gestärkt aus den Krisen hervorgegangen ist. Daher ist mit diesem Budget durchaus Optimismus angesagt. Wir können mit Fug und Recht an dieses Land und an die Menschen glauben. Daher: Glaub an Österreich, glaub an das Land und seine Menschen! (Abg. Kassegger: ... an die Regierung!) Es ist ein Budget, das Österreich auch weiterhin in eine gute Zukunft bringen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Kann eh nur noch besser werden!)

9.20



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Kucher. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


9.20.54

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Kollege Wöginger, Schlechtreden und Krankjammern bringt wenig – aber Schönreden und Nichtstun bringt noch weniger! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist die Folge, die in Österreich jetzt vor allem die Menschen zu tragen haben: Hunderttausende Menschen in Österreich, die sich das tägliche Leben einfach nicht mehr leisten können, die sich heute in der Früh, während sie die Kinder zur Schule bringen, Sorgen machen, wie sie vielleicht in Zukunft das Haus finanzieren werden, wie es mit ihrem Arbeitsplatz weitergehen wird. Wir stehen in Österreich vor einer ganz, ganz schwierigen Situation, und die Verant­wortung dafür trägt schon auch die österreichische Bundesregierung, denn zwei Jahre lang hat man uns bei jedem Vorschlag, den wir gebracht haben, immer erzählt: Dagegen kann man nichts machen.

Während man in der Schweiz die Mieten gedeckelt hat, hat man uns in Öster­reich ausgerichtet: Dagegen kann man nichts machen. Während man in anderen Ländern die Lebensmittelpreise gesenkt hat, hat man uns ausgerichtet: Dagegen kann man nichts machen. Als man in Frankreich die Zinsen reguliert hat und dafür gesorgt hat, dass die Sparer ein bisschen Geld auf das Sparbuch bekommen und die Häuslbauer sich das Haus weiterhin leisten können, hat uns die Regierung ausgerichtet: Dagegen kann man nichts machen. (Abg. Michael Hammer: Ihr habts die Häuslbauersteuer!) Das ist die Folge, vor der wir heute stehen: Einmalzahlungen, die verpufft sind, Milliardenschulden – und die Leid­tragenden sind die Menschen in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese werden im Moment doppelt zur Kasse gebeten: jeden Tag beim Einkaufen, an der Kasse im Supermarkt, an der Tankstelle, bei den Kosten für die Heizung, fürs Wohnen, fürs tägliche Leben – all das trägt die breite Masse


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der österreichischen Bevölkerung. Zusätzlich hat man ihnen jetzt einen gigan­tischen Schuldenrucksack von 20 Milliarden Euro allein im Jahre 2023 umgehängt. 20 Milliarden Euro Schulden! (Abg. Strasser: Das war aber noch nie ein Problem bei euch!) Deswegen ist, glaube ich, Herr Finanzminister, der treffende Titel – die Überschrift, die Sie für Ihr Budget hätten wählen sollen, das wäre ehrlich gewesen –: Hinter uns die Sintflut! – Das ist die treffende Überschrift für das schwarz-grüne Budget. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Ich finde, es wäre ehrlich, wenn wir heute offen aussprechen, was der breiten Masse der Bevölkerung in Österreich in den nächsten Jahren drohen wird: ob in Zukunft die breite Masse der Bevölkerung zur Kasse gebeten wird (Abg. Schnedlitz: Keine Sorge, der Babler kommt eh ned!) oder ob diejenigen, die es sich leisten können – Konzerne und Multimillionäre –, in Zukunft ihren fairen Beitrag leisten werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben heute die Chance – alle Parteien werden sich zu Wort melden, es wird viele Ankündigungen und Versprechungen geben –, ganz genau zuzuhören: Wird die breite Masse der Bevölkerung zur Verantwortung gezogen, wird sie für das Versagen der Regierung zur Kasse gebeten werden (Abg. Voglauer: Was ist dein Vorschlag? – Abg. Disoski: Also wir machen nichts ...?) oder werden wir in Österreich ein gerechtes Steuersystem mit dem Ziel, dass es allen Menschen in diesem Land gutgeht, umsetzen? – Das ist der wahre Inhalt der heutigen Debatte. (Abg. Hanger: Ja, ja! – Zwischenruf der Abg. Rausch-Amon. – Ruf bei der ÖVP: 32 Stunden arbeiten!) Sie werden viele Wortmeldungen erleben.

Die Wahrheit darüber, was ÖVP und Grüne als Gerechtigkeit empfinden, haben wir gestern beim Budget erlebt. 13 Milliarden Euro höhere Steuern für Pensionistinnen und Pensionisten, für die Menschen (Abg. Maurer: Wovon reden Sie denn?), die unser Land mit ihrer Arbeit am Laufen halten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strasser: Was für ein Unsinn! – Abg. Steinacker: ... das nicht machen! Hallo! – Abg. Strasser: So ein Blödsinn! Das ist ja eine Krainer-Rechnung! Philip! Ein


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so ein Unfug! – Abg. Steinacker: Lass dich nicht so hineintheatern! – Abg. Krainer: ... PR-Text!)

13 Milliarden Euro höhere Steuern in den nächsten Jahren, und gleichzeitig – das ist euer Gerechtigkeitsbegriff! – werden Konzerne in den nächsten Jahren 13 Milliarden Euro weniger zahlen. Das ist Gerechtigkeit aus der Sicht von Schwarz und Grün. (Abg. Strasser: Das ist ja dem Krainer seine Budgetrede! – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Was ist das für ein Unsinn?! – Abg. Michael Hammer: Das ist ja ein Witz!)

Es ist kein Zufall, dass die ÖVP in den letzten Tagen schon begonnen hat, Schuldige für dieses Budgetdesaster zu finden. Die Schuldigen, das ist nicht das schlechte Krisenmanagement der österreichischen Regierung, nein! Schuld sind aus Sicht der ÖVP und ihrer Thinktanks die Pensionistinnen und Pensionisten (Heiterkeit und Widerspruch bei Abgeordneten der ÖVP – Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!), weil die Pensionen viel zu hoch sind. Die Debatte hat in den letzten Tagen schon begonnen. (Ruf bei der ÖVP: Ja wo? – Abg. Steinacker: Philip! – Ruf bei der ÖVP: Das darf doch nicht wahr sein!) Die Pensionistinnen und Pensionisten sind plötzlich dafür verantwortlich, dass ihr nicht in den Markt eingegriffen habt. Das sind die Meinungen, die in den letzten Tagen aus dem Umfeld der ÖVP gestreut wurden. (Abg. Strasser: Was willst? – Abg. Michael Hammer: Lei-lei! – Abg. Strasser: Wo ist die Quelle? – Abg. Steinacker: Fakten­be­freit!)

Wenn wir nur ein wenig in die Zukunft sehen – wir haben das alles schon einmal erlebt –: Die breite Masse der Bevölkerung wird dann zur Kasse gebeten, wenn die Blauen und die Schwarzen sich wieder auf ein Packl hauen. Das haben wir in Österreich alles schon einmal erlebt. (Ruf bei der ÖVP: Der hat echt schlecht geschlafen heute!) Der kleine Mann ist von Herbert Kickl immer wieder als Allererstes über den Tisch gezogen worden. – Du bist immer dabei gewesen, wenn es darum gegangen ist, die Menschen, die ohnehin vermögend sind, zu schützen und den kleinen Mann in Wahrheit auszusackeln. Wir haben es


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erlebt: bei den Ambulanzgebühren, bei den Rezeptgebühren, beim Pen­si­onsraub. Unter Wolfgang Schüssel bist du daneben gesessen, hast den Menschen eingeredet, dass das alles sehr fair war. Die FPÖ war in dieser Frage immer ganz vorne mit dabei. Das ist die freiheitliche Politik, die in Österreich droht. (Abg. Kickl: Wirst du nach deiner Politkarriere auch zum Klassen­feind?)

Ihr seid die einzige Partei, die buckeln wird und bei der ÖVP mit dabei ist. Die breite Masse der Bevölkerung wird zur Kasse gebeten. Das hat nichts mit einem Volkskanzler zu tun, lieber Herbert Kickl (Abg. Kickl: Die Leute wissen es besser!), wenn du die breite Masse der Bevölkerung zur Kasse bittest – die Menschen, die hohe Steuern zahlen – und der Erste warst, der gemeinsam mit Sebastian Kurz und H.-C. Strache die Konzernsteuern massiv gesenkt hat. Diese Gelder fehlen uns heute. Die Gelder fehlen uns heute im Gesundheitssystem, im Bildungssystem, wenn es um unsere Kinder geht. Da wäre das Geld besser aufgehoben. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht vom kleinen Mann, von der kleinen Frau reden und die breite Masse der Bevölkerung zur Kasse bitten! Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass es allen Menschen in diesem Land gut geht. Es ist eine ganz dramatische Zeit, in der viele, viele Menschen wirklich unter der Teuerung leiden.

Ich darf alle noch einmal bitten: Hören Sie ganz genau zu, was die Vorschläge der politischen Parteien sein werden (Abg. Steinacker: Das ist ein guter Vorschlag, dass sie genau zuhören sollen, oder?), ob dafür gekämpft wird, dass es der breiten Masse der Bevölkerung gut geht, ob wir mehr Gerechtigkeit zustande bringen, ob die Menschen, die auch mehr schultern können, in Zukunft einen fairen Beitrag leisten oder ob weiterhin die breite Masse der arbeitenden Bevölkerung mit hohen Steuern und hoher Mehrwertsteuer zur Kasse gebeten wird. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Und die Genossen spekulieren auf Teufel komm heraus mit Grundstücken! Der Sprecher der Grundstücks­speku­lantenpartei! – Abg. Wöginger: Das Renner-Institut dürft ihr umbesetzen, ja! – Abg. Michael Hammer: Der Mitarbeiter, der die Rede geschrieben hat: den kündigen!)

9.26



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fuchs. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


9.27.08

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Hohes Haus! Geschätzte Österreiche­rinnen und Österreicher! Vorweg einmal zum Kollegen Philip Kucher (Ruf bei der SPÖ: Sehr gute Rede!): Ich glaube, es wäre vernünftiger, wenn du dich einmal um eure Schrebergartengeschichten kümmern würdest (Ruf bei der SPÖ: Schlechte Rede!), Umwidmungssteuern und so weiter. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeord­neten von ÖVP und NEOS. – Abg. Kucher: Keine Sorge! – Zwischenruf bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: Das heißt ertappt, wenn man so antwortet darauf!)

Wir sind auf einem richtigen Weg. Ich glaube, die Umfragen zeigen, dass wir glaubwürdig sind und die SPÖ absolut nicht glaubwürdig ist. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schroll: ... Patientenmilliarde im Budget!)

„Mit Optimismus für Österreich. Wohlstand erhalten. Zukunft gestalten.“ lautete das Motto Ihrer gestrigen Budgetrede, Herr Finanzminister. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Ich habe mir die Rede sehr gut angehört, und eigentlich wäre folgendes Motto passender gewesen: Wohlstand zerstören, Zukunft verbauen und Steuergeld verschwenden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Dieses ambitionslose Budget ist das Endergebnis einer unfähigen Bundes­regierung, die bei der Bevölkerung jegliche Glaubwürdigkeit verloren hat und Gott sei Dank nächstes Jahr endlich Geschichte sein wird. Das gesamt­staatliche Defizit beziehungsweise die Haushaltsentwicklung seit 2020 ist ein Spiegelbild der Unfähigkeit dieser schwarz-grünen Bundesregierung. Das multiple Versagen dieser Bundesregierung bei der Coronapolitik, bei der Sanktionspolitik, bei der Asylpolitik und bei der Inflationsbekämpfung kostet die Steuerzahler und die zukünftigen Generationen viele Milliarden Euro. Herr


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Finanzminister, Generationengerechtigkeit sieht anders aus. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Die multiplen Krisen sind aber nicht vom Himmel gefallen, sondern wurden von dieser schwarz-grünen Bundesregierung zum Teil verursacht, aber zum Teil auch verschärft. Durch die nicht evidenzbasierten Corona-Lockdownphasen hat diese Bundesregierung die Wirtschaft massiv und nachhaltig beschädigt. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Durch die unvernünftige Sanktionspolitik hat diese Bundesregierung eine Energiekrise verursacht (Abg. Krainer: Geh bitte, jetzt wird’s lächerlich!), welche die Teuerung massiv anheizt, und damit den Wohlstand und die Wirtschaft in Österreich vernichtet. (Beifall bei der FPÖ.)

Seit Sommer 2022 liegt die Inflationsrate in Österreich immer über dem EU-Durchschnitt und dem Eurozonendurchschnitt, und die schwarz-grüne Bundes­regierung – Klubobmann Wöginger hat es heute wieder getan – behauptet immer noch, dass wir gut durch die Krise gekommen sind (Abg. Steinacker: Weil es stimmt!) und Spitzenreiter in der EU bei der Inflationsbekämpfung sind. – Ja, diese Bundesregierung ist Spitzenreiter beim Geldausgeben und beim Schuldenmachen. Das ist Geld, das bei der Bevölkerung nie ankommt. Das Versagen dieser Bundesregierung bei der Inflationsbekämpfung stürzt die einkommensschwachen Haushalte in existenzielle Probleme, und der Finanz­minister redet immer noch von kräftig steigenden Realeinkommen – unfass­bar! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Gut durch die Krise gekommen, Herr Finanzminister, sind wir erst dann, wenn diese Bundesregierung abgewählt wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist aber nicht alles. Zum Abgang dieser schwarz-grünen Bundesregierung greifen beide Parteien nochmals sehr tief in die Tasche der Steuerzahler und der zukünftigen Generationen, aber nicht um eine sinnvolle und nachhaltige


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Budgetpolitik zu betreiben, sondern um die jeweilige schwarze und grüne Klientel zu befriedigen – das sind wahrscheinlich die kräftig steigenden Realeinkommen, die Sie in Ihrer gestrigen Budgetrede angesprochen haben.

Sowohl die ÖVP als auch die Grünen erhalten mit diesem Budget einen Frei­brief zum Geldausgeben zulasten der Steuerzahler und der zukünftigen Generationen. (Zwischenruf des Abg. Schwarz.) Getarnt wird diese schwarz-grüne Klientelpolitik als sogenanntes Konjunkturpaket. In Wahrheit ist es aber das Spielgeld des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers, die unser schönes Österreich heruntergewirtschaftet haben, und das mit Ihrer Unterstützung, Herr Finanzminister.

Sogar die Indexierung der Sozialleistungen und die angebliche Abschaffung der kalten Progression müssen als Konjunkturbelebungsmaßnahme herhalten (Abg. Meinl-Reisinger: Strukturelle Maßnahme!), obwohl wir diese Maßnahme bereits 2022 hier im Hohen Haus beschlossen haben. Auch die KöSt-Senkung haben Sie in Ihrer gestrigen Budgetrede wieder erwähnt, auch diese Maßnahme haben wir bereits 2022 beschlossen. (Abg. Wöginger: Ja eh! – Abg. Haubner: Aber sie greift halt jetzt erst!) – 2022 haben wir das beschlossen, Herr Kollege. (Rufe bei der ÖVP: Aber tritt ja jetzt in Kraft! – Abg. Wöginger: Hallo!) Und überhaupt hat diese Maßnahme ihren Ursprung im blau-schwarzen Ministerratsvortrag vom 1. Mai 2019, Herr Finanzminister. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Also doch gut, oder? – Abg. Kickl: Eigenleistung: null! – Abg. Michael Hammer: Ein Ministerratsvortrag ist kein Gesetz!)

In Ihrer gestrigen Budgetrede haben Sie mindestens zehnmal die angebliche Abschaffung der kalten Progression erwähnt. Wie oft wollen Sie die angebliche Abschaffung der kalten Progression medial noch verkaufen, Herr Finanz­minister? (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Hören Sie endlich auf, zu behaupten, dass sich die Arbeitnehmer durch die Abschaffung der kalten Progression etwas ersparen! (Abg. Schwarz: 3,5 Milliarden!) In Wirklichkeit ersparen sich die Arbeitnehmer gar nichts, es wird


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ihnen nur weniger weggenommen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) Herr Finanzminister, eine Bank erspart sich auch nichts, wenn sie nicht überfallen wird. (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ und NEOS sowie Heiterkeit des Abg. Taschner. – Abg. Scherak: Die Frage ist: Wer ist der Bankräuber?)

Außerdem, Herr Finanzminister, wissen Sie ganz genau, dass die kalte Progression noch immer nicht zur Gänze abgeschafft wurde. Beim Urlaubsgeld und beim Weihnachtsgeld bereichern Sie sich immer noch ganz ungeniert mithilfe der kalten Progression. (Abg. Wöginger: ...besteuerung, Herr Staatssekre­tär!) Der diesbezügliche Freibetrag von 620 Euro und die Freigrenze von 2 100 Euro sind seit 1988 unverändert. Auch die beim Urlaubsgeld und beim Weihnachtsgeld vorgesehenen Tarifstufen im § 67 EStG sind seit 2012 unverändert.

Im Übrigen müssen auch das Pendlerpauschale und das amtliche Kilometergeld endlich valorisiert werden. Das Pendlerpauschale wurde seit 1.1.2011, abgesehen von der befristeten Mini-Erhöhung, nie erhöht. Auch das amtliche Kilometergeld in Höhe von 42 Cent wurde seit 1.7.2008, also seit mehr als 15 Jahren, nie erhöht. Wir haben da einen dringenden Handlungsbedarf, um die Arbeitnehmer und die Pendler zu entlasten. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Abkassieren der österreichischen Bevölkerung muss endlich ein Ende haben, Herr Finanzminister. Sie haben zwar in Ihrer gestrigen Rede behauptet, dass Sie gegen neue Steuern sind, führen dann aber trotzdem ganz ungeniert neue Steuern ein oder erhöhen bestehende Steuern. Sie haben die NoVA erhöht, Sie haben die CO2-Strafsteuer eingeführt (Ruf bei der FPÖ: Danke! – Ruf bei den Grünen: Bitte!), Sie haben die kalte Progression nicht zur Gänze abgeschafft (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja nicht!) und Sie führen eine ORF-Zwangssteuer ein. Und Sie sind gegen neue Steuern? – Das glaubt Ihnen ja kein Mensch, Herr Finanzminister. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Das geht sich nicht aus!)


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Sie sind der größte Krisenprofiteur dieser Zeit. Sie kassieren nicht nur aufgrund der nicht zur Gänze abgeschafften kalten Progression, sondern auch 3 Milliarden Euro Mehreinnahmen bei der Umsatzsteuer, und das allein für das Jahr 2024.

Unter Berücksichtigung der Ermächtigungen wird diese Bundesregierung mit rund 25 Milliarden Euro das größte Budgetdefizit aller Zeiten erwirtschaften. Seitdem es diese schwarz-grüne Bundesregierung gibt, wurden die Maastricht­kriterien noch nie eingehalten, und sie werden auch im Jahr 2024 nicht eingehalten werden.

Das definitive Versagen und die Unfähigkeit dieser Bundesregierung beweist die Schuldenquote für 2024 bis 2027. Herr Finanzminister, trotz eines massiven inflationsbedingten BIP-Anstiegs und des damit verbundenen BIP-Nenner-Effekts sind Sie nicht in der Lage, die Schuldenquote zu reduzieren. Da reden wir noch gar nicht von einem Zurückzahlen von Schulden. Das ist ein Nicht genügend, Herr Finanzminister. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Doppelbauer.)

Herr Finanzminister, Verantwortung für Österreich sieht anders aus. Je schneller wir Neuwahlen haben, desto besser ist es für das Land und desto besser ist es für die Steuerzahler. Es wird höchste Zeit für einen Volkskanzler Herbert Kickl. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

9.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Maurer. – Bitte.


9.37.11

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Rednerin hält inne. – Abg. Belakowitsch: Sie sind schon wieder sprachlos!) – Ja, die Kollegin sagt es richtig. (Abg. Belakowitsch: Da ist der Sessel, kein Problem!) Die Debatte hier und das, was hier behauptet wird, ist so abstrus weit entfernt von Fakten, dass ich tatsächlich nicht weiß, was ich darauf


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antworten soll. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kickl: Dann setzen Sie sich wieder nieder! – Abg. Kucher: 20 Milliarden Schulden! 20 Milliarden! – Abg. Scherak: Macht die Regierung keine 20 Milliarden Schulden?)

Also ich empfehle den Zuseher:innen: Schauen Sie sich an, was die Wirt­schaftsforscher:innen dazu sagen. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, was sagen sie? Die zerreißen euch doch ...! – Abg. Holzleitner: Dass die Zukunftsvision fehlt!) Was sagen seriöse Institute zu diesem Budget? Was sagt der Budgetdienst zu diesen Dingen? (Abg. Meinl-Reisinger: Keine Zukunfts-, keine Strukturreformen! – Abg. Holzleitner: Keine Zukunftsinvestitionen! – Abg. Loacker: Was sagt das IHS?)

Dass jetzt die Sozialdemokratie als das große Problem einerseits entdeckt, dass das Defizit zu hoch sei, und dass andererseits aber alles, was wir ausgeben, nichts ist (Abg. Loacker: Was sagt das IHS zu den Pensionen?): Das geht in meinem Kopf nicht zusammen (Abg. Amesbauer: Ja, das glaube ich, das ist aber Ihr Problem!), wie solche Behauptungen zusammenpassen sollen (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP), es ist einfach Blödsinn. (Abg. Loacker: Wenn das in deinem Kopf nicht zusammengeht, dann ...! – Ruf bei der FPÖ: Das ist nicht Ihr Problem, sondern ein Problem der Österreicher!)

Ich komme zu meiner Rede. (Abg. Belakowitsch: Haben Sie doch was zu reden?) Die Wirtschaft trübt sich ein, wir wissen es, die Prognose schaut nicht gut aus. In anderen Ländern wird beim Klimaschutz zurückgeschraubt (Abg. Belakowitsch: Aber die vorgeschriebene Rede ist langweilig!), schauen Sie nach Großbritannien, schauen Sie nach Frankreich. Immer öfter greifen Rechte, Rechtsextreme die Demokratie und den Rechtsstaat an. (Oh-Ruf des Abg. Amesbauer. – Neuer­licher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das ist besonders dort sichtbar, wo sie in Regierungen sind: in Ungarn (Abg. Krainer: In Österreich!), in Polen noch – vielleicht ändert sich das, hoffentlich –, in Rumänien. (Abg. Krainer: In Österreich! – Abg. Amesbauer: Wie sagen wir jetzt: Terrorwarnstufe wegen Rechtsextremen?)

Es ist nachvollziehbar, dass sehr viele Menschen große Sorgen bezüglich ihrer Zukunft haben (Ruf bei der FPÖ: Hat die ÖVP schon einen Job bereit?) und


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fürchten, dass vieles schlechter wird. In solchen Momenten kann man den Kopf in den Sand stecken, wie es andere tun, oder die Sorgen und Ängste der Menschen missbrauchen und Verunsicherung stärken und Hass schüren, wie das manche in diesem Haus hier machen, oder man kann sich dazu entscheiden, die Ärmel hochzukrempeln und zu arbeiten (Abg. Belakowitsch: Krempeln Sie einmal!) und den Menschen Mut und Zuversicht zu geben. (Beifall bei den Grünen.)

Genau das tun wir. Wir sind in die Politik gegangen, um den Menschen das Leben leichter zu machen (Abg. Kickl: Ui! Das ist kräftig danebengegangen!), die Herausforderungen unserer Zeit anzugehen. Dafür nehmen wir auch im vierten Jahr dieser Regierungsbeteiligung wieder ordentlich Geld in die Hand, weil es uns eben nicht wurscht ist. (Beifall bei den Grünen.)

Dieses Budget (Abg. Amesbauer: Sie wirken äußerst unsicher!), dieses Budget zeigt einmal wieder: Es macht einen Unterschied, wenn die Grünen mitregieren. (Abg. Belakowitsch: Ihre Körperhaltung ...!) Klimaschutz gibt es nur mit den Grünen. Eine starke und unabhängige Justiz gibt es nur mit den Grünen. (Abg. Belakowitsch: Ach so!) Ein starkes, dichtes soziales Netz gibt es nur mit uns. (Abg. Belakowitsch: Soziales Netz, haben Sie das gelesen? ...!) Nachhaltige Investitionen in die Wirtschaft, die gibt es mit den Grünen. (Abg. Scherak: Ein riesiges Budgetloch gibt es mit den Grünen!)

Wir legen heute ein Klimabudget vor, das mit den Füßen fest auf dem Boden unserer Zeit steht, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern, und den Blick in die Zukunft richtet, um uns auf das Morgen vorzubereiten. (Abg. Krainer: Energiekostenzuschuss zwei ist nachhaltig? Selektive Wahrnehmung!)

Es gibt – es ist bereits erwähnt worden – in diesem Budget 75 Prozent För­derungen für den Heizungstausch, weil wir die Dekarbonisierung brauchen und weil wir da Tempo machen müssen, um auch die Abhängigkeit von Putin zu reduzieren. Wir geben ein Gratisklimaticket für alle 18-Jährigen aus. Der Umstieg auf den öffentlichen Verkehr ist selbstverständlich auch mit einem Einstieg in


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den öffentlichen Verkehr verbunden, und es wird Generationen prägen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir streichen die Umsatzsteuer auf PV-Anlagen und wir geben noch mehr Geld für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs aus. Klimaschutz ist ein ganz zentraler Punkt in diesem Budget.

Ich habe es bereits gesagt: In Europa und weltweit greifen Rechte die Demo­kratie und den Rechtsstaat an. (Abg. Amesbauer: Aktuell greifen uns Islamisten an! Wo leben Sie denn? Hinter dem Mond oder wie?) Wir sehen, es wird zurück­geschraubt, wo sie können. Der Justiz wird in manchen Ländern der Geldhahn zugedreht, um sie gefügig zu machen, aber nicht in Österreich – im Gegenteil: Seit die Grünen in der Regierung sind, ist diese Trendwende geschafft, der stille Tod der Justiz, der angekündigt war, fand nicht statt, das Justizbudget steigt jedes Jahr. (Abg. Belakowitsch: Trendwende zur Verarmung! Gratuliere!) Wir sichern die Unabhängigkeit der Justiz langfristig ab, heuer wieder mit 135 zusätzlichen Planstellen. Die Sachverständigen bekommen mehr Geld – sie liefern eine wichtige Expertise für unabhängige und faire Verfahren. Wir haben plus 50 Pro­zent, um so viel ist das Justizbudget, seit die Grünen in dieser Regierung sind, gestiegen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Es sind 800 Millio­nen Euro mehr, und es gibt 650 neue Planstellen für Staatsanwält:innen, Richter:innen und Co.

Wir passen auch auf die Wirtschaft, die Arbeitsplätze und den Wohlstand auf. Ich weiß nicht, wie Sie zu dieser Behauptung kommen, die Leute würden ausgenommen. Wir haben die kalte Progression abgeschafft, wir haben Steuer­reformen gemacht, die dieses Land noch nicht gesehen hat, die jahrzehnte­lang gefordert wurden – und hier wird behauptet, wir würden die Leute ausnehmen. Also das passt doch insgesamt nicht zusammen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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Wenn wir jetzt mit einem knausrigen Sparkurs, den jetzt plötzlich die Sozial­demokratie fordert – die Verwirrung in meinem Kopf über diese Forderungen ist sehr groß (Abg. Amesbauer: Wir sehen es! – Abg. Kickl: Seit Längerem!) –, die Wirtschaft abwürgen würden, wäre das fatal. Wir halten da dagegen und wir investieren. Wenn die ÖBB Bahnhöfe ausbauen, Gleise verlegen und Züge bestellen oder wenn Fotovoltaikanlagen auf Dächern montiert und Heizungen getauscht werden, dann heißt das: Jobs, Jobs, Jobs. Wir investieren damit in den Klimaschutz, weil mit gescheiten Investitionen eben beides geht: Ökonomie und Ökologie. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist in der Vergangenheit sehr oft im Gesund­heits- und Sozialsystem gespart worden – ich erinnere an Kollegin Hartinger-Klein –, nicht mit uns! (Abg. Belakowitsch: Da waren Sie nicht einmal noch im Parlament!) Wir sorgen dafür, dass die Menschen in Österreich ein Recht auf die bestmögliche Gesundheitsversorgung und ein Altern in Würde haben. Wir packen die seit Jahrzehnten diskutierten Reformen im Pflege- und Gesundheits­system an und investieren für diese Strukturreformen jeweils 1 Milliarde Euro.

Auch das Budget für Kunst und Kultur ist seit der grünen Regierungsbeteiligung extrem gestiegen. Wir haben heuer 670 Millionen Euro, ein weiteres Rekord­budget. Zu guter Letzt möchte ich auch noch erwähnen: Das Frauenbudget hat sich mehr als verdreifacht, seitdem die Grünen in dieser Regierung sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen also: Wir bereiten den Aufschwung vor, wo andere mit Sparpaketen und Mutlosigkeit und gegen den Klimaschutz agieren. Dieses Budget ist eine deutliche Absage an die Schlechtredner und Spalter, die wir auch hier im Parlament haben. Mit den Investitionen stellen wir ein weiteres Mal die Weichen in Österreich in Richtung Klimaschutz, Stärkung der Demokratie und soziale Sicherheit für alle.


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Ich denke, das ist ein guter Schritt nach vorne. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


9.44.14

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als ich hier so zugehört habe, auch bei Ihrer Budgetrede gestern, habe ich mir gedacht: Einer der brutalsten Jobs in dieser Republik nächstes Jahr ist der des Finanzministers oder der Finanzminis­terin, denn was Sie hier machen, ist, was wir auch schon gehört haben: Hinter uns die Sintflut, alles in die Zukunft verschieben! Und der zukünftige Finanzminister oder die zukünftige Finanzministerin muss einmal einen Besen nehmen und das zusammenkehren, was Sie an Scherben verursacht haben, auch und gerade mit diesem Budget. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Klubobmann Wöginger hat einen Appell an uns gerichtet und hat gemeint, man würde dieses Schauspiel hier sehen, die Regierungsparteien würden das Budget loben und die Oppositionsparteien – naturgemäß, haben Sie gesagt – nur kritisieren. Aber wie wäre es, wenn Sie sich an der Objektivität und an der Wahrheit orientieren würden? Faktum ist: Ihr Budget wird auch von sämtlichen Expertinnen und Experten in der Luft zerrissen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Michael Hammer: Das stimmt ja nicht!) Natürlich gibt es einzelne positive Aspekte, aber der Tenor sämtlicher Experten ist völlig klar: Das ist zukunftsvergessen, Sie schieben alle Probleme in die Zukunft hinein und hinterlassen unseren Kindern einen Schuldenrucksack, der verantwortungslos ist. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Finanzminister, Sie haben gestern ein paarmal den Hausverstand erwähnt. Sie haben immer gesagt: sagt der Hausverstand, sagt der Hausverstand. Ich habe mir dabei nur gedacht: Bitte, wir sind ja nicht in einer Supermarktwerbung,


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sondern wir sind hier bei einer sehr ernsten Angelegenheit, beim Budget. – Wie wäre es mit finanzpolitischer Kompetenz statt Hausverstand? Wie wäre es mit wirtschaftspolitischer Vernunft statt Hausverstand? Wie wäre es mit wirklich zukunftsgerichteter Politik anstatt dessen, was Sie Hausverstand nennen? (Beifall bei den NEOS.)

Wie soll man optimistisch sein? Ich habe das gestern auch in den sozialen Medien geteilt. Da kriegt man die Budgetpräsentation (einen Ausdruck in die Höhe haltend): „Mit Optimismus für Österreich: Wohlstand erhalten. Zukunft gestalten.“, und dann kommt das (einen Ausdruck mit einem Säulendiagramm in die Höhe haltend): die größten Schulden, die es in diesem Land je gegeben hat. Sie werden am Ende dieser Periode, Ihrer gesamten Regierungszeit ein unglaubliches Ausmaß von 105 Milliarden Euro Schulden hinterlassen – Ihren Kindern, meinen Kindern, den Jungen, allen Kindern in diesem Land und auch noch den Enkelkindern.

Ihre Rhetorik mag eine andere sein. Als ich Ihnen gestern zugehört habe, habe ich teilweise den Eindruck gehabt, Sie reden möglicherweise über ein anderes Budget, aber nicht über das Budget, das Sie uns hier vorlegen: diese tiefroten Zahlen. Sie üben sich in ein bisschen Rhetorik, geben Interviews wie Maggie Thatcher, aber das, was Sie vorlegen, was Sie hier machen, das ist brutal Hugo Chávez und nichts anderes – Dr. Jekyll and Mr. Hyde als Finanzminister. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl: Die Frau Herr wird sich freuen!)

Allein die Zinszahlungen, die unser Land für die Schulden wird tätigen müssen, belaufen sich auf 10 Milliarden Euro. Es kommen wie gesagt – es ist schon angesprochen worden – immer neue Schulden dazu.

Ich frage Sie jetzt ganz ernsthaft: Wo ist da die Zukunft? Was machen Sie konkret an Zukunftsinvestitionen? – Was Sie hier machen, ist das, was Sie die letzten Jahre gemacht haben. Es ist angesprochen worden: Aufgrund einer wirklich schlechten Coronapolitik mit unglaublich vielen Lockdowns, die so keine


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anderen Länder gemacht haben und die die Wirtschaft ruiniert haben, haben Sie dann gesagt: Euch wird gegeben werden! Ihr Vorgänger hat in einem Interview wie ein feudaler Gutsherr gesagt: Euch wird gegeben werden!, und Sie haben das Motto „Koste es, was es wolle“ ausgerufen. Seitdem, seit Jahren machen Sie in der Bundesregierung nur eines: Sie bewerfen jedes Problem, das Sie sehen, mit Geld. (Beifall bei den NEOS.)

Es gibt ein Problem in der Bildung – Geld; ein Problem da – Geld: Förderung, Förderung, Förderung, Förderung; aber strukturell, das heißt, dass Sie die Menschen entlasten, die Wettbewerbsfähigkeit stärken, die Wirtschaftskraft unseres Landes stärken, was jetzt so dringend notwendig wäre, dazu findet sich kaum etwas in diesem Budget. Ich zeige Ihnen das auch einmal ganz kurz (einen Ausdruck mit einem Säulendiagramm in die Höhe haltend) – abgesehen davon, dass Sie sich selber immer rühmen, dass wir das dritthöchste Volumen bei den Antiteuerungsmaßnahmen haben; man könnte das auch bei den Coro­namaßnahmen sagen –: Wir befinden uns hier in einer Gruppe von Ländern wie Griechenland, Polen, Ungarn, Portugal. Was ist eigentlich mit den Ländern, mit denen wir uns vergleichen wollen – Dänemark, Schweden, vielleicht auch Deutschland? – Deutschland hat nicht annähernd so viele Teuerungshilfen ausgezahlt und hat nicht annähernd so eine hohe Inflationsrate.

Sie wirtschaften unser Österreich sukzessive ab und katapultieren uns damit in ein Feld, in dem wir wirklich nicht sein wollen: mit Polen, mit Griechenland, mit Ungarn – anstatt dass wir sagen: Österreich könnte das Land in der Mitte Europas sein, das den skandinavischen Weg geht, den übrigens viele sozialde­mokratische Regierungen gegangen sind. (Beifall bei den NEOS.)

Auch was das Thema Strukturmaßnahmen betrifft – ich habe mir das ange­schaut; Sie haben ja das in dieser Budgetpräsentation gestern geschickt –: Kurzfristige Maßnahmen – und siehe da, noch heuer überwiegen kurzfristige Maßnahmen. Es ist schon gesagt worden: Das verpufft, das landet ja nicht nachhaltig in der Geldbörse der Menschen. Die wollen mehr Netto vom Brutto haben, die wollen, dass ihnen der Staat, der Finanzminister nicht so viel


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Geld aus der Tasche zieht. Sie aber haben ihnen Gutscheine gegeben, Boni gegeben – das verpufft alles!

Dann sind da strukturelle Maßnahmen angeführt – ja, die Abschaffung der kalten Progression, aber wir erinnern uns: nicht zu 100 Prozent abgeschafft, und noch einmal, es ist keine Entlastung, die Menschen zahlen nicht weniger Steuern. Sie verzichten nur darauf, dass die Menschen, durch die Inflation getrieben, zukünftig mehr Steuern zahlen. (Zwischenruf des Abg. Gerstl.)

Dann führen Sie die Valorisierung der Sozialleistungen an. Das ist durchaus eine gute Sache, strukturell ist das aber nur eines: Ausgaben treibend. Das heißt, es ist überhaupt keine strukturelle Reformmaßnahme, die in irgend­einer Weise dafür Sorge trägt, dass unsere Kinder wirklich alle Chancen haben.

Ein Thema muss ich ansprechen, und das ist natürlich die Frage der Ausgaben für die Pensionen. Wir alle wollen, dass alle Menschen, und übrigens auch noch unsere Kinder und Enkelkinder, sich darauf verlassen können, dass sie im Alter eine ordentliche Absicherung haben. Was haben meine Kinder davon, was haben die Kinder in unserem Land davon, dass sie jetzt von den Grünen als Wahl­zuckerl, an dem die Steuerzahler ersticken werden, um insgesamt – Gesamtkos­ten – 0,5 Milliarden Euro ein Klimaticket geschenkt bekommen, wenn sie keine ausreichenden Bildungschancen haben, wenn sie keine ausreichenden Ausbildungschancen haben, wenn sie zu viel an Steuern zahlen, wenn sie wissen, dass sie sich nichts mehr aufbauen können (Abg. Schwarz: Jeder Euro in Klimaschutz ist ...!), dass sie nur schwer in der Lage sein werden, den Wohlstand der Eltern und Großeltern irgendwie zu erwirtschaften? Die meisten Jungen sagen darauf ja: Ich bin sicher, ich kriege keine Pension mehr! (Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Matznetter.) Das ist eure zukunftsorientierte Politik für Achtzehnjährige? (Beifall bei den NEOS. – Abg. Maurer: Das ist das, was dich am meisten aufregt!) – Um 0,5 Milliarden Euro, wobei ihr uns ein Defizit von 20 Milliar­den Euro hinlegt, gutscheinmäßig das Klimaticket zu verschenken? (Zwischenruf des Abg. Schwarz.)


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Ich finde das Klimaticket super, aber es ist ein Verkaufsschlager! Wie kommen meine Kinder dazu, dass sie das finanziert bekommen, als Wahlgeschenk in einem Wahljahr? (Abg. Kickl: Müssen sich die Alten auch tätowieren lassen?) Ich finde das wirklich verantwortungslos!

Seit fast 25 Jahren ist jetzt die ÖVP für die Politik, insbesondere auch die Politik im Finanzministerium, verantwortlich. Was Sie uns hinterlassen – denn ich gehe davon aus oder ich hoffe, dass die ÖVP nicht mehr den Finanzminister stellen wird –, verursacht einen wirklich atemberaubenden Zukunftsraub. Das ist, was passiert. (Zwischenrufe der Abgeordneten Schmuckenschlager und Kirchbaumer.) Dringend nötige Reformen, die auch die Leistungen für die Menschen besser machen würden, bleiben auf der Strecke. (Abg. Wöginger: Pensionskürzungen – ja, was willst denn? – Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Ich möchte an noch etwas erinnern, was Sie gestern gesagt haben: Sie haben selber angesprochen, dass dieses Aufstiegsversprechen in Österreich nicht mehr zählt, und das ist fatal, wenn ein großer Teil der Menschen sagt: Ich kann mir eigentlich in diesem Land durch meine eigene Leistung und Arbeit nichts mehr aufbauen, ich kann mir kein Eigentum schaffen!, et cetera. – Sie haben aber nicht gesagt, was Sie zu tun gedenken. (Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Der einfachste Weg, das zu tun, ist, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die Wirtschaft zu stärken, vor allem den Menschen mehr Geld in der Tasche zu lassen (Abg. Schnabel: Genau das machen wir!) und sie wirklich nachhaltig – nachhaltig! – zu entlasten und zu schauen, dass die Steuern auf Arbeit auf deutlich unter 40 Prozent kommen. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.) Das ist nämlich eine Möglichkeit, wie man wieder mehr Netto vom Brutto hat (Abg. Michael Hammer: Wird Zeit, dass der Schellhorn kommt ... Wirtschaftskompetenz!) und auch in der Lage ist, sich selber wieder etwas aufzubauen. (Abg. Schmuckenschlager: Da applaudiert nicht einmal die eigene Partei!)


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Ich glaube, Herr Gust Wöginger hat dann am Schluss noch gesagt – nein, Sie (in Richtung Bundesminister Brunner) haben das gestern gesagt! –, es sei ja leicht, wenn man nur rede und nicht Verantwortung trage. – Wissen Sie, ich glaube, es ist hoch an der Zeit, dass Sie nicht mehr Verantwortung tragen, denn das, was Sie hier tun, ist wirklich zukunftsvergessen und verantwortungslos, und deshalb werden wir heute auch wieder unseren Neuwahlantrag debattieren. (Beifall bei den NEOS.)

9.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Haubner. – Bitte sehr.


09.53.57

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier bei uns im Hohen Haus! Frau Kollegin, ich habe Ihnen jetzt sehr aufmerksam zugehört, aber ich glaube, Sie haben gestern nicht zugehört. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Scherak: Ja, schon, aber was er sagt, hat mit dem Budget nichts zu tun!)

Der Herr Finanzminister hat ja gestern sehr klar den Rahmen des Budgets definiert, und wir haben auch unsere Prioritäten ganz klar definiert: Die erste Priorität ist, dass wir alles tun, um die hohe Kaufkraft der Menschen in unserem Land zu erhalten – erste Priorität. (Abg. Meinl-Reisinger: Dann ziehen Sie ihnen nicht so viel Geld aus der Tasche und reduzieren Sie die Lohnnebenkosten, damit mehr Netto vom Brutto bleibt! – Abg. Wöginger: Wenn ich die Lohnneben­kosten senke, bleibt einem Arbeitnehmer ...!) Die zweite Priorität ist: Wir tun alles, um die Unternehmen dabei zu unterstützen, dass sie wettbewerbsfähig bleiben und die Arbeitsplätze sichern können. Das sind unsere Prioritäten! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schwarz.)


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Inzwischen kenne ich Sie auch schon ein bisschen. Wenn Sie uns hier so moral­isierend erklären (Abg. Meinl-Reisinger: Aber es ist lustig, das von der ÖVP zu hören! – Zwischenruf des Abg. Loacker), was die Wirtschaftsforscher ausgeführt haben, und Sie nur die negativen Aspekte bringen, dann kann ich Ihnen aber auch die positiven Aspekte der Wirtschaftsforscher bringen.

Herr Felbermayr hat gesagt (Abg. Loacker: Der braucht Geld von euch! – Abg. Meinl-Reisinger: ... das zweifeln wir ja an!), Österreich bleibe trotzt Rezession in Maastrichtgrenzen. (Abg. Wöginger: Im Gegensatz zum Herrn Macron!) Das gelingt vielen anderen Ländern in der Eurozone nicht. (Abg. Matznetter: Was sind denn die drei Maastrichtkriterien, Herr Kollege?) Die Schuldenquote bleibt deutlich unter dem Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2019. (Abg. Matznetter: Und wie viel wird davon eingehalten? – Abg. Krainer: Eines wird eingehalten! Sie halten ein Kriterium ein!) – Herr Kollege Matznetter, Sie kommen noch dran. Bleiben Sie ganz ruhig! Sie sollen sich nicht so aufregen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: Sie sagen ...! – Abg. Steinacker: Horch einmal zu!) – Ich glaube, Sie stehen auf der Rednerliste, Herr Kollege Matznetter, allerdings weiter hinten.

Kollegin Schratzenstaller vom Wifo hat gesagt – positiv –, Investitionen im Finanzausgleich, im Zukunftsfonds, in den Bereichen Kinderbetreuung, Klimaschutz und Transformation oder auch ins Militär seien in heutigen Zeiten notwendig und richtig. Auch das Frauenbudget wurde deutlich aufgestockt.

Frau Köppl von Eco Austria hat gesagt: positiv – die Sicherung des Wirtschaftsstandortes mit 16 Milliarden Euro, schärfere Kriterien für EKZ 2, Erhöhung bei Justiz und Frauen.

Man kann ja immer auch zwei Seiten sehen. Kollege Wöginger hat es ja schon ausgeführt: Wir werden eher die positive Seite sehen, und Sie werden halt immer nur kritisieren und die negative Seite sehen. (Abg. Meinl-Reisinger: Und die Bürger werden halt die Steuerlast sehen! – Abg. Strasser – in Richtung Abg. Meinl-Reisinger –: Und wo ist das im Budget?)


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Meine Damen und Herren, ich sage es Ihnen noch einmal: Alles, was wir hier tun, sind Investitionen in die Zukunft, denn wir wollen den Wohlstand erhalten und die Zukunft gestalten! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Jetzt klatschen die Grünen nicht mehr!) Deshalb sage ich Ihnen: Wir entlasten die Menschen und investieren in die Kinderbetreuung – noch einmal! Wir stärken unseren Standort und insbesondere die Schlüsseltechnologien. Wir geben Chancen und investieren in Wissen. Wir schützen unser Klima – das ist heute schon gesagt worden –, und das mit Hausverstand. Und wir bleiben krisenfest und rüsten für die Sicherheit auf. – Das ist das, was das Budget ganz deutlich abbildet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Eines möchte ich auch noch zu Kollegen Fuchs sagen, den ich an und für sich sonst fachlich sehr schätze. Er hat gesagt, die kalte Progression hätten wir nur teilweise abgeschafft. – Wir haben die kalte Progression zu 100 Prozent abgeschafft (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen), denn auch das letzte Drittel kommt den Bürgerinnen und Bürgern zugute. Daher stimmt es nicht, was Sie gesagt haben, sondern sie wurde eindeutig zu 100 Prozent abgeschafft. (Abg. Kassegger: Ihr nehmt ihnen nur weniger weg, zum 100. Mal! Immer noch zu viel! – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Zum Schluss ist es mir noch ganz wichtig, als Wirtschaftssprecher meiner Partei schon auch zu erwähnen, dass wir alleine bis 2027 14 Milliarden Euro in die Klima- und Transformationsoffensive der Wirtschaft investieren und dass wir auch die Körperschaftsteuer, auch wenn es schon länger beschlossen ist, jetzt absenken. Das ist ebenfalls eine wichtige Maßnahme für den Standort. (Abg. Kollross: Die breite Masse darf’s zahlen!)

Deshalb sage ich wirklich einmal Danke an den Finanzminister, an die Experten im Ministerium, die dazu beigetragen haben, dass wir dieses Budget 2024 so vorliegen haben! Danke auch an den Budgetdienst! Wir investieren mit diesem Budget so stark in die Zukunft wie noch nie – das sollte man bedenken. Darum: Mit Optimismus für Österreich, meine Damen und Herren! Wir sind dabei!


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(Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Scherak: Der Kanzler würde sagen, da helfen nur noch Psychopharmaka!)

9.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. – Bitte sehr. (Abg. Michael Hammer: Jetzt kommt eine faktenbefreite Rede! – Abg. Holzleitner: Wieso? Sie sind ja gar nicht dran!)


09.58.47

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sicher nicht alles schlecht im Budget, überhaupt nicht! Wenn Kollegin Maurer darauf hinweist, dass es deutlich mehr Geld für die Justiz gibt, dass es da viele Planstellen gibt und dass der befürchtete stille Tod der Justiz nicht stattfindet, dann stimmt das.

Sie könnten aber auch dazusagen, dass die größte Gefahr für die Justiz Ihr Regierungspartner ist, weil wir nämlich eine Regierungspartei haben, die seit Jahren aktiv die Justiz angreift (Abg. Lukas Hammer: Trotzdem haben wir das Justizbudget!), und einen Bundeskanzler haben, der die Arbeit der Justiz aktiv behindert, und zwar deswegen, weil die Justiz gegen die ÖVP ermittelt. (Abg. Steinacker: Geh bitte!)

Seit über einem Jahr rückt Bundeskanzler Nehammer die E-Mails aus dem Bundeskanzleramt zwischen der Kommunikationsabteilung und dem Kabinett Kurz nicht heraus. (Abg. Stöger: Das ist ja Beweisunterdrückung!) Die Staatsanwaltschaft ermittelt in dieser Frage, und er rückt sie seit einem Jahr nicht heraus, und das, obwohl zwei Gerichte gesagt haben, er soll sie herausrücken.

Sagen Sie also nicht nur die halbe Wahrheit, sondern auch die andere Hälfte! (Beifall bei der SPÖ.) Ehrlich gesagt wäre der Justiz geholfen, wenn Sie dafür sorgen würden, dass der Bundeskanzler nicht die Arbeit der Justiz behindert,


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sondern die Justiz dabei unterstützt, wie das in einem ordentlichen Rechtsstaat der Fall sein sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sagen, es wird etwas für den Klimaschutz gemacht: Ja, das stimmt, das sieht man auch, ein bisschen planlos, aber ja, da gibt es sehr, sehr viele gute Programme, Aufstockung der Mittel für thermische Sanierung – das kann ich sofort unterschreiben. Sagen Sie aber doch auch gleich dazu, dass wir bei den Zielen, zu denen wir uns verpflichtet haben, nämlich auf Ebene der Europäischen Union, bereits um 20 Prozent hintennach sind und sie nicht erreichen werden! (Zwischenruf des Abg. Schwarz. – Abg. Maurer: Wer war denn in früheren Regierungen?)

Wissen Sie, was das am Ende des Tages bedeutet? – Strafzahlungen in Milliar­den­höhe. Sagen Sie dazu, dass der Finanzminister, Ihr Regierungskollege, bereits den Zertifikateankauf vorbereitet – das sehen Sie nämlich, wenn Sie die Budgetunterlagen genau lesen (ein Exemplar des Strategieberichtes 2024 bis 2027 und Budgetberichtes 2024 in die Höhe haltend). Das ist verklausuliert, aber er ist bereit, Geld in die Hand zu nehmen – nicht für Maßnahmen, sondern um uns freizukaufen, weil wir die Klimaziele nicht erreichen. – Sagen Sie dann auch immer beide Seiten dazu! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir das Budget anschauen, dann sehen wir das Versagen der Bundes­regierung bei der Bekämpfung der Teuerung, der Inflation. Es gibt den einen Weg, den fast alle Staaten in Europa gegangen sind, nämlich die hohen Preise an der Wurzel zu bekämpfen und eine Politik zu machen, die die Preise senkt. Wir haben vor zwei Jahren vorgeschlagen, das zu tun – bei den Energie­preisen, bei den Mieten, bei den Lebensmitteln. Fast alle Länder (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja nicht!) der Europäischen Union, vor allem die vergleichbaren Länder, haben Maßnahmen gesetzt, damit die Preise nicht so stark steigen.

In Österreich ist man den Weg gegangen, dass man Geld verteilt hat, damit sich die Menschen die hohen Preise leisten können. Da ist wahnsinnig viel Geld verteilt worden, und ja, kurzfristig hat das dazu geführt, dass man sich die hohen


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Preise leisten konnte. Das Problem ist nur: Die Einmalhilfen gibt es halt nur einmal, die gibt es heuer nicht – für weite Teile der Bevölkerung gibt es heuer nichts (Abg. Eßl: Was ist denn mit der Valorisierung der Familienleistungen? Was ist mit der kalten Progression? Mit der ökosozialen Steuerreform?) –, aber die hohen Preise sind nicht nur geblieben, nein, sie sind weiter gestiegen. Das ist das Versagen der Bundesregierung bei der Teuerung, und das bildet sich hier im Budget ab (das Exemplar des Strategieberichtes 2024 bis 2027 und Budgetberich­tes 2024 neuerlich in die Höhe haltend): Diese Steigerung der Ausgaben ist ja inflationsbedingt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die hohen Energiepreise haben sich nicht nur in die Volkswirtschaft hineinge­fressen, sondern auch ins Budget. Das, was Sie hier vorlegen, ist ja eigentlich in Zahlen gegossenes Versagen bei der Antiteuerungspolitik. Das ist das, was hier steht. Schauen Sie sich doch einfach die Zahlen an! Das können Sie nicht wegreden.

Der nächste Punkt, zu den Steuern: Ich habe gestern hier gesagt, dass der Beitrag der Steuern auf Arbeit und Konsum, das heißt, von 95 Prozent der Bevölkerung – Arbeitern, Pensionisten, Angestellten, Lehrern, Vertragsbediens­teten, Selbstständigen et cetera –, in den nächsten Jahren im Vergleich zu dem, was der Finanzminister vor einem Jahr gesagt hat, um 13 Milliarden Euro steigen wird und der Beitrag von Kapital und Vermögen um 13 Milliarden Euro sinken wird. Sie sagen, das verstehen Sie nicht – dann lesen Sie bitte (das Exemplar des Strategieberichtes 2024 bis 2027 und Budgetberichtes 2024 neuerlich in die Höhe haltend) diesen Strategiebericht! Schlagen Sie Seite 72 auf, denn da wird das ganz genau dargestellt – das sind die Regierungszahlen.

Der Finanzminister legt das hier vor. Ich habe gesagt, der Beitrag der Arbeit steigt um 3 Milliarden Euro – okay, es sind 3,3 Milliarden, ich gebe zu, ich habe abgerundet. Ich habe gesagt, der Beitrag des Konsums – also wenn wir einkaufen gehen, das betrifft die breiten Massen, vollkommen egal, jede Pensionistin, jeden Lehrer, jeden kleinen Selbstständigen – beträgt 10,3 Milliarden Euro. (Abg. Michael Hammer: Ist ja positiv, wenn die Umsatzsteuer


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steigt!) Ich gebe zu, ich habe nur 10 Milliarden gesagt, ich habe abgerundet, weil ich halt abrunden will. Es ist in Wahrheit noch schlimmer.

Das heißt, der Steuerbeitrag der breiten Massen steigt um mehr als 13 Milliarden Euro. (Abg. Strasser: Das ist ja ein Zeichen für die Kaufkraft!) – Nein, das ist ein Zeichen für die Ungerechtigkeit des Steuersystems (Beifall bei der SPÖ – Abg. Strasser: Nein! Das ist ein Zeichen für die Kaufkraft! Sie verdrehen da die Tatsachen! – Abg. Steinacker: Er versteht’s nicht besser! – Abg. Strasser: Das ist die Konsequenz der Steigerung der Kaufkraft!) und dafür, dass Sie hier nicht Politik für die Menschen, die arbeiten gehen, machen, sondern für die, die über Kapital und Vermögen verfügen.

Schauen Sie auf die andere Seite: Was ist denn mit den Beiträgen der Konzerne? (Abg. Steinacker: Die zahlen doch auch Steuern, um Gottes willen! Tun Sie nicht immer so, als würden die keine Steuern zahlen! – Abg. Strasser: Das ist eine Verdrehung der Tatsachen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Was ist mit den Beiträgen der Millionäre? Was sind die Steuern auf Kapital und Vermögen? Im selben Bericht steht hier: 7,5 Milliarden Euro weniger Beitrag von den Konzernen als noch vor einem Jahr von Ihnen angekündigt, 2 Milliarden Euro weniger bei der KESt, 7,5 Milliarden Euro weniger bei der KöSt. (Ruf bei der ÖVP: Die Wirtschaft stagniert!) Schauen Sie die GrESt an, die ImmoESt: Das sind die Steuern auf Kapital und Vermögen, und der Beitrag aus diesen sinkt um 13 Milliarden Euro. (Abg. Steinacker: Aber Steuern zahlen wir schon vom Gewinn, oder?) Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie können drauf stolz sein, dass wenige Reiche weniger Beitrag zahlen, während die vielen mehr und mehr zahlen müssen. Ich sage Ihnen aber: Das ist der falsche Weg, und das führt auch nicht dazu, dass es hier in Österreich wirtschaftlich bergauf geht. (Abg. Kirchbaumer: ... Konzerne ...! – Ruf bei der ÖVP: Also Wertschöp­fung ist ...!) Nein, wir haben bereits jetzt das schlechteste Wirtschafts­wachs­tum in Westeuropa, nämlich das höchste Minus auf der einen Seite.


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Schauen Sie sich doch nur Ihren eigenen Bericht an! Sie vergleichen das mit den anderen Ländern, und wissen Sie, was man da sieht? – Ein einziges Land von den Ländern, die Sie als Regierung zum Vergleich heranziehen, macht höhere Schulden als wir – eines, alle anderen deutlich geringere. Egal – Sie vergleichen das, nicht ich. Sie vergleichen das mit Schweden, mit den Niederlanden, mit Dänemark, mit Deutschland. Die haben alle eine geringere Verschuldung. (Abg. Meinl-Reisinger: Dänemark hat 2 Milliarden Schulden gemacht in fünf Jahren, Österreich 105 Milliarden!)

Sie sagen, Sie werden in den nächsten vier Jahren 70 Milliarden Euro Schulden machen. Seit 20 Jahren bin ich hier. Ich habe noch nie ein Budget gesehen, in dem es in vier Jahren keinerlei Maßnahmen gibt und man immer bei den 3 Prozent anstreift – immer ganz knapp; ich glaube, runtergerechnet auf die 3 Prozent, auf lange Sicht. Wer weiß, ob die Zahlen überhaupt stimmen? Wir analysieren das erst im Detail (Abg. Michael Hammer: Am Renner-Institut, oder wo? Momentum-Institut? – Abg. Greiner: ... wird ja alles ..., Analyse beim Renner-Institut ...!), aber Sie lehnen sich an die 3 Prozent an und sagen: Ich halte die 3 Prozent Schuldenquote ein!

Was ist denn eigentlich mit dem ausgeglichenen Haushalt über den Konjunktur­zyklus? (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und bei den NEOS.) Das ist ja an und für sich die Idee einer nachhaltigen Budgetpolitik. Das haben Sie alle über Bord geworfen. (Abg. Wöginger: Ein Roter, der spart, das gibt’s in der ganzen Republik nicht! – Ruf bei der ÖVP: Auf der ganzen Welt nicht! – Abg. Meinl-Reisinger: Das sollte dir zu denken geben!)

Es gibt im Maastrichtvertrag nicht nur ein einziges Kriterium, die 3-Prozent-Regel, sondern es gibt auch die Verschuldungsregel. Da sagt man, man soll nicht mehr als 60 Prozent des BIP Schulden haben – wir haben 77 Prozent. Es gibt eine Regel, die sagt, wenn man über 70 Prozent ist, muss man pro Jahr 1 Prozent der Verschuldung abbauen. (Abg. Kirchbaumer: Aber die Mehrwertsteuer ...!) Um wie viel bauen Sie sie ab? – Um gar nichts, null. Sie halten nicht einmal die


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Maastrichtkriterien ein. (Ruf bei der ÖVP: Na doch! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist bitte die vollkommene Aufgabe jeder Budgetpolitik. Das ist mein 21. Budget in diesem Haus (Abg. Michael Hammer: Kennst dich aber noch nicht aus! – Abg. Steinacker: Da solltest es schon besser wissen!), aber so etwas habe ich noch nicht gesehen. (Abg. Wöginger: Auch das ist falsch, denn wir haben Doppelbudgets gehabt! Es stimmt einfach nichts! – Abg. Steinacker: Zählen kann er nicht! Rechnen schon gar nicht!) Zeigen Sie einmal irgendeine Regierung her, die so ein Budget vorgelegt hat! Ehrlich gesagt: Es ist am besten – da muss ich Kollegin Meinl-Reisinger recht geben –, wenn wir neu wählen, denn wir brauchen hier auf der Regierungsbank Menschen, die ihren Job machen, und Sie machen Ihren Job nicht. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe der Abgeord­neten Disoski und Schwarz.)

Ich sage Ihnen, man kann den Job besser machen, und wir würden den Job wesentlich besser machen als Sie, denn wir würden dafür sorgen, dass die Preise im Energiebereich, im Mietbereich und bei den Lebensmitteln endlich sinken, sodass nicht diese hohe Inflation da ist. (Abg. Kirchbaumer: ... Steuern senken ...! – Abg. Schmuckenschlager: Das sieht man in Wien sehr gut!)

Wir würden ehrlich gesagt die Prioritäten anders setzen, nicht noch einmal Milliarden – Milliarden! – an Konzerne geben für Energiepreise, die wir ohnehin schon an der Kassa bezahlt haben und die wir noch einmal zahlen müssen. (Abg. Schmuckenschlager: Wien-Energie! – Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Zu Ihren intelligenten Zwischenrufen: Es ist schade, dass die alle mitgeschrieben werden, denn es ist eigentlich peinlich für das Parlament, dass bei den Zwischenrufen ein derartiges Niveau wie bei Ihnen herrscht – das muss man Ihnen auch sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Na geh, da musst du reden! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Das hier ist ganz, ganz ernst – das hier ist das Budget! Für irgendwelche polemischen Zwischenrufe ist wirklich kein Platz. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Steinacker: Wir werden dich daran erinnern! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie sollten einmal die eigenen Regierungsunterlagen lesen, dann würden Sie diese Regierung feuern, weil diese Regierung ihre Arbeit nicht macht. (Abg. Schmuckenschlager: So viel zur Polemik!) Es ist Zeit, dass hier Leute sitzen, die ihre Arbeit machen können. Ich sage Ihnen eines: Wir als SPÖ können es besser. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Strasser: Wer wäre denn das? Der Babler, oder wer ist das dann? – Ruf bei der ÖVP: Der Doskozil! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

10.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kassegger. – Bitte.


10.09.02

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Kollege Kai Jan Krainer von der SPÖ, Ihre Aussage „Wir [...] können es besser“ lasse ich jetzt einmal so dahingestellt.

Eines ist aber schon bemerkenswert: dass ein Vertreter der Sozialdemokratie – und die Sozialdemokratie ist ja weltweit nicht dafür bekannt, dass sie Probleme mit Budgetdefiziten hat, sondern im Gegenteil dafür, dass sie im Schulden­machen ganz gut ist – besorgt und zu Recht besorgt ist über das, was Sie als Bundesregierung hier abliefern (Abg. Krainer: ... sind wir Lehrlinge?), nämlich ein Defizit in einer Dimension, die selbst einen Sozialdemokraten berechtigterweise nervös macht. Das würde mir schon zu denken geben.

Im Übrigen, Herr Finanzminister, gibt mir die ganze Rede, die Sie gestern gehalten haben – über 1,5 Stunden, 43 Seiten (ein Exemplar der Budgetrede in die Höhe haltend); ich habe genau zugehört, Kollege Haubner –, insoweit zu denken, als ich – das muss ich in dieser Direktheit sagen – verwirrt darüber war, was das war.


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Das war meiner Meinung nach eine Mischung von Realitätsverlust, vollkommenem Realitätsverlust, mit satirischen Komponenten – ich werde dann das eine oder andere Schmankerl aus der Rede zitieren – und einem gewissen Grad an Zynismus. Ich werde Ihnen als Beispiel einen Satz, den Sie gesagt haben, zitieren, der meiner Meinung nach eigentlich schon zynisch ist.

Kollege Wöginger, zum Gerede davon, dass wir in so einer schwierigen Situation sind und dieses und jenes machen müssen, das Land nachhaltig bis über alle Ohren verschulden müssen: Diese Situation ist nicht – so wie Sie behaupten – vom Himmel gefallen, Sie haben einen wesentlichen Anteil an der Schaffung dieser – zugegebenermaßen – schwierigen Rahmenbedingungen. Corona ist nicht vom Himmel gefallen, die Lockdowns sind nicht vom Himmel gefallen, die Zerstörung der Wirtschaft und der Lieferketten durch die Lockdowns ist nicht vom Himmel gefallen. Die haben Sie sozusagen erfunden. (Abg. Lukas Hammer: Ah ja! Wir haben einen Virus erfunden! Lauter Houdinis! – Abg. Steinacker: Also wenn Österreich alleine für die Lieferketten zuständig ist ...! Vielleicht den Blick schon auf die ganze Welt richten!) Die Wirtschaftssanktionen, von denen jetzt schon jeder weiß, dass sie Europa und uns massiv schaden und die Russen in Wahrheit überhaupt nicht interessieren – sie haben im Gegensatz zu uns immer noch Wirtschaftswachstum –, sind auch nicht vom Himmel gefallen.

Die Klimapolitik, über die Sie sagen, das sei Hausverstand – ich sehe da wenig Hausverstand –, die vollkommen überzogene Klimapolitik ausgehend von der Europäischen Union, die Sie als ÖVP unterstützen – Sie unterstützen alles, was der Frau von der Leyen mit ihrem Green Deal einfällt –, die selbstverständlich zu einer Greenflation führt, ist nicht vom Himmel gefallen. Die Migrationspolitik, die Sie betreiben, verursacht neben den sozialen Verwerfungen selbstverständlich auch massive Kosten. (Ruf: Taliban ...!) Da können Sie jetzt wegschauen und sich die Welt schönreden, das ist aber eine Politik des Realitätsverlustes, und das haben sich die Österreicher nicht ver­dient. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)


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Schmankerl, auf Seite 3 – Sie haben die Rede gestern ja mehr oder weniger vorgelesen, eher mehr als weniger vorgelesen –: „Wir leben in Sicherheit und verfügen über soziale Netze und eine Infrastruktur, um die wir weltweit beneidet werden.“ – Ja, erstens: Wie lange noch? Und zweitens: Selbstver­ständ­lich sind wir deshalb weltweit Zielland für Migranten aus aller Welt, und Sie tun überhaupt nichts, um diese Entwicklung einzudämmen.

Ein zweites Schmankerl, auf Seite 4: Sie stellen bedauernd fest, dass die EU, was den Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung betrifft, nur mehr 17 Prozent Anteil hat, tragen aber bedingungslos alles mit, was vonseiten der EU kommt, was der Frau von der Leyen einfällt. Ich habe es schon erwähnt: der Green Deal, die Greenflation, eine vollkommen überzogene Klimapolitik; oder: Milliar­den in die Ukraine schicken und das Ganze auch noch als Friedensfazilität bezeichnen – Milliarden, und da zahlen wir Österreicher mit, und zwar Länge mal Breite!

Auf Seite 5 ein weiteres Schmankerl: „Aber gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass wir nicht in einen Subventionswettbewerb schlittern“. – Den Begriff ökosoziale Marktwirtschaft von Joschi Riegler aus den Neunzigern haben Sie jetzt wieder erfunden. Das, was Sie machen, hat mit ökosozialer Markt­wirtschaft überhaupt nichts zu tun. Das ist eine Subventionitis, eine ideologi­sierte Planwirtschaft, eine Umverteilungswirtschaft. Das ist für eine ehemalige Wirtschaftspartei, wie es die ÖVP war, eigentlich ein Armutszeugnis. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Auf Seite 8, Herr Finanzminister: „Daher bin ich ganz klar gegen neue Steuern!“ – Ja, es reicht ja, wenn Sie die bestehenden Steuern – Kollege Fuchs hat es schon erwähnt: CO2-Steuer, NoVA, ORF-Steuer – erhöhen. Da sind wir also schon bei Satire mit einem leichten Hang zu Zynismus. Auch auf Seite 13: „Für mich ist das ein Akt der Fairness, dass den arbeitenden Menschen, die von der Teuerung betroffen sind, mehr Netto vom Brutto bleibt und dass der Staat kein Profiteur der hohen Inflation ist.“ – Ganz ehrlich, glauben Sie das selber? (Bundesminister Brunner: Sicher!) – Nein, also das hat - -


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(Bundesminister Brunner: Fakten ...!) – Ja, Fakten: Umsatzsteuer: plus 3 Milliarden Euro, hat Kollege Fuchs gesagt – nein, kein Profiteur. Plus 3 Milliar­den Euro an Steuereinnahmen, 103 Milliarden Euro, so viel wie noch nie (neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner– hören Sie auf mit der kalten Progression! –, so viel wie noch nie!

Sie zocken die Leute ab und kommen mit dem vielen Geld trotzdem nicht aus, und zwar bei Weitem nicht. (Beifall bei der FPÖ.) Wie gesagt: Das ist jetzt zwischen Satire und Zynismus. (Abg. Strasser: Kollege Kassegger, ich glaube, Sie nehmen sich selber nicht ernst!)

Jetzt wird es noch lustiger (Abg. Strasser: Jetzt lächelt er schon!) – Seite 23 –: „Ökosoziale Finanzpolitik heißt für mich auch, jeden einzelnen Budgeteuro streng und genau zu prüfen.“ – Heute am Nachmittag (Abg. Voglauer: Ja, da fangen wir in der Steiermark an!) besprechen wir das Thema Cofag, 15 Milliarden Euro. Also: „streng und genau [...] prüfen“ – wie gesagt: Satire.

Dann Ihre großartige Zukunftsperspektive auf Seite 26: Es gelingt uns, das Defizit des Bundes in den kommenden Jahren von 20 Milliarden Euro – das sind ja astronomische Beträge, die sogar Kai Jan Krainer nicht nur nervös machen – auf 16 Milliarden Euro zu senken. – Echt jetzt? Ja, wie Frau Kollegin Meinl-Reisinger sagt, das sind rote Balken ohne Ende. Und Sie reden irgendetwas von Optimismus und – was weiß ich – Vertrauen und dass es uns besser gehen wird. – Das ist Realitätsverlust, das ist Satire mit Hang zum Zynismus – so ehrlich muss man sein beziehungsweise das ist meine Meinung. (Bundesminister Brunner: ... Ihre Meinung!)

Jetzt zu Seite 43: „Das alles ist nur möglich, weil Sie – geschätzte Steuer­zah­lerinnen und Steuerzahler – Ihren Beitrag leisten. Sie erwirtschaften das Geld, das wir investieren können.“ – Jetzt wird es zynisch: Sie zocken mich ab – was habe ich als Steuerzahler für eine Möglichkeit?, ich muss mich an die Gesetze halten, diese Abzockgesetze, die Sie beschließen –, und Sie bedanken sich dann


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noch bei mir. Wir zocken Sie ab und verschleudern das mit der Gießkanne. – Da wird es jetzt dann wirklich zynisch.

Was wir in Österreich brauchen, sind keine Realitätsverweigerer, auch keine Satiriker und schon gar keine Zyniker. Wir brauchen in dieser Situation jetzt Menschen und Politiker, die das Ganze realistisch sehen. Wir brauchen Pragmatiker. Wir brauchen Menschen, die den Leuten nicht Sand in die Augen streuen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wir brauchen Problemlöser und keine Problemproduzenten. – All das sehe ich hier nicht.

Ich sage Ihnen eines: Ich hoffe und bin eigentlich überzeugt davon, dass das das letzte Budget ist, das Sie machen werden. Ich sage gleichzeitig aber auch: Der nächste Finanzminister ist ein armer Kerl, er muss ein Herkules sein, keine 60 Jahre alte Maschine, sondern ein wirklicher Herkules. Er muss einen Kassen­sturz machen, dann werden wir wahrscheinlich noch Grauslichkeiten entdecken. (Zwischenruf des Abg. Schnabel.) Aber es nützt ja nichts, man muss realistisch sein.

Wie gesagt: Ich hoffe, das ist Ihr letztes Budget! Erwarten Sie vom zukünftigen Finanzminister keine Wunderdinge, das wird schmerzhaft sein, aber das ist immer noch ehrlich und fair den Menschen gegenüber. (Beifall bei der FPÖ.)

10.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schwarz. – Bitte.


10.17.09

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich werde zum Defizit gleich noch etwas sagen, aber zunächst: Es stimmt, dieses Budget ist kein Sparbudget, und das ist auch gut so und richtig so, denn die Krisen in Europa halten an.


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Die Frage ist: Woher kommt diese Krise, insbesondere diese leichte Konjunkturdelle? (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) – Da darf man sich nicht irgendeinen Blödsinn einreden, sondern Faktum ist einfach: Die Europäische Zentralbank macht das, wofür sie sozusagen zuständig ist, sie versucht die Inflation runterzubringen und steigert deshalb die Zinsen. Eins ums andere: Das führt dazu, dass die Inflation runtergeht wie gewünscht, aber halt auch dazu, dass die Investitionen zurückgehen; das beobachten wir jetzt schon seit einem halben Jahr. Das wirkt sich jetzt entsprechend auf die Konjunktur aus und es gibt eine kleine Delle. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.)

Das ist aber kein Problem. (Der Redner räuspert sich.) Wir sehen, dass dieser Einbruch in Österreich ein kleiner sein wird und dass es ab dem nächsten Jahr auch wieder bergauf geht. Für dieses Budget ist jetzt natürlich wichtig, dass wir diese Aufwärtsbewegung in der Konjunktur entsprechend unterstützen, und das machen wir. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Hintner. – Der Redner räuspert sich neuerlich.) – Pardon, ich bin ein bisschen verkühlt.

Das betrifft insbesondere die Bauwirtschaft, wir sehen, dass diese sozusagen etwas stärker in den Seilen hängt. Im Bereich Tiefbau sorgt dieses Budget und insbesondere auch das Konjunkturpaket, das gestern präsentiert worden ist – zum Beispiel über den ÖBB-Rahmenplan, also die massiven Investitionen in die Infrastruktur bei der Bahn, jetzt wieder im Rekordausmaß –, dafür, dass die Wirtschaft gestützt wird und etwas weitergeht. Gleichzeitig wird das Klima geschützt.

Im Bereich Hochbau, wo es noch etwas schlimmer ist, wurde mit dem Konjunk­tur­paket von gestern gleich eine ganze Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht: Ab jetzt wird es zu 75 Prozent unterstützt, wenn Heizungen gewech­selt werden, wenn man aus den fossilen Heizungen aussteigt und auf erneuerbare wechselt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Herr: Stimmt ja gar nicht! Bis zu! Bis zu, wenn überhaupt ...!)


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Wenn man sein Eigenheim saniert – drei Viertel aller Eigenheimbesitzer:innen in Österreich wollen das tun, sind motiviert, das zu machen –, dann gibt es massive Förderungen dafür. Es gibt zusätzlich 200 Millionen Euro für den Sanierungs­bonus; wir sind jetzt insgesamt bei 300 Millionen Euro für den Sanierungsbonus.

Die Umsatzsteuer im Zusammenhang mit der Errichtung von PV-Anlagen wurde gesenkt, das heißt, für jede PV-Anlage, die am Eigenheim errichtet wird, gibt es vollautomatisch 20 Prozent Förderung. Und: Bauprojekte in öffentlichen Institutionen wie bei der Asfinag, den ÖBB und der BIG werden priorisiert und vorgezogen, damit eben die Bauwirtschaft auf diese Art und Weise ein bisschen belebt werden kann.

Das Gute daran ist, wir stützen die Konjunktur, wir schützen das Klima, und gleichzeitig gibt es keinen zusätzlichen Quadratmeter Flächenverbrauch. Das sind drei wichtige Ziele, die in diesem Konjunkturpaket vereint und somit gemeinsam erreicht werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und auch sonst fällt das auf, wenn man in das Budget schaut. Die Debatte darüber, wie zukunftsorientiert es ist, ist ja schon sehr intensiv geführt worden. Beim Finanzausgleich gibt es erstmals Ziele in Richtung Klima, in Richtung Ausbau der Elementarpädagogik, die Pflegereform wird fertig finanziert, im Gesundheitsbereich gibt es Reformen. Das heißt, auch dahin gehend wird im Finanzausgleich zielorientiert agiert, und das ist neu. In der Teuerungs­bekämp­fung werden die Strompreisbremse und das Kinderarmutspaket fortge­schrieben, dafür wird 1 Milliarde Euro investiert. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Obernosterer.)

Die neue Leistungsvereinbarung im Bereich Universitäten bringt 16 Milliarden Euro für die neue Periode. Zusätzlich sind in diesem Budget 500 Millionen Euro für Wissenschaft und Forschung vorgesehen. Das zeigt, dass wir uns so aufstellen wollen, dass wir auch in Zukunft wettbewerbsfähig sind und mit Österreich einen innovativen Standort haben. Das wird mit diesem Budget


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gelingen, deswegen bin ich auch optimistisch und deswegen schaue ich optimistisch in die Zukunft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was mich bei diesen Budgetdebatten immer wieder erstaunt – ich habe noch keine 20 hinter mir, aber bis jetzt drei –, ist etwas, das ich als Schrödingers Budgetpolitik bezeichnen möchte. Das ganze Jahr erleben wir es, dass Tag um Tag eine Idee nach der anderen reingeworfen wird – insbesondere von FPÖ und SPÖ, aber zwischendurch auch durchaus von den NEOS –, wie man noch mehr Geld rausschmeißen könnte. Das geht die ganze Zeit so. Alleine die Umsatzsteuer­senkung, die die SPÖ und die FPÖ fordern, kostet mehrere Milliarden. Das führt hinten raus, wenn man sie wieder abschaffen muss, erst zu einer Steigerung der Inflation.

Dann kommen der Oktober und die erste Lesung zum Budget, und plötzlich entdecken alle das Defizit. Dann fangen alle an, auf das Defizit zu schielen, und sie kommen darauf, dass das ja irgendwie zusammenhängt. Den Zusam­menhang erklären Sie den Leuten draußen aber nicht, sondern Sie reden das ganze Jahr vom Geldausgeben und dann Anfang Oktober vom Defizit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch da könnte man auf die Zahlen schauen. Abgeordneter Krainer macht sich große Sorgen, was den Schuldenstand betrifft (Abg. Greiner: Zu Recht! Hallo?!), war aber selbst im Parlament, als unter SPÖ-Kanzlern Schuldenquoten von über 80 Prozent geherrscht haben – und zwar Jahr um Jahr von 2010 bis 2016. Das sind 10 Prozent mehr als jetzt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Das ist der Punkt, an dem die Inflation dann plötzlich vergessen wird. Beim Schuldenstand schaut man dann auf Absolutbeträge, das machen auch die NEOS sehr gerne, und vergisst, dass es natürlich viel sinnvoller ist, auf die Schuldenquote zu schauen, weil die Inflation das natürlich abzinst. (Abg. Loacker: Deswegen wollt ihr eine hohe Inflation! Jetzt ist mir alles klar! Geldvernichterregierung!) Da ist die Inflation plötzlich nicht mehr so wichtig. (Abg. Wöginger: Ja, genau! – Zwischenruf der Abg. Herr.)


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Das ganze Jahr über heißt es: Alle leiden unter der Teuerung!, und es wird nur auf die Inflation und darauf, ob die Kaufkraft steigt oder nicht, geschaut. Aber wehe, wir reden über das Defizit, dann ist plötzlich die Inflation weg. Sie werden in 100 Jahren die Preise und Schulden immer noch mit jenen der Neunzigerjahre vergleichen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Greiner und Herr.) Das ist wirklich sehr unseriös. Wenn wir so übers Budget diskutieren, dann können wir es gleich lassen. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei den Grünen sowie Beifall bei der ÖVP. – Abg. Loacker: Ein Bekenntnis zur hohen Inflation von der Regierungsseite! Na bravo! – Abg. Disoski: Geh bitte, Gerald! – Abg. Wöginger: Was heißt ein „Bekenntnis“? – Ruf bei der SPÖ: Es ist so, weil ihr so eine Politik macht! – Abg. Herr: Das ist einfach so! In anderen Ländern nicht, dort ist sie niedriger! – Abg. Wöginger: Ja, super! Dort können sich die Leute nichts kaufen! Das ist super?! In Spanien zum Beispiel! – Abg. Schwarz: 5 Prozent Kaufkraftverlust in Spanien! – Abg. Wöginger: Wollt ihr so leben wie die Spanier? Das gibt’s ja nicht! – Abg. Steinacker: Sie haben eh keine Antwort! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

10.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


10.23.32

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Herr Finanzminister! Hohes Haus! (Die Rednerin stellt einen türkisen Rucksack, auf dem ein Zettel mit der Aufschrift „105 Milliarden € neue Schulden“ klebt, auf das Redner:innenpult.) Es lässt einen natürlich schon ein wenig ratlos zurück, wenn hier Schrödinger zitiert wird – und wahrscheinlich auch Schrödingers Katze hätte zitiert werden sollen. Ich weiß nicht, was Schrödingers Katze dazu sagen würde, dass Sie es geschafft haben, in dieser Legislaturperiode 105 Milliarden Euro neues Defizit zu machen. 105 Milliarden Euro neues Defizit – das hat niemand vor Ihnen geschafft. (Beifall bei den NEOS.)


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Deswegen habe ich auch diesen türkisen Schuldenrucksack mit enttäuschten Grüßen von den nachfolgenden Generationen mit, denn das, was Sie ihnen umhängen, ist unpackbar und es ist ehrlich gesagt unverantwortlich. (Bundesminister Brunner spricht mit Staatssekretär Tursky.) Tatsächlich muss man sagen, auch wenn Sie hier Diskussionen führen, ob es der richtige Farbton ist, es ist doch ein sehr ernstes Thema. Das, was Sie hier gemacht haben, ist, dass Sie die Zukunft der nachfolgenden Generationen verhindern. Sie geben ihnen mit diesem Budget ein Abstiegsversprechen. (Beifall bei den NEOS.)

Lassen Sie es mich vielleicht noch ein bisschen zusammenfassen: 21 Milliarden Euro Defizit verzeichnen wir nächstes Jahr, 105 Milliarden Euro über die Legislaturperiode. Und bis 2027 – Kollege Schwarz hat es schon gesagt, es gibt heuer eine Delle, aber dann steigen die Zahlen ja wieder an – legen Sie noch einmal 60 Milliarden Euro drauf. Da fehlt mir wirklich jegliche Fantasie, wie das weitergehen soll. Es wirkt so, als ob Sie sich vollkommen aufgegeben hätten, als ob Sie vonseiten der ÖVP sich vollkommen aufgegeben hätten. Anstatt Reformen anzugehen, um Probleme in den Griff zu bekommen, ist das Einzige, was Sie machen, Steuergeld auf Probleme zu hauen. Das können Sie. Nichts anderes ist offenbar in dieser Regierung mehr möglich. (Beifall beiden NEOS.)

Jetzt kann man sagen: Wer nicht hören will, muss fühlen! Man kann auch sagen: Wer nicht reformieren kann, muss zahlen! Das Gemeine daran ist, dass ja nicht Sie zahlen. Herr Finanzminister, nicht Sie oder Ihre Politkollegen, sondern die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zahlen das. Die müssen die Party, die Sie hiermit gestartet haben, bezahlen. Jeder vierte Euro – verdammt noch einmal, jeder vierte Euro! – geht ins Budget. Es sind 17 Milliarden Euro mehr für die Länder vorgesehen – mit unzureichenden Zahlen und Zielen. (Bundesminister Brunner: Kennen Sie die Ziele?) Es sind unzureichende Ziele, die wir haben. Kein Mensch in den Ländern wird die Netze und die Infrastruktur ausbauen. (Ruf bei den Grünen: Das wird nicht mit dem Budget gemacht, Karin! – Bundesminister Brunner: Kennen Sie die Ziele?) Wissen Sie, was? (Bundesminister Brunner: Ich noch


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nicht!) – Ja, weil Sie ein Budget vergeben, ohne Ziele zu definieren. In welchem Unternehmen macht man denn so etwas?! (Beifall bei den NEOS.)

Ich gebe doch kein Geld her, ohne zu wissen, was dabei rauskommt! Sie sagen, es gibt 17 Milliarden Euro mehr für die Länder, ohne Ziele zu vereinbaren. Das ist superprofessionell, Herr Finanzminister, es tut mir leid! (Bundesminister Brunner: Das ist daneben! Das ist jetzt wirklich daneben!)

9 Milliarden Euro an Zinslast nur nächstes Jahr – 9 Milliarden Euro! Die Zukunftsquote, Herr Kollege Haubner, die Sie so schön zitiert haben, beträgt 14 Prozent. Für Wissenschaft und Forschung sind 6,4 Milliarden Euro vorgesehen, aber für Zinszahlungen 9 Milliarden Euro: Das ist das Zukunfts­budget dieser Bundesregierung. (Beifall bei den NEOS. – Bundesminister Brunner: Wir haben noch nie so viel für Wissenschaft und Forschung ...!)

Man kann schon sagen, man hat jetzt etwas mehr für Wissenschaft und Forschung getan, aber letztendlich geht es doch darum, dass wir eine Zukunftsquote von 14 Prozent haben, wenn sie enger gefasst ist. Wenn wir es ganz, ganz großzügig sehen, sind es 20 Prozent (Bundesminister Brunner: 50!), die für Wissenschaft, Forschung, Elementarpädagogik, Bildung und solche Dinge ausgegeben werden. (Bundesminister Brunner: 50 Prozent! 50!) Das ist viel zu wenig, das ist viel zu wenig! (Abg. Wöginger: Jetzt ist es wieder zu wenig!) Internationaler Standard sind 25 Prozent, und ja, wenn NEOS etwas mehr in Verantwortung wäre, dann hätten wir 25 Prozent als wirkliches Ziel in diesem Budget verankert.

Was Ihnen vollkommen abgeht, meine Damen und Herren, ist auch der Mut zu Reformen – Pensionsreform, Bildungsreform, Föderalismusreform. Die teuersten Dinge, die man sich vorstellen kann – es gibt kein Statement dazu. Geld drauf­zuhauen, Geld auf die Probleme zu hauen ist das, was Sie machen.

Kollege Haubner, weil Sie das auch gesagt haben: Wir unterstützen die Unternehmerinnen und Unternehmer! Ganz im Ernst: Wissen Sie, was die wollen? – Die wollen Rahmenbedingungen, sie wollen wissen, dass sie


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langfristig investieren können, dass sie an diesen Standort glauben können. Sie wollen Rechtssicherheit. Sie wollen keine Förderungen und nicht Förder­optimierer werden. Das ist wirklich auch eine ganz schlechte und schwierige Aussage, die Sie da getroffen haben.

Man kann noch einiges sagen. Was ich aber wirklich sagen möchte, ist, was wir machen würden. Wir würden diese Reformen wirklich angehen. Wir würden eine Schuldenbremse im Verfassungsrang fordern, damit diese Unsinnigkeiten nicht mehr gemacht werden können. (Abg. Lukas Hammer: Das funktioniert in Deutschland super!) – Vielleicht funktioniert nicht alles gut in Deutschland, aber wissen Sie, was in Deutschland gemacht wird? – Wenn die in Zeiten wie diesen, in Krisenzeiten mehr Geld ausgeben, damit sie die Wirtschaft unterstützen, damit sie helfen können, dann müssen sie auch gleichzeitig sagen, wie sie es zurückzahlen. (Abg. Schallmeiner: ... FDP blockiert! – Abg. Wöginger: Wo die Pensionisten die Häuser nicht mehr erhalten können! Das ist super!) Davon haben wir in Österreich noch nie etwas gehört, oder? (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kopf: Dort machen sie Schattenhaushalte!) 105 Milliarden Euro Defizit, mehr sage ich nicht dazu.

Was ich doch noch sage, weil es gesagt werden muss: Das, was Sie mit diesem Budget und vor allem auch mit dem Finanzrahmen für die nächsten Jahre vorgelegt haben, ist ein Abstiegsversprechen für diese Republik – das sicher nicht mit unseren Stimmen beschlossen wird –, deswegen fordern wir auch heute Ihren Rücktritt. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Doppelbauer überreicht Bundesminister Brunner den Rucksack. – Bundesminister Brunner: ... hätte ich mir nicht erwartet! – Abg. Wöginger: An Freundlichkeit nicht zu überbieten! Sehr charmant!)

10.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Strasser. – Bitte sehr.



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10.28.59

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Im Auftrag von meinem Kollegen Herrn Bürgermeister Michael Hammer darf ich die Gruppe aus Altenberg bei Linz recht herzlich begrüßen. Applaus! (Allgemeiner Beifall.) Grüß euch und herzlich willkommen! Wir fühlen uns geehrt, dass so viele Menschen seit Jänner 2023 unser Haus der Demokratie besuchen. Das ist ein gutes, ein wichtiges Zeichen.

Fordernde Zeiten durchlebt die Land- und Forstwirtschaft in Österreich nach einem relativ guten Jahr. Im vorigen Jahr hat sich sozusagen wieder eine gewisse Normalität eingestellt. Die Preise sind ein wenig gefallen, und auch die globalen Krisen wirken sich natürlich schwierig auf die Marktsituation in Österreich aus.

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass auch in diesem Budget viele Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft, für die ökologische Wende, für den Standort, für die Arbeitsplätze in diesem Land beinhaltet sind, die ich ganz kurz aus meiner Sicht ausführen möchte.

Gestern dieses – ich würde es so bezeichnen – ökologische Konjunkturpaket – ein herzliches Dankeschön dafür, weil: Dass 2,3 Milliarden Euro für die erneuerbaren Energien und für Sanierungen investiert werden, ist ein wichtiges Zeichen. Dass für PV-Anlagen bis 35 kW die Umsatzsteuer fällt und damit sozusagen die Energiewende auch ein wenig entbürokratisiert wird, ist ein ganz wichtiges Zeichen. Wir kommen damit unserer Unabhängigkeit, was das Gas, was das Öl betrifft, und auch den Klimazielen, die wir erreichen müssen, näher.

Ein großes Dankeschön für dieses Budget, es ist im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig, sozial verträglich, ökologisch wertvoll und wirtschaftlich machbar; ein


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herzliches Dankeschön dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Aus agrarischer Sicht wird es uns gelingen, Umweltleistungen auszubauen – das ist ein Zeichen der Zeit. Das ist das eine, aber das andere ist: Wir brauchen auch dringend eine Abgeltung und eine Wertschätzung für die ökologischen Leistungen der Bäuerinnen und Bauern. Und: Der Ausbau des Waldfonds wird gelingen, weil die Land- und Forstwirtschaft in Österreich auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Das betrifft nicht nur die Ökologie, sondern an der Forst­wirt­schaft hängen auch viele Arbeitsplätze, und da müssen wir dranbleiben. Aus diesem Grund ist auch das Motiv der Sicherheit in diesem Budget abgebildet. Wir stellen damit aus agrarischer Sicht sicher, dass Lebensmittel, Rohstoffe, Energie und eine wunderschöne Landschaft auch in Zukunft möglich sind. Und wir stellen sicher, dass die ökologische Wende, der soziale Ausgleich und Wachstum und Arbeitsplätze in Österreich gesichert werden.

Herr Bundesminister, ein herzliches Dankeschön für dein Engagement! Ein herzliches Dankeschön allen Fraktionen, die bei diesem Budget mitgehen! Alles Gute! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort kommt Frau Abgeordnete Holzleitner. – Bitte sehr.


10.32.01

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! „Mit Optimismus für Österreich“ – dieser Optimismus fehlt mir aber ehrlicherweise beim Budget für 2024. (Abg. Michael Hammer: Das ist bei euch eh nicht verwunderlich! – Abg. Niss: ... genau schauen!) Wo sind die Zukunftsvisionen? Wo sind die Zukunftsvisionen, die auch die Ökonominnen und Ökonomen nach Ihrer gestrigen Budgetrede, Herr Finanzminister, wirklich sehnlichst vermissen? Viel Prosa, ein paar Kalenderzitate in der Rede, aber die Zukunftsvisionen sind nicht vorhanden. (Bundesminister


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Brunner: Das stimmt nicht!) – Doch, es stimmt. Die Ökonominnen und Ökonomen haben das Budget wirklich zerrissen. (Abg. Obernosterer: Wo denn? – Bundes­minister Brunner: Nein! Das stimmt nicht!) – Doch! (Bundesminister Brunner: Nein!) Sie können noch einmal Nein sagen, aber es wird deswegen nicht wahrer. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: War’s der Matznetter oder der Krainer?)

Auch die vollmundigen Verheißungen des Bundeskanzlers: 4,5 Milliarden Euro für die Kinderbildung! – Wo findet man es im Budget? Wo findet man das im Finanzausgleich? – Diese 4,5 Milliarden Euro sind ein erneut gebrochenes Versprechen. (Abg. Wöginger: Nein!) Frisches Geld – in der Aktuellen Stunde im letzten Plenum auch Klubobmann Wöginger: 4,5 Milliarden Euro frisches Geld für die Kinderbildung! (Abg. Wöginger: Kinderbetreuung! – Abg. Belakowitsch: ... Kinderbildung! Lassts die Kinder einmal Kinder sein!) – Wo finden wir es? – Nirgend­wo finden wir es, weil einfach wieder einmal ein Versprechen von der ÖVP gebrochen wurde. Das heißt: weniger Teilhabemöglichkeiten für die Frauen, weniger selbstbestimmte Möglichkeit, Vollzeit erwerbstätig zu sein, weniger Chancen am Arbeitsmarkt.

Ich frage Sie, werte Kolleginnen und Kollegen: Wie lange noch warten? Wie lange noch Gehaltsunterschiede, Pensionsunterschiede bei den Frauen einzementieren? (Abg. Disoski: Es gibt 50 Millionen mehr für aktive Arbeitsmarkt­politik!) Wenn wir nicht heute investieren, dann wird das noch länger die traurige Realität in Österreich sein. Wir hätten diese Milliarde gehabt – weil ich da auch schon Zwischenrufe von den Grünen höre –: 2016. Wir haben mittlerweile sieben Jahre bei den Investitionen in die Kinderbildung verloren – sieben Jahre haben wir verloren! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Unterüberschrift des Budgets: „Wohlstand erhalten.“ – Dieser Wohlstand wird nicht zu erhalten sein, wenn wir Frauen nicht endlich die Möglichkeiten zur Teilhabe vollumfänglich einräumen. Dafür braucht es den gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt, dafür braucht es einen Rechtsanspruch auf Kinder­bildung ab dem ersten Lebensjahr, dafür braucht es eine Kinderbildungs­milliarde pro Jahr, wie von der Sozialpartnerschaft gefordert – für das Personal in den


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Bildungseinrichtungen, für die Kommunen, für den Betrieb, für den Ausbau: 1 Milliarde Euro mindestens pro Jahr!

Wenn wir über Kinderbildung bei den Kleinsten diskutieren, müssen wir im weiteren Verlauf auch darüber sprechen: Wo ist das Geld für den weiteren Ausbau von Ganztagesschulen? (Abg. Belakowitsch: Wer will eine Ganztages­schule?) Wo ist das Geld für den Chancenindex flächendeckend in allen Regionen Österreichs? – Das Geld fehlt!

Es wird nur der Status quo einzementiert. Es fehlt auch das Geld für kostenlose Meisterprüfungen (Abg. Schwarz: Bitte erklär das ...! Machts euch das intern aus! – Abg. Wöginger: Budgetbegleitgesetz, Frau Kollegin! Die lesen die Gesetze nicht! Das steht im Budgetbegleitgesetz!), für ein Update in der Lehre. Es fehlt auch das Geld für barrierefreien Zugang an den Unis und Hochschulen. Und – das ist wirklich ein großes Problem –: viele Ankündigungen, aber keine Zukunftsvisionen. (Beifall bei der SPÖ.)

Stattdessen sind im Budget weiterhin Intransparenzen: ein nebulöser Frauen­fonds, in den Geld abseits von parlamentarischer Kontrolle hineinfließt. Was heißt das bei der ÖVP? – Geld nach Gutdünken verteilen. Das haben wir in der Cofag gesehen – darüber werden wir heute auch noch intensiver sprechen. (Abg. Ottenschläger: Ihr verteilt euch Kleingartenparzellen nach Gutdünken, gell!?) Intransparenzen in diesem Budget werden einfach weitergeschrieben, fortgeschrie­ben, mehr Geld wird dort investiert, wo keine parlamentarische Kontrolle greift und die ÖVP nach Gutdünken einfach vergeben kann.

Wohin aber müsste das Geld stattdessen fließen? – In gestalterische, progressive Frauenpolitik, in kostenlose Verhütungsmittel, in einen kostenlosen Schwan­gerschaftsabbruch im Spital (Abg. Belakowitsch: Das sind super Ansätze!) – gegen klerikale Widerstände zu jedem Zeitpunkt. (Beifall bei der SPÖ.) Für uns ist klar: Eine Frauenministerin hat sich an die Seite der Frauen zu stellen und all jenen die Stirn zu bieten, die den Frauen ihre reproduktiven Rechte wegnehmen wollen,


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gegen alle klerikalen Widerstände beim Schwangerschaftsabbruch, bei Verhütungs­mitteln. Da würden wir uns wirklich zielgerichtete Frauenpolitik erwarten. (Beifall bei der SPÖ.)

10.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kaniak. – Bitte.


10.36.51

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer auch aus Oberösterreich! Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. – Lassen Sie uns diesen Spruch auch einmal auf das Budget anwenden, denn es gibt große Bereiche der Daseinsvorsorge, die natürlich im Budget abgebildet sein müssen: Sicherheit, Bildung, Pensionen und natürlich auch Gesundheit.

Die Gesamtausgaben für Gesundheit in Österreich betragen im Jahr ungefähr 54 Milliarden Euro, die öffentlichen Gesundheitsausgaben ungefähr 40 Milliarden Euro, und im Bundesgesundheitsbudget sind ganze 3,2 Milliarden Euro an Ausgaben als unmittelbare Zahlungen des Bundes abgebildet. Wofür wird dieses Geld ausgegeben, das im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit schon relativ viel ist – vor Corona war es noch gut 1 Milliarde Euro, die der Gesundheits­minister hat verteilen können –? – Es gibt im Wesentlichen drei große Blöcke, die ich Ihnen kurz skizzieren möchte:

Einer der größten Blöcke ist die Krankenanstaltsfinanzierung, das heißt, der Bundeszuschuss zum Betrieb der Krankenhäuser. Wir sprechen da von einem Betrag im aktuellen Budget von 917 Millionen Euro, und dieser Betrag ist im Vergleich zum Vorjahr gerade einmal um 3 Prozent gestiegen – 3 Prozent bei einer Inflationsrate, bei einer Teuerungsrate von circa 9 Prozent, 3 Prozent bei einem massiven Personalmangel, bei einer massiven Gehaltsdiskussion in


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den öffentlichen Spitälern, bei einer Kündigungswelle und einer Pensionie­rungswelle, bei einer Unterausbildung, bei einer Nichtausschreibung von Ausbildungsplätzen und bei vielen weiteren Problemen, die wir in diesem Bereich haben.

Ich habe Herrn Bundesminister Rauch und auch Ihnen, Herr Bundesminister Brunner, schon während der Coronakrise gesagt, dass, wenn wir in diesem Bereich die Leistungsdefizite, das Personalproblem und den Behandlungs­rückstau rechtzeitig angehen wollen, proaktiv angehen wollen, dann hier in dieser Budgetstelle zuerst einmal eine deutliche Aufstockung erfolgen muss, damit die Länder und die Krankenanstaltsträger auch die Planungssicherheit haben, um neue Stellen für die Ausbildung und für die Abarbeitung des Behand­lungsrückstaus auszuschreiben, zu besetzen und dann diese Leistungen auch tatsächlich zu erbringen.

Was macht diese Bundesregierung? – Eine Erhöhung um 3 Prozent ist blanker Hohn, sehr geehrte Damen und Herren!

Aber es gibt ja den zweiten großen Posten: Finanzausgleich Primärversorgung. Das ist ein quasi neuer Budgetbereich, der jetzt mit diesen zusätzlichen 920 Millionen Euro Rahmenbudget aus dem Finanzausgleich dotiert ist. Nur, was hat die Bundesregierung mit diesen 920 Millionen, in Summe bei diesem Budgetposten fast 1 Milliarde Euro vor? – Schauen wir uns an, was für Ziele im Budget stehen! Wissen Sie, was das einzige Ziel ist, das dort im Budget drinnen steht? – Die Gelder wurden an die ordnungsgemäßen Rechtsträger ausbezahlt. – Das ist die einzige Zielsetzung, die diese Bundesregierung für 1 Milliarde Euro hat, die sie zusätzlich ins System hineinwirft. (Abg. Kassegger: Sehr herausfordernd!) Herr Bundesminister, das kommt mir etwas wenig vor, mit Verlaub. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben aber eine Absichtserklärung, was Sie mit den Geldern machen wollen, hinzugefügt: 550 Millionen Euro sollen in die Spitalsambulanzen fließen, 300 Millionen Euro sollen in den niedergelassenen Bereich fließen, und neben


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ein paar anderen Kleinigkeiten sollen auch noch 3 Millionen Euro in die Sicher­heit der Arzneimittelversorgung oder direkt in Arzneimittel fließen.

Das ist genau das Problem, Herr Bundesminister: eine Spitalslastigkeit in der Primärversorgung, die Leute rennen alle direkt in die Spitalsambulanzen, anstatt den niedergelassenen Arzt aufzusuchen. Und was machen Sie als Finanz­minister? Und was macht der Herr Gesundheitsminister? – Sie zementieren das noch zusätzlich ein, indem Sie zusätzliche Mittel genau in dieser falschen Struktur weitervergeben, während wir eigentlich eine Trendwende, einen Strukturwechsel haben wollen. Das wird nichts, Herr Bundesminister, damit werden wir die angestrebten Änderungen nicht erreichen. Genauso wie in der Vergangenheit, als das schon Zielsetzung war und gescheitert ist, wird das auch in Zukunft von der Zielsetzung her scheitern, weil Sie die Mittel auch einfach vollkommen falsch einsetzen.

Was ebenfalls neu dazukommt – neu, wenn man die Coronazeit außer Acht lässt –, ist die direkte Zuwendung an die Sozialversicherungen. Bundesminister Rauch hat sich auch gestern in der Sitzung damit gebrüstet, dass das ja ganz innovativ und so toll ist. Ungefähr 580 Millionen Euro werden direkt an die Sozialversicherungen bezahlt. Was wird denn da bezahlt? Auch das ist eigentlich ganz spannend, wenn man sich das anschaut: Da werden Nichtversicherten politisch beauftragte Leistungen bezahlt – fast 62 Millionen Euro fließen in Behandlungsleistungen für Nichtversicherte.

Da finden sich auch absolute Kuriositäten wie zum Beispiel 20 Millionen Euro Energiekostenzuschuss für neue Selbstständige. Herr Bundesminister, was macht das im Gesundheitsbudget? Können Sie mir das erklären? Für mich ist vollkommen unplausibel, was diese Position im Gesundheitsbudget macht. Vielleicht können Sie das noch erläutern. Ich habe es nicht geschafft, da einen inhaltlichen Zusammenhang zum Gesundheitsbudget herzustellen.

Unter diesem Posten der direkten Zuwendung an die Sozialversicherungen finden sich auch 60 Millionen Euro für 100 neue Kassenärzte. Jetzt sind wir uns


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grundsätzlich einig: Wir brauchen mehr Kassenärzte im niedergelassenen Bereich, und die Auswahl der Fachrichtungen, die hier steht – von Allgemein­medizin über Kinderheilkunde, Gynäkologie und Ähnliches –, ist grundsätzlich vollkommen richtig. Aber noch einmal: Was macht das in diesem Budget? Und wieso regelt der Bund das nicht, der an sich ja die gesetzliche Kompetenz hätte – über den Strukturplan Gesundheit und den Druck auf die Regionalstrukturpläne Gesundheit –, die Verteilung der Kassenstellen zu regeln und gesetzlich festzuschreiben? Wieso schüttet er das Geld für 100 zusätzliche Stellen und für einen Sonderbudgettopf einfach so über den Sozialver­sicherungen aus, anstatt diese Normaufgabe der Sozialversicherung gesetzlich zu regeln und dann zu schauen, wie die Sozialversicherung mit ihren Geldern zusammenkommt?

Sie schütten ja diese 100 Stellen on top einfach drauf, ohne Vorgaben, wie sie verteilt werden sollen. Die werden sich natürlich genau dort ansiedeln, wo es für die Ärzte attraktiv ist, und nicht dort, wo es für die Versorgung notwendig ist. Es gibt keine Vorgaben, wie sie verteilt werden sollen, sondern sie werden sich zusätzlich dort ansiedeln, wo die Versorgung schon sehr gut ist, und im länd­lichen Bereich, wo die Versorgung unterdurchschnittlich ist, werden Sie mit diesem Budget keine einzige dieser neuen Kassenstellen hinbekommen. Das ist ein grober Strukturfehler, und das ist more of the same statt der angekündigten Strukturreform. Sie werden in den Zielsetzungen der flächendeckenden wohnortnahen Versorgung mit dem, was Sie da gerade machen, kläglich scheitern.

Einen letzten Punkt möchte ich noch ganz kurz ansprechen – meine Redezeit ist an sich schon zu Ende, aber das Thema Präventionsmedizin ist ja auch ein ganz wesentlicher Punkt –: Man könnte sagen, 211 Milliarden Euro für präven­tivmedizinische Maßnahmen im Budget, das hört sich gut an. Wenn man dann aber weiß, dass allein für das nächste Jahr 52 Millionen Euro an Anschaffungs- und Lagerkosten für die Covid-Impfungen budgetiert sind, dass also ein Viertel der Ausgaben allein dafür draufgeht, während wir in den letzten Jahren


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schon fast 20 Millionen Impfstoffdosen weggeworfen und verschenkt haben, weil sie abgelaufen sind, dann sieht man, dass auch da die Schwerpunkte vollkommen falsch gesetzt werden.

Das wichtige Thema Dickdarmkrebsvorsorge ist gerade einmal mit 10 Millionen Euro budgetiert – aber immerhin.

Für das Influenzaimpfprogramm – 17 Millionen Euro – wurden Impfstoffdosen ohne Kanülen beschafft, und die Ärzte wissen nicht, wie sie das applizieren sollen. Da passieren so viele Fehler, und es wäre noch so viel Potenzial drinnen. Da würde ich Sie ersuchen, Herr Minister: Setzen Sie sich einmal mit dem Gesundheitsminister zusammen! Man könnte tatsächlich im Bereich der Präven­tion sinnvoll investieren: nicht so wie in der Vergangenheit, nicht für die Dinge, die niemand braucht, die wir verschenken und wegwerfen, sondern in den Bereichen, in denen es tatsächlich notwendig wäre. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung ist Klubobmann Wöginger zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.45.01

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nicht meine Art, in Hülle und Fülle tatsächliche Berichtigungen zu machen, aber in diesem Fall ist es notwendig. Frau Kollegin Holzleitner hat in ihrer Rede behauptet, dass die kostenlose Meisterprüfung – ein Versprechen von Bundeskanzler Nehammer – nicht im Gesetz abgebildet sei.

Ich berichtige tatsächlich: Die kostenlose Meisterprüfung ist in Artikel 14 Budgetbegleitgesetz abgebildet – Meister- und Befähigungsprüfungs-Finanzierungsgesetz –, mit 12 Millionen Euro, die für das kommenden Jahr budgetiert sind. Das heißt, Bundeskanzler Nehammer löst seine Ver­sprechen ein. Bitte zuerst lesen, dann denken, dann sprechen! (Beifall bei der


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ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kucher: Aber das ist eine Eintagsfliege! Wo sind denn die 100 Kassenarztstellen? Wir warten bis heute! – Abg. Wöginger – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Die kriegst du auch! – Abg. Kucher: Und die Mietpreisbremse, seit 1. Oktober? Da warten wir auch noch! 1. Oktober hat es geheißen, glaube ich!)

10.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Disoski. – Bitte.


10.45.55

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.) Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen) – danke für die Unterstützung – insbesondere hier auf der Galerie! Vielleicht haben sich dann die Herren auch beruhigt und halten es aus, hier zuzuhören, statt ihre Zwiegespräche fortzufüh­ren, damit ich meine Rede beginnen kann.

Auf der ganzen Welt werden Frauen- und Minderheitenrechte, die sehr hart und lange erkämpft werden mussten, beschnitten. In Österreich stärken wir Frauen- und Minderheitenrechte, und das spiegelt sich auch in diesem vorliegenden Budget wider. Ich als Frauensprecherin freue mich naturgemäß darüber, dass wir das Frauenbudget zum fünften Mal in Folge erhöhen. Es wird 2024 33,6 Mil­lionen Euro betragen. Mit grüner Regierungsbeteiligung steigt es damit innerhalb einer Legislaturperiode um 229 Prozent. Vorhin hat Kollege Krainer gesagt, so ein Budget hat er noch nie gesehen. – Ja, ich muss ihm recht geben, das kann er noch gar nicht gesehen haben, denn eine solche Erhöhung im Frauenbudget gab es nie zuvor. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was passiert jetzt mit diesem Geld? – Nachdem die Gewaltschutzstrukturen, die Gewaltschutzzentren, die Frauen- und Mädchenberatungsstellen, die unter­schiedlichen Beratungs- und Unterstützungsangebote für Gewaltbe­troffene im


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vergangenen Jahrzehnt kontinuierlich ausgehungert, ausgetrocknet worden waren, hat diese Bundesregierung in den vergangenen Jahren die dringend notwendige Trendwende geschafft. Trotz aller Unterschiede, die wir auch in der Frauenpolitik haben, ist uns da wirklich etwas Großes gelungen, das dringend war, und diesen Weg führen wir fort.

Ein Blick ins Budget zeigt das auch: Wir stärken beispielsweise weiterhin die Gewaltschutzzentren, wir haben 7 Millionen Euro zusätzlich für die Erhöhung der Basisförderungen der Frauen- und Mädchenberatungsstellen, und wir sichern in diesem Budget auch die versprochenen Gewaltambulanzen ab. Auch das ist ein Meilenstein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch in anderen Ressorts abseits des Frauenministeriums – im Sozialbereich, im Gesundheitsministerium, im Justizressort und auch im Innenministerium – steigen die Mittel für Gewaltschutz und Gewaltprävention weiterhin und das ist gut so, das war lange überfällig. Das stärkt und unterstützt vor allem die Gewaltbetroffenen in unserem Land, und das haben sie sich wirklich verdient.

Gewalt wurde auch jenen angetan, die aufgrund homophober Strafgesetze durch die heimische Justiz verfolgt und verurteilt worden sind. Bundesministerin Zadić hat sich vor zwei Jahren in einer historischen Erklärung für die straf­rechtliche Verfolgung von homosexuellen Menschen in der Zweiten Republik entschuldigt. Sie lässt jetzt diesen Worten auch Taten folgen: Sie setzt eine langjährige Forderung der LGBTIQ-Community um. Die Entschädigungszah­lungen für die zu Unrecht von der Justiz verfolgten Angehörigen der Community kommen, sie sind budgetiert. Das ist ein wichtiger Erfolg für die Community, die jahrelang Druck ausgeübt hat, gelaufen ist, dafür lobbyiert hat und mit der Justizministerin eine starke Verbündete auf der Regierungsbank gefunden hat. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Was steckt aus frauen- und gleichstellungspolitischer Sicht noch in diesem Budget? – Milliardeninvestitionen in den österreichweiten Ausbau von Kinderbetreuung. Jahrelang haben vergangene Regierungen darüber geredet.


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Wir reden nicht darüber, wir setzen das um. Damit kommen wir dem erklärten Ziel meiner Fraktion, einem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr, einen riesengroßen Schritt näher. Das ist gut für die Kinder, das ist gut für die Frauen, für die Männer, kurzum: gut und längst über­fällig für die Familien in unserem Land. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Werfen wir einen Blick auf das Budget für Arbeitsmarktpolitik: Wir konnten es nicht nur halten, wir erhöhen es sogar um 50 Millionen Euro. Wieso ist das auch aus frauenpolitischer Sicht von großer Wichtigkeit? – Weil wir wissen, dass arbeitsmarktpolitische Frauenprogramme wesentlich sind, um bestehenden strukturellen Benachteiligungen von Frauen am Arbeitsmarkt entgegenzuwirken, sie zu beseitigen. Mit der Budgeterhöhung können sämtliche bestehende frauenspezifische Projekte und Programme in diesem Bereich weitergeführt werden. Es obliegt natürlich den regionalen AMS-Stellen, das auch zu tun, und als grüne Frauensprecherin appelliere ich eindringlich an Sie: Bitte machen Sie das auch! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Werfen wir abschließend noch einen Blick auf die Pensionen und in den Sozial­bereich: Seit 2020 – der Vizekanzler hat es gestern, glaube ich, noch einmal sehr eindrucksvoll festgehalten – steigen die Pensionen jedes Jahr über der Inflation. Das führt real zu einer Kaufkraftstärkung. Das ist insbeson­dere für Menschen mit geringen Pensionen wichtig, wie wir alle wissen. Die Mehrheit davon sind leider Frauen. NEOS kritisieren diese Pensionssteigerungen, und mehr muss ich als Pensionistin über NEOS eigentlich nicht wissen.

Schon seit heuer steigen wichtige Familien- und Sozialleistungen automatisch. Das bleibt auch weiterhin so. Erhöht sich die Inflation, dann erhöhen sich automatisch die Familien- und Sozialleistungen und die Menschen bekommen Monat für Monat für Monat mehr Geld aufs Konto. Das ist, bitte, ein sozialpolitischer Meilenstein, den die SPÖ nicht zusammengebracht hat und von dem uns NEOS auch vorhin erklärt haben, dass sie ihn schlecht finden.


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Choose your fighter, kann ich da nur sagen und abschließend darauf hinweisen, dass dieses Budget dafür Sorge trägt, dass viele wichtige Maßnah­men, die von vergangenen Regierungen sehr vollmundig versprochen worden sind, endlich umgesetzt werden. Das ist gut so, das ist wichtig so. Des­halb freue ich mich heute als Frauen- und Gleichstellungsprecherin meiner Fraktion sehr, dass wir das hier so auf den Weg bringen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


10.51.18

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ja, im Geldausgeben sind die Grünen super, sie wissen nur nicht wirklich, wo es herkommt. (O-ja-Rufe bei den Grünen.)

Ich möchte auch noch richtigstellen – weil Klubobfrau Maurer gesagt hat, Experten hätten das Budget gelobt (Abg. Disoski: Erklär es mir, Gerald!) –: Ich weiß nicht, welche Experten sie da gehört hat, aber der von ihr zitierte Felbermayr hat gesagt: Das ist ein „Budget für ein Wahljahr und eine Volkswirtschaft in der Rezession“. Und dass die Ausgaben 20 Prozent über den Einnahmen liegen, hält er wörtlich für „problematisch“. – Ein Lob sieht für mich anders aus als „problematisch“.

Fiskalratspräsident Badelt, der ja immer super, super, super dosiert und regie­rungs­freundlich spricht, sagt: Das ist ja „wohl nur politisch erklärbar in einem Vorwahljahr.“ Und dass das strukturelle Defizit rund um 2,7 Prozent bleibt, wertet er wörtlich als „wirkliches Problem“, denn dem Budgetpfad fehle damit die Nachhaltigkeit. – Mit diesem – unter Anführungszeichen – „Lob“ ist unsere Regierung schon zufrieden. Na bitte! (Bundesminister Brunner: Die Aus­gaben ...!) – Ja, die Ausgaben, Herr Minister - - (Bundesminister Brunner: ... sind alle gut!) – Die Einnahmen sind auf Rekordniveau: 103 Milliarden Euro.


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(Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner.) – Ja, Frau Schratzenstaller, die kann ich persönlich nicht ernst nehmen. Wenn das deine Messlatte ist, lieber Herr Finanzminister, dann orientier dich bitte an Frau Schratzenstaller! (Bundes­minister Brunner: Was ist mit Felbermayr? – Abg. Maurer: Was ist mit Schratzenstaller falsch?)

Die Ausgaben sind nicht auf das Vorkrisenniveau zurückgegangen, wie man das von einer anständigen Regierung erwarten würde. Vielmehr wurde ein Defizit von 20 Milliarden Euro jetzt quasi pragmatisiert. Das Katastrophenjahr 2020 geht also ins Budgetdauerrecht über, und wir schreiben jetzt einfach jedes Jahr ungefähr 20 Milliarden Euro Minus. Der Katastrophenzustand ist jetzt budgetäre Normalität geworden.

Jetzt kann man sich loben: Wow, die Regierung gibt mehr Geld aus als alle anderen Regierungen! Ja, und damit schaffen Sie es auch, dass die Inflation in Österreich immer höher sein wird als in den anderen Ländern, die nicht so viel Geld verblasen.

Kommen wir zu den Pensionen! Kollegin Disoski hält das für einen Pipifax. Es ist leider kein Pipifax. (Abg. Disoski: Habe ich das gesagt? Was redest du? Wo habe ich das gesagt?) In den Jahren 2023 bis 2027 muss die Republik 160 Milliarden Euro zu den Pensionen zuschießen – 160 Milliarden Euro –, und der jährliche Zuschuss steigt von heuer bis 2027 um gemütliche 40 Prozent. Ich wünsche den Erwerbstätigen, dass ihre Einkommen auch um 40 Prozent steigen werden, ich bin nur nicht optimistisch, dass sich das ausgehen wird.

Wenn wir sehen, dass dem Budget die Pensionen aus dem Ruder laufen, dann müsste man etwas machen – und zwar nicht das, was die Regierung die letzten Jahre gemacht hat, das Pensionssystem immer verteuern, sondern über­legen: Welche Schritte können wir setzen, um das Problem ein bisschen zu dosieren?


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Natürlich ist es extrem schwierig und es ist extrem unpopulär, die Pensionen anzugreifen und den Menschen zu sagen: Ihr lebt immer länger, ihr müsst einen Teil der zusätzlichen Lebenserwartung im Erwerbsleben verbringen! Das ist nicht populär, aber ein Ministergehalt ist ein Managergehalt. So wie der Manager im Unternehmen das hohe Gehalt nicht für das schöne Wetter und die Eröffnungsreden bekommt, bekommt ein Minister das Gehalt nicht für das schöne Wetter und die Eröffnungsreden. (Beifall bei den NEOS.)

Die Managergage ist immer mit der Verantwortung verbunden, das Schwierige dann zu tun, wenn es fällig ist, und Reformen bei den Pensionen sind fällig. Dann müssen Minister und Staatssekretäre sich mit breiter Brust hinstellen und sagen: Das ist jetzt nicht lustig, aber wir müssen es für unsere Kinder und für unsere Enkel machen, damit die in 30 und 40 Jahren auch noch eine anständige Pension bekommen können. (Beifall bei den NEOS.)

Diese Courage - und das ist jetzt auch nicht so eine Rocketscience – erleben wir aber nicht, erleben wir bei dieser Regierung nicht, haben wir bei den Vorgängerregierungen nicht erlebt, und es schaut auch nicht gut aus. Sie machen das, was leicht geht: Geld verblasen – ein Gratisklimaticket für alle, damit auch die Kinder des Bankdirektors und des Magistratsdirektors gratis mit dem Zug durch die Republik gondeln können.

In Wirklichkeit brauchen ja die Menschen kein Ticket, denn die Tickets sind in Österreich günstig, sondern die Menschen brauchen eine Verbindung. Wenn man im Bezirk Schärding wohnt, ist es mühsam, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Wien zu kommen. (Abg. Stöger: Das geht!) Wenn man in Feldkirchen in Kärnten wohnt, ist es mühsam, nach Wien zu kommen, und wenn man in Sibrats­gfäll in Vorarlberg wohnt, ist es überhaupt mühsam, irgendwo hinzukommen. Die Menschen brauchen kein Ticket, sie brauchen eine Verbindung. Das hat diese Regierung nicht verstanden, aber Gratistickets verteilen, das kann sie! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Maurer: Das größte Ausbau... aller Zeiten!) Das ist der grüne Unfug. (Abg. Lukas Hammer: Ich empfehle einen Blick auf das Bahnausbaupro­gramm!)


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Die Schwarzen machen auch Unfug: Energiekostenzuschuss zwei, nicht? Jetzt sehen wir, es gibt in Österreich eine höhere Inflation als in anderen Ländern, weil die Unternehmen ihre höheren Energiekosten an die Kunden weitergegeben haben. Und jetzt hauen Sie die Milliarden für einen Energiekostenzuschuss hinaus, bei dem in drei von fünf Stufen nicht einmal geschaut wird, ob das Unter­nehmen ihn wirklich braucht. Sie hauen jetzt den Unternehmen, die ihre Energie­kosten schon an die Kunden weitergegeben haben, noch Milliarden an Förderungen nach.

Das ist verfehlte Politik. Geldausgeben ist total einfach, Strukturreformen sind schwierig. Sie bekommen das hohe Gehalt für die Reformen, aber Sie kassieren es fürs Geldverteilen. Das ist nicht okay, würde Matthias Strolz sagen. (Beifall bei den NEOS.)

10.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Obernosterer. – Bitte.


10.57.10

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanz­minister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehschir­men! Wie gesagt, das ist heute die erste Lesung zum Budget. Das wird uns natürlich den ganzen Herbst noch intensiv beschäftigen, wenn wir ins Detail hineingehen.

In der dritten Woche im November gibt es die Budgetausschusswoche, in der jeder einzelne Minister jedem Abgeordneten, der dort Fragen stellt, auch Rede und Antwort stehen muss. Die Woche darauf, in der vierten November­woche, gibt es dann die Budgetplenarwoche, in der hier herinnen jedes einzelne Kapitel einzeln durchgearbeitet wird. Deshalb kann ich auch heute hier eigentlich nur einmal global auf das Gesamtbudget schauen.


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So wie man in einem Betrieb im Grunde genommen am Ende des Jahres auf das Girokonto schaut, was übrig geblieben ist oder nicht, so ist es im Grunde genommen bei diesem Budget auch. Man muss auch dazusagen: So wie in einem Betrieb, egal welcher Art auch immer, muss man immer die gesamtwirt­schaft­liche Situation, die Situation der einzelnen Betriebe kennen, und dann weiß man, ob man gut aufgestellt oder weniger gut aufgestellt ist.

Man kann in jedem Bereich – in jedem Bereich! – Einzelpositionen herausholen, die einfach nicht passen, aber die Frage ist immer: Was ist unterm Strich vernünftig oder nicht vernünftig gewesen?

Herr Finanzminister, Sie haben gestern hier Ihre Budgetrede gehalten. Als Budget­sprecher – und ich erwarte mir das eigentlich auch von den anderen Fraktionen, obwohl ich das bei den Redebeiträgen bisher eigentlich nicht ganz verstehe – muss ich angesichts der Erstellung des Budgets natürlich auch den europäischen Vergleich anschauen. Es werden ja auch EU-Zahlen zum Vergleich verwendet. Wer genau zugehört hat und wer diese schwierige Situation kennt, die wir seit Corona mit der Teuerung, mit dem Ukrainekrieg und jetzt in Israel gehabt haben – ich möchte auf das alles nicht mehr eingehen –: Da muss ich ganz ehrlich sagen, ich gratuliere Ihnen, Herr Finanzminister, zur Gesamterstellung dieses Budgets.

Ich sage das nicht, weil ich der gleichen Fraktion angehöre (Rufe bei der SPÖ: Ah, na! Na! – Abg. Einwallner: Auf keinen Fall!), sondern weil man ganz einfach, wenn man den internationalen Vergleich hernimmt und schaut, wo Österreich steht und wo andere Länder stehen, erkennt, dass wir in Österreich wirklich optimistisch – optimistisch! – in die Zukunft schauen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich will jetzt meine Redezeit nicht allzu lange überziehen (Zwischenruf des Abg. Matznetter), und ich will jetzt nicht politische Wertungen machen, sondern einfach nur Experten erwähnen, ihre Meinung und ihre Zahlen anführen.


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Niemand wird der OECD unterstellen, sie mache irgendeine politische Bewertung. Wenn die OECD sagt, bei der zielgerechten Förderung im Zusammenhang mit dem Teuerungsausgleich ist Österreich an zweiter Stelle, dann sind wir an zweiter Stelle! Ihr sagt immer, das ist nicht zielgerecht. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Ihr haltet uns die Spanier vor. Schaut euch die Bewertung an (ein Schriftstück in die Höhe haltend): Die besagt, das ist fern von der Zielgerichtetheit, die bei uns in Österreich gegeben ist. Schaut euch das bei den Deutschen an, die den Deckel eingeführt haben: Das ist fern davon! – Das sind Fakten und keine Geschichten! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer.)

Die Entlastung: Wir haben bis jetzt zielgerecht viel Geld ausgegeben. Vom Jahr 2022 bis 2026 werden circa 40 Milliarden Euro dafür verwendet. Die Einmal­zahlungen hören auf, und jetzt haben wir die Menschen entlastet: angefangen 2017 mit der Freiheitlichen Partei – da ist noch viel drinnen – die Steuerabsenkung von 25 auf 20 Prozent, von 35 auf 30 Prozent, von 43 runter bis auf 40; jetzt sind wir bei 41 Prozent. Was natürlich das meiste aus­macht, ist die Abschaffung der kalten Progression, wodurch bei einem Einkommen von 40 000 Euro über 1 000 Euro an Steuern erspart bleiben. Das sind 2,5 Prozent des Einkommens, die den Menschen einfach mehr im Sack bleiben. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das sind zielgerechte Unterstützungen. Das Einkommen ist wie gesagt Gott sei Dank nach wie vor stark, die Kaufkraft ist stark, und – gerade an die SPÖ gerichtet –: Wenn viel eingekauft wird – und Gott sei Dank wird viel einge­kauft –, ja dann muss man natürlich, wenn man viel Geld ausgibt, mehr Steuern zahlen. Dass man mehr Geld ausgeben kann, heißt aber doch in Summe, dass man zuerst weniger Steuern zahlt, dadurch mehr Geld in der Brieftasche hat und dann mehr kaufen kann! Also, bitte schön, wenn das falsch ist!? Aber von Wirtschaft habt ihr noch nie etwas verstanden – ist ja wurscht. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer.)


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Ich möchte meine Ausführungen nicht verlängern, wir haben noch zwei Wochen intensive Diskussion vor uns, da können wir jeden einzelnen Punkt durchgehen. Die Situation ist nicht einfach, aber Österreich kann sich auf der EU-Ebene hinstellen und darauf verweisen: Wir liegen bei der Verschuldung in Prozent des BIPs im Mittelfeld – ihr stellt das ja immer anders dar –, wir haben eine Verschuldung in Höhe von 67 Prozent des BIPs. Wisst ihr, wie viel die Spanier haben, die ihr so lobt? – Die haben 110 Prozent! Wisst ihr, wie viel die Italiener haben, die ihr so lobt? – Die haben 150 Prozent! Und die Franzosen, die ihr auch noch als Beispiel hernehmt, haben auch eine 110-prozentige Verschuldung gemessen am BIP. Wir halten die Maastrichtkriterien ein, wir schauen, dass wir die Schulden gedeckelt halten, und wir können uns mit unserer Budgetpolitik wie gesagt ruhig ins Schaufenster stellen. Andere werden uns eher kopieren und nicht kritisieren, so wie ihr das macht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Lukas Hammer und Maurer. – Abg. Krainer: Gabriel, es sind 76 Prozent und nicht 67 Prozent Verschuldung!)

11.03


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte.


11.03.14

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Herr Staatssekretär! Also dieses Budget ist mutig. Es ist mutig, weil nichts gemacht wird, das die Preise senkt – nichts beim Wohnen, nichts bei den Lebensmitteln und nichts bei der Energie. Das ist aber genau das, was die Menschen ganz massiv trifft. Es ist mutig, weil das Motto dahintersteht: Hinter uns die Sintflut! – Wer sich das Budget anschaut, wird das merken.

Jetzt habe ich es mir sehr genau angeschaut und habe einmal versucht, heraus­zufinden: Was ist denn daran positiv? – Da merkt man, dass der eine Vorarlberger, Herr Minister Rauch, sich bemüht hat, ein bisschen etwas zur


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Schadensabwehr zu tun. Er hat sich nämlich tatsächlich darum bemüht, dass die Armutsproblematik angegangen wird. Respekt – da ist etwas dabei.

Was nicht dabei ist, was eigentlich die Arbeitnehmer bräuchten, ist, dass man an sich die Inflation beim Arbeitslosengeld, bei der Notstandshilfe erhöht (Bundesminister Brunner: Dass man die Inflation erhöht?), dass man die Inflation abdeckt. Leider hat man das nicht gemacht. Man hat darauf vergessen, das Arbeitslosengeld für diese Zielgruppe zu erhöhen. Diese Menschen sind von der Inflation massiv betroffen und haben um 10 Prozent weniger Arbeitslosengeld. Da hat man nichts getan. Herr Bundesminister, das ist leider eine Schande. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Zweiten: Der Herr Arbeits- und Wirtschaftsminister reduziert - - Nein, ich sage es zuerst positiv: Der Herr Arbeitsminister ist – nach vier Jahren – draufgekommen, dass es am österreichischen Arbeitsmarkt gescheit ist, wenn die Leute Deutsch reden, und hat wieder die Deutschkurse hineingegeben. Gott sei Dank, nach vier Jahren ist er draufgekommen, nachdem Schwarz-Blau das aus der Arbeitsmarktpolitik rausgenommen hatten. Das ist wieder drin, das ist positiv.

Was aber macht dieser Arbeitsminister? – Er reduziert die Beiträge zur Arbeits­losenversicherung, er reduziert die Beiträge für die Kurzarbeit, und er macht nichts im Bereich der innovativen Arbeitsmarktpolitik. (Abg. Maurer: Plus 50 Millionen! Über 70 Millionen für das Integrationsjahr!) Dazu ist nichts drinnen, das wird alles reduziert. Ich denke mir, das ist eine Provokation. Die Beiträge werden reduziert: 100 Millionen Euro weniger.

Herr Bundesminister, ich habe gestern sehr genau zugehört, was Sie gesagt haben. Sie haben einen Satz gesagt, der lautet: Was nützt es den vielen, wenn man den wenigen etwas wegnimmt? – Ein guter Satz! Thomas Schmid hat diesen Satz auch gesagt. Der hat gesagt: Du bist bei der ÖVP, „du bist die Hure der Reichen“. – Das ist derselbe Satz, nur anders formuliert. (Abg. Hörl: Jetzt reicht’s aber! – Abg. Taschner: Also so ein Blödsinn!)


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Ich sage, wo man es merkt. Auf Seite 72 des Budgetberichtes kann man nach­lesen: Die Hackler, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die Leistung erbringen, zahlen um 13 Milliarden Euro mehr Steuern, und die Gstopften zahlen um 13 Milliarden weniger Steuern. – Das sieht man an diesem Budget. (Beifall bei der SPÖ.)

Positiv kann man über das Klimaticket reden, aber da bin ich einmal auch bei Loacker: Ich habe nichts vom Klimaticket, wenn es keine Verbindung gibt. – Ich merke das Bemühen von Ministerin Gewessler, dass da mehr kommt – die Zahlen sind hoch –; ob sie es dann auch zusammenbringt, ist ein zweites Paar Schuhe. Nichts ist drinnen im Bereich Güterverkehr.

Was hätte die SPÖ getan? – Die SPÖ hätte gesagt: Was ist denn das Innovative? Was brauchen wir denn? Wir brauchen etwas, zum Beispiel dass die Häuslbauer beim Wohnen wieder etwas haben. Wo schaut man, dass die Häuslbauer wieder bauen können? Wo tut man etwas im Wohnbau? – Da drinnen finde ich dazu nichts. – Wie schauen denn die öffentlichen Gebäude, die Schulen aus? Wie können wir da etwas erneuern? – Auch dazu ist zu wenig drinnen. – Die Qualifi­zierung für Transformation: Wo haben wir da innovative Instrumente drinnen? – Ich habe sie nicht gefunden – ein bisschen etwas beim Netzausbau, wenn es um das Breitband geht, okay. Ich sage nur: Der ÖGB hätte ein Zehnpunkteprogramm gefordert. Das könnte man tun.

Herr Bundesminister, bei Wasserstofftechnologien, im Pharmabereich, in der Biotechnologie, da bräuchten wir eine Weiterentwicklung, da bräuchten wir innovative Projekte. Die fehlen alle, und insbesondere auch jene in der Gesund­heitsforschung. (Abg. Hörl: Die Zillertalbahn zum Beispiel, Herr Stöger, wäre ein fertiges Projekt!)

Wissen Sie, was mich am meisten geärgert hat, als ich das gestern gehört habe? – Sie schreiben – in Ihrer Budgetrede haben Sie es gesagt –, die Sicherung der Rohstoffe ist Ihnen 5 Millionen Euro wert. Ich sage Ihnen eines: Mit 5 Millionen Euro – da investieren die Häuslbauer allein in meiner Gemeinde


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mehr! – wollen Sie die Rohstoffe sichern?! Das ist viel zu wenig. Wir brauchen ein innovatives Budget. – Zurück zum Anfang! (Beifall bei der SPÖ.)

11.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Maximilian Linder. – Bitte.


11.08.49

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Frau Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren Zuhörer! Herr Finanzminister, Ihre Budgetrede von gestern hat zum Teil wunderschöne Botschaften gebracht. Wenn man sich dann allerdings die Realität anschaut und Vergleiche zieht, kommt man drauf, dass die Tatsachen etwas ganz anderes zeigen.

Sie haben sich gestern gerühmt, dass der Arbeitsmarkt vorerst stabil bleibt. In der erst vor Kurzem stattgefundenen Sitzung des Wirtschaftsausschusses hat Prof. Bonin vom IHS gesagt: Noch ist er stabil, weil die Firmen die Mitarbeiter noch horten, aber mit dem Einbruch der Bauwirtschaft im Winter werden die Leute entlassen werden. – Deswegen glaube ich, es ist wirklich Zeit, darauf zu reagieren – und nicht, sich herzustellen und zu sagen, es passt eh alles.

Sie haben sich gerühmt, dass uns andere Regierungen dafür loben, dass wir so gute Zahlen und Fakten haben. Das mag schon sein, aber wissen Sie, was das Schlimme ist? – Wir sind für die Österreicher verantwortlich, und die spüren etwas anderes. Die Leute haben das Geld nicht und sie spüren die Teuerungen. Wir haben die europaweit höchste Inflation, und ich glaube, wir sollten schauen, dass wir in Österreich gut dastehen und nicht einfach auf das reagie­ren, um das uns andere Regierungen beneiden.

Ihre Aussage gestern, Herr Finanzminister, von wegen keine neuen Steuern: Erst vor Kurzem haben Sie die Haushaltsabgabe eingeführt!


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Wenn Sie dann ganz stolz sagen, dass jeder Minister, „jedes Ressort mehr Geld“ zu verteilen hat: Das Schlimme ist aber, die österreichischen Familien haben es nicht! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner.) Die österreichischen Familien würden das Geld brauchen, und Sie rühmen sich damit, dass die Minister mehr Geld haben. Es ist wirklich so: Die Regierung kassiert, und die Bevölkerung verliert.

Ganz stolz haben Sie auch über die zeitlich befristeten Entlastungsmaßnahmen berichtet, auch Kollege Obernosterer hat dazu wieder etwas gesagt, aber er sagt uns selber, dass diese Maßnahmen jetzt ausgelaufen sind. Nein, meine Damen und Herren, diese Maßnahmen waren nicht nachhaltig, die sind verpufft! Die Preise bleiben hoch, und die Bevölkerung bekommt heute keine Hilfe mehr und hat mit den hohen Preisen zu kämpfen. Man hätte natürlich die Ursachen bekämpfen müssen.

Als Bürgermeister noch ein paar Worte zum Finanzausgleich: Sie rühmen sich, es sei ein „Paradigmenwechsel“, es werde Geld investiert, um Kinderbetreuungsplätze zu schaffen.

Ich bringe Ihnen ein Beispiel aus meiner Gemeinde mit 1 500 Einwohnern: Wir betreuen die Kinder vom ersten bis zum zehnten Lebensjahr, von 6.45 Uhr bis 17 Uhr, und das 46 Wochen lang. Wissen Sie, was aber das Problem ist? – Wir haben das Geld für den laufenden Betrieb nicht mehr, wir können uns diesen nicht mehr leisten! (Bundesminister Brunner: Darum haben wir den ...!) – Nein, das Geld kommt für die Investitionen und nicht für den laufenden Betrieb! (Bundesminister Brunner: Nein, nein, nein! ... das lesen, das stimmt nicht! Das stimmt nicht, das ist einfach nicht wahr! – Ruf bei der ÖVP: Nein, das stimmt nicht! Das ist falsch, Herr Bürgermeister!) – Ich hoffe, dass wir es für den laufenden Betrieb kriegen, dann freue ich mich darüber – dann freue ich mich darüber! (Heiterkeit des Redners. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Die Aussage war eine andere: Das sei nur für die Investitionen.


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Gesagt wurde auch, es sei genug Gas vorhanden, keine Wohnung bleibe kalt: Ja, es ist schon genug Gas vorhanden, nur die Österreicher können es sich nicht mehr leisten, das ist das nächste Problem. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Auch Prof. Bonin hat betont, dass wir in Europa hohe Gas- und Energiepreise haben: Österreich hat die höchsten, und auch daran gehört gearbeitet.

Ein bisschen eine Chuzpe ist es auch, wenn Sie hier sagen, jeder Euro dieses Budgets werde genau nachvollziehbar und kontrollierbar ausgegeben – und das genau einen Tag, nachdem der Verfassungsgerichtshof die Cofag und die die Cofag betreffenden Richtlinien als verfassungswidrig aufgehoben hat. Ich glaube, Herr Finanzminister, Sie sollten sich schon überlegen, ob Sie sich wirklich trauen, hier zu sagen, Sie seien ja immer kontrollierbar, während Sie gleichzeitig 15 Milliarden Euro für nicht nachvollziehbare Maßnahmen ausgegeben haben.

Eines war auch für mich sehr überraschend, nämlich dass Sie gestern den Appell an uns gerichtet haben, wir müssten „dieses Anspruchsdenken an den Staat wieder zurückfahren“. Dieser Appell kommt ausgerechnet von einem Minister der ÖVP, die jahrelang den Staat als ihr Eigentum betrachtet und jahrelang wirklich alles für sich und ihre Klientel herausgeholt hat – der ÖVP, die entgegen der Warnungen der FPÖ die Cofag eingerichtet, Milliarden an der staatlichen Kontrolle vorbeigewirtschaftet und Millionen an Parteienförderung ausgegeben hat.

Ich glaube, Herr Finanzminister, diese ÖVP hat kein Recht, einen Appell an die Bürger zu richten, das „Anspruchsdenken an den Staat“ zurückzufahren! (Beifall bei der FPÖ.)

11.13


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte.



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11.13.52

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren jetzt, glaube ich, seit zweieinviertel Stunden über das Budget, und noch kein Kollege, keine Kollegin von der Opposition hat sich ans Redner:innenpult gestellt und irgendein Wort über das Umwelt- oder Klimabudget verloren, und ich frage mich: Warum? (Ruf bei der SPÖ: Doch, der Jan Krainer! Stimmt ja gar nicht!) – Ich habe nichts gehört, ich frage mich: Warum? (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Holzleitner: Herr Kollege, das war sogar Ihr Sitznachbar! – Ruf bei der SPÖ: Waren Sie draußen?!)

Entweder es ist Ihnen egal oder es fällt Ihnen wirklich schwer, auch einmal irgendetwas Positives über das zu sagen, was diese Regierung macht! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ich habe nichts gehört. (Ruf bei der SPÖ: Nicht aufgepasst!)

Ja, Kollege Krainer hat gesagt, er habe „noch nie“ so ein Budget gesehen: Das stimmt! (Abg. Stöger: Das hat er positiv gesagt!) Es stimmt, er kann noch nie so ein gutes Klimabudget gesehen haben – weil es einen Unterschied macht, ob die Grünen in der Regierung sind oder nicht, das sieht man am Budget! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kaniak: 20 Milliarden Euro neue Schulden!)

Im Vergleich zum Beginn der Regierungsbeteiligung der Grünen gibt es allein in der UG 43 – Klima, Umwelt und Energie – siebenmal mehr Mittel. Meine Damen und Herren, ich kann jetzt nicht auf alles eingehen, aber nehmen wir als Beispiel die thermische Sanierung und den Heizungstausch, mit denen wir beim Heizen, bei der Raumwärme endlich heraus aus Öl und Gas kommen. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.) Die, die länger dabei sind, können sich erinnern, da haben wir in der Vergangenheit um ein paar Millionen herumgestritten: Einmal waren es 38 Millionen, einmal waren es 42 Millionen und dann waren es 60 Millio­nen Euro. (Abg. Herr: Gesetze haben wir halt keine!)


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Es waren immer so ein paar Millionen hin oder her, aber nie annähernd in der Dimension, die wir gebraucht hätten, um wirklich etwas zu bewirken, um wirklich ganzjährig ein Tauschprogramm in der erforderlichen Höhe zu haben. (Abg. Herr: Gesetze würden wir brauchen! EWG!) – Na was haben Sie gemacht? Ich habe das hier mitgebracht (eine Tafel mit der Aufschrift „Raus aus Öl und Gas“ und einem Säulendiagramm in die Höhe haltend): Was machen wir jetzt? – Das ist der Unterschied!

Frau Kollegin Herr, wenn Sie einmal herschauen: Das waren Sie (Abg. Herr: Ich!), das war die SPÖ in der Regierung, dann war Schwarz-Blau, da ist es noch weiter hinuntergegangen, und das ist die jetzige Regierung. (Abg. Stöger: Was ist da drauf?)

Wir sind nun bei dem Zwanzigfachen der Mittel, die Sie zusammengebracht haben, dem Zwanzigfachen! Wir spielen eine andere Sportart, als Sie damals gespielt haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es geht aber nicht nur um die Höhe des Budgets, sondern auch um das, was wir damit machen. (Ruf: Das ist richtig!) Wir haben zum ersten Mal eine soziale Komponente in der Umwelt- und Klimaförderung. (Abg. Herr: Das haben wir letztes Jahr schon gehabt, das kennen wir schon!)

Letztes Jahr haben wir damit begonnen, und nächstes Jahr wird das ausgeweitet: Die untersten 30 Prozent der Haushaltseinkommen bekommen die neue Heizung zu 100 Prozent gefördert – zu 100 Prozent! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Herr: Vor zwei Jahren ist das eingeführt worden, haben wir mitgestimmt!)

Alle anderen bekommen ab nächstem Jahr 75 Prozent der Kosten ersetzt, somit kann sich jeder Mensch in Österreich die Heizungsumstellung von einer Öl- oder Gasheizung auf eine saubere Heizung leisten, das gibt es auf der ganzen Welt nirgendwo! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, von den NEOS und von der FPÖ, das sind nicht einfach nur Ausgaben, das sind Investitionen in unsere Zukunft, in


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heimische Betriebe und in den Klimaschutz! Ich finde es unverantwortlich, nur davon zu sprechen, dass wir einfach Geld ausgeben, denn es kommt schon darauf an, wofür wir Geld ausgeben: Wir – das sehen Sie, wenn Sie sich das Budget genau anschauen – geben das Geld für Zukunftsinvestitionen aus. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Künsberg Sarre: Stimmt ja nicht!)

Kollege Stöger und auch Kollege Loacker haben gefragt, was das Klimaticket denn bringe, wir bräuchten Zugverbindungen – na ja, schauen Sie sich das an: Wir haben das größte Bahnausbauprogramm der Geschichte noch einmal aufgestockt, wir geben pro Kopf mehr als doppelt so viel für den Bahnausbau aus wie die Deutschen! (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Sie, Herr Kollege Stöger, haben ausgeführt, was die SPÖ gemacht hätte. Ich kann Ihnen sagen, was die SPÖ gemacht hat, als sie in der Regierung war: Ihr letztes Bahnausbauprogramm war um 6,5 Milliarden Euro kleiner als unser Bahn­ausbauprogramm! (Beifall und Oh-Rufe bei den Grünen. – Abg. Stöger: Bei was? Bei der Eisenbahn nicht!) – Schauen Sie es sich einfach an!

Vielleicht noch ein paar Sätze zur Fotovoltaik: Wir erleben einen Foto­voltaikboom, der seinesgleichen sucht, wir haben innerhalb von zwei Jahren so viel Fotovoltaik neu ans Netz bekommen wie in sämtlichen Jahren vor der grünen Regierungsbeteiligung. Das ist unter anderem auf die Rekordförderungen zurückzuführen. (Abg. Stöger: Aber das Netz habt ihr nicht ausgebaut! – Abg. Wöginger: Sollen das auch noch wir tun?!)

Es gab dieses Jahr weit über 100 000 Förderanträge, die dank der 600 Millio­nen Euro im diesjährigen Budget alle positiv bearbeitet werden konnten. Wir haben aber gesehen, dass wir bei so einer massiven Anzahl an Förderansuchen das Fördersystem einfacher gestalten müssen.

Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, ab 2024 die Mehrwertsteuer für kleine Anlagen unter 35 Kilowatt zu erlassen, das wird einen unglaublichen Boom noch weiter verstärken und die Energiewende weiter beschleunigen.


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(Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Holzleitner: Ach so, wie? Der Kollege Schwarz hat doch gesagt, das ist so schlecht!)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass dieses Hohe Haus eine eigene Fotovoltaik­anlage auf das Dach bekommen soll, die als Vorbild für die Energiewende in Österreich dient. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.19


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Juliane Bogner-Strauß. – Bitte.


11.19.19

Abgeordnete Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen Abgeordnete! Werte Zuseher:innen auf der Galerie, werte Zuseher:innen zu Hause vor den Bildschirmen! – Geschätzte Frau Präsidentin, du erlaubst mir ein paar Sätze vorweg: Es ist mir wirklich eine Ehre, ein Privileg und eine Verpflichtung, für dieses Hohe Haus wieder als Nationalrätin arbeiten zu dürfen und für die Anliegen der Österreicherinnen und Österreicher da zu sein.

2019 war ich das letzte Mal im Nationalrat, und seitdem hat sich einiges geän­dert: ein wunderbar saniertes neues Haus, viele neue Gesichter. Ich bin tatsächlich neugierig, Sie auch kennenzulernen. Und was sich massiv geändert hat – das muss ich anbringen –, ist der Umgangston. Es ist ein Umgangs­ton, an den ich mich nicht gewöhnen möchte und dem ich mich auch nicht anpas­sen möchte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist ein Umgangston, der uns darüber nachdenken lassen sollte, ob wir das Jugendschutzgesetz ändern und uns überlegen sollten, solche Plenarsitzungen für Jugendliche unter 18 nicht freizuschalten, denn wir wollen Vorbild sein. Mein Ältester hat bei der Matura vor sechs Jahren einen Aufsatz über die Verrohung der Sprache schreiben müssen. Ich sitze erst seit 2 Stunden und 20 Minuten hier


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herinnen, und es tut mir weh. Ich werde versuchen, es anders zu machen, und hoffe auf einen wertschätzenden Umgang miteinander. Ich hoffe dennoch, dass wir weiterhin gut zusammenarbeiten können. Wie gesagt, ich freue mich darauf.

Jetzt zum Budget: Das Budget ist für mich auf alle Fälle ein Anlass zur Freude. Ich möchte zuerst darauf hinweisen, wie wichtig diese Bundesregierung die Familienpolitik nimmt. Für die Familien wird ganz viel getan: 1,3 Milliarden Euro für die nächsten Jahre, eine unfassbare, eine unglaubliche Zahl, aber hinter dieser Zahl stehen Menschen, Familien, Kinder, Jugendliche, Eltern. Da wird ganz viel in Angriff genommen. Einiges wurde schon erwähnt: die Senkung der Steuertarife, die Abschaffung der kalten Progression, die Valorisierung der Familienleistungen, die Valorisierung des Papamonats – auch das freut mich sehr –, Schulstartklar! – die Schule hat gerade angefangen, das Schulstartgeld wurde erhöht –, und die Familienberatungsstellen werden stärker unterstützt.

Auch auf das Frauenbudget möchte ich eingehen. Ich bin stolz auf eine Verdrei­fachung: voriges Jahr verdoppelt, jetzt wieder massiv erhöht. Die Gesundheit möchte ich nicht außen vor lassen: 100 neue Kassenstellen. Sie wissen, ich war im Land für die Gesundheit zuständig. Wir brauchen diese Kassenstellen ganz, ganz dringend, denn die Menschen wollen dort versorgt werden, wo es die beste Versorgung gibt, und das muss nicht immer das Krankenhaus sein. Wir müssen nach der demografischen Entwicklung gehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Herr Minister, deshalb ein großes Danke an dich! Dieses Budget gibt die richtigen Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. (Ruf bei der ÖVP: Jetzt reiß di zsam!)



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11.23.20

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Budgetreden haben so ihre Besonderheiten. Budgetreden wecken immer Erwartungshaltungen. Jetzt gebe ich schon zu, dass die Erwartungen der Opposition naturgemäß andere sind als die der Regierungsparteien und des Finanzministers. Dieses Jahr war die Spannung schon ein bisschen gebrochen, weil schon am Wochenende durchge­drungen ist, dass es kein besonders gutes Zahlenwerk ist, dass wir einen Rekordschuldenstand und eine Rekordverschuldung haben werden. Da war am Wochenende schon ein bisschen die Luft draußen.

Herr Bundesminister, meine Erwartungen an die Budgetrede – ich war dann gespannt, wie Sie es anlegen werden und was Sie uns verkünden werden –: Ich habe jetzt trotz Vorarlberger Verbundenheit, die wir haben, nicht die aller­größten Erwartungen gehabt, aber es ist Ihnen gestern trotzdem noch gelungen, dass Sie selbst meine niedrigen Erwartungen noch unterboten haben. Es war eine ganz besondere Rede, eine Rede mit Passagen, die für einen Finanzminister schon fast originell waren, und dann hat es Passagen in dieser Rede gegeben – das empfinde nicht nur ich so, sondern, wie ich glaube, ganz viele Menschen in diesem Land –, die regelrecht unverschämt waren.

Ich bringe Ihnen ein Beispiel: Wenn man sich hierherstellt und sagt: Was hilft es denn den vielen, wenn man wenigen etwas wegnimmt?, dann frage ich Sie: In welcher Welt leben Sie, Herr Finanzminister? (Beifall bei der SPÖ.)

Natürlich würde es etwas helfen, wenn man sich endlich dazu entschließen würde, dass auch jene, die Milliarden Euro haben, einen gerechten Beitrag leisten sollen. Sie machen genauso weiter. Die Menschen können sich das Leben nicht mehr leisten, aber Sie machen genauso weiter und ändern gar nichts. Das ist inakzeptabel, Herr Finanzminister, und unverschämt. (Beifall bei der SPÖ.)


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Gestern sind Sie dagestanden und haben gesagt: Es war alles so schwierig, weil die Experten uns gesagt haben, die Inflation wird nur ein temporäres Phänomen sein. – Da denke ich mir: Herr Finanzminister, was ist los? Ja eh, die Finanzexperten haben eh gesagt, dass es ein temporäres Phänomen ist, aber was hat die Regierung gemacht? – Die Regierung hat genau das Falsche gemacht, und darum haben wir die höchste Inflation in ganz Europa. (Abg. Eßl: Die höchste Kaufkraft! Die zweithöchste Kaufkraft in Europa!) Das ist das Problem. Sie haben eine schlechte Regierungspolitik gemacht; nicht die Experten sind schuld. (Beifall bei der SPÖ.)

Was in diesem Budget fehlt, ist Nachhaltigkeit – strukturelle Nachhaltigkeit. Das sieht man in allen Bereichen. Ich nehme den Bereich der Sicherheit heraus. Dort haben wir zwar mehr Geld, ja, das ist gut. Es ist gut, dass es mehr Geld für Ausrüstung et cetera gibt, aber wissen Sie, was fehlt? – Strukturelle Maßnahmen, damit wir ausreichend Polizistinnen und Polizisten in diesem Land haben, die das Material auch verwenden können. Daran fehlt es. Es braucht ein ordentliches Besoldungssystem, das auf dem aktuellen Stand ist. Das ist überhaupt nicht abgebildet, in diesem Bereich passiert gar nichts. Das ist eines der Probleme, die nicht angegangen werden.

Dann haben Sie gestern so viel vom Hausverstand geredet. Ich weiß schon, aus welcher Zeit das kommt: Das kommt noch aus Ihrer Zeit, als Sie Büroleiter bei Herrn Sausgruber waren, denn der hat den Hausverstand auch immer so hochge­lobt. Der hat aber wahrscheinlich ein bisschen mehr Hausverstand gehabt als Sie, Herr Finanzminister. (Widerspruch bei der ÖVP.) Hausverstand hin oder her, dieses Budget zeigt eines: ganz wenig Verstand, null Weitblick in diesem Budget (Bundesminister Brunner: Jetzt musst schon selber lachen, gell!), und eines ist eindeutig, und das sieht man, wenn man sich die Summen anschaut: dass es nur eine höhere Verschuldung gibt, wenig strukturelle Maßnahmen, wenig Nachhaltiges. (Abg. Zarits: Besser, du schaust dir die Fakten einmal an und hältst die Rede noch einmal von vorn!) Es ist rückwärtsgewandt und nicht


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zukunftsfähig. (Abg. Wöginger: Wie er sagt, liebt er strukturelle Maßnahmen!) – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.27


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, persönlich beleidigende Äußerungen haben in Debatten keinen Platz – bei aller kritischen Auseinan­dersetzung, die Platz haben muss. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: In Vorarlberg ist das so üblich! – Abg. Wöginger: Das sind alemannische Manieren! – Bundesminister Brunner: Das bin ich gewohnt bei ihm!)

Jetzt erteile ich Herrn Abgeordneten Gerald Hauser das Wort. – Bitte.


11.28.00

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Vor allem: Bürgerinnen und Bürger vor dem Fernsehschirm! Zu dem Bären, der mir heute anonym mit Liebesbrief geschenkt wurde, komme ich dann später noch. (Abg. Kucher: Der ist von Norbert Hofers Wahlkampf damals! – Rufe bei der SPÖ: Ist das Haiders Teddybär? – Norbär!)

Herr Minister, ich beginne – es passt zum Budget – natürlich mit Ihrer Budget­rede. Auf Seite 1 – ich habe leider nur 3 Minuten zur Verfügung, sonst würde ich 1 Stunde brauchen, um die Seiten einmal durchzumachen (Abg. Wöginger: Es sind schon 3 Minuten zu viel!) – beginne ich mit Ihren Zitaten. Sie sagen, die Welt befinde sich im Umbruch. „Hinter uns liegt eine weltweite Pandemie“. Auf Seite 1 beschließen Sie das mit der Schlussfolgerung: „Sie zeigen, dass die Welt nicht mehr mit jener von 2020 zu vergleichen ist“ – aufgrund der Pandemie und so weiter.

Herr Minister, woher wissen Sie das? – Ich sage es Ihnen, wenn Sie es nicht wissen, Herr Minister. Sie haben bei Klaus Schwab nachgelesen, der genau das in seinem Buch The Great Reset, das im Juli 2020 von ihm veröffentlicht wurde – lest einmal nach! (Abg. Stögmüller: Das ist ein Impfbär!) –, behauptet. (Abg. Kucher: Wollen Sie uns einen Bären aufbinden?)


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(Eine Tafel, auf der der Umschlag des Buches „Covid-19: The Great Reset“ von Klaus Schwab und Thierry Malleret abgebildet ist, auf das Redner:innenpult stellend:) Das war auch das Geschenk, das ich heute bekommen habe. Damit bin ich auch beim Thema. Liebesbrief dabei, hineingesteckt in den Bären, zusammenge­schnitzelt – das kennt man eigentlich von etwas anderem her, und da steht The Great Reset drauf. Ich lade die Kollegin oder den Kollegen ein: Seid nicht so furchtsam! Hättet ihr den Namen hineingegeben – redet mit mir, beschäftigt euch einmal wirklich mit dem Great Reset und mit dem, was die Globalisten seit 2020 mit uns aufführen, Herr Minister! (Ruf bei der SPÖ: Einmal zur Sache vielleicht?)

Ich müsste Ihnen einige Zitate vorlesen. Ich möchte nur das letzte Zitat, das Sie in der Budgetrede auf Seite 1 gebracht haben, mit dem Zitat aus diesem Buch von Klaus Schwab vergleichen. In diesem Zitat sagt Klaus Schwab: „Nichts wird jemals wieder so sein wie zuvor.“ (Der Redner stellt eine Tafel mit dem genannten Zitat und dem Zusatz „Zitat: Klaus Schwab / Buch: Covid-19: Der große Umbruch“ auf das Redner:innenpult.) – Das ist genau dasselbe, was Sie sagen. (Rufe bei den Grünen: Nein! Ein Philosoph! – Abg. Stöger: Immer mit demselben Stuss! – Abg. Stögmüller: Bauernkalender!)

Wissen Sie, Herr Minister: Machen Sie doch endlich einmal Politik für die österreichische Bevölkerung, nicht für die Globalisten! Machen Sie nicht bei der Bargeldabschaffung mit! Machen Sie nicht bei der Auslagerung der Souve­ränität unserer Staates mit, indem Sie Kompetenzen an die Weltgesundheits­organisation abgeben!

Herr Minister, Folgendes: Ihr Budget – das haben wir heute schon gehört – bringt einen Rucksack von 105 Milliarden Euro, die Sie in dieser Budgetperiode für die Zukunft angehäuft haben. Es folgt daraus, dass Sie in der Vergangenheit eine vollkommen schlechte Politik gegen die Bevölkerung, gegen die Unternehmer gemacht haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)


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Ich bringe Ihnen, nur zur Wiederholung, ein Beispiel. (Der Redner stellt eine Tafel mit einem Diagramm unter dem Titel „Österreich – Schweiz im Nächti­gungsvergleich 2020/2021“ auf das Redner:innenpult.) Ich habe dieses Beispiel hier im Parlament schon mehrmals gebracht. (Rufe bei der ÖVP: Verkehrt kopiert! Das ist verkehrt!) Herr Minister, wir in Österreich hatten von den Regierungs­parteien mit Unterstützung von SPÖ und NEOS einen Dauerlockdown vom 2. November 2020 bis Ende Mai 2021 vorgegeben, während in der Schweiz die Hotelbetriebe und die Bergbahnen offen waren.

Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer, schauen Sie sich diese Tafel an! Wir hatten in dieser Zeit – das ist der graue Balken – ein Nächtigungsminus von 95 Prozent, weil die Betriebe nicht arbeiten durften. Beim selben Virus waren in der Schweiz die Betriebe geöffnet. Da war das Nächtigungsminus zwischen 25 und 35 Prozent.

Was ist die Konsequenz Ihrer desaströsen Politik? – Natürlich – Sie sperren die Betriebe zu; das ist nicht gottgegeben – müssen Sie die Betriebe entschä­digen. Sie haben für diese schlechte Covid-Politik gegen die Bevölkerung 55 Milliarden Euro mit vollen Händen beim Fenster hinausgeschmissen (Beifall bei der FPÖ): alles Geld, das uns heute fehlt.

Wissen Sie, abschließend: Sie haben eine Politik nicht für die Betriebe in Österreich gemacht (Zwischenruf des Abg. Schwarz), sondern Sie haben eine Politik für die Globalisten gemacht. (Der Redner hält eine Tafel mit einem Diagramm unter dem Titel „Umsatz von Amazon weltweit in den Jahren 2004 bis 2021“ in die Höhe.)

Schauen Sie sich die Umsatzsprünge von Amazon und Co an: gewaltige Zuwächse. Unsere Betriebe haben Sie zugesperrt. Sie haben damit das Geschäftsmodell der Globalisten befeuert. Das ist der Wahnsinn. Hören Sie auf, Politik für die Globalisten zu machen! Machen Sie endlich das, wofür Sie


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angelobt sind: Politik für die österreichische Bevölkerung! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schwarz: Hat irgendjemand was verstanden? – Ruf bei der ÖVP: Nein!)

11.32


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer zu Wort. – Bitte.


11.33.06

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Es ist schon schwierig, weil man sich eigentlich erwarten müsste, dass diese Taferl, die Herr Kollege Hauser da immer aufstellt, enthalten: Warnung! Diese Rede enthält gefährlichen, faktenbefreiten Verschwörungsunsinn! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Holzleitner.) – Gut, ich gehe gar nicht weiter darauf ein.

Ich komme wieder zurück zum Budget. Da kann ich mich über etwas freuen, denn es geht um das Justizbudget, und das Justizbudget, für das Justizministerin Alma Zadić zuständig ist, hat wirklich eine gewaltige Karriere hingelegt.

Wir haben zu einem Zeitpunkt gestartet, zu dem es hieß, die Justiz stirbt einen schleichenden Tod. Seit damals hat sich das Justizbudget laufend erhöht, und zwar mittlerweile um insgesamt 800 Millionen Euro. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Die Justiz hat für die wichtige Arbeit, die sie in diesem Staat macht, jetzt 800 Millionen Euro mehr zur Verfügung als 2019. Das ist insgesamt um 50 Prozent mehr, als sie damals hatte.

Damit wurden wichtige Maßnahmen gesetzt und werden weiterhin wichtige Maßnahmen gesetzt. Es gibt nämlich abermals eine Erhöhung. Vor allem wurde massiv in die Absicherung und den Ausbau der Strukturen und in ganz, ganz wichtige Projekte investiert.

Insbesondere wurden auch – und das gehört ja immer zusammen – neue Plan­stellen geschaffen. Auch da möchte ich gerne den ganz großen Vergleich machen: Es sind seit 2019 insgesamt um 650 Planstellen mehr – 650 Menschen mehr arbeiten für die Justiz. (Beifall bei den Grünen.)


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Auch da ist es strategisch und mit Plan angegangen worden. Während man im ersten Jahr Löcher gestopft hat, hat man im zweiten Jahr (Abg. Matznetter: Neue Löcher gemacht!) den Schwerpunkt auf die Justizanstalten gelegt. Im dritten Jahr hat man einen Schwerpunkt auf die Staatsanwaltschaften gelegt, und weil die immer mehr gute Ermittlungsarbeit leisten, ist heuer der Schwerpunkt bei den Gerichten. Da gibt es wiederum 35 Planstellen mehr.

Es wird natürlich auch – es ist schon gesagt worden – in wesentliche Projekte der Justiz investiert, zum Beispiel in den Gewaltschutz. Auch da wird ein massiver Ausbau der Prozessbegleitung erfolgen, werden massiv Mittel hinein­gesteckt.

Es werden aber auch wichtige Institutionen gefördert, wie zum Beispiel die Anti-Korruptionsakademie, denn wir sind ja mit dem Anspruch angetreten: saubere Umwelt und saubere Politik! Die Bekämpfung von Korruption ist dabei ein wesentlicher Bestandteil, und die Bekämpfung von Korruption hilft wiederum, denn Korruption kostet Geld, und Korruption können wir uns sicher nicht leisten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte aber auch noch auf zwei Bereiche zu sprechen kommen, bei denen man nicht merkt, dass mehr Mittel zur Verfügung stehen, beziehungs­weise bei denen man denkt, es könnte Einsparungen geben. Der eine Bereich, bei dem es so ausschauen könnte, ist ein mir aus meiner Vergangenheit sehr wichtiger: Das ist der Bereich der Grundversorgung. Da wird es nicht zu einer qualitativen Reduktion kommen, sondern es werden der gleiche Standard und ein höherer Standard beibehalten werden können.

Ein anderer Bereich ist mir auch sehr wichtig, der Sport, denn da schaut es auch so aus, als wären die Zahlen gleich geblieben. Die Zahlen sind wohl gleich geblieben, aber die Zusammensetzung ändert sich. Im Sportbudget vom letzten Jahr befanden sich 15 Millionen Euro für den Energiekostenzuschuss, der dieses Mal wegfällt. So haben wir auch das Sportbudget um 6,9 Prozent erhöht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Ich freue mich schon, diese Punkte in den Ausschüssen besprechen und dann im November beschließen zu können. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.37


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste: Frau Abgeordnete Martina Diesner-Wais. – Bitte.


11.37.43

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren im Hohen Haus! Vor allem aber auch liebe Zuschauer! Ich darf im Namen meiner Kollegin, Frau Martina Kaufmann, den Seniorenbund von Graz-Wetzelsdorf bei uns in der Runde begrüßen – herzlich willkommen! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir diskutieren in einer herausfordernden Zeit ein Budget, das Österreich zukunftsfit macht, das die Menschen einfach entlastet und uns den Wohlstand in unserem Land sichert. Wir setzen – wir haben es auch schon gehört – viele Zukunftsinvestitionen in Bildung, Wissenschaft, Forschung, natürlich auch in Standortsicherung und Wirtschaft, Kinderbetreuung, Klima und Umwelt, Land- und Forstwirtschaft und Sicherheit.

Ich möchte nun einige Punkte herausgreifen, und zwar zunächst die Sicherheit. Sicherheit ist ein kostbares Gut. Ohne die Grundlage der Sicherheit wären keine Freiheit, kein Fortschritt und kein Wohlstand möglich. Die Mittel für Sicherheit belaufen sich auf 34,4 Milliarden Euro. Wir konnten das Verteidigungs­budget um 790 Millionen Euro erhöhen. Das ist natürlich ein starkes Bekenntnis zu einer strategischen Neuausrichtung unseres Bundesheeres und bedeutet für unsere Soldaten und Soldatinnen, dass wir mehr Schutzaus­rüstungen und neue Fahrzeuge anschaffen und unsere Kasernen autark gestal­ten können.


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Konkret für das Waldviertel freut mich das natürlich, denn das sind Investitionen in die Infrastruktur, und die brauchen wir jetzt auch für unsere Bauwirtschaft, weil die Mannschaftsgebäude im Lager Kaufholz und auch in der Liechtenstein-Kaserne saniert werden, weil ein neues Sanitätsgebäude errichtet und die Häuserkampfanlage aufgewertet wird. Das ist etwas sehr Positives und freut mich. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

Ich möchte aber auch den Finanzausgleich erwähnen, denn unsere Gemeinden sind ein wichtiger Punkt. Sie sind Anlaufstelle Nummer eins bei den Bürgerinnen und Bürgern und haben große Aufgaben, ob im Bildungsbereich, bei den Schulen, den Straßen und natürlich auch im Bereich Kinderbetreuung. Nach den kommunalen Investitionsprogrammen haben wir jetzt ein starkes Zeichen im Finanzausgleich gesetzt. Dies wertet unsere Gemeinden und Städte auf. Es gibt nämlich zusätzlich 2,4 Milliarden Euro neue Mittel jährlich für unsere Gemeinden und Länder.

Besonders hervorheben möchte ich dabei die 1,1 Milliarden Euro pro Jahr für den Zukunftsfonds. Das ist etwas Neues, da geht es um eine Koppelung von Zielen und Finanzmitteln beispielsweise in den Bereichen Kinderbetreuung, Wohnen oder Klima, und das ist etwas besonders Positives.

Als Waldviertlerin freue ich mich natürlich auch über die Aufstockung des Struktur­fonds von 60 Millionen Euro auf 120 Millionen Euro, denn damit kann auch kleineren Gemeinden geholfen werden. Da möchte ich mich wirklich herz­lich bei dir, Herr Minister, dafür bedanken, dass du das möglich gemacht hast!

Positiv erwähnen möchte ich vor allem auch noch die Aufstockung des Waldfonds, denn der hat sich bewährt. Da gibt es 100 Millionen Euro mehr, und das ist eine Sicherung für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. Das ist für mich als Waldviertlerin ebenfalls sehr wertvoll.

Der letzte Punkt, den ich anführe, ist die Förderung für die Halbleiterproduktion, denn damit machen wir uns unabhängiger in der Produktion von Chips. Dafür


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sind 400 Millionen Euro budgetiert. Wir im Waldviertel haben die HTL Karlstein, die in diesem Bereich tolle Menschen ausbildet und morgen ihr 150-jähriges Jubiläum feiert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht mir darum, dass wir mit Optimismus für Österreich arbeiten, den Wohlstand erhalten und die Zukunft gestalten. Ich glaube an dieses Österreich! (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

11.41


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Abgeordneter Gerald Hauser zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Lukas Hammer: Von sich selbst? – Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS. – Abg. Lukas Hammer: Ich berichtige mich tatsächlich!)


11.42.01

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Die grüne Kollegin Prammer hat in ihrer Rede in meine Richtung gemeint, dass ich mit meinen Tafeln „Verschwörungsunsinn“ verbreite. (Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Ich berichtige tatsächlich: Mit all meinen Tafeln – nachzulesen in meinen beiden Bestsellern, noch nie korrigiert – verbreite ich keinen Verschwörungsunsinn, sondern ausschließlich bedauerlicherweise tragische Fakten.

Und wenn Sie diese Tafel heute ansprechen (eine Tafel, auf der der Umschlag des im Folgenden genannten Buches von Klaus Schwab und Thierry Malleret abgebildet ist, auf das Redner:innenpult stellend): Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer, lesen Sie nach bei Klaus Schwab in „The Great Reset“, der die Zitate in etwa gebracht hat, die der Herr Finanzminister in seiner Budgetrede - - (Abg. Loacker: ... Buch ... Original ... Kopie! – Ruf bei der ÖVP: Peinlich!)

11.42



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Präsidentin Doris Bures: Danke, Herr Abgeordneter. (Beifall und Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.) Das mit dem behaupteten Sachverhalt ist in diesem Fall schwierig. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Karin Greiner zu Wort. – Bitte.


11.43.13

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Was sehen wir in diesem Budget? Wir sind mit einem Schuldenberg von 20 Milliarden Euro konfrontiert.

Zu diesen 20 Milliarden Euro kommen in den nächsten vier Jahren weitere 70 Milliarden Euro dazu – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! (Ruf bei der ÖVP: Mhm!) Ich muss sagen, Herr Minister, dieses Budget ist einzigartig. Ich meine das jetzt nicht als Kompliment, obwohl ich Ihnen gern ein Kompliment gemacht hätte. Dieses Budget ist einzigartig perspekti­venlos und überhaupt nicht nachhaltig. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf die weiteren Platzierungen beziehungsweise Stockerlplätze nennen: Wir haben die höchste Inflation in Westeuropa, das zweitschlechteste Wirtschafts­wachstum – lediglich Polen ist da schlechter unterwegs als wir –, und ich gratuliere zum ersten Preis im Nichtstun gegen die hohen Preise, gegen die Teuerung! In den Bereichen Lebensmittelpreise und Mieten ist bei uns nichts passiert – im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten.

Was heißt das jetzt für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler? – Das bedeutet für sie, dass sie dreifach zur Kasse gebeten werden: Sie bezahlen die hohen Preise, sie bezahlen zu hohe Steuern und sie bezahlen zu hohe Zinsen. Sie zahlen für die teure Butter beim Einkaufen im Lebensmittelmarkt und sie zahlen zum Beispiel auch den Energiekostenzuschuss, sind also mehrfach zur Kasse gebeten.


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Entlastung? – Na ja. Es ist nicht so, dass es gar keine Entlastungen gäbe. Es gibt Entlastungen für große Konzerne, für Unternehmer, für Vermögende. Beispielsweise haben Sie die KöSt gesenkt, werden sie aber auch noch weiter senken.

Wie wir heute schon gehört haben, werden 13 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen von denen kommen, die arbeiten gehen, von den Pensio­nist:in­nen, von den Konsument:innen. 13 Milliarden Euro weniger an Steuern kommen hingegen von den Vermögenden, von den großen Konzernen, von den Personen und Gruppen, die wirklich Kapital haben. Das ist doch ungerecht! (Beifall bei der SPÖ.)

Zu Ihrer Budgetrede gestern: Sie sprechen von „Treffsicherheit“. – Für wen? Für Spender, für Gönner, für Freunde. Da sind Gewinne erzielt worden mit Förderungen, die von den Steuerzahlern finanziert wurden, Gewinne, die vorher gar nicht da waren. Wie kommt der Steuerzahler eigentlich dazu, Gewinne für Konzerne zu finanzieren?! Das ist unverständlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben gestern davon gesprochen, dass der Staat dazu da ist, um Teuerungen abzufedern. – Sehen wir nicht. Inflationsdämpfende Maßnahmen? – Sehen wir nicht.

Weichenstellung für die Zukunft: Wo sind die 4,5 Milliarden Euro für die Kinderbetreuung? Der Bundeskanzler hat dieses Geld versprochen, aber es ist nicht im Budget. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Das ist ja nicht wahr! Das stimmt ja nicht!) – Das ist nicht im Budget, es gibt kein frisches Geld! (Ruf bei der ÖVP: Das Budget genau lesen, dann findet man’s! – Abg. Gerstl: Habt ihr Experten verloren, dass ihr nicht mehr wisst ...?)

Ihre Worte: Man muss „Verantwortung übernehmen“. Verstehen Sie Verant­wortung so, dass Sie Steuergelder über eine Blackbox der Sonderklasse, nämlich die Cofag, an Konzerne, Großunternehmer, Spender, Gönner, Freunde


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ausschütten? – Das war viel zu hoch, damit wurden Gewinne finanziert. Wie kann das sein?! Das darf doch nicht wahr sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben dafür gesorgt, dass wir als Nationalrat keine Kontrolle über diese Förderausgaben haben. – Das geht doch überhaupt nicht! Wir werden uns heute noch darüber unterhalten. (Abg. Gerstl: Sie sind die nächste Verschwörungs­theoretikerin!) So geht Verantwortung nicht.

Die Nervosität ist sehr hoch, wie immer wenn wir auf die Cofag zu sprechen kommen, aber Verantwortung bedeutet nicht, eine Blackbox zu hüten, Kontrolle auszuschalten, weil es der Steuerzahler ja eh zahlt.

Verantwortung bedeutet für die sozialdemokratische Fraktion: Runter mit den Preisen! Her mit dem gesunden warmen Mittagessen für die Kinder! Und: Wir kämpfen für hohe Löhne und nicht für hohe Konzerngewinne! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Höfinger.)

11.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte. (Abg. Höfinger: Schrebergärten für Freunde! – Ruf bei der ÖVP: Genau!)


11.47.45

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Zuseher! Wir diskutieren in der ersten Lesung das Budget, und die Ausfüh­rungen der Kollegen von den Regierungsparteien zeigen, dass wir es mit einem völligen Realitätsverlust der Verantwortlichen zu tun haben (Abg. Gerstl: Vom Hauser!), mit einer völligen Empathielosigkeit vor allem vonseiten der Österreichi­schen Volkspartei, mit einer Überheblichkeit, mit einer Ignoranz und mit einem völligen Unverständnis der Probleme und der Sorgen der Menschen.

Wir haben nach wie vor die höchste Inflation in Westeuropa. Die Menschen stöhnen unter den hohen Lebenshaltungskosten. Mieten, Energie, Strom,


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Tanken, Lebensmittel, der tägliche Warenkorb: Es wird alles immer teurer, und die Menschen kommen mit dem Geld immer schlechter aus. Das ist aber keine gottgegebene Entwicklung, die wir nicht beeinflussen können, sondern das ist zu einem wesentlichen Teil der Ignoranz, der Untätigkeit und Unfähigkeit dieser Bundesregierung geschuldet, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben die Inflation über Monate hinweg mit weitgehend wirkungslosen Einmalzahlungen befeuert, anstatt etwas dagegen zu tun. Da gibt es zum Beispiel den Klimabonus, den Asylanten bekommen haben, den Häftlinge bekommen haben, den sogar Tote bekommen haben. Das ist ja keine zielgerichtete Politik!

Wir sind mittlerweile in einer Rezession. Das bedeutet, die Wirtschaft schrumpft. Und was machen Sie? – Sie machen in Wahrheit nichts Wirkungs­volles dagegen. Sie belasten die Menschen zusätzlich mit neuen Steuern und mit Steuererhöhungen, Stichwort CO2-Bepreisung, in Zeiten wie diesen, wenn alles immer teurer wird.

Sie haben in der Coronazeit nicht nur die Grund- und Freiheitsrechte verwüstet und mit Füßen getreten, Sie haben auch Milliarden verbrannt. Wir wissen auch, wohin dieses Geld gegangen ist: vorwiegend an Ihre schwarzen Freunderln, die überfördert worden sind und sich eine goldene Nase verdient haben, wobei der Verfassungsgerichtshof Ihnen das jetzt als verfas­sungswidrig, rechtswidrig zurückgeworfen hat, und das zu Recht. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Asylwahnsinn und Ihre fehlgeleitete Zuwanderungspolitik kosten uns ein Vermögen – abgesehen von den Sicherheitsproblemen, die wir im Land haben: Die Terrorwarnstufe in Österreich wurde nicht umsonst auf hoch gesetzt. Das werden wir dann in der Budgetdebatte bei der Untergliederung Inneres noch genauer besprechen.

Die SPÖ ist leider auch überhaupt keine Alternative. Was macht die SPÖ in Zeiten wie diesen? – Die SPÖ fährt wieder den Kurs ihrer Neid- und


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Schnüffelsteuern, die Sie den Menschen aufs Auge drücken wollen. Sie behaupten, Sie wollen irgendwelche Millionäre und Milliardäre treffen, in Wahrheit ist es ein Angriff auf die Leistungsträger, in Wahrheit ist es ein Angriff auf die Häuselbauer, auf den breiten Mittelstand. Da kann man nur sagen: Pfui! Sie graben den Klassenkampf aus der sozialistischen Mottenkiste aus (Beifall des Abg. Kaniak – Abg. Greiner: Da klatschen nicht einmal die eigenen!), und das werden sich die Menschen auch merken.

Was besonders schäbig ist, ist, dass Sie ständig erfolgreiche Unternehmer anpatzen, wie zum Beispiel die Familie Mateschitz – und da bin ich als Obersteirer sehr emotional –, die ja bei uns in der Obersteiermark eine strukturschwache Region belebt hat. Das ist ein Konzern, der 600 Millionen Euro im Jahr an Steuern zahlt, der Tausende Arbeitsplätze schafft, die Wirtschaft insgesamt, den Tourismus, die Hotellerie belebt, die Zulieferindustrie belebt. Es ist schäbig, wenn man sich an solchen Menschen vergreift, wir sollten stolz auf sie sein. Wir brauchen in Österreich viel mehr Menschen, die erfolgreich wie eine Familie Mateschitz sind, aber durch diese Leistungsfeindlichkeit und durch diese Unter­nehmerfeindlichkeit haben wir es mit dem Wirtschaftsstandort halt immer schwer.

Die ÖVP-Abgeordnete hat vorhin von dieser peinlichen Kampagne: Glaubt an dieses Österreich!, gesprochen. – Also Figl würde sich im Grab umdrehen, weil er im Gegensatz zu euch wirklich etwas für dieses Land geleistet hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja, wir glauben an Österreich, aber wir glauben nicht an diese Bundesregierung. Die SPÖ mit ihren Massensteuern ist keine Alternative; die einzige Alternative (Abg. Schmuckenschlager: Alternative für Deutschland!) und der einzige Ausweg aus dieser Misere, in der wir uns dank dieser Regierung befinden, ist ein Rücktritt der gesamten Bundesregierung, sind sofortige Neu­wah­­len und dann ein Volkskanzler Herbert Kickl. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schmuckenschlager: Alternative für Deutschland! Nationale Internationale! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

11.52



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 123

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig zu Wort. – Bitte.


11.52.18

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Das geht ja auf keine Kuhhaut!, würde da ein Tiroler dazu sagen, wie hier von manchen Rednerinnen und Rednern schwadroniert wird, wie vorhin auch von Herrn Kollegen Amesbauer. Weniger Schlechtreden würde diesem Budget guttun, weniger Schlechtreden würde uns guttun und weniger Schlechtreden tut vor allem der Bevölkerung gut. (Abg. Krainer: Aber am besten ist ein gutes Budget für die Bevölkerung!) Betreffend dieses Budget sind wir verpflichtet, hier für die Anliegen der Bevölkerung zu arbeiten – ich glaube, das ist der zentrale Punkt. Diese Aufgabe haben wir hier im Hohen Haus. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)

183 Abgeordnete haben nächstes Monat mit dem Budgetbeschluss die Möglich­keit – jetzt rede ich über das Thema Mobilität –, das Schienennetz klima­fitter zu gestalten, auszubauen, kundenfreundlicher und leistungsstärker zu gestalten. Der ÖBB-Rahmenplan ist dafür die beste Gelegenheit und ist bestens ausgestattet.

183 Abgeordnete haben gleichzeitig die Möglichkeit, nächstes Monat hier über den Klima- und Energiefonds Projekte zu beschließen, die für die betroffene Bevölkerung spürbar weniger Schadstoffe bedeuten, die weniger Lärm bedeuten, weniger Belastung in den Siedlungsgebieten. Das sind Anreize, von denen die Menschen direkt profitieren, die gleichzeitig Geld sparen und die Umwelt schonen.

183 Abgeordnete haben auch die Möglichkeit, für zusätzliche 65 Millionen Euro für saubere Mobilität aufzustehen und einzustehen für ein Dekarbonisie­rungsprojekt, das wir brauchen und das auch Chancen für die Wirtschaft bietet.


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Bewegung gibt es im Budget auch betreffend die aktive Mobilität mit 30 Millionen Euro mehr für Fahrradinfrastruktur und das Zufußgehen. Seit 2019, seit Bestehen dieser Regierung hat sich genau dieser Bereich, in dem es um aktive Mobilität geht, versiebenundzwanzigfacht (Beifall bei den Grünen) – 27-mal mehr Geld für die aktive Mobilität! 480 Millionen Euro gemeinsam für den Klima- und Energiefonds, für die aktive Mobilität und für die Elektromobilität, für die saubere Energie hier in diesem Land 134 Millionen Euro mehr.

Gleichzeitig dürfen sich all jene freuen, die schon aufgestanden sind – die hier im Hohen Haus für das Klimaticket aufgestanden sind, die in den Bundesländern für die regionalen Klimatickets aufgestanden sind –, und vor allem dürfen sich die Familien, die Senior:innen, die Pendler:innen und auch die jungen Menschen freuen. Vielleicht eine Zahl dazu: Die Österreicher:in­nen besitzen aktuell 262 000 Klimatickets, Klimatickets für Österreich – 262 000! Das übertrifft alle Prognosen, das ist ein gutes Projekt. Das ist ein Projekt, das wirkt. Das will die Bevölkerung und in diesem Sinne sollten wir auch weiterarbeiten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nicht zu vergessen sind die regionalen Klimatickets: Begonnen hat damit die Stadt Wien, dann kamen sie in Tirol, in Vorarlberg, in Oberösterreich, überall dort, wo Tarife konstruiert worden sind, Jahrestickets gemacht worden sind, die der Bevölkerung helfen, die den Pendler:innen helfen. Genau für all diese Länder stellt das Budget 213 Millionen Euro zur Verfügung, 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Das ist wichtig, das ist notwendig, das brauchen die Länder, das brauchen all jene, die die Jahrestickets nutzen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Prinz.)

Mit dem kostenlosen Ticket für 18-Jährige gibt es den nächsten Meilenstein, und das lassen wir uns hier nicht kleinreden. Das ist ein Beitrag von vielen, aber ein wichtiger Beitrag, um Einstiege zu erleichtern, um Barrieren abzubauen und um Anreize zu bieten. In Richtung NEOS gewandt darf ich hier Kollegen Loacker zitieren, der gestern auf Facebook Folgendes gepostet hat: „Diese Regierung


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macht alles nur noch schlimmer. Sie muss endlich die Interessen der jungen Men­schen und Erwerbstätigen genauso ernst nehmen, wie der Pensionist:innen!“ – Ja, richtig! Auch die jungen Menschen müssen auf der Bühne im Vordergrund stehen. Wir müssen hier schauen, dass wir gute Projekte zusammenbringen, und das Klimaticket für 18-Jährige ist ein gutes Beispiel dafür.

An dieser Stelle aber auch eine Gratulation: Mein voller Respekt gilt allen Pensionist:innen, vor allem auch jenen in den Bundesländern, die die regionalen Klimatickets oder das österreichweite Klimaticket nutzen und damit in Österreich freier unterwegs sind und Mobilität auch genießen können. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Prinz.)

Über 88 000 junge Menschen werden im Jahr 2024 dieses Angebot nutzen. Ich glaube, betreffend die Umsetzung werden noch einige Dinge mit den Ländern und mit den Verkehrsverbünden abgeklärt werden, aber eines soll klar sein: Es wird da einen Gutschein geben, es wird die Möglichkeit geben, dass die 88 000 Menschen, die ihren 18. Geburtstag feiern, dieses Angebot dann binnen drei Jahren in Anspruch nehmen können und selbst wählen können, in welchem Jahr sie dieses Klimaticket verwenden.

Abschließend: Dieses Budget ist keine Fortschreibung, kein Dienst nach Vorschrift, sondern es beweist Mut, hilft all jenen, die es brauchen, gibt Zuversicht und investiert in die Zukunft. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.58


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Selma Yildirim. – Bitte.


11.58.37

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir hören seit gestern sehr viele schöne Worte, sehr viel Eigenlob, und man merkt und


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spürt die Nervosität sehr deutlich. Wir stehen ein Jahr vor der nächsten regulä­ren Nationalratswahl, und das Budget vor der nächsten Nationalratswahl steht unter dem Zeichen Wahlzuckerl – jede Menge Wahlzuckerl.

Seriöse und gute Steuerpolitik und Budgetpolitik bedeutet nicht, kurzfristig – mit Einmalzahlungen, mit kurzfristigen Maßnahmen – die Kaufkraft der Leute irgendwie am Leben zu erhalten, künstlich hoch zu halten, sondern ein nach­haltiges, verantwortungsbewusstes, gerechtes Budget, ein Budget für die künftigen Generationen zu beschließen, und diesbezüglich fehlt es schon an einigen Ecken und Enden.

Sie sagen, die Ausgaben seien hoch, weil Sie sich um die Bürgerinnen und Bürger kümmern, verschweigen aber, dass die Ausgaben selbstverständlich deshalb erhöht werden, weil wir es mit der höchsten Inflation seit fast 70 Jahren zu tun haben. So eine hohe Inflation hat es ja bisher nicht gegeben!

In vielen Bereichen sind die Ausgaben natürlich deswegen hoch, weil ja überall die Energiekosten gestiegen sind und auch die Preise für die Güter um 10 Prozent und mehr gestiegen sind. Dass das dann die logische Folge ist, sollte uns allen klar sein, da brauchen wir jetzt nicht unbedingt die hellsten Budget­expert:innen in diesem Land zu sein.

Ich erinnere jedes Mal daran und muss das kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen: Bruno Kreisky hat damals eine Maßnahme gesetzt, um die Arbeitslosig­keit seiner Zeit zu bekämpfen, nämlich indem er Schulden aufnahm. Dafür hat man ihn 30 Jahre lang als Schuldenkanzler beschimpft. – Nun gibt es hier in diesem Parlament eine Partei, die sich als stärkere der beiden Regierungsparteien Wirtschaftskompetenz an die Fahnen heftet, und es gibt ein Budgetdefizit von 20 Milliarden Euro. Wir werden, wenn das so weitergeht – das haben wir berechnet –, in drei Jahren womöglich bei 70 Milliarden Euro Schuldenstand sein; und als gelernte Österreicherin weiß ich, irgendwer muss es zahlen. Jetzt bestätigen Sie aber seit zwei Tagen, dass es sicher nicht die Großkonzerne sein werden. (Beifall bei der SPÖ.)


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Was sagt uns das? – Das sagt uns eines: Wir alle, die Masse der Bevölkerung, der arbeitenden, der tagtäglich fleißig arbeitenden Menschen in diesem Land, werden diese Schuldenlöcher stopfen müssen. Es ist jetzt schon so, dass Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer, Konsumentinnen und Konsumenten 83 Prozent von dem, was, wie wir in diesen Wochen hören, für die Zukunft oder für das Folgejahr ausgegeben wird, selbst bezahlen – 83 Prozent! Der Rest bleibt dann für Klein- und Mittelbetriebe übrig, die auch ihre Leistung erbringen.

Wo aber sind die Großkonzerne? – Ich muss mir das immer wieder vor Augen führen: Starbucks zum Beispiel hat in einem Jahr 2 850 Euro Steuern gezahlt und 800 000 Euro aus der Cofag-Hilfe bekommen (Abg. Loacker: Die ganze Umsatz­steuer ...!) – um die Verhältnismäßigkeit einfach einmal aufzuzeigen. Herr Benko hat für Kika/Leiner 9,2 Millionen Euro bekommen, den Konzern dann in Konkurs geschickt und 1 900 Beschäftigte auf die Straße gesetzt und gewinnt durch diese Vorgangsweise 300 Millionen Euro. Das ist sicher und gerecht?! Verstehen Sie das? Ich verstehe das nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Seit einem Jahr sagen wir, dieses Land braucht nachhaltige inflations­dämpfende Maßnahmen und nicht Einmalzahlungen, um die Teuerung abzufedern. (Abg. Obernosterer: Haben wir ja gemacht!) Sie haben immer gesagt, Sie wollen die Mehrwertsteuer auf die Grundnahrungsmittel nicht herabsetzen, weil es nicht treffsicher ist. Ja, was sagen Sie den Bürgerinnen und Bürgern, wenn dann bei der Fotovoltaikanlage die Mehrwertsteuer wegfällt? Ist das dann treffsicher? (Ja-Rufe bei der ÖVP.) Warum ist das möglich? (Abg. Kopf: Es kriegt nur der, der investiert! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Und das Leben vieler Menschen, die tagtäglich für ihren Lebensunterhalt kämpfen, ist es nicht wert?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seitens der SPÖ haben wir eine andere Vorstellung von gerechter und nachhaltiger Budget- und Steuerpolitik. (Ruf bei der ÖVP: Das wissen wir! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Tun Sie endlich etwas für die Entlastung der Menschen im Land und nicht nur für die Superreichen! (Beifall bei der SPÖ.)

12.03



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 128

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Blimlinger. – Bitte.


12.03.34

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen und auf der Galerie! Ich habe eine angenehme Aufgabe: Kunst und Kultur. Noch nie hat Österreich ein derartig hohes Budget für Kunst und Kultur gehabt. Das ist nachhaltig, das ist verantwortungsbewusst, weil – wie Sie alle wissen – Österreich eine Kunst- und Kulturnation ist, und wenn wir das sozusagen nicht nachhaltig und für die Zukunft absichern, schaut es dunkel aus.

Das Kunst- und Kulturbudget steigt im Jahr 2024 auf rund 670 Millionen Euro, um 7,8 Prozent gegenüber 2023. Jetzt werden einige einwenden, das ist ja nur die Inflationserhöhung. – Nein, so ist es nicht. Selbstverständlich muss damit aber auch abgesichert werden, dass die Bundeseinrichtungen, insbeson­dere die Bundestheater und die Bundesmuseen, ihren Betrieb aufrechterhalten können, ihn ausbauen können und genügend Finanzierung haben, um Programm zu machen, um Ausstellungen zu machen. Das heißt, zur Absicherung dieses Betriebs stehen aufgrund der Teuerung im Jahr 2024 insgesamt 23,6 Millionen Euro zur Verfügung.

Was mir aber besonders wichtig ist, ist, dass es auch ausreichend Geld für die bereits gesetzten Maßnahmen und für Fair Pay, also insbesondere im freien Bereich, gibt, bei Kunst- und Kulturinitiativen und eben auch im Bereich der Kunstförderung, bei der es natürlich darauf ankommt, auch Innovation, junge Menschen, junge Künstlerinnen und Künstler zu fördern, und das unter fairsten Bedingungen.

Ein ganz wichtiger Punkt – das haben wir voriges Jahr schon begonnen und heuer beschlossen – ist mehr Geld für den österreichischen Film. Ich mache eine


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kurze Parenthese: Schauen Sie sich die derzeitige Ausstellung im Theater­museum über Marischka und die „Sissi“-Filme an! Ich weiß, das wird in diesem Zusammenhang nicht gerne gehört, aber dort sehen Sie, in welchen Zeiten der österreichische Film wirklich groß war. Jetzt wird er das auch wieder, und er ist es auch schon, das zeigt sich an den zahlreichen Preise, welche die Produktionsfirmen, die Regisseure und Regisseurinnen immer wieder bekom­men. Das ÖFI plus, aber auch das Fisa-Modell werden in ganz Europa bewundert – eine nachhaltige Struktur für die Förderung des österreichischen Films.

Ein weiterer Bereich, der mir auch sehr am Herzen liegt, ist der Denkmalschutz. Für Förderungen im Bereich des Denkmalschutzes sind insgesamt zusätzlich 6 Millionen Euro vorgesehen. Das geht einher mit dem hoffentlich bald in Begutachtung gehenden Denkmalschutzgesetz, nach dem es eine Erhaltungs­pflicht für Eigentümerinnen und Eigentümer geben soll. Um das abzugelten, wurde dieser Denkmalschutz mit 6 Millionen Euro verstärkt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wird auch zusätzliches Geld für das Haus der Geschichte geben. Da ist eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die demnächst fertig werden soll. Sie wissen, es gibt Geld aus einem Vergleich aufgrund einer Kunstrückgabe, nämlich des Klimt-Gemäldes „Apfelbaum II“. Ich bin guter Dinge, dass die Machbar­keitsstudie möglichst rasch, bereits 2024, beginnen wird, um das umzusetzen.

Was ganz wichtig ist, sind zusätzliche Bauprojekte für die Bundesmuseen, bei denen es im Wesentlichen um Barrierefreiheit geht. Sie wissen, die meisten Bundesmuseen befinden sich in historischen Gebäuden, bei denen es mit der Barrierefreiheit immer etwas schwierig ist. Da gibt es zusätzliche 100 Millionen Euro, um diesen Umbau vorzunehmen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Wöginger.)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Heldenplatz autofrei werden und der Ottakringer Bach durchfließen soll. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg.


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Eßl: Dann tun wir den Wolf ansiedeln! Frau Kollegin, dann tun wir den Wolf am Heldenplatz ansiedeln!)

12.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Matznetter. – Bitte.


12.08.12

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr abwesender Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wer hat gestern die Lesung der Rede gehört? Ich meine, das ist eine alte österreichische Tradition: Wir kriegen beim Hochamt des Finanzministers die Budgetrede ausgedruckt und sie wird dann vorgelesen. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) Das ist so ähnlich wie im englischen Unterhaus, in dem die Queen, mittlerweile ist es ja ein King, die Rede des Premierministers vorliest – man kann es also auch von einem anderen verlesen lassen.

Die Rede war wolkig. Sie war mit vielen nautischen Vergleichen gefüttert. Sie wollen also „Segel [...] setzen“ (Abg. Hanger: ... Arroganz, also wirklich!), obwohl die kommerzielle Seefahrt doch seit 150 Jahren nicht so sehr auf Segel setzt – ist aber ökologisch sinnvoll –, und wollen mitten hinein in die „Gewitterwolken“, und es rinnt immer mehr Wasser in Ihrem Schiff zusammen. Ehrlich, Herr Finanz­minister, wenn Sie Skipper sind, will ich nicht Passagier auf dem Schiff sein. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner. – Abg. Taschner: Blinder Passagier! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die 9 Millionen Menschen in diesem Land sind aber notgedrungen die Passagiere dieser Kurssetzung, die Sie machen.

Es wurde ja das Positive genannt. Es war Klubobmann Wöginger, der gesagt hat: Wir müssen das Positive hervorheben. (Abg. Wöginger: Warat guat!) Na, der ist ja ehrlich in seiner Rede. Er fängt an mit Optimismus für Österreich:


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Wohlstand erhalten! – Ich frage mich nur, wo der Wohlstand für die alleinerziehende Mutter ist, die sich jede Woche (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!) im Supermarkt trotz Tränen nicht mehr das leisten kann (Rufe bei der ÖVP: Schrebergarten!), was sich das Kind wünscht. Die braucht keinen Wohlstand zu erhalten, die muss ihn erst erhalten! (Ruf bei der ÖVP: Das hat euch gestern eh der Kogler super gesagt!)

Aber das erfrischend Ehrliche ist ja die Aussage (Ruf bei der ÖVP: Deine Ahnungslosigkeit!), die schon zwei meiner Kollegen zitiert haben, nämlich das bezeichnende Zitat – Sie können es auf Seite 8 ja nachlesen –: „Es hilft den Vielen nicht, wenn man einigen Wenigen etwas wegnimmt.“

Das ist das genaue Gegenteil von der Politik for the many, not the few. (Ruf bei der SPÖ: Genau!) Das ist erfrischend ehrlich, Herr Finanzminister. Die, die nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Vermögen, die jedes Jahr einen Zuwachs haben (Abg. Eßl: Die kaufen sich einfach Schrebergärten!), denen darf man nichts wegnehmen, sondern man muss ihnen den Wohlstand erhalten. Der Rest soll schauen, wie er über die Runden kommt. Das ist so typisch für Ihre Politik, das ist so bezeichnend für Ihre Politik, dass ich dankbar bin für die Ehrlichkeit, die Sie hier an den Tag legen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Damit die Frage beantwortet ist: Wenn man 5 bis 6 Milliarden Euro aus dem Bereich des Vermögens und der Erbschaften nehmen würde, dann hätten wir zumindest ein Drittel jenes Defizits, das Sie uns für nächstes Jahr hinein­geschrieben haben, abgedeckt – durch jene, die dadurch keine Einschränkungen ihrer Lebensverhältnisse hätten, die vielleicht trotzdem in der Lage sind, problemlos die Golfplatzgebühren – vielleicht nicht zwei, sondern nur eine – zu zahlen und einen Beitrag zu leisten. Wir werden diesen Kampf nicht aufgeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es kann nicht sein, dass die, die alles haben, keine Steuern zahlen und der Finanzminister das auch noch mit diesen Worten verteidigt. Ich verstehe nicht, wie christlich-sozialer Anstand das zulässt. (Bundesminister Brunner: Die zahlen


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aber schon Steuer!) – Na, geh bitte! Die zahlen Steuer!? So, bleiben wir beim Konkreten, Herr Finanzminister, bei der Erbschaft. Der Sohn des Didi Mateschitz, der ein toller Unternehmer war, der etwas Tolles aufgebaut hat (Abg. Pfurtscheller: Mah bitte! Schäm dich! Schäm dich! – Ruf bei der ÖVP: Sind wir doch froh, dass wir Unternehmen in Österreich haben ...! – Abg. Schrangl: Aber hat versteuertes Vermögen ...! – Zwischenruf der Abg. Tanda): Wie viel Steuer hat er von den Milliarden, die er leistungsfrei bekommen hat, gezahlt? Wie viel? 1 Cent? 5 Cent? (Bundesminister Brunner: 650!) – Nicht der Konzern, nein, nicht der Konzern: der Herr Mateschitz junior. Sie haben gesagt, der zahlt Steuern. Wie viel? (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte! Das ist ja lächerlich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Lächerlich ist das, dass er keine Steuern zahlt, danke für die Unterstützung! Wir brauchen eine ordentliche Erbschaftssteuer. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Loacker: Was für eine primitive Politik ...! – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schrangl.)

Es geht aber noch weiter: Durch Ihre Politik und der seit zwei Jahren zu hohen Inflation ist die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes ernsthaft beschädigt. (Abg. Eßl: Ihre Rede ist lächerlich!) Damit wir im gemeinsamen Binnenmarkt, in der gemeinsamen Währungsunion auch nur auf den gleichen Wettbewerbsstandard wie vorher zurückkommen, müssten wir im selben Zeitraum 2, 3 Prozent weniger Inflation haben. Das heißt, es genügt nicht, sie auf den europäischen Schnitt zu senken, wir müssten sie unter den europäischen Schnitt bringen, um den alten Wettbewerbszustand wieder zu erreichen.

Gleichzeitig muss jede Nachfolgeregierung – nach fast 25 Jahren ÖVP-Finanzminister! – einen der schlimmsten Schuldenberge abbauen. Ehrlich gesagt, dagegen war vielleicht auch die Sintflut ein Lapperl – bei der wären wir vielleicht sogar mit der vom Magnus Brunner gesteuerten Scholle zurechtgekommen. So brauchen wir mehr als Magnus Brunner und die ÖVP: Wir brauchen eine anständige Regierung. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Du bist in der falschen Kammer Vizepräsident!)

12.13



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Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Philipp Schrangl. – Bitte.


12.13.38

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause! Als Wohnbausprecher der Freiheitlichen Partei wollte ich mich eigentlich auf das Wohnen, zu dem sich der Herr Finanzminister in der letzten Zeit ja schon des Öfteren geäußert hat, konzentrie­ren, aber nach dieser Neidrede, die Herr Kollege Matznetter vor mir abge­sondert hat, muss ich leider auch dazu etwas sagen.

In Wahrheit muss man sagen: Danke, Herr Mateschitz, also Vater und Sohn, dass Sie Ihr Vermögen in Österreich versteuern, dass die Red Bull GmbH in Österreich versteuert und wahnsinnig viel Geld an Körperschaftsteuer dalässt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Vielleicht kann der Finanzminister Ihnen dann auch sagen, wie viel Geld er in Österreich bezahlt. (Bundesminister Brunner: ...50 Millionen!) – Richtig. Also der Finanzminister hat gerade gesagt, er bezahlt alleine 50 Millionen Euro an Körperschaftsteuer. (Bundesminister Brunner: 650 Millionen!) – 650, bitte, 650 Mil­lionen! Wissen Sie, was man mit diesen 650 Millionen Euro alles an Gutem tun kann? – Viel mehr, als wenn Ihre Politik kommt und alle vermögenden Menschen ihr Geld aus Österreich abziehen und dann in der Schweiz, in Monaco oder in sonst irgendeinem Steuerparadies versteuern. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wöginger: Ja genau! Richtig!)

Übrigens war es Finanzminister Lacina - - (Abg. Matznetter: Danke fürs Geständ­nis! Der Erlös ...!) – Ja, bitte, gerne! (Abg. Bogner-Strauß – in Richtung Abg. Matznetter –: Geh bitte! – Abg. Wöginger: Kannst einrexen, deine Steuern! – Abg. Matznetter: Danke, kleiner Mann ...!) – Gerne, wir können uns gerne noch dazu austauschen (Ruf bei der ÖVP: Matznetter, zuhören! – Abg. Wöginger: Kommunist! – Abg. Steinacker: Hör mal zu! Lerne!), vielleicht können Sie noch


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etwas lernen. (Abg. Wöginger: Kommunist in der Wirtschaftskammer!) Auch Finanzminister Lacina – SPÖ – hat erkannt, wie wichtig es ist, Kapital nach Österreich zu bringen.

Nun komme ich aber zu meinem eigentlichen Thema, nämlich dem leistbaren Wohnen: Leistbares Wohnen ist die sozialpolitische Frage der nächsten Jahre, aber leider, Herr Minister – ich habe es ja vorhin schon gesagt, Sie haben sich schon mehrmals dazu geäußert –, sehe ich in diesem Budget keine taugliche Ant­wort auf diese sozialpolitische Frage. Überschaubare Mittel im Sanierungs­bereich alleine werden es nicht tun. Wir brauchen insbesondere eine Erhöhung der Wohnbauförderung auf mindestens 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. (Abg. Lukas Hammer: Bitte was? – Abg. Tomaselli: Der Ländereinnahmen!)

Wo ist die Zweckbindung der Wohnbaufördermittel, die Herr McKanzler Nehammer in seiner Kanzlerrede Anfang des Jahres versprochen hat? – Auch die sehe ich nicht. Wo sind die Ausfälle der Grunderwerbsteuer, von der Sie ja versprochen haben, dass sie beim Kauf der ersten Wohnung erlassen wird, im Budget abgebildet? – Die hätte ich auch gern.

Die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf PV-Anlagen kommt auch erst 2024 – was tun all die Menschen, die jetzt gerade im Kaufprozess sind? (Abg. Tomaselli: Die können Förderung beantragen! – Abg. Lukas Hammer: Die haben alle eine Förderung bekommen!) Auch ich wollte mir eine PV-Anlage zulegen, da werde ich wohl auch auf das nächste Jahr warten müssen. (Abg. Lukas Hammer: Nein!)

Was wir tatsächlich brauchen, meine sehr verehrten Damen und Herren, um leistbares Wohnen sicherzustellen, sind erstens Abschreibungen für Investitionen in Wohnraum – die von der ÖVP leider 2009 und 2012 abge­schafft worden sind –, einen echten Mietenstopp und einen Bundeszuschuss zu den Ländermitteln für die Errichtung von neuem Wohnbau. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

12.16


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Abgeordneter Karlheinz Kopf zu Wort gemeldet. – Bitte.



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12.17.07

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist weder ein Wunder noch eine Schande, wenn das staatliche Budget nach einigen Krisenjahren – nicht nur in Österreich, sondern weltweit: Pandemie, Energiepreisexplosion – einiger­maßen angespannt ist. Es ist deshalb angespannt, weil wir in diesen Krisensitua­tionen das Notwendige getan haben, um die Kaufkraft der Menschen zu erhalten, die Resilienz der Betriebe zu stärken und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. All das hat Geld gekostet – aber dafür Geld zu investieren, Steuergeld zu investieren, meine Damen und Herren, das ist keine Schande, sondern eine Notwendigkeit, und es war richtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir müssen aber auch anerkennen, dass die Herausforderungen nicht geringer werden. Die Rezession, in die wir uns hineinbewegen, ist die nächste Herausforderung, die wir zu bewältigen haben. Umso bemerkenswerter ist es – und es finden sich in diesem Budget ja auch schon einige, nicht wenige Maßnahmen, die auch geeignet sind, dieser Entwicklung entgegenzuwirken und sie abzufedern –, dass es dem Herrn Finanzminister mit diesem Budget gelungen ist, ein Budget ohne Tricks wie in manchen anderen Ländern – ich sage nur Sonderbudgets oder Sonderhaushalte wie in Deutschland, die sich dann nicht in der Verschuldung wiederfinden – auf den Tisch zu legen, das einen soliden Pfad aufzeichnet, mit dem wir wieder in die Maastrichtkriterien zurückkommen, und das in einer wie gesagt verdammt angespannten Situation. – Gratulation, Herr Finanzminister! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn man es uns als Regierungsparteien nicht glauben will, hier ein Zitat von Felbermayr, anerkannter Direktor des Wirtschaftsforschungsinstitutes: Es gelingt trotz der „Engpässe, Zukunftsausgaben zu stemmen“. Österreich bleibt trotz der Rezession in den Maastrichtbudgetgrenzen. (Abg. Wöginger: Super!) Noch ein Zitat – ich habe es vorhin schon erwähnt –: Das Budget kommt ohne


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Schattenhaushalte wie in Deutschland und Frankreich aus. – Zitatende. Das ist ehrliche Budgetpolitik, Herr Finanzminister. (Beifall bei der ÖVP.)

Was liefert uns die Opposition dazu außer Schlagworte und Stehsätze? – Wenig. (Abg. Greiner: Na, das könnts ihr besser!) Ich meine, der Gipfel war jetzt wirklich noch einmal diese Klassenkampfrede von Herrn Matznetter. Gegen jene zu wettern, die mit Risiko investieren – und Herr Mateschitz hatte zu Beginn seiner Unternehmertätigkeit gar nichts (Abg. Matznetter: Von dem habe ich nicht gesprochen!) –, ein Unternehmen aufbauen, Hunderte Millionen Steuern dafür abführen, und dann eine Neiddebatte loszutreten, das ist schändlich. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.) Danke auch Kollegen Schrangl für ähnliche Worte.

Noch eines: Manche Oppositionsredner haben kritisiert, dieses Budget bringe keine Entlastungen und keine strukturellen Maßnahmen. Was ist denn die Abschaffung der kalten Progression anderes als eine nachhaltige strukturelle Entlastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was ist denn die Absenkung der Steuersätze bei der Lohn- und Einkommen­steuer anderes, was sind die Senkung der Energieabgaben, die Strom­kostenbremse oder die Gebührenbremse anderes als eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was sind die Steuerbefreiung für Zuschüsse zur Kinderbetreuung, die Erhöhung des Kindermehrbetrages oder das Mehr an steuerfreien Überstunden­zuschlägen anderes als eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger? (Abg. Kassegger: Das ist eine Symptombekämpfung unter ... der tatsächlichen Ursachen!)

Zum Thema Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, Zukunftsfähigkeit und Ökologieinvestitionen: Die Senkung der Körperschaftsteuer, meine Damen und Herren, ist kein Geschenk, wie das vorhin gesagt wurde, an die sogenannten „Gstopften“. – Nein, das ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit heimischer


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Unternehmen, die hier Hunderttausende Arbeitsplätze schaffen und mit Risiko in die Zukunft investieren. Das ist es. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scherak.)

In diesem Budget finden sich Dinge wie ein sehr attraktives Steuermodell für Start-ups und 400 Millionen Euro für die Umsetzung des europäischen Chips Act – das ist Investition in die Zukunft, und im langfristigen Finanzplan sind dafür sogar 2,8 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist Investition in die Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes. (Beifall bei der ÖVP.)

Man könnte die Liste fortsetzen. Man könnte die Liste noch mit vielen Maß­nahmen fortsetzen, die sich in diesem Budget finden: auch eine ganze Reihe von ökologisch sinnvollen Anreizfinanzierungen – Kesseltausch, Fotovoltaikanlagen; das Vorziehen öffentlicher Bauprojekte, Kollege Schrangl, geht genau in die Richtung, um der Bauwirtschaft, die natürlich derzeit große Probleme hat, unter die Arme zu greifen – 640 Millionen Euro für das Vorziehen öffentlicher Bauprojekte sind kein Klacks, keine Kleinigkeit; es gibt aber auch 250 weitere Millionen Euro für Länder und Gemeinden, um in den Bereich Wohnen und Sanieren investieren zu können, und natürlich auch – noch einmal zurück zur Ökologie – 250 Millionen Euro für die Transformation in der Industrie. (Abg. Wöginger: Zukunftsfonds!)

Dieses Budget, meine Damen und Herren, ist ein Konzept für den Wohlstands­erhalt und für die positive Zukunftsgestaltung Österreichs. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen sowie Bravoruf des Abg. Wöginger.)

12.23


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abge­ordneter Matznetter zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Steinacker: Auch er sollte die Regeln kennen! – Abg. Gerstl: Wie der Hauser!)


12.24.03

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Abgeordneter Kopf hat behauptet, dass ich in meiner Rede dem Unternehmer Didi Mateschitz,


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der Hunderte Millionen Steuern gezahlt hätte (Ruf bei der ÖVP: Hat!), unterstellt hätte, dass er keine Steuern zahlt. (Ruf bei der ÖVP: Ja genau!)

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe in Replik auf den Finanzminister gefragt, wie viel Steuer der Erbe (Oje-Rufe bei der ÖVP), Mateschitz junior, gezahlt hat (Rufe bei der ÖVP: Mein Gott! Das ist eine Unwahrheit!), und habe damit die Bemerkung des Finanzministers, er hätte gezahlt, berichtigt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Was war das jetzt? – Weitere Rufe bei der ÖVP: Großartig! Großartig! – Abg. Steinacker: Mein Gott, dieser Redebeitrag war wirklich gewaltig! – Neuerlicher Ruf bei der ÖVP: Was war das jetzt, eine tatsächliche Berichtigung? – Abg. Höfinger: Ein tatsächliches Durcheinander!)

12.24 12.24.42


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen, wobei wir ja noch viele Budgetdebatten führen werden.

Ich weise daher die Regierungsvorlage 2178 der Beilagen dem Budgetausschuss zu.

12.25.002. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 3623/A der Abge­ord­neten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, die Europa­wahlordnung, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstim­mungs­gesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden (2219 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


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Ich begrüße die Frau Bundesministerin im Hohen Haus und erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Kurt Egger das Wort. – Bitte.


12.25.54

Abgeordneter Mag. (FH) Kurt Egger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und via Livestream! Jetzt geht es mit weniger Emotion in der Tagesordnung weiter: Es geht um die Wahlrechtsreform, die bereits im heurigen Frühjahr einstimmig beschlossen worden ist und mit 1.1.2024 in Kraft tritt.

Kurz zur Erinnerung: Das Wahlrecht wird dadurch einfacher, schneller und moderner; es profitieren die Wählerinnen und Wähler, die Gemeinden, aber auch Menschen mit Behinderung, weil in Zukunft der barrierefreie Zugang gewährleistet wird. Die Wahlkarten werden zu einem Großteil am Sonntag ausgezählt.

Und da bin ich schon bei meinem Stichwort, nämlich bei den Wahlkarten: Da hat es zum Beispiel die Beobachtung gegeben, dass es durch zugeklebte Kuverts wahrscheinlich nicht immer möglich ist, das Wahlgeheimnis zu gewährleisten. Es gibt aber den Konsens aller Parteien, dass der Wählerwille über das Prinzip der geheimen Wahl gestellt wird. Das wurde im letzten Wahlrechtsänderungsgesetz so nicht vorgesehen, das war ein Redaktionsversehen, und dieses Redaktions­versehen wird geändert. Ich freue mich, dass das auch einstimmig angenommen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.27


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


12.27.44

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen


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und Zuseher! Kollege Egger hat bereits mitgeteilt, dass im Jänner dieses Jahres im Hohen Haus eine Wahlrechtsreform beschlossen worden ist, mit der meiner Meinung nach vor allem die Lebensrealitäten im Wahlrecht abgebildet werden.

Vor allem der Bereich der Barrierefreiheit, die ab 1.1.2024 in den Wahllokalen hergestellt werden soll, ist ein wichtiger Punkt. Derzeit sind 75 Prozent der Wahllokale barrierefrei, und es soll im Laufe der nächsten Monate, bis zu den nächsten Wahlen, die eben nächstes Jahr stattfinden werden, die Barriere­freiheit in allen Wahllokalen hergestellt werden.

In weiterer Folge ist die Möglichkeit, die Wahlkartenlogistik zu ändern, wie es bereits angesprochen wurde, natürlich ein wesentlicher Punkt, auch der Quasivorwahltag spielt da mit hinein. Ich denke, das sind wichtige Änderungen.

Die Änderung, die wir heute besprechen, betrifft etwas, was eigentlich klar sein müsste: Wir haben klar gesagt, dass zugeklebte Wahlkuverts nicht dazu führen können, dass es eine ungültige Stimme ist. Das war uns klar, wir haben auch darum gebeten, dass das in der Wahlrechtsreform umgesetzt wird, weil der Wählerwille bleiben muss und das nicht zur Ungültigkeit führen soll.

Wenn man sich aber diese Änderungen der Wahlrechtsreform anschaut, die wir mit dem heute vorliegenden Bundesgesetz beschließen, stellt sich auch die Frage, warum es bei uns eigentlich eine Politikverdrossenheit gibt, die sich auch in der Beteiligung an den Wahlen widerspiegelt.

Für mich haben sich einige Gründe gezeigt: Ein Grund ist sicherlich, dass wir in einer Zeit sind, in der es viele Krisen gibt – Klimakrise, Coronapandemie, Kriege, Teuerung, Inflation –, und in diesen Krisenzeiten glauben immer mehr Menschen in Österreich, dass sie auf der Verliererseite sind. Deshalb nehmen sie auch an Wahlen nicht teil.

Außerdem gibt es in gewissen Bereichen Zukunftsängste, die geschürt werden. Es gibt zum Beispiel gewisse Verschwörungsaktivitäten, in deren Rahmen den


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Menschen Theorien suggeriert werden, die manche daran zweifeln lassen, wie wichtig die Politik und wie wichtig die Demokratie ist. Deshalb denke ich, dass eine funktionierende Demokratie ein wesentlicher Punkt ist, der nur dann gegeben sein kann, wenn sehr viele Menschen an den Wahlen in Österreich teilnehmen – und das werden wir nächstes Jahr auch brauchen.

Wir haben auch ein Problem betreffend Korruption – ein Thema, das die Öster­reicherinnen und Österreicher natürlich bewegt, was sich auch in den Wahl­beteiligungen widerspiegelt.

Die Verteilungsgerechtigkeit, das Element Verteilungsgerechtigkeit in der Politik, wird wahrscheinlich der Schlüssel für die Demokratie sein. – Frau Bundesministerin, wir werden immer mehr Mittel brauchen, um einen sozialen Ausgleich herzustellen, und das ist auch ein Schlüssel für die Politik.

Abschließend ist es mir wichtig, zu sagen: Die Teilnahme an Wahlen spiegelt die Demokratie wider, und um das geht es uns als SPÖ. – Danke für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

12.30


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Stefan. – Bitte.


12.31.05

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist kein Geheimnis, dass die FPÖ von Anfang an der Briefwahl sehr skeptisch gegen­übergestanden ist und auch nach wie vor steht. Wir haben das, wie es eingeführt wurde, als Ausnahme akzeptiert, haben aber damals bereits darauf hingewiesen, dass bei der Briefwahl die Einhaltung der Grundsätze des Wahlrechts, nämlich geheim, unbeeinflusst und frei, nicht gewährleistet ist, weil man einfach nicht sehen kann, unter welchen Umständen die Stimme abgegeben wird.


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Die Ausweitung der Briefwahl, wie sie jetzt stattfindet, halten wir für ein echtes Problem, weil jetzt bereits eine so große Zahl von Personen in der Form wählt und wir die Einhaltung der Grundsätze einer Wahl, die ja von uns sehr hochgehalten werden, dabei nicht garantieren können. Denken wir daran, was sich alles im Wahllokal abspielt, welche Sicherheitsvorkehrungen es dort gibt, dass niemand in die Wahlzelle mit hineingeht, dass also wirklich gewährleistet ist, dass niemand zuschaut, wenn ein anderer seine Stimme abgibt: Das alles ist bei der Briefwahl völlig egal, dort gibt es das nicht. Wir sind da also sehr skeptisch und halten diese Ausweitung für einen Fehler.

Wir haben daher daran mitgearbeitet, dass man diese Probleme möglichst gering hält, dass also die Dinge, auf die wir Einfluss nehmen können, verbessert werden, und da hat sich Gott sei Dank in den letzten Jahren doch einiges getan. Bei der Sicherheit – was passiert mit dem Wahlkuvert, was passiert, nachdem es abgegeben wurde?, und so weiter – wurde viel gemacht, Gott sei Dank. Dazu, dass es da deutliche Verbesserungen gegeben hat, haben wir auch beigetragen.

Wir haben auch heute hier wieder so einen Punkt, weil wir festgestellt haben, es waren in der Vergangenheit sehr viele Stimmen ungültig, weil die Kuverts zugeklebt wurden. Wahrscheinlich haben die Leute geglaubt, es ist besser, man klebt es zu, weil dann niemand hineinschauen kann, welche Stimme drinnen ist, aus Angst davor, dass das irgendwo, vielleicht im Gemeindeamt, an dem man das Kuvert abgegeben hat, noch einmal kontrolliert wird. Es ist also eigentlich ein nachvollziehbarer Vorgang.

Und wir haben gesagt, es ist wichtiger, dass eine Stimme gültig ist, als dass hier vielleicht das Wahlgeheimnis gestört wurde. Nachdem wir eh schon so oft die Grundsätze gebrochen haben, war das für uns ganz wichtig, wir stimmen hier zu.

Ich gebe Kollegen Drobits recht: Es gibt offenbar eine Verdrossenheit, eine Politikverdrossenheit. Interessanterweise trifft diese die FPÖ weniger,


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vielleicht auch deshalb, weil Sie die Krisen, die Sie angeführt haben, mitver­ursacht haben: Corona – Sie haben es angesprochen –; die sogenannte Klimakrise und alles, was da herum mitaufgebaut wird, wo die Menschen in Wirklichkeit eine Umwälzung der Gesellschaft miterleben, wofür sie zahlen sollen; der Ukrainekrieg, wo man sich in einen Wirtschaftskrieg hineinziehen lässt; Teuerung, Inflation, von der auch sehr viel selbst gemacht ist.

Sie müssen also schon vor der eigenen Haustür kehren, wenn Sie sich wundern, dass es eine Politikverdrossenheit gibt. Wie gesagt, Sie könnten sicherlich etwas ändern, aber ich gebe Ihnen recht: Es sollen möglichst viele zur Wahl gehen, damit die Demokratie möglichst stark ist. (Beifall bei der FPÖ.)

12.34 12.34.20


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2219 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

Wir kommen gleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

12.34.553. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 3622/A der Abgeord­neten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur


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Errichtung der Stiftung Forum Verfassung erlassen wird, geändert wird (2220 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zum 3. Punkt der heutigen Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Herr Abgeordneter Wolfgang Gerstl, Sie gelangen als Erster zu Wort. Bitte.


12.35.34

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Auch wenn uns dieses Gesetz heute nur deshalb noch einmal beschäftigt, weil wir ein paar Klarstellungen schaffen müssen, um die Stiftung Forum Verfassung wirklich zum Leben zu erwecken, gibt es mir die Gelegenheit, noch einmal ganz grundsätzlich über diese Stiftung und über die Verfassung zu reden.

Meine Damen und Herren! Die Verfassung ist das Regelwerk, auf welchem unser Staat fußt und auf welchem unsere Demokratie fußt. Sie ist damit das Fundament Österreichs. Sie ist auch ein Schutzschild vor autoritären Tendenzen und vor demokratiefeindlichen Strömungen.

Die Verfassung sichert jedem Einzelnen seine Grundrechte, aber sie kann sich nicht selbst schützen. Daher ist es so wichtig, dass wir unsere Verfassung vermitteln und die Demokratie schützen. Die nunmehr neu eingerichtete Stiftung Forum Verfassung hat daher die Aufgabe, den Menschen diese Verfassung in ihrer Gesamtheit darzustellen und ihre Bedeutung zu vermitteln.

Sie hat aber nicht nur die Aufgabe, über die Prinzipien der Verfassung aufzuklären, sie hat auch – das steht ausdrücklich im Gesetz drinnen – über die „Entwicklung der österreichischen und europäischen Verfassungsgerichts­barkeit“ aufzuklären, hat sich diese in den vergangenen Jahren doch sehr verän-


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dert. Ich glaube sagen zu können, dass die Entscheidungen des Verfassungs­gerichtshofes in den letzten Jahren politischer geworden sind. Begründet wird dies sehr oft mit einer Weiterentwicklung des Gleichbehandlungs­grundsatzes. Doch was gleich ist und was ungleich ist, ist sehr oft ein subjektiver Eindruck oder eine subjektive Entscheidung, viel mehr, als oft sachlich nachvollziehbar ist.

Bedenkt man, dass die Entscheidungen am Verfassungsgerichtshof ja nicht einstimmig fallen müssen, sondern dass dies auch Mehrheitsentscheidungen sein können, wie zum Beispiel sieben zu sechs, dann wird einem klar, dass solche Entscheidungen sehr oft von persönlichen Einschätzungen abhängen und nicht so sehr von rechtlichen Gegebenheiten. Gerade deshalb ist es für mich sehr wichtig, dass die Stiftung Forum Verfassung ein besonderes Augenmerk auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen legt.

Ich will nur zwei Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit hervorheben, die uns hinsichtlich der Entscheidungspraxis des Verfassungsgerichtshofes oder auch hinsichtlich dessen, wie sie sich weiterentwickelt hat, nachdenklich machen.

Erstes Beispiel: ORF-Gesetz. Die Grundsätze des ORF-Gesetzes wurden bereits in der kleinen Koalition 1983 bis 1986 zwischen SPÖ und FPÖ festgelegt. Endgültig stammt dieses Gesetz schon aus den beginnenden 2000er-Jahren, ist also schon 20 Jahre alt. Heute hat es für den Verfassungsgerichtshof etwas Verfassungswidriges an sich – eine Entscheidung, die uns durchaus nachdenklich stimmt.

Zweites Beispiel: die Sterbehilfe. Da hat der Verfassungsgerichtshof über Jahrzehnte gleichmäßig entschieden, denn die entsprechenden Bestimmungen stammen aus dem Jahr 1975, und dann, fast 50 Jahre danach, folgte er einer Änderung. Das darf sehr wohl nachdenklich machen und muss erklärt werden, damit die Menschen, der Souverän, weiterhin an die Gerichtsbarkeit glauben können.


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Meine Damen und Herren! Unsere Verfassung ist eben nichts, das wir auf ewig gesichert wissen und worauf wir uns ausruhen können. Wir müssen jeden Tag neu dafür kämpfen. Wir müssen sie jeden Tag vermitteln und weiter­entwickeln. Dafür soll die Verfassung und diese Stiftung ihre Dienste leisten. Daher: Glück auf für unsere Verfassung und für unsere Demokratie. (Beifall bei der ÖVP.)

Ganz zum Schluss darf ich noch einen Abänderungsantrag einbringen, der aufgrund eines Redaktionsversehens notwendig geworden ist. Ich stelle den Antrag, dass

erstens in der Ziffer 3 dem Text des § 8 Abs. 6 die Absatzbezeichnung „(6)“ vorangestellt wird und

zweitens in der Ziffer 4 dem Text des § 9 Abs. 3 die Absatzbezeichnung „(3)“ vorangestellt wird.

Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.40

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag.a Muna Duzdar, Mag.a Agnes-Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Verfassungsausschusses 2220 d.B. über den Antrag 3622/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung der Stiftung Forum Verfassung erlassen wird, geändert wird (TOP 3)


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Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung der Stiftung Forum Verfassung erlassen wird, geändert wird in der Fassung des Berichtes des Verfassungsausschusses 2220 d.B. wird wie folgt geändert:

1.         In der Z 3 wird dem Text des § 8 Abs. 6 die Absatzbezeichnung „(6)“ vorangestellt.

2.         In der Z 4 wird dem Text des § 9 Abs. 3 die Absatzbezeichnung „(3)“ vorangestellt.

Begründung

Es handelt sich um die Behebung von Redaktionsversehen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Oxonitsch. – Bitte.


12.41.08

Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich bin ein bisschen davon ausgegangen, dass das heute meine erste Rede sein wird, bei der ich die Redezeit nicht ausschöpfe, denn es hat ja doch eine sehr breite Einigkeit im Sinne dieser Einrichtung gegeben. Es hat hier im Plenum eine sehr große Zustimmung gegeben, und es ist, glaube ich, uns allen klar, welche Bedeutung die österreichische Verfassung hat.


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Gerade in den letzten Jahren hat sich gezeigt, wie krisenfest diese Verfassung gewesen ist, in sehr, sehr schwierigen Situationen, in denen Entscheidungen nachher klargestellt werden konnten, letztlich revidiert werden mussten, es aber immer wieder diese Verfassung war, die den Rechtsrahmen für die Republik gebildet hat. Ich glaube, das zeigt, dass da tatsächlich – wir haben ja vor wenigen Jahren dieses hundertjährige Jubiläum gefeiert – ein sehr gutes und brauchbares Instrumentarium für die Republik Österreich geschaffen wurde.

Natürlich – es ist darauf hingewiesen worden – entwickeln sich Rechtssysteme weiter, entwickelt sich auch gesellschaftliches Bewusstsein weiter, und gerade da war die österreichische Verfassung auch eine wesentliche Grundlage, darauf immer wieder zu reagieren.

Wenn Kollege Gerstl Beispiele angeführt hat, dann muss man dazusagen: Der Verfassungsgerichtshof wird in der Regel dann veranlasst, Urteile zu sprechen, Einschätzungen abzugeben, wenn er mit einer entsprechenden Gesetzesmaterie beziehungsweise wenn er mit einem bestimmten Sachverhalt konfrontiert wird. Das war beim ORF-Gesetz jetzt so der Fall, davor war es nicht der Fall. Das hat ja nichts damit zu tun, dass etwas seit 20 Jahren besteht. Die Frage ist: Gibt es den Zeitpunkt X, an dem jemand sagt: Das sollte man eigentlich hinterfragen!?

Ich halte es daher für grundsätzlich richtig und notwendig, sich klar dazu zu bekennen, dass, wenn der Verfassungsgerichtshof Urteile spricht, diese letztendlich eine wesentliche Grundlage für unser politisches Handeln darstellen sollen. Natürlich kann man darüber nachdenken, wie Kollege Gerstl es gesagt hat, ich glaube aber, es ist grundsätzlich einmal so und eine ganz wesentliche Grundvoraussetzung für unser Zusammenleben, dass man betreffend diese Rechtsprechung respektiert, dass sie eine wesentliche Grundlage ist und man vor allem die Justiz in Österreich respektiert.

Da hierfür auch geworben werden muss, da es hierfür immer wieder notwendig ist, der österreichischen Bevölkerung diese Bedeutung klarzumachen, dafür ist


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diese Stiftung da. Ich glaube weiterhin, dass sie eine gute Einrichtung ist, eine wichtige Einrichtung. Daher begrüßen wir diese gemeinsame Initiative und begrüßen vor allem die vielfältigen Bemühungen, dass diese Verfassung im österreichischen Bewusstsein nachdrücklich verankert wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.43 12.43.48


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 2220 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Wolfgang Gerstl, Muna Duzdar, Agnes Sirkka Prammer, Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatzantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Wolfgang Gerstl, Muna Duzdar, Agnes Sirkka Prammer, Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betref­fend die Einfügung von Absatzbezeichnungen eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.


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Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig so angenommen.

Damit kommen wir gleich zur dritten Lesung des Gesetzentwurfes. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

12.45.114. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (2206 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Österreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetz geändert wird (2221 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Nun kommen wir zum 4. Punkt unserer heutigen Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Martin Engelberg. – Bitte.


12.45.40

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Wir beschließen heute die Änderung des Österreichisch-Jüdischen Kulturerbegesetzes. Die Frau Ministerin wird hier noch ausführlich darüber referieren.

Das ist sehr löblich, keine Frage. Vielen Dank für den Einsatz in dieser Sache und auch dafür, dass letztlich alle Parteien zustimmen werden. Auch dem gebührt Anerkennung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die aktuellen Ereignisse in und um Israel gebieten aber, dass ich diese Gesetzesänderung zum Anlass nehme, das alles in einen größeren Kontext zu stellen. Das ist eine schwere Rede, die ich hier zu halten habe.

Ich möchte sie mit einer Begrüßung beginnen: Ich möchte mit gebrochenem Herzen Rabbiner Leo Dee hier willkommen heißen. Er war vor einigen Monaten


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mit seiner Familie auf dem Weg zu einem Wochenendausflug, und seine Frau und zwei Töchter wurden ermordet, kaltblütig bei einem Anschlag ermordet, genau so wie eben vor einigen Tagen andere Zivilisten. – (In Richtung Galerie:) A very warm welcome, Rabbi Dee, here in Vienna! Our broken heart is with you, and we share the grief with you. (Allgemeiner Beifall.)

Der von mir sehr verehrte frühere IKG-Präsident Paul Grosz hat einmal in einem Gespräch mit einem Bundeskanzler Folgendes gesagt: Wissen Sie, Herr Bundeskanzler, wenn Sie wissen wollen, wie es einem Land geht, dann schauen Sie sich an, wie es der örtlichen jüdischen Gemeinde geht; das ist immer ein guter Indikator dafür, wie es der ganzen Gesellschaft geht! – Das gilt weiterhin, und das gilt aber auch für Israel. Schauen Sie sich an, wie es Israel geht, dann wissen Sie, vor welcher Herausforderung die westliche Welt steht!

Es waren blutrünstige Mörderbanden – ich möchte sie nicht einmal als Terroris­ten bezeichnen, weil das fast schon beschönigend ist –, es waren blutrünstige Mörderbanden, die unschuldige Menschen massakriert haben, Säuglinge geköpft haben, vergewaltigt haben – Barbaren. Sie sind schlimmer – und ich schließe mich da der Meinung von manchen Leuten an – als die Nationalsozialisten! Diese haben das Gleiche getan, aber sie haben sich wenigstens dafür geschämt. Sie haben wenigstens versucht, ihre Verbrechen zu verstecken, Leichen zu begraben, die Spuren zu beseitigen.

Diese Mörderbanden da filmen das auch noch, sind stolz darauf, verbreiten das in der ganzen Welt. Während wir noch im Schock darüber sind, alle miteinander – ich glaube, wir sind da alle in der gleichen Situation –, fängt man schon an, uns Sand in die Augen zu streuen, versucht man, es zu relativieren, aus Naivität oder ganz bewusster Desinformation: Ja, da geht es um den israelisch-palästinensischen Konflikt, da geht es um die Siedlungen im Westjordanland, da geht es um die Besatzung. – Nein! Darum geht es nicht!

Israel hat im Jahr 2005 den Gazastreifen geräumt – komplett! Seit 2005 befindet sich kein israelischer Soldat im Gazastreifen, befindet sich kein Israeli im


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Gazastreifen. Es wurde der Gazastreifen 2005, vor 17 Jahren, komplett geräumt. Es wurde alles, was Israel dort aufgebaut hatte – landwirtschaftliche Betriebe, Siedlungen –, unzerstört übergeben. Die Europäische Union hat, wir haben Unsummen an Geld den Palästinensern zur Verfügung gestellt, damit der Gaza­streifen zu einem blühenden Singapur des Nahen Ostens werden kann.

Was ist geschehen? – Am nächsten Tag wurden die landwirtschaftlichen Produk­tionsstätten zerstört. Am nächsten Tag wurde mit unserem Geld begonnen, dort eine Waffenindustrie aufzubauen und das Ganze aufzurüsten. Zwei Jahre später hat die Hamas geputscht und die palästinensischen Brüder, die Autono­mie­behörde, genauso massakriert, wie die Hamas jetzt die Israelis massakriert hat. Sie haben sie von den Dächern gestoßen, erschossen – genau die, die jetzt nicht einmal von der Hamas sich zu distanzieren bereit sind.

Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass es da nicht um Besatzung geht. Der Gazastreifen ist nicht besetzt. Die Grenzen waren offen – auch jetzt wieder im Übrigen. Wir waren vor einem Jahr mit einer Delegation genau bei diesem Grenzübergang. Jeden Tag kamen 15 000 Arbeiter hinüber. Das ist Propaganda, es ist Lüge. Der Rabbiner hat heute in der Aussprache sehr richtig gesagt: Es ist nicht einmal eine Lüge, sondern es ist schlimmer, es ist Antiwahrheit, denn eine Lüge ist manchmal einfach nur eine Verdrehung der Wahrheit.

Die Demonstranten hier in Wien: Solidarität mit den Palästinensern – schön, mit den Zivilisten. Was steht auf der Einladung zu der Demonstration? – Auf der Einladung zu der Demonstration, zu der der palästinensische Botschafter gehen wollte – ich war mit ihm in einer Fernsehdiskussion; ich habe ihn gefragt, und er hat gesagt: Ja, ich würde da hingehen! –, steht: From the river to the sea, Palestine will be free! – Was heißt denn das? Was heißt: Palestine will be free from the river to the sea? – River ist der Fluss Jordan, und the sea ist das Mittelmeer. Was ist dort dazwischen? Nur das Westjordanland und der Gaza­streifen? – Nein, der Staat Israel. Die Menschen gehen hier auf die Straße und demonstrieren für die Zerstörung Israels, die Vernichtung des Staates Israel, und wir lassen das hier zu.


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Wir müssen verstehen, was da passiert. Ich glaube, das ist der Moment, der uns wirklich die Augen öffnen muss. Manche, nicht wenige, sagen: Was geht uns das an? Die sollen sich dort die Köpfe einschlagen! – Ich kann nur eines sagen – ich erinnere Sie daran, was ich am Anfang gesagt habe –: We are just around the corner, sagen die Amerikaner. Jetzt ist es Israel, jetzt ist es die jüdische Gemeinde, aber es geht nicht darum, sondern es geht um uns. Es geht um Österreich, es geht um die westliche Gesellschaft, es geht um unsere Wertegemeinschaft.

Haben wir schon vergessen, dass es hier in Europa Massaker gegeben hat? Genauso wie die Zivilisten jetzt in Israel wurden die jungen Leute im Theater Bataclan niedergemetzelt. Was haben die damit zu tun? Sind das Besatzer – wovon? – in diesem Theater gewesen?

Die Redaktion von „Charlie Hebdo“: einfach niedergemetzelt; hier in Wien, der Attentäter: Er hat eine Kellnerin erschossen, einfach wahllos in Lokale hinein­geschossen – Besatzer in dem Konflikt? Haben wir das vergessen?

Als in Paris das mit der Redaktion von „Charlie Hebdo“ passiert ist, haben viele intuitiv gesagt: Je suis Charlie! – Wir haben uns mit der Redaktion solidarisiert, wir alle sind Charlie. Ich kann nur eines sagen: Das Gebot der Stunde ist, zu sagen: Je suis Israël – ich bin Israel, wir alle sind Israel. Wir müssen verinner­lichen, dass es nicht Israel ist, dass es nicht die jüdische Gemeinde ist. So sehr Israel die Unterstützung braucht und auch die jüdische Gemeinde die Unterstüt­zung braucht – wir müssen verstehen, dass wir angegriffen sind.

Wenn ich sage: Wir sind Israel, sage ich das nicht nur als Jude. Ich meine, das ist ja kein Geheimnis, und ich bin dadurch natürlich besonders betroffen, weil es in der Verwandtschaft tatsächlich auch einen Todesfall gibt und weil natürlich jetzt die Besorgnis groß ist, denn alle Kinder – die jüngere Generation meiner Verwandtschaft – sind eingezogen, sie stehen alle am Gazastreifen. Natürlich sind wir sorgenvoll und schauen, was da passiert.


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Ich trage aber auch diesen Pin (auf eine Anstecknadel am Revers weisend) der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft, und zwar aus einem ganz bestimmten Grund: weil ich der Meinung bin, wir sitzen in einem Boot. Ich spreche hier als Österreicher, weil ich Teil der westlichen Wertegemeinschaft bin, die ich so liebe und so schätze, die wir gemeinsam so lieben und so schätzen. Es geht um Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit. Es geht um das Streben nach Glück, und das im Gegensatz zu Hass, Mord, Intoleranz, Anbetung des Todes, der Glückssuche im Tod. Das ist die Ideologie dieser Mörderbanden. Wir alle gemein­sam sitzen in einem Boot und stehen dem gegenüber.

Was bedeutet das für uns heute und jetzt? – Da möchte ich ganz klare Worte sprechen: Ich glaube, wir müssen an der Seite Israels stehen. Das tun wir, und das muss man auch anerkennen. Die gesamte Staatsspitze, alle Parteien – auch das soll noch einmal extra gewürdigt werden – haben die klare Solidarität mit Israel ausgedrückt. Wir haben die Fahnen hochgezogen, wir haben die israelische Fahne auf das Parlamentsgebäude projiziert – alles wichtige Signale.

Passen wir nur auf, was jetzt passiert! Das Relativieren hat bereits begonnen: die zivilen Opfer – die tragisch sind! – im Zuge der Militäraktionen, die Israel jetzt unternimmt und unternehmen muss, die aber gegen die massakrierten Menschen aufgerechnet werden, die ja sozusagen nicht Opfer wurden durch das, was man so fürchterlich Kollateralschaden nennt, die nicht Opfer wurden, weil eine Militäraktion notwendig ist, sondern die ja ganz gezielt und bewusst ermordet wurden. Diese Aufrechnung findet schon statt.

Jetzt kommen wir zu einem ganz konkreten Beispiel, und das finde ich so skanda­lös. Wir alle reden von der Explosion auf dem Parkplatz neben einem Spital. Die Hamas wusste in dem Moment, in dem das passiert ist, dass das kein Angriff Israels war, sondern eine Explosion einer Rakete des Islami­schen Dschihads, bei der der Raketentreibstoff explosionsartig zu brennen begonnen hat. Sie wissen es, verbreiten in der ganzen Welt die Propaganda, dass Israel einen Raketenangriff auf ein Spital gemacht hat, und wissen in der Sekunde, dass es mindestens 500 Tote gibt.


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Was passiert jetzt? – Die Medien der ganzen Welt verbreiten das und schreiben: Israel hat ein Spital angegriffen, 500 Tote. – Sie schreiben dann irgendwo dahinter: sagen palästinensische Quellen, oder: palästinensisches Gesundheits­minis­terium – irgendwie so etwas. Die verbreiten das. Es gibt Politiker, die daraufhin Israel verurteilen. Ich meine, wie schwer ist es, 1 Minute innezuhalten und einen Faktencheck zu machen?

Jetzt geht es aber noch weiter, nach 24 Stunden – Israel hat das recherchiert, hat ganz klar aufgezeigt, von wo die Raketen geflogen sind, wo das abgestürzt ist, alles; unsere eigenen Nachrichtendienste haben das bestätigt –: Als ich heute am Vormittag meine Rede vorbereitet habe, stand auf der ORF-Homepage noch immer: Klinikbeschuss in Gaza, Vorfall ungeklärt. – Ich frage mich: Wer hat da mehr Glaubwürdigkeit in unserem Land? Ist es die Hamas-Propaganda oder ist es unser Partnerland, unser strategischer Partner, der eine hohe Glaubwürdigkeit hat, genau Satellitenbilder aufzeigt, die Aufnahmen von Al Jazeera, den Funkverkehr der Hamas mit dem Dschihad, in dem sie darüber reden, dass das eine eigene Rakete war?

Der ORF schreibt noch immer: Vorfall ungeklärt, nachdem man 24 Stunden vorher geschrieben hat: Israelischer Angriff, ein Spital wurde zerstört. – Ich kann nur sagen, das ist empörend. Es ist für mich empörend, zu wissen, dass das der öffentlich-rechtliche Rundfunk Österreichs ist – und es ist nicht das erste Mal, dass da so danebengehauen wird.

Ich habe wirklich die feste Absicht, mich beim Generaldirektor zu einem Gespräch zu melden, weil ich glaube, es ist auch mit dem Absetzen einer Sendung – da gab es auch eine „Mini-ZIB“, die ebenfalls fürchterlich manipulativ war, die wurde dann kommentarlos gelöscht – nicht getan ist. Ich glaube, wir müssen da an unserem Mindset arbeiten.

Eine kleine Nebenbemerkung noch – es tut mir leid, ich kann es Ihnen nicht ersparen – zur SPÖ: Bitte distanzieren Sie sich oder sorgen Sie dafür, dass sich diese Verrückten, Ihre jungen Leute in Vorarlberg, einkriegen! Das geht


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nicht. Es kann nicht sein, dass eine Ihnen nahestehende – oder was auch immer – Jugendorganisation verharmlost, was in Israel geschehen ist, und Israel noch dämonisiert. Ich will aber jetzt gar nicht weiter darauf eingehen. – Es tut mir leid, dass ich heute ein bisschen aushole, aber es muss sein. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Entwicklungszusammenarbeit, Entwicklungshilfe: Ich muss wirklich sagen, ich anerkenne sehr, dass der Außenminister das sofort gestoppt hat; das war nur einen Tag, nachdem Deutschland das auch angekündigt hat. Wir haben nämlich eine ganze Reihe von Entwicklungshilfeprojekten in palästinensischen Gebieten. Die EU hat das zwar am Tag danach auch angekündigt, in der Zwischenzeit aber leider ein bisschen relativiert.

Auch da möchte ich wieder klare Worte sprechen – ich bin auch Sprecher für Entwicklungszusammenarbeit der ÖVP –: Diese Entwicklungshilfeprojekte sind keine unschuldigen Projekte, und das wissen wir seit Jahren. Wir wissen, dass immer ein Teil der Gelder an die Hamas abgezweigt wurde. Wir wissen, dass die UNRWA, die UNO-Organisation für die Hilfe der Palästinenser, überhaupt nicht sicherstellt, dass die Gelder nicht der Hamas zugutekommen. Die UNRWA toleriert, dass hetzerische Schulbücher in den Schulen verwendet werden. So wird eine Generation nach der anderen mit unseren Geldern gegen Israel und gegen Juden aufgehetzt. Wir machen dort Wasserprojekte, und wir wissen – wir haben jetzt Filme gesehen –, dass die die Rohre ausbuddeln, um daraus Raketen zu machen. Wir wissen das seit Jahren.

Jetzt kommt noch die überhaupt größte Perfidie: Wenn man sagt, wir müssen bei denen ja irgendwie schon Hilfe leisten, und so weiter, dann müssen Sie nur eines verstehen: Jeder Euro, den wir dort hinschicken, entlastet die Palästinenser davon, hinsichtlich folgender Dinge etwas zu tun: erstens, Weiter­verbreitung dieser Schulbücher; und zweitens, etwas noch viel Schlim­meres: Es gibt das sogenannte Pay-for-Slay-Programm. Das heißt, Familien von Attentätern – dieser Mörder – bekommen Prämien, bekommen lebenslange Renten von der palästinensischen Behörde. Die Mörder der Familie dieses


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Rabbiners, der hier sitzt (in Richtung Galerie weisend), seiner Frau und seiner Kinder – und er weiß die Namen –, bekommen eine lebenslange Rente, die wir zahlen. Das ist unser Geld, mit denen diese Mörderbanden gezahlt werden. – Wie können wir mit gutem Gewissen auch nur einen Euro dort hin­schicken?

Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas sagen: Gestern wurde die Alarmstufe erhöht, um insbesondere jüdische Einrichtungen zu schützen. Das finde ich natürlich ganz wichtig, aber damit wir schon auch unseren moralischen Kompass noch einmal richtig stellen: Am Abend der Massaker wurden keine muslimischen Geschäfte überfallen oder muslimische Einrichtungen in Brand gesetzt oder so. Es ist doch eigentlich merkwürdig, dass es genau umgekehrt ist. Wieso bedrohen Moslems jüdische Einrichtungen? Was ist da passiert? Jetzt sagen wir: Okay, wir schützen sie!, aber was heißt das? Wo ist unser Kompass? Wie können wir das zulassen, dass da Demonstranten auf die Straße gehen, zuerst einmal diese Morde feiern und jetzt jüdische Einrichtungen bedrohen? Ich versuche einfach nur zu erreichen, dass Sie verstehen, welche Umkehrung da in unserem Wertesystem passiert.

Zum Schluss möchte ich noch etwas sagen und da auch ein sehr offenes Wort aussprechen; es geht um zwei Länder, es geht um Katar und um den Iran.

Erstens einmal: Katar ist der Hauptsponsor der Hamas. Wir nehmen das hin, importieren weiterhin Öl von dort, machen mit denen Geschäfte. Katar hat es möglicherweise in der Hand, so viel Druck auf die Hamas auszuüben, dass sie wenigstens die armen Geiseln, die vielleicht überlebt haben, herausrückt. – Ich glaube, wir sollten diese Dinge in der Zukunft beim Namen nennen: Es ist ein Verbrechen, was die machen. Die Führung der Hamas sitzt geschützt in Katar, in eleganten Hotels, und Katar sponsert mit unserem Geld die Hamas.

Jetzt kommen wir zum Iran – das richte ich an alle Parteien, und ich inkludiere auch meine Parteifreunde von der ÖVP –: Es ist Schluss damit, wir müssen mit dem Lavieren aufhören. Wir müssen klar benennen, worum es da geht. Der Iran wird von einem verbrecherischen Regime beherrscht – wir wissen es –, das die


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eigene Bevölkerung terrorisiert, ermordet, vor nichts zurückschreckt, das den verbrecherischen Krieg der Russen gegen die Ukraine unterstützt; das sind die Hauptunterstützer Russlands. Der Iran steht ganz offen hinter diesen Mörderbanden, daraus macht man auch kein Geheimnis. Der Iran ruft zur Zerstörung Israels auf – seit Jahren, öffentlich – und geniert sich nicht dafür. Wir empfangen den iranischen Botschafter und hören uns an, dass dieser Staat zur Vernichtung Israels aufruft – und verstehen nicht, dass wir damit genauso gemeint sind. Wir müssen doch aus der Geschichte gelernt haben, dass solche Verbrecher, wenn sie etwas sagen, ankündigen, das ernst meinen. Wir müssen aufhören mit dieser Verharmlosung: Sie sagen es zwar, aber sie meinen es gar nicht wirklich!

Ich kann nur eines sagen – und damit möchte ich schließen –: Hören wir mit diesem Lavieren auf, verstehen wir, worum es hier geht! Es geht tatsächlich um unsere westliche Zivilisation, die wir verteidigen müssen. Israel steht da nur an der Vorfront. Realisieren wir das jeden Tag aufs Neue!

Wir werden in den nächsten Wochen vor großen Herausforderungen stehen, weil natürlich irgendwann einmal diese Bodenoffensive beginnen wird. Es wird schreckliche Bilder geben, es wird ein schreckliches Szenario sein, aber wir müssen unseren moralischen Kompass bitte richtig einstellen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

13.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich bitte um Verständnis, dass wir diesmal die Einhaltung der Redezeitbeschränkung nicht eingemahnt haben. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.)

Zu Wort gemeldet ist Reinhold Einwallner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.07.11

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es ist gar nicht so einfach, jetzt einen Anschluss


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zu finden, Kollege Engelberg. Ich möchte nur einen Punkt aufgreifen, weil er mir wichtig ist und auch am Herzen liegt und Sie es in einem Satz erwähnt haben, nämlich die Frage, ob sich die Sozialdemokratie von den Aussagen im Posting der Sozialistischen Jugend Vorarlberg distanziert hat: im gleichen Moment (Abg. Kopf: Ja!), im gleichen Moment, sofort und umgehend. Auf Bundesebene sowie auf Landesebene haben wir uns sofort davon distanziert und auch klargemacht, dass solche Postings in dieser Form keinen Platz in unserer Bewegung haben. Ich bitte, auch das dementsprechend wahrzunehmen. (Abg. Steinacker: ... müssen auch lernen!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte im Unterschied zu Kollegen Engelberg tatsächlich auf das vorliegende Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz, das wir seit 2020 in der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus verankert haben, zu sprechen kommen. Seit 2020 fördern wir die israelitische Religionsge­mein­schaft jährlich mit rund 4 Millionen Euro. Heuer wird diese Summe deutlich höher sein. Zum einen ist das natürlich unter anderem der Inflation geschuldet, auf der anderen Seite beruht es aber auch auf einem Selbstverständnis, nicht nur das jüdische Leben und das Gemeindeleben aufrechtzuerhalten und auszu­bauen, sondern auch einen ganz wichtigen Punkt zu berücksichtigen: die wichtiger werdenden Förderungen für Begegnung.

Ich kann da auch anschließen: Die letzten Tage haben uns durch den Hamas-Angriff auf Israel und seine Bewohner:innen in ganz schmerzlicher Art und Weise gezeigt, dass es ein hemmungsloses Töten von Jüdinnen und Juden gegeben hat; Frauen, Mütter, Kinder, Babys wurden von Hamas-Terroristen getötet, gefoltert, verschleppt. – Ich kann jetzt gar nicht noch näher darauf eingehen, aber es gibt dieses Phänomen, es stimmt, dass man dieses Töten auch ganz offensiv zeigt und ins Netz bringt. Das ist furchtbar und macht natürlich in einem ganz, ganz großen Ausmaß sehr, sehr betroffen.

Wenn wir heute hier im österreichischen Parlament über das Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz sprechen, dann sprechen wir eben nicht nur von unserer sehr spezifischen Verantwortung, die Österreich in dieser Frage hat, sondern


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auch und ganz explizit über den Kampf gegen Judenhass und der damit verbundenen Gewaltbereitschaft, die letztendlich immer gesellschaftszerstörend ist.

Die Eckpunkte dieses Kulturerbegesetzes sind neben der Erhaltung, Pflege und Zugänglichmachung eines zukunftsorientieren Kulturlebens und Kulturerbes auch die Förderung von Bildung, Sporteinrichtungen sowie Projekten für die junge Generation. Damit soll der Geschichtsvergessenheit entgegengetreten werden und auch das Wissen über das Judentum – natürlich in enger Verbun­den­heit mit der österreichischen Geschichte – gefördert werden.

Meine Damen und Herren, mit diesem vorliegenden Gesetzentwurf bringen wir auch Verantwortung zum Ausdruck: Verantwortung in der Gegenwart und in der Zukunft für die Sichtbarkeit und Sicherheit der Jüdinnen und Juden und des Judentums genauso wie für unsere gemeinsame Zukunft. Denn: Nie wieder heißt nie wieder! – In der Vergangenheit, jetzt und in der Zukunft. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

13.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Dr. Susanne Fürst. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.11.58

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Anwesende hier im Saal und sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Wir sprechen bei diesem Tagesordnungspunkt über das Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz, welches 2021 beschlossen wurde, um mit den dafür zur Verfügung gestellten Mitteln dieses bei Gott reiche Erbe zu bewahren, um den Dialog und den gesellschaftlichen Austausch zu fördern.


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Es war vor allen Dingen auf die jüdische Jugend gerichtet, damit man gemeinsam den Blick in die Zukunft richtet. Nun, aufgrund dieses entsetzlichen Anschlags der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel – derzeit werden von israelischer Seite 1 400 Tote angegeben; dafür gibt es im Moment keine Worte, die das angemessen beschreiben oder die trösten können; betroffen sind vor allen Dingen junge Menschen, die ein Musikfestival besucht haben, und nach wie vor befinden sich, ich glaube, man weiß die genaue Anzahl nicht, Geiseln in der Hand dieser Schwerverbrecher; man mag sich nicht vorstellen, wie es ihnen geht, wie sie sich fühlen – sind wir von dem Blick in die Zukunft, den uns dieses Gesetz eigentlich versprochen hätte, brutal in die Gegenwart, in die jüngste Vergangenheit zurückgeworfen worden.

Die Gegenwart sieht seit zehn Tagen, aufgrund des damit natürlich auch verbun­denen Wiederaufkochens des Nahostkonflikts und der jetzt wieder akuten Gefahr für die Existenz Israels in der Region, gefährlich aus. Wir sind natürlich aufgerufen, zu handeln. Was aber kann ein kleines Land wie Österreich tun? – Wir müssen hier in Österreich für Sicherheit sorgen. Herr Abgeordneter Dr. Engelberg, Sie haben völlig recht, dass das natürlich uns alle betrifft. Wir sind für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung, der jüdischen Gemeinde, deren Jugend und natürlich auch für die Sicherheit unserer Jugend – unserer Gesellschaft insgesamt, aller, die wir zusammengehören – zuständig.

Dieses Hochkochen jetzt wieder hat unmittelbare Auswirkungen auf Europa und auf Österreich. Wir müssen über die Ursachen reden und wir müssen darüber reden – bisher sind wir dafür immer angefeindet worden –, dass es eben nicht unproblematisch ist, dass wir Millionen von muslimischen Einwanderern, die unkontrolliert zu uns gekommen sind, hier in Europa haben. Der Großteil davon ist natürlich friedlich, aber wir wissen, es gibt welche, die sich aufhussen lassen, die auch geschickt worden sind, um hier umzurühren. Wir wissen, dass auch ein erheblicher Prozentsatz völlig anders denkt als wir und zum Teil auch die Existenz Israels negiert.


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Wir haben in den letzten Tagen leider bereits über konkrete Beispiele erfahren müssen – zum Beispiel aus Brüssel: Dort gab es einen islamistischen Anschlag auf Fußballfans, es gab zwei Tote, es gab Schwerverletzte. Soweit bekannt, ist der Verdächtige mit einem Flüchtlingsboot über Lampedusa aus Tunesien einge­wandert. Belgien hat für Brüssel nun die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen.

In Frankreich kam es ebenfalls zur Ausrufung der höchsten Terrorwarnstufe. Es gab dort einen tödlichen Messerangriff durch einen bereits bekannten tschetschenischen Gefährder auf einen Lehrer, es gab mehrere Schwerverletzte, es kam zu Räumungen von Schloss Versailles, zu einer Schließung des Louvre aufgrund von Bombendrohungen. Der französische Innenminister spricht davon, dass es in den wenigen Tagen, die seit dem 7. Oktober vergangen sind, Hunderte Drohungen gegen öffentliche Gebäude, gegen jüdische Einrichtungen – ausgesprochen von arabischer Seite, von Muslimen, Arabern, Palästinensern, die in Frankreich leben – gegeben hat.

Zur Bundesrepublik, unserem Nachbarland: Wir wissen, was in Berlin los ist. Dort gibt es einen hohen arabischstämmigen Anteil, dort leben viele Palästinenser; dort gibt es seit Tagen, seit dem Angriff, völlig unverhohlene Freudenfeiern, Freudenkundgebungen, die diesen feiern. Die Polizei, die nichts dafür kann, ist machtlos. Man spricht dann halt hilflos von deeskalie­rendem Vorgehen, wenn man sich zurückzieht. Man hofft, dass nichts – unter Anführungs­zeichen – „Gröberes“ passiert.

Auch in Wien haben wir diese Kundgebungen, auf denen weitgehend ungestört palästinensische Fahnen wehen, wo der palästinensischen Zivilbevölkerung keine Solidarität ausgesprochen wird, sondern wo offen von der Intifada gesprochen wird, davon gebrüllt wird. Das ist eigentlich ein unverhohlener Aufruf zu einem Aufstand gegen Israel, und das vor dem Bundeskanzleramt in der Nähe der Hofburg, vor der Präsidentschaftskanzlei.

Natürlich sind Symbole wichtig, sind Gesten wichtig. Was aber macht unsere Regierung? Was macht EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, was machen


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die deutschen Spitzenpolitiker? – Es werden Fahnen am Bundeskanzleramt und am Außenministerium gehisst, es gibt Erklärungen der vollen Solidarität, es wird gesagt, man stehe auf der Seite Israels, man sei in Gedanken bei den Opfern. Ja, das sind wir, das ist auch selbstverständlich. Den Opfern aber hilft das jetzt nichts. Der Lehrer in Frankreich wäre noch am Leben, die unschuldigen Fußballfans in Brüssel wären noch am Leben, wenn der Fährverkehr zwischen Afrika und Europa eingestellt worden wäre.

Auch die Innenminister – Herr Innenminister Karner hier in Österreich, Innenministerin Faeser in Deutschland – versprechen, jetzt wachsamer zu sein, auf der Hut zu sein – jetzt. Man tut so, als ob man diese Gefahren nie gesehen hätte. Man spricht in Österreich von einem Gefährderszenario im mittleren zweistelligen Bereich, das unter Beobachtung und im Griff sei. Ich bin froh, wenn es so ist, wenn uns das beruhigen kann.

Hoffentlich hat der Verfassungsschutz in Österreich und Deutschland Zeit, um das wirklich ausreichend zu beobachten, denn man hatte ja bisher andere Schwerpunkte: in Deutschland eine etwas ältere Truppe, die gerne wieder wilhelminische Zeiten aufleben lassen wollte und zur höchsten terroristischen Gefahr hochstilisiert wurde; bei uns Jugendliche, die ins extremistische Eck getrieben werden, weil sie genau die Folgen der ungesteuerten islamischen Einwanderung, der Einwanderung aus muslimischen Ländern – auch in Bildern – darstellen. Sie müssen es auch zum Teil ausbaden, weil sie hier gemeinsam in den Schulen sitzen, der Gewalt ausgeliefert sind. Die, die vor diesem ständig wachsenden Anteil an Menschen, die unsere Werte nicht teilen, warnen und auch von Rückführungen sprechen, werden dafür kriminalisiert.

Von Rückführungen sprechen heute – erst heute! – endlich auch – vielleicht jetzt geschlossen – die EU-Innenminister: dass man endlich damit zu beginnen hat, gerade auch Asylwerber aus arabischen Ländern und aus der Dritten Welt, wie auch immer, die sich nicht an unsere Werte halten, die hier straffällig werden, die gefährlich sind, wieder in ihre Länder rückzuführen.


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Vielleicht beginnt es jetzt, dass man sich fragt – und die bisherige Politik hinterfragt –: Was können wir hier in Europa tun, was können wir in Österreich tun? – Wir müssen die Zuwanderung begrenzen, um die Risken zu begrenzen, sodass wir mit unseren Werten – Sie haben es dargestellt, Herr Dr. Engelberg – in der Mehrheit bleiben. Höhere Strafen für die Teilnehmer an Versammlungen – natürlich, Gewaltaufrufe muss man immer verhindern, wir haben das ja auch gesetzlich so geregelt – nützen nichts. Verschärfungen der Meinungsdelikte: das nützt nichts. Ich kann das Denken, das, was sich hier drinnen (sich an den Kopf greifend) abspielt, ja nicht ändern, sondern es geht um Taten, um die Begrenzung der Zuwanderung, und nicht darum, jene ins extremistische Eck zu stellen, die genau davor gewarnt haben. Dazu wären wir eigentlich alle aufgerufen.

Abschließend darf ich noch etwas erwähnen: Am ersten Wochenende nach dem Hamas-Attentat gab es traurigerweise die Empfehlung, dass man doch vom Mitführen der israelischen Flagge bei israelischen Solidaritätskundgebungen absehen sollte: wegen der prekären Sicherheitslage und um hier lebende – ich sage jetzt – Gefährder sozusagen nicht zu provozieren.

Das war sicher ein vernünftiger Ratschlag, damit man da eben nichts provoziert, aber so weit sind wir jetzt: dass man davor warnen muss. Ich darf an Folgendes erinnern – ein kleiner Rückgriff –: Vor zwei Jahren waren bei den zahlreichen Coronademonstrationen mit Hunderttausenden Teilnehmern – bei jeder, bei der ich war – stets israelische Flaggen zu sehen, von jüdischen Mitbürgern, die mit uns mitgegangen sind. Sie marschierten ohne jede Störung und Behelligung stundenlang mit. Das sage ich deswegen, weil die Teilnehmer der Versammlung von der Bundesregierung, auch von der anwesenden Ministerin und auch von Vizekanzler Kogler, als der letzte rechtsextreme, antisemitische Mob hingestellt wurden (Abg. Lukas Hammer: Unfassbar! Das ist eine unfassbare Frechheit!) – und vielleicht auch von jenen, die jetzt „Frechheit“ sagen, genau. Herr Vizekanzler Kogler, Ihr grüner Minister, hat sich da besonders ausgezeichnet.

Man fragt sich aber: Wie geht das zusammen? Vielleicht fragt sich jetzt der eine oder andere, auch gerade auf dieser Seite (in Richtung Grüne weisend), der Herr,


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der sich hier beschwert, wo wirklich die Gefahr für die jüdischen Mitbürger liegt, wer wirklich verstärkt beobachtet gehört und wo wir alle ansetzen müssen (Abg. Lukas Hammer: Setzen Sie bei Ihrer eigenen Partei an!), um unsere Sicherheit, die, wie Herr Dr. Engelberg gemeint hat, uns alle betrifft, nicht zu gefährden. Es ist nicht nur ein Problem für die jüdische Gemeinde – natürlich sind sie exponiert, aber es betrifft uns alle.

Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es eben auch um den erhöhten Schutz für die jüdischen Einrichtungen, daher gehen wir mit, aber es trifft uns alle, unsere gesamte Gesellschaft, auch unsere Jugend, die bei diesem Thema einfach im Stich gelassen wurde, weil man die wahren Probleme und Ursachen nicht sehen und nicht benennen will. Damit sollten wir jetzt anfangen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Eva Blimlinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.23.56

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auch auf der Galerie und selbstverständlich auch vor den Bildschirmen! Es ist ein bisschen bizarr, hier über ein Gesetz zu reden, nämlich über das Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz, in dem auf eine Periode Rückschau gehalten wird, aufgrund derer es in Österreich in etwa 10 000 bis 15 000 Juden und Jüdinnen gibt. Wenn wir das mit vor 1938 vergleichen, sehen wir den Unterschied, der selbstverständlich dem Nationalsozialismus und der Vernichtung geschuldet ist. Ich muss Martin Engelberg da ein wenig wider­sprechen: Ich glaube, es macht keinen Sinn, verbrecherische Regime, verbrecherische Situationen miteinander zu vergleichen, und insbesondere nicht mit dem National­sozialismus. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Strasser.)


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Die Hamas ist – und da gebe ich dir völlig recht, da wirkt der Begriff Terroristen richtiggehend euphemistisch – eine Mörderbande, da gibt es nichts zu ent­schuldigen, gar nichts! Es gilt, alles zu verurteilen, Geld zu entziehen. In Wirklichkeit ist das eine Entwicklung hin zu dieser Radikalisierung, die man – du hast das in deiner Rede sehr schön beschrieben – seit Jahrzehnten, muss man fast sagen, kennt.

Was man auch kennt, ist diese Nichtunterscheidung zwischen Israelis und Juden – ich erinnere an Flugzeugentführungen, an Mogadischu: Da ging es nicht um Israelis, da ging es um Juden. Diese Unterscheidung ist insbesondere von der Hamas auch nie getroffen worden. Aus genau diesem Grund ist es unsere Verpflichtung, diese Unterscheidung in keinster Weise zu treffen, wenn es darum geht, an der Seite von Israel zu stehen, an der Seite der Menschen zu stehen.

Wenn Parolen wie: From the River to the Sea!, gebrüllt werden, sollte das aus­reichen, sich wirklich zu überlegen, Demonstrationen – Sie wissen, uns Grünen ist das Demonstrationsrecht ein heiliges Gut – zu untersagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Es geht da natürlich darum, weiter zu eskalieren, weiter zu polarisieren, und – es ist schon gesagt worden – es geht um erhöhte Terrorgefahr. Und es geht nicht nur um eine erhöhte Terrorgefahr, es geht auch um ganz persönliche Angriffe auf Juden und Jüdinnen – dies nicht nur, aber natürlich in der letzten Woche oder in den letzten Wochen insbesondere von Palästinensern.

Ich möchte noch etwas dazu sagen: Das sind nicht immer Menschen, die islamischen Glauben haben. Palästinenser sind sehr geteilt, was den Glauben betrifft, da gibt es den Islam und auch das Christentum. Da geht es also schon ganz konkret um die Palästinenser und Palästinenserinnen. Es ist uns ein ganz zentrales Anliegen, und ich denke, hierfür ist dieses Gesetz auch ganz wichtig, die Sicherheit zu garantieren – in Klammer: die können wir natürlich nie garantieren, aber es sollen so viele Mittel zur Verfügung gestellt werden, dass es möglich ist, dass israelische und jüdische Einrichtungen – beide! – so


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geschützt sind, dass die Gefahr eines Anschlags, all das in höchstem Maße mini­miert wird. Wir wissen, wir können Anschläge generell nicht verhindern, aber wir müssen alle Maßnahmen treffen, um die Potenziale total zu reduzieren, und wir müssen wirklich alles unternehmen, dass das nicht geschieht.

Ich darf vielleicht Folgendes anregen – Martin Engelberg hat das den „moralischen Kompass“ genannt –: Es gibt seit mehreren Tagen von mehreren Parteien eine Mahnwache am Ballhausplatz. Wenn Sie Zeit haben, gehen Sie vorbei! Nehmen Sie an dieser Mahnwache teil! Schauen Sie wirklich dazu, dass Sie diese Situation auch jenen erklären, die diesbezüglich vielleicht ganz unverständig sind und sich auch auf andere Bereiche beziehen und sagen: Ja, aber Israel! – Dieses: Ja, aber!, darf uns in keiner Sekunde dazu verleiten, die Hamas auch nur einen Millimeter zu verteidigen, ganz im Gegenteil: Es gibt dieses Ja, aber!, nicht! (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Scherak.) Man kann alles kritisieren, aber das: Ja, aber!, gibt es betreffend die Hamas nicht, das ist einfach abzulehnen.

In diesem Sinne hoffe ich, dass es hier bei der Abstimmung doch Einstimmigkeit gibt. Das würde mich persönlich sehr freuen und wäre schon ein kleiner Teil dieses moralischen Kompasses. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Abg. Scherak.)

13.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Dr. Helmut Brandstätter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.29.26

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, selbstverständlich stimmen wir der Erhöhung der finanziellen Zuwendungen für die Israelitische Kultusgemeinde zu, das ist selbstverständlich.


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Es muss uns aber klar sein: Mit Geld allein können wir weder die Jüdinnen und Juden in Österreich schützen, noch gegen Antisemitismus auftreten. Die schrecklichen Terrorangriffe der Hamas haben uns natürlich daran erinnert, was Antisemitismus bedeutet, nämlich die Vernichtung aller Jüdinnen und Juden. Das hatte, wie wir wissen, in unserer Geschichte eine große Bedeutung, das ist ja heute auch schon angesprochen worden. Selbstverständlich müssen wir über den Antisemitismus von rechts sprechen. Ich werde die entsprechenden Gedichte nicht zitieren, aber Sie wissen alle, wovon ich spreche.

Jetzt aber geht es um etwas anderes. Jetzt geht es um das Existenzrecht Israels. Warum das so wichtig ist, hat der Schriftsteller Doron Rabinovici vor Kurzem in einer Diskussion gesagt: Er hat gesagt, seit es Israel gibt, haben alle Jüdinnen und Juden auf der Welt das Selbstbewusstsein, dass sie im Zweifel, wenn sie verfolgt werden, einen Staat haben, wo sie hingehen können. Das hatten sie bis dahin nicht. Deswegen bedeutet der Schutz der Jüdinnen und Juden bei uns auch genau das: das Existenzrecht und die Existenz Israels, dass sie wissen – und ich hoffe, dass wir uns einig sind, dass wir alles dafür tun, dass Jüdinnen und Juden in Österreich in Ruhe leben können, in Europa leben können, aber trotz­dem –, dass sie das Selbstbewusstsein haben: Es gibt noch diesen Staat, wo sie hingehen können. Dafür haben wir um jeden Preis einzustehen.

In diesem Sinn, Martin (in Richtung Abg. Engelberg), ich sage es nicht auf Französisch, aber ich sage es ganz klar: Wir stehen zu Israel um jeden Preis, mit aller Verantwortung, die wir spüren. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich möchte aber auch etwas zu den Demonstrationen sagen. Es ist angesprochen worden: From the River to the Sea! – Das ist ja das, was jene iranischen Politiker auch deutlich sagen: Wir wollen alle Jüdinnen und Juden ins Meer treiben, also ermorden! Es ist ja ganz klar, was das bedeutet. Deswegen sage ich – und ich glaube, das ist auch juristisch nachvollziehbar, Frau Bundesminis­terin –: Wenn jemand hier dazu aufruft, ist das eindeutig ein Verbreiten von


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Hass, das ist Verhetzung, Strafgesetzbuch, und deswegen muss es selbstver­ständlich sein – und ich ersuche Sie dringend, da mit dem Innenminister zu reden –, dass solche Demonstrationen nicht nur nicht genehmigt, sondern natürlich auch aufgelöst werden.

Und ich sage noch etwas dazu: Wenn jemand glaubt, er kann in Österreich leben und gleichzeitig Judenhass verbreiten, dann müssen wir dieser Person sagen: Nein, das ist nicht möglich, da musst du versuchen, woanders unterzukommen!

Zum Schluss: Es ist ziemlich genau fünf Jahre her, dass mein Freund Rudi Gelbard gestorben ist. Er hat das Konzentrationslager Theresienstadt als Jugendlicher überlebt, wollte eigentlich nicht nach Wien zurückkommen, aber seine Eltern waren schwer krank und sind dann doch nach Wien gekom­men. Er hat dann beim „Kurier“ gearbeitet und mich regelmäßig besucht. Ich bin sehr froh darüber. Er hat mir viele dieser Mappen hinterlassen (eine dünne Mappe in die Höhe haltend), mit persönlichen Aufzeichnungen, mit Erinnerungen, mit Reden. Er hat mir auch diese Mappe (die Mappe neuerlich in die Höhe haltend) hinterlassen. Er hat draufgeschrieben, das ist sein Lieblingsgedicht von Bert Brecht. Es heißt „An die Nachgeborenen“. Er hat mich gebeten, dass es bei seinem Begräbnis an seinem Grab verlesen wird.

Ich kann das ganze Gedicht jetzt nicht vorlesen – Sie können das ja leicht im Internet finden –, einen Satz möchte ich aber schon vorlesen, weil er uns zeigt: „Wir leben in finsteren Zeiten!“, wie Brecht geschrieben hat. Ich lese das noch ganz kurz vor:

„Ich wäre gerne auch weise. / In den alten Büchern steht, was weise ist: / Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit / Ohne Furcht verbringen. / Auch ohne Gewalt auskommen, / Böses mit Gutem vergelten. / Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen, / Gilt für weise. / Alles das kann ich nicht: / Wir leben in finsteren Zeiten!“


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Und trotzdem hat mir Rudi Gelbard – und ich durfte mit Georg Markus das letzte Interview mit ihm führen – damals gesagt, er möchte dabei bleiben, auch Böses mit Gutem zu vergelten. Wir sehen gerade, dass das nicht möglich ist, wenn wir sagen – und ich sage es noch einmal –, dass für uns das Existenzrecht Israels selbstverständlich ist und deswegen natürlich auch die Selbstverteidigung Israels selbstverständlich ist.

Dass wir dieses „Wir leben in finsteren Zeiten!“ heutzutage sagen müssen, stimmt mich nachdenklich, traurig, aber wir müssen es trotzdem sagen – sagen, was ist. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

13.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler. – Bitte, Frau Bundesministerin.


13.34.27

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer hier auf der Galerie, aber auch vor den technischen Geräten! Hohes Haus! Ich stehe heute vor Ihnen mit gemischten Gefühlen und mit einem schweren Herzen. Einerseits freue ich mich natürlich, dass die Reform des ÖJKG hier behandelt wird und, wie ich höre, auch ein einstimmiger Beschluss gefasst werden wird, andererseits sehen wir, dass genau diese Erhöhung der finanziellen Unterstützung der Israelitischen Religions­gesellschaft so unglaublich notwendig ist, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse in Israel.

Seit knapp zwei Wochen ist Israel diesen barbarischen Angriffen durch eine terroristische Organisation, die Hamas, ausgesetzt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will keinen Vergleich ziehen, aber ich möchte hier zum Ausdruck bringen, dass das wohl ein Tiefpunkt in der Geschichte des jüdischen Volkes ist.


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Terroristen der Hamas sind, wie wir leider gesehen und gehört haben, in jüdische Siedlungen und Häuser eingedrungen. Sie haben kaltblütig Tausende von Menschen verschleppt, vergewaltigt, gefoltert und Hunderte von ihnen auf brutalste Art und Weise getötet – Männer, Frauen, Kinder, ja sogar Babys. Es gibt keine Rechtfertigung für derartige Verbrechen und keine Begrün­dung. Es gibt keine Erklärung und kein Verständnis dafür. Solche Taten sind die Manifestation des Bösen. Sie sind unmenschlich, sie sind Gräuel, und die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

Das Schicksal von Rabbi Leo Dee, der hier auf der Galerie Platz genommen hatte, ist nur eines von vielen. Auch so viele Menschen, die hier in Österreich leben, sind betroffen, weil Freunde, Verwandte, Bekannte vermisst werden oder getötet worden sind. Unsere Herzen und unsere Gedanken sind bei den Familien und deren Angehörigen. Ich möchte an dieser Stelle auch dem israelischen Volk und jeder und jedem Einzelnen, die oder der diesen Schmerz und dieses Leid ertragen muss, mein tiefstes Beileid zum Ausdruck bringen. Der israelische Außen­minister Cohen hat es in einer Nachricht an mich so ausgedrückt: We are heartbroken.

Wichtig ist es daher, zu betonen, dass die österreichische Bundesregierung fest an der Seite Israels steht und selbstverständlich auch zu dem Recht Israels, sich gegen diese beispiellose Aggression verteidigen zu dürfen, entlang des geltenden Völkerrechtes. Israel ist eine Demokratie, Israel ist ein Rechtsstaat, Israel ist die einzige Demokratie in dieser Region und unser Partner.

Auf der anderen Seite stehen Terroristen einer verbotenen Terrororganisation. Ich kann Abgeordnetem Engelberg nur zustimmen, wenn er die Frage aufwirft: Wem glauben wir mehr? – Ich glaube an die Demokratie und den Rechtsstaat Israel.

Ich möchte auch an dieser Stelle darauf hinweisen, dass gerade jetzt Desinformation und Fakenews Hochsaison haben. Seien Sie alle vorsichtig bei


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dem, was Sie in den sozialen Medien sehen, lesen und mitbekommen! Prüfen Sie die Quelle und ziehen Sie nicht voreilig Ihre Schlüsse!

Wenn man so will, dann ist gerade diese Situation jetzt eine, die ausgenützt wird, in der im gelindesten Fall im Netz Stimmung gemacht wird, aber leider an den meisten Stellen einfach knallhart Hetze betrieben wird.

Die internationale Staatengemeinschaft ist aufgerufen, sich für die Befreiung aller Geiseln einzusetzen und für den Schutz der Zivilbevölkerung einzutreten, für den Schutz – ich betone das an dieser Stelle – jedweder Zivilbevölkerung: der palästinensischen genauso wie der israelischen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

Der Verlust von Menschenleben und auch das Mit-Füßen-Treten von Menschenrechten ist immer eine Tragödie. Wenn Zivilistinnen und Zivilisten zu Tode kommen, auf so barbarische Art und Weise getötet werden, dann ist es auch unsere Aufgabe, die humanitäre Hilfe aufrechtzuerhalten.

Es ist eine Tragödie, die sich derzeit nicht weit weg von uns abspielt, die dieser Novelle Bedeutung gibt und diese Bedeutung noch mehr vor Augen führt.

Das ÖJKG ist ein internationales Vorzeigeinstrument, um den Schutz und die Förderung jüdischen Lebens besonders aufrechterhalten zu können, und es ist auch ein klares Bekenntnis zur Förderung jüdischen Lebens und zum Kampf gegen den Antisemitismus.

Im Jahr 2021 wurde dieses Gesetz in diesem Haus hier einstimmig beschlossen. Auch das zeigt, wie stark Österreich dafür eintritt, gegen Antisemitismus jedweder Art vorzugehen. Ich freue mich wie gesagt, dass es heute auch wieder einen einstimmigen Beschluss geben sollte, wie ich den Redebeiträgen entnommen habe.

Ganz kurz noch zu den Fakten: Wir verdoppeln den Betrag von 4 Millionen Euro für die Unterstützung der jüdischen Community nahezu, wir erhöhen ihn


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nämlich auf 7 Millionen Euro jährlich, um ein pulsierendes und florierendes Zentrum jüdischen Lebens in Europa weiter sicherstellen zu können. Ziel ist die Förderung und Sicherstellung eines sicheren und selbstbestimmten Lebens von Jüdinnen und Juden in Österreich, aber auch ein breiter Zugang der Bevöl­kerung zu diesem jüdischen kulturellen Erbe.

Die rechtlich abgesicherte Zuwendung soll den jüdischen Gemeinden unmittelbar zuteilwerden, und natürlich wissen wir jetzt – spätestens seit den Ereignissen vom 7. Oktober –, dass der allergrößte Teil dieses Geldes für die Aufrechterhaltung der Sicherheit verwendet werden muss.

Ich hoffe, dass sich diese Sicherheitssituation irgendwann wieder dahin gehend entspannt, dass wir dieses Geld dann verwenden können, um klar aufzuzeigen, wie wichtig jüdisches Leben ist, um auch den interreligiösen Dialog zu fördern und insbesondere die Jugend miteinander in Kontakt zu bringen.

Wie gesagt, ich danke Ihnen für die Unterstützung dieses Gesetzentwurfs und sehe der Abstimmung mit Freude entgegen. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Michaela Steinacker. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.42.01

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren hier im Hohen Haus! Besonders begrüße ich die Besuchergruppe aus Reichenfels im Lavanttal, aber auch die sehr geehrten Damen und Herren vor den Bildschirmen zu Hause, die diese, denke ich, sehr, sehr wichtige Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt hier jetzt verfolgen! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeord­neten von SPÖ, FPÖ und Grünen.)


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Meine Damen und Herren! Anfang des Jahres haben wir noch mit Freude den 75. Jahrestag der Gründung des Staates Israel gefeiert. Seit zwei Wochen sprechen wir darüber: Gibt es Israel? In welcher Form? Wie groß ist die Bedro­hungslage? Was hat der Angriff der Terrororganisation Hamas mit Israel und den Menschen gemacht? Wo stehen wir insgesamt mit der Situation im Nahen Osten?

Martin Engelberg, ich habe unglaublichen Respekt vor deiner Rede. Danke für deine Ausführungen und für die Gedanken, die du mit uns geteilt hast. Du hast die Dinge beim Namen genannt. Ich glaube, wir stehen bei all dem, was du gesagt hast, solidarisch und mutig an deiner Seite, denn es gilt, jetzt zu bekennen, und es gilt nicht, sich wegzuducken und umzudrehen. Die Frage, ob man eine Fahne, einen Button trägt, die mag schon wichtig sein, aber ich glaube, wir müssen alle miteinander Handlungen setzen, die helfen, Israel, die Jüdinnen und Juden zu schützen, denn für sie ist dieses Jahr 2023 ein Schick­salsjahr. Es ist ein Schicksalsjahr, in dem es um ganz viel geht.

Den Gedanken aus deiner Rede möchte ich bitte einfach noch einmal aufnehmen: Wir in Österreich sind Israel aus Staatsräson verpflichtet. Es geht um Freiheit, um Demokratie, um Rechtsstaatlichkeit im Nahen Osten und es geht um die Verteidigung der westlichen Zivilisation; diese Punkte und Gedanken vor dem Hintergrund, dass wir diese grauenhaften Bilder vor Augen haben und wissen, es müssen dort Menschen geschützt werden, es kämpfen dort Menschen gegeneinander.

Junge Menschen werden eingezogen, die für uns dort unsere Werte verteidigen. Ich weiß, wie betroffen es dich macht. Du stehst für uns einfach stellvertretend für so viele. Deswegen sind wir dankbar dafür, dass es dich in unseren Reihen gibt, und wir sind dankbar für deine Geradlinigkeit und für dein permanentes Einstehen.

Wir durften gestern mit der Freundschaftsgruppe Österreich-Israel hier im Parlament einen Gedankenaustausch mit dem Gesandten Gerold Vollmer aus


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dem Außenministerium haben. Auch das ist wichtig, es ist wichtig für alle Schritte, die wir in den nächsten Tagen und Wochen mit einem ganz klaren Bekenntnis machen müssen, denn das jüdische Leben hier in Österreich – und darum geht es ja in diesem Gesetz, das wir heute beschließen werden, es hilft ja, diesen Schutz zu mehren – ist Teil unserer Kultur.

Wir müssen dankbar dafür sein, dass diese Kultur in Österreich stattfindet, dass diese Kultur erhalten wird. Es sind wunderbare Menschen, die diese Kultur pflegen. Sie vertrauen auf unser Land, auf die Sicherheit hier im Land, auf die Institutionen, auf die Gesellschaft in Österreich, die sich auch solidarisieren muss. Deswegen müssen wir zu diesen Demonstrationen Stellung beziehen und – den Gedanken von Eva Blimlinger folgend – schauen, inwieweit man sie zulassen kann oder nicht.

Ich bin dankbar dafür, dass wir uns einstimmig dafür entschieden haben, mehr Geld zu geben, aber noch dankbarer bin ich für die Solidarität, die heute hier in diesem Hohen Haus herrscht: mit den Menschen, mit den Jüdinnen und Juden, mit Israel und mit allen, die den Terrorangriff zutiefst verurteilen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

13.46 13.46.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2206 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung ange­nommen.

13.46.555. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (2197 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundes-Ehrenzeichen sowie das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst (Ehrenzeichengesetz – EhrenzeichenG) erlassen wird und das Militärauszeichnungsgesetz 2002 geändert wird, sowie über den

Antrag 76/A und Zu 76/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 2. April 1952 über die Schaffung von Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen (Bundes-Ehrenzeichengesetz) sowie das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissen­schaft und Kunst geändert werden (Ehrenzeichenrechtsänderungsgesetz) (2222 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Susanne Fürst. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.47.41

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen bei diesem Tagesordnungspunkt über


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das Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen sowie über das Bundesgesetz, mit dem österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen werden.

Diese Gesetze stammen aus der Nachkriegszeit. Sie sehen keine oder nur ganz allgemein gehaltene Bestimmungen über die Aberkennung dieser Ehrenzeichen vor, insbesondere gibt es keine Möglichkeit einer posthumen Aberkennung und auch nicht die Möglichkeit, sich von diesen Ehrenzeichen­trägern zu distanzieren. Genau das nehmen die Regierungsparteien und – ich nehme an – auch SPÖ und NEOS zum Anlass, dieses Gesetz heute hier zu beschließen, womit solche Aberkennungen möglich werden.

Ich darf Ihnen erklären, warum wir dagegenstimmen werden, denn natürlich gibt es Personen, eine erkleckliche Zahl von Personen, bei denen man es aus heutiger Sicht und mit dem heutigen Wissen nicht verstehen kann, wieso sie einmal mit Orden, mit Ehrenzeichen behängt wurden.

Die Aberkennung und insbesondere auch die posthume Aberkennung ist aber unserer Meinung nicht der richtige Weg, denn zum einen ist es der morali­sierende Weg mit dem Zeigefinger. Man sagt aus der Sicherheit der Gegenwart heraus, mit dem Wissen der nachfolgenden Generation sozusagen, vom Wohnzimmersofa aus: Das hättet ihr nicht tun dürfen!

Wir stellen uns aber grundsätzlich gegen diese Tendenz der Demontage der eigenen Geschichte, der ständigen Distanzierung, gegen dieses ständige Straßen­umbenennen. Da werden Heerscharen von sonst arbeitslosen oder zumindest schwer vermittelbaren Akademikern – aus dem grünen Sektor vor allen Dingen – beschäftigt. Wir stellen uns gegen dieses Denkmälerdemontieren und auch gegen die Aberkennung der Ehrenzeichen, weil es reine Symbolpolitik ist. (Beifall bei der FPÖ.)


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Aus unserer Sicht muss man die Geschichte als nachfolgende Generation objektiv und sachlich aufarbeiten, natürlich auch die negativen Kapitel inklusive der in dieser Zeit verliehenen Verdienstkreuze und Orden, denn diese sind ja nicht mehr und nicht weniger als ein Ausfluss und ein Phänomen dieser tristen Perioden, und so muss man sie verstehen und einordnen. Das gehört zusammen.

Diese Position, die ich auch im Verfassungsausschuss geäußert habe, hat mir jetzt von Herrn Kollegen Gerstl von der ÖVP den Vorwurf eingetragen, ich sei das revisionistische Gesicht der Freiheitlichen Partei – was ich zugegebe­nermaßen trotz ernstem Hintergrund lustig finde, denn das Gegenteil ist der Fall: Wir akzeptieren eben die historische Tatsache der Verleihung dieser Ehrenzeichen an Personen im Konnex mit diesen historisch negativen Kapiteln. Auch Verbrechern wurden Ehrenzeichen verliehen, das ist richtig. Revisionistisch aber ist das, was heute beschlossen wird, denn man möchte einfach die Verleihungen neu bewerten, ungeschehen machen, revidie­ren – eine Wortfamilie: revidieren, revisionistisch. Daher: Auch der korrekte Gebrauch von sprachlichen Begriffen, Herr Abgeordneter, will gelernt sein. Es ist auch nicht pure Geschichtsvergessenheit, sondern eben das Gegen­teil.

Auch Frau Ministerin Edtstadler meinte im Ausschuss, das Mindeste, das wir tun müssen, sei, uns zu distanzieren und reinen Tisch zu machen. – Geschichte ist Geschichte, wir können es nicht ungeschehen machen, wir können keinen reinen Tisch machen. Was wir machen können, ist, dafür zu sorgen, dass man gerade auch die Jugendlichen in den Schulen und Universitäten ausbildet, dass wir Bildung haben, dass wir Wissen haben, dass wir sachliches Wissen haben. Das lässt uns die richtigen Lehren aus der Geschichte ziehen – und nicht die Aberkennung von Ehrenzeichen; diese ist nur Symbol. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil auch ausdrücklich – auch in der Presseaussendung von Abgeordnetem Gerstl – die Rede davon war, dass wir sozusagen dagegen seien, dass man auch Kinderschändern Ehrenzeichen aberkennen kann, möchte ich dazu schon


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sagen: Also wenn das ein reiner Tisch sein soll, dass man Kinderschändern dann, womöglich auch posthum, Ehrenzeichen aberkennt: Davon haben die Opfer nichts. Und gerade auch jetzt im aktuellen Kontext, denke ich, darf sich nicht die posthume Aberkennung sozusagen profilieren, sondern da müssen wir uns jetzt profilieren: mit einem Strafrecht, mit einem Hinschauen und indem wir damit aufhören, eine falsche Solidarität zu leben.

Also immer beachten: Was ist Symbol und was nicht? Und Wissen ist auf jeden Fall besser als bloße Symbolpolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

13.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Wolfgang Gerstl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.52.53

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Frau Kollegin Fürst, da Sie jetzt denselben Satz, den Sie auch in der vorigen Debatte gesagt haben – nämlich: „Davon haben die Opfer nichts“ –, wiederholt haben, muss ich Ihnen entgegnen: Es tut mir leid, aber da unterscheiden wir uns zur Gänze.

Wenn Sie sagen, dass Opfer, wenn man ihrer gedenkt, nichts davon haben – was auch dazu führt, dass Ihr Parteiobmann gestern bei der Gedenkminute nicht dabei war (Abg. Herbert: Was ist das jetzt wieder für eine ...?) –, dann zeigen Sie, Frau Kollegin Fürst, und Ihre gesamte Fraktion eine menschenverachtende Haltung. Der Opfer zu gedenken ist menschliche, christliche Schuld und Verant­wortung. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Herr und Blimlinger. – Abg. Loacker: Dieses Argument kannst du in der Kirche bringen!)

Meine Damen und Herren, bevor ich jetzt noch näher in die Ausführungen zu diesem Tagesordnungspunkt einsteige, möchte ich mit einem Dank und vor allem einer Wertschätzung beginnen: Zuerst möchte ich mich bei Herrn Prof. Weniger bedanken, der heute leider nicht hier sein kann, aber vor dem TV-Schirm sitzt


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und der sich so dafür eingesetzt hat, dass wir es endlich umsetzen können, Ehrenzeichen abzuerkennen, wenn die Täter diese nicht verdient haben und auch – und das sage ich im Zusammenhang mit diesem Gesetz – wenn solche Menschen sie nie verliehen bekommen würden, wenn sie eben noch nicht gestorben wären. Das stellen wir mit diesem Gesetz klar.

Mein zweiter Dank gilt der Partei der NEOS, denn deren Abgeordnete haben diesen Antrag als Erste eingebracht. Und mein dritter Dank gilt der Frau Bundesministerin und der Präsidentschaftskanzlei und ihren Bediensteten, die intensiv um den Text dieser Vorlage gerungen haben, sodass wir sie heute beschließen können: die Vorlage für ein Gesetz, das es möglich macht, schweren Straftätern, Nazis und – wie Sie, Frau Kollegin Fürst, auch gesagt haben – Kinderschändern Ehrenzeichen abzuerkennen.

Ich möchte ganz klar sagen, auch im Hinblick auf den vorigen Tagesordnungs­punkt: Es ist unsere kompromisslose Pflicht, uns unserer Geschichte zu stellen und Ehrungen an Mitwirkende der NS-Diktatur abzuerkennen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Der Anlassfall war Hans Globke – dies sei nur auch festgehalten, um für die Zuseherinnen und Zuseher den Konnex zu bringen, den Frau Kollegin Fürst hier so sehr zu verneinen versucht hat. Hans Globke war ein Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze. Hans Globke hat das J, das in die Pässe der Juden eingeprägt wurde, konzipiert. Hans Globke ist lange nicht als einer, der dem NS-Regime gedient hat, erkannt worden. Hans Globke hat einem späteren deutschen Bundeskanzler gedient und war Teil einer Delegation, als eine österreichische Delegation den damaligen Bundeskanzler Adenauer besucht hat. Damals war es üblich, dass Mitglieder der Delegation, die man besucht, Ehrenzeichen der Republik Österreich bekommen, und ein solches Ehrenzeichen hat Hans Globke damals bekommen, als noch niemand wusste – das war im Jahr 1956 –, dass er ein Mittäter der NS-Diktatur war. Er erhielt das Große goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich. Er


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wurde danach für seine Taten verurteilt, wurde sogar zu lebenslanger Haft verurteilt.

Daher, Frau Kollegin Fürst: Sie haben im Verfassungsausschuss gesagt, Sie stellen sich gegen die „Demontage der eigenen Geschichte“. Es habe einmal einen Zeitpunkt gegeben, wo die Verleihung eines Ehrenzeichens als richtig angesehen wurde. – Das waren Ihre Worte, aber es ist genau das, Frau Abgeordnete Fürst: Es ist das Negieren, das Nichtwissenwollen und das Weg­ducken. Es ist genau das, was zwischen Ihnen und einem verantwortungs­­vollen Umgang mit unserer Geschichte steht.

Wenn Sie noch in Ihre eigene Geschichte geschaut hätten, Frau Kollegin Fürst, dann wüssten Sie: Im Jahr 2001 haben wir hier schon ein Gesetz verändert – damals waren weder Sie noch ich hier im Nationalrat, aber trotzdem war es ein wichtiger Punkt –, wir haben Heinrich Gross das Ehrenkreuz aberkannt. Heinrich Gross war jener Arzt am Steinhof, der die Kinder am Spiegelgrund zu Tode gebracht hat. Damals haben Sie es noch als richtig empfunden, dass wir das damalige Ehrenzeichengesetz entsprechend abändern, damit ihm diese Auszeich­nung aberkannt wird. Wenn Sie sich an damals erinnern könnten, dann würden Sie heute auch zustimmen.

Meine Damen und Herren, Ernst Hauschka hat gesagt: „Die Ungerechtigkeit der Geschichte besteht darin, dass wir die gleichen Augen und Ohren haben wie unsere Vorfahren, obwohl wir weit mehr hören und sehen als sie.“ – Dieses Mehr-Hören-als-damals, Frau Kollegin Fürst, würde ich Ihnen sehr empfeh­len.

Liebe, geschätzte jüdische Gemeinde! Es ist beschämend, dass wir den heutigen Beschluss nicht einstimmig fassen können. Trotzdem schaffen wir ihn. Ich sage Ihnen: Wir gehen den Weg kompromisslos. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.59



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Muna Duzdar. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.59.44

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Abgeordnete! Ich möchte gleich eingangs schon eine Bemerkung in Richtung FPÖ machen: Ich finde es ganz ehrlich gesagt bezeichnend und entlarvend für Ihre Partei, dass Sie heute gegen diese Änderung des Ehrenzeichengesetzes stimmen. Wenn Sie, Frau Kollegin Fürst, von der „Demontage der eigenen Geschichte“ sprechen, möchte ich Ihnen schon eines sagen: Verbrechern und Nazis Ehrenzeichen abzuerkennen ist keine Demontage der Geschichte, es ist das Übernehmen von Verantwortung für die Geschichte! (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte auch in Richtung des Herrn Kollegen Gerstl einen Satz sagen: Sie haben gesagt – ich habe es zumindest so verstanden –, dass man quasi nicht wusste, dass Herr Globke Nazi war. – Jeder hat gewusst, dass Herr Globke Nazi war. Das ist nämlich die große Schande gewesen: dass er dieses Ehrenzeichen bekommen hat, obwohl es jeder gewusst hat!

Werte Kollegen und Kolleginnen, wir beschließen heute den Entwurf eines neues Ehrenzeichengesetzes, das in Wirklichkeit zum ersten Mal in der Zweiten Republik die Möglichkeit schafft, Ehrenzeichen auch posthum abzuerkennen. Es gab in Österreich schon sehr viele Ehrenzeichengesetze, nun wird die Mög­lichkeit geschaffen, diese zu vereinheitlichen.

Ich möchte an dieser Stelle auch ein Dankeschön an die Abgeordneten Jörg Leichtfried und Stephanie Krisper aussprechen, die wirklich sehr engagiert dahinter waren, diese Problematik zu thematisieren, wodurch es heute möglich ist, diesen Gesetzentwurf so zu beschließen. – Vielen herzlichen Dank!

Warum ist diese Änderung so wichtig, werte Abgeordnete? – Mit einem Ehrenzeichen sind Wertvorstellungen verbunden, Wertvorstellungen der


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Republik werden zum Ausdruck gebracht. Der Öffentlichkeit werden dadurch ja Vorbilder präsentiert, es werden Menschen präsentiert, die sich durch ihr Lebenswerk besonders hervorgetan haben.

Kollege Gerstl hat schon den Anlassfall Hans Globke genannt, der bereits in der Weimarer Republik federführend an einer antijüdischen Änderung des Namensrechts beteiligt war, und letztlich hat diese Namensrechtsänderung den Weg für die nationalsozialistische Rassengesetzgebung geebnet. Globke war Mitverfasser der Nürnberger Rassengesetze und verantwortlicher Ministerial­beamter für die Namensänderungsverordnung von 1938, durch die Juden und Jüdinnen als solche erkennbar gemacht, weiter stigmatisiert und unterdrückt wurden. (Abg. Hafenecker: Denken Sie an Dr. Gross!)

Dass dieser Mann seine Karriere weiterführen konnte und in den Fünfziger­jahren sogar zum Staatssekretär und Chef des Bundeskanzleramtes in Deutschland aufstieg, ist eine Schande – ich habe es schon erwähnt, jeder hat gewusst, dass er ein Nazi war! –, und in dieser Funktion erhielt Globke eben auch 1956 das Große goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich.

Werte Abgeordnete, es ist längst an der Zeit, diese skandalöse Ehrenzeichen­vergabe in Österreich aufzuarbeiten! Wir können zwar die Vergangenheit nicht ändern, aber wir können uns ihr stellen und die entsprechenden Konsequenzen ziehen, wie etwa die posthume Aberkennung von Ehrenzeichen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

14.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag.a Eva Blimlinger. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



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14.03.38

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Was wäre Österreich ohne Ehrenzeichen und Orden? Mit dem Ende der Monarchie hat es keine Orden mehr gegeben, und in der Ersten Republik auch keine Ehrenzeichen; in den Ländern wurden die Orden beibehalten. Nach 1945 war klar, dass man irgendetwas braucht, und wenn wir schon keine Orden haben, dann Ehrenzeichen, denn was wäre der Opernball ohne Pletschen, wie das landläufig heißt?

Ich will das überhaupt nicht herabwürdigen, aber ich will schon sagen, dass der Rahmen der Ehrenzeichen – beziehungsweise vor 1918 der Orden – natürlich auch mit dem sehr starken Begehren des Österreichers, der Österreicherin zusammenhängt, ausgezeichnet zu werden. Das ist auch richtig so, wenn man für etwas ausgezeichnet wird, das dieser Republik nach 1945 dienlich war. Es ist aber natürlich schon eine sehr österreichische Tradition.

Ich nerve immer meine Kollegen und Kolleginnen, wenn sie von Orden sprechen und ich darauf sage: Orden gibt es nicht, nur Ehrenzeichen. Es ist eine Würdi­gung, diese ist auch richtig, es geht darum, Menschen für das, was sie getan haben, auszuzeichnen. Sie erhalten für ihr Lebenswerk je nachdem das Silberne Ehrenzeichen, das Goldene Ehrenzeichen oder, wir haben da ja eine Fülle, das Ehrenkreuz. Verliehen werden diese durch den Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung – wir haben das jetzt dahin gehend erweitert, dass das auch auf Vorschlag der Parlamentspräsidenten, Parlamentspräsidentinnen erfolgen kann.

Es geht also darum, und das ist mir in diesem Zusammenhang schon sehr wichtig, diese österreichische Dimension der Orden und Ehrenzeichen zu thematisieren. Mein Dank gilt auch den NEOS dafür, dass sie vor allen Dingen da drangeblieben sind.


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Die Diskussionen gibt es ja eben schon seit Heinrich Gross, und es war letztlich der Ministerrat, der ihm die Auszeichnung aberkannt hat. Meine Vorrednerin Duzdar hat es schon gesagt: Natürlich wusste 1956 jeder, was Globke gemacht hatte, nur war es egal – man hat die Menschen einfach ausgezeichnet, ob sie Nazis gewesen waren oder nicht, das war egal! Natürlich wusste man auch von Gross, was er gemacht hatte, das ist ja nicht etwas, das neu war.

Genau in diesem Sinne muss man sich mit der Historie beschäftigen und dann natürlich aberkennen. Dass Frau Kollegin Fürst das anders sieht, ist, fürchte ich, leider klar, es stimmt mich aber schon etwas bedenklich, weil da der moralische Kompass, von dem auch Martin Engelberg gesprochen hat, offen­sichtlich überhaupt nicht mehr funktioniert, dieser in keine Richtung mehr zeigt und schon gar nicht in die richtige. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

In Zukunft können Ehrenzeichen also aberkannt werden – noch lieber wäre mir, wenn diese überhaupt nur mehr an Menschen verliehen würden, denen sie nicht aberkannt werden müssen. Sie wissen jedoch, im Verlauf eines Lebens kann alles Mögliche passieren und eben auch dazu führen, dass ein Ehrenzeichen aber­kannt wird.

Statt zu sagen: Im Übrigen bin ich der Meinung!, habe ich heute eine Anregung. Einer meiner liebsten Orden ist der Militär-Maria-Theresien-Orden, der an Offiziere verliehen wurde, die gegen einen Befehl gehandelt hatten. War man erfolgreich, bekam man den Orden – war man nicht erfolgreich, wurde man erschossen. Also: Ich bin der Meinung, man muss einen Militär-Maria-Theresien-Orden als Ehrenzeichen wieder einführen. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Hafenecker: Fordert ihr jetzt Erschießungen oder wie?)

14.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Dr. Nikolaus Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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14.07.36

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich bin ja im Gegensatz zu Frau Kollegin Blimlinger eher der Meinung, dass man mit Ehrenzeichen ruhig noch ein bisschen zurückhaltender umgehen kann. Ich glaube, das ist eine typisch öster­reichische Herangehensweise, man kann auch Dinge leisten, ohne danach entsprechend mit einem Ehrenzeichen ausgezeichnet zu werden.

Was ich in diesem Zusammenhang positiv sehe, ist, dass wir es geschafft haben – und das ist ein eher seltener Fall im Hohen Haus –, einen sehr positiven parlamentarischen und auch vorparlamentarischen Prozess unter Einbindung der Zivilgesellschaft zu gestalten. Kollege Gerstl hat es schon angesprochen: Namentlich kam die Idee von Prof. Weniger, der uns darauf aufmerksam gemacht hat, dass Hans Globke ein Ehrenzeichen der Republik Österreich trägt. Prof. Weniger hat gesagt, dass er das unerträglich findet, weil jemand, der die Nürnberger Rassengesetze im Wesentlichen mitverfasst hat, eine solche Auszeichnung nicht haben sollte.

Prof. Weniger ist auf uns zugekommen – namentlich auf Frau Kollegin Krisper, die dieses Anliegen hier im Parlament eingebracht hat –, und am Schluss haben wir es jetzt geschafft, dass wir gemeinsam eine Gesetzesänderung beschließen. Diese schafft die Möglichkeit, dass man zukünftig Menschen, die von einem österreichischen Gericht aufgrund bestimmter Straftaten verurteilt wurden, Menschen, die im Nationalsozialismus eine wesentliche Rolle spielten – dementsprechend keine positive Rolle –, ein Ehrenzeichen aberkennt. Sie hätten es nämlich wahrscheinlich zum Zeitpunkt der Verleihung auch nicht verdient gehabt.

Ich glaube, dass es positiv ist, wie wir das hier gemacht haben, denn man muss ja auch ganz ehrlich sagen und sehen, dass man im parlamentarischen Prozess auf Dinge draufkommt, die man noch besser gestalten kann. So war im Antrag, den


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wir NEOS ursprünglich eingebracht hatten, die Rede davon, dass es grund­sätzlich möglich sein soll, Ehrenzeichen abzuerkennen. Im parlamentarischen Prozess und auch in Gesprächen mit der Frau Bundesministerin ist man draufgekommen, dass man da natürlich aufpassen muss und die Aberkennung auf bestimmte Straftatbestände eingrenzen sollte.

Später in den Ausschussberatungen haben wir noch eingebracht, dass es aus unserer Sicht sinnvoll ist, nicht nur Verurteilungen durch ausländische Gerichte, sondern auch Verurteilungen durch internationale Gerichte einzube­ziehen. Das wurde berücksichtigt. Ich glaube daher, dass das ein sehr guter Gesetzentwurf ist, den wir jetzt beschließen.

Ich sehe es im Übrigen ganz anders, als ich es vorhin von Frau Kollegin Fürst gehört habe, dass man dadurch die Geschichte negieren oder sich da verstecken würde. Ganz im Gegenteil! Es ist eine bewusste Auseinandersetzung mit unserer Geschichte, dass man sagt: Nein, wir sind jetzt nicht mehr der Meinung, dass jemand, der damals ein Ehrenzeichen bekommen hat, das jetzt auch weiterhin haben soll, auch, wenn das posthum ist.

Ich glaube und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ein Mensch, der die der Nürnberger Rassengesetze mitverfasst hat, kein Ehrenzeichen der Republik haben soll. Diese Möglichkeit schaffen wir jetzt. Dementsprechend bin ich froh, dass wir das hier heute beschließen werden. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen.)

14.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme gelangt nun Frau Bundesministerin Mag.a Karoline Edtstadler zu Wort. – Bitte, Frau Bundes­ministerin.



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14.10.37

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abge­ordneten! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie, aber auch vor den technischen Endgeräten! Hohes Haus! Mit der heutigen Behandlung hier im Nationalrat und der anschließenden Beschlussfassung setzen Sie einen der letzten Schritte, die in diesem Gesetzwerdungsprozess für das Ehrenzeichengesetz notwendig sind.

Ja, es war ein langer Weg. Er zeigt aber gleichzeitig auf, wie lebendig unsere Demokratie ist. Es ist angesprochen worden: Professor Weniger hat es aufgebracht. Er war damals Mitglied der Chefredaktion der „Kleinen Zeitung“, der Prozess ist von Journalisten begleitet worden. Die NEOS haben den Antrag eingebracht, gemeinsam haben wir es doch in einem Kraftakt, weil auch viele Schwierigkeiten zu bewältigen waren, bis hierher geschafft, und ich bin sehr zuversichtlich, dass es dann auch wirklich Gesetz wird.

Der Begutachtungsprozess war ein breiter. Wir haben noch zahlreiche Änderungen vorgenommen, um die Vollziehung klarer zu gestalten. Ich möchte hier allen konstruktiven Kräften für das Grundverständnis danken, das grundlegend anders ist als das, was wir von Frau Abgeordneter Fürst gehört haben. Das lautet nämlich so: Wer ein Ehrenzeichen trägt, ist ein Aushängeschild für unsere Nation und soll zugleich auch Vorbild sein, sollte auch für andere Anreiz geben, sie motivieren, nach einer derartigen Auszeichnung zu streben.

Frau Abgeordnete, das ist keine Momentaufnahme, sondern ein Ehrenzeichen bedeutet auch, Verantwortung konsequent zu tragen, und einen verantwor­tungsvollen Umgang mit der Geschichte. (Abg. Kickl: Hat der Herr Strasser seines noch?)

In diesem Ehrenzeichengesetz werden künftig insgesamt drei Kategorien von Ehrenzeichen auf Bundesebene zusammengefasst werden: das Ehrenzeichen für


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die Verdienste um die Republik, Ehrenzeichen und Ehrenkreuz für Wissen­schaft und Kunst und die sogenannten Bundes-Ehrenzeichen. Wir wollen damit einen einheitlichen und auch einfacheren Umgang für den Vollzug schaffen, es gibt gemeinsame Bestimmungen, die die Voraussetzungen und das Verfahren regeln: den Ex-lege-Widerruf etwa, wenn jemand von Gesetzes wegen das Ehren­zeichen verlieren sollte, zum Beispiel wegen einer Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder einer Freiheit­strafe von mehr als einem Jahr insgesamt, also teilbedingt oder nicht bedingt nachgesehen.

Aber auch eine Aberkennung durch das verleihende Organ bei groben Verstößen gegen die Grundwerte der Republik ist vorgesehen. Und es gibt – das wurde schon von einigen angesprochen – auch die Möglichkeit, ein Ehren­zeichen posthum, also nach dem Tod, abzuerkennen. Das war legistisch eine ganz besondere Herausforderung, weil es an und für sich ein höchstper­sönliches Recht ist, das mit dem Tod erlischt. Es wird zukünftig die Möglichkeit geben, festzustellen, dass eine Aberkennung erfolgt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir distanzieren uns damit ganz klar von Personen, die des Tragens eines solchen Ehrenzeichens nicht mehr würdig sind, wie etwa schwere Straftäter, Sexualstraftäter, aber auch Personen wie Hans Globke.

Ich möchte noch einmal auf den Verfassungsausschuss zurückkommen, es wurde von Abgeordneter Duzdar schon angesprochen. Frau Abgeordnete Fürst, es geht nicht um eine Demontage der Geschichte, sondern es geht um einen verantwortungsvollen Umgang mit der Geschichte, aber auch mit der Gegenwart; und Geschichte schreiben wir jeden Tag.

Daher empfinde ich es als wirklich schade, dass wir es gerade in Zeiten wie diesen, zu denen wir vorhin erst diskutiert haben und hier auch eine sehr einhellige Meinungen geherrscht hat, wie die Verbrechen der Terrororganisation Hamas zu behandeln und zu bewerten sind, nicht schaffen, einen einstimmigen


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Beschluss im österreichischen Parlament für das Ehrenzeichengesetz zusammenzubringen. Ich stimme den Worten des Abgeordneten Gerstl zu, dass es eigentlich „beschämend“ ist, dass das in Österreich nicht gelingen kann. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Das ist eigentlich eine Superdemokratie, wenn alle immer der gleichen Meinung sein müssen! Das ist die beste Form der Demokratie, wenn immer alle die gleiche Meinung haben!)

Dennoch möchte ich positiv schließen und mich abschließend wirklich bei allen konstruktiven Kräften bedanken und auch bei all jenen, die im Hintergrund hart an diesem Gesetzentwurf gearbeitet haben, insbesondere bei der Präsident­schaftskanzlei, bei der Protokollabteilung im Bundeskanzleramt und bei den Legistinnen und Legisten im Verfassungsdienst, die es zustande gebracht haben, auch die wirklich tricky questions im legistischen Prozess zu lösen. (Abg. Hafenecker: Ihre Konstruktivität können Sie sich dann nach der nächsten Wahl anschauen!) Es ist ein gelungenes, es ist ein ausbalanciertes Gesetz, und ich danke allen, die dem Entwurf zustimmen werden, schon im Vorhinein dafür. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Hafenecker: Frau Minister, melden Sie gleich Ernst Strasser zur Aberkennung an, bitte!)

14.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Harald Stefan. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.15.53

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben also gerade gehört, mit dem moralischen Zeigefinger vorgetragen, dass man gegen bestimmte Anträge nicht stimmen darf und keine andere Meinung dazu äußern darf, weil man sonst menschenver­achtend – ein völliger Fehlgriff des Herrn Kollegen Gerstl – oder „beschämend“ ist. Das ist eine Diskussion im Parlament über einen Antrag in einer Demo­kratie! Ist das wirklich Ihr Ernst? (Beifall bei der FPÖ.)


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Glauben Sie nicht, dass man Dinge schlicht und einfach auch anders sehen kann? Die Auseinandersetzung mit der Geschichte findet nicht nur statt, indem man Straßen umbenennt, Denkmäler stürmt. Auch Ihre Parteigänger werden ja weggeräumt, wenn es nicht passt. Damit setzt man sich mit der Geschichte nicht wirklich gut auseinander. Denkmalsturm, den Kopf des letzten Kaisers abzuschlagen, das war nie eine sinnvolle Auseinandersetzung. Und wir - - (Abg. Lopatka: Vom Strache-Orden hat man auch noch nichts gehört!)  Wie bitte? Von einem Strache-Orden habe ich noch nichts gehört. Ist Herr Strache verurteilt? – Nein? Herr Lopatka, ist er verurteilt? (Abg. Lopatka: Nein! – Abg. Kickl: Eine Vorverurteilung also!) – Also aus moralischen Gründen müssten wir ihn aberken­nen, alles klar, genau das ist die Denkweise. (Beifall bei der FPÖ.) Lopatka sagt, wenn es moralisch nicht passt, dann aberkennen wir Orden, und genau deswegen stehen wir unter anderem auch hier, weil wir die Dinge anders sehen; a30llein diese Totschlagargumente, die da jetzt gekommen sind!

Schauen wir uns doch ein bisschen um! Da gibt es zum Beispiel einen Herrn Julius Tandler, einen großen Sozialwohlfahrtspolitiker des Roten Wien, eine tolle Persönlichkeit. Es gibt sogar eine Medaille, die die Stadt Wien vergibt, die Julius-Tandler-Medaille. Was aber hat Julius Tandler auch gemacht? – Er war ein großer Eugeniker, das heißt, er war begeistert dafür, dass man unwertes Leben vernichtet. Er hat gesagt: Was kosten „30.000 Vollidioten“ Deutschland? Wie viele Millionen Mark kosten die? Und warum müssen gesunde Menschen durch diese unwerten Menschen leiden? – Das ist Julius Tandler! Die Medaille, die seinen Namen trägt, vergeben Sie bis heute.

Sie werden in die Waagschale werfen: Julius Tandler war eine tolle Persön­lich­keit, hat so viel für Wien gemacht, hat so viele tolle Dinge geleistet! (Abg. Hafenecker: Er hat sogar einen eigenen Platz!)  Das sei Ihnen auch zugestanden, aber bitte hören Sie auf, alles aus der Vergangenheit nur so moralisierend zu betrachten! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist unglaublich billig und das kann sich so schnell ändern. Werden da jetzt alle Orden und Ehrenzeichen mit einer Verurteilung automatisch aberkannt? Ist


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das so? Wie viele Leute aus Ihren Reihen trifft das vielleicht auch? Ist das jetzt so? Wer ist dann noch ein Vorbild? Und wie schnell kann sich das ändern, dass etwas ein Vorbild ist?

Politiker der Fünfziger-, Sechzigerjahre des vorherigen Jahrhunderts haben ganz anders gesprochen, haben sich ganz anders ausgedrückt, haben Begriffe verwendet, die heute verpönt sind. Wollen Sie das alles an diesem Zeigefinger aus der Gegenwart messen? Wollen Sie jetzt alles umschichten? – Nein! Auseinandersetzung mit der Geschichte heißt – ja – darüber nachdenken, wie es dazu gekommen ist, dass jemand ein Ehrenzeichen bekommen hat. Wie war die Gesellschaft damals? Was hat sie vielleicht dafür für Argumente gehabt? Vielleicht gibt es auch gute Argumente, aber vielleicht war es auch wirklich nur fehlgeleitet, dass die Gesellschaft etwas ganz anders gesehen hat.

Wir leben aber auch im Heute und wir machen heute auch Fehler. Ich warte nur darauf, was in zehn Jahren darüber gesagt wird, dass eine Impfpflicht einge­führt wurde – vielleicht, dass es ein unglaublicher Wahnsinn war. Das könnte nämlich auch sein, und es könnte sein, dass alle Menschen, die daran beteiligt waren, vielleicht aus irgendeinem Grund als menschenverachtend oder was auch immer betrachtet werden. (Abg. Wurm: Beschämend war das!)

Ich würde da einfach aufpassen. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist wichtig, und wir stellen uns dem. Wir wollen sie eben nicht revidieren, wir wollen sie nicht auslöschen und sagen: Ungeschehen, hat ja gar nicht stattgefun­den; wir räumen jetzt die Denkmäler weg und benennen die Straßen um!, und so weiter. Damit hat das nicht stattgefunden!

Die Geschichte war daher immer moralisch, immer gut, aber wo fangen wir an? Bei Kaiser Franz Joseph – wie viele Tote hat er zu verantworten? – oder ich weiß nicht, wo fangen Sie an? Wir müssen das alles in einen Zusammenhang setzen und uns darüber unterhalten. Wenn Sie aber jetzt hier beginnen, zu sagen, man darf die Dinge nur in einer bestimmten Art und Weise sehen und nur


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in einer bestimmten Art und Weise hier abstimmen, weil man sonst menschen­verachtend, schäbig oder sonst etwas ist, dann hört sich alles auf.

Daher bin ich entsetzt über die bisher verlaufene Diskussion und ersuche Sie, einfach zu beachten und anzuerkennen, dass wir die Dinge anders betrachten und dass das keine moralische Wertung ist, sondern dass wir zu einem anderen Schluss gekommen sind, wie wir damit umgehen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.20 14.20.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2222 der Beilagen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.


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Auch da stelle ich wiederum ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14.21.53 6. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 3630/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Christoph Matznetter, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekämpfung der Aktivitäten der Wagner-Gruppe (2229 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Reinhold Lopatka. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.22.25

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst darf ich zwei Besucher­gruppen begrüßen: Gemeinderätinnen und Gemeinderäte aus der Kleinregion Lieboch, Lannach, Sankt Josef, Dobl-Zwaring, Haselsdorf-Tobelbad – das sind Steirer –, und aus Oberösterreich darf ich den Seniorenbund aus Hofkirchen im Mühlkreis begrüßen. – Herzlich willkommen hier im Parlament! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Wenngleich Klubobmann Kickl jetzt schon den Saal verlassen hat - - (Abg. Kickl: Nein, nein! Der sitzt noch da! Ich würde ja nie gehen, wenn Sie das Wort erheben!) – Ah, Entschuldigung! Danke. Herr Klubobmann Kickl! Wir wollen nicht, dass alle immer einer Meinung sind. (Abg. Belakowitsch: Doch, doch! Doch, doch!) – Nein, da haben Sie etwas grob missverstanden. Wir wollen aber, dass man die Möglichkeit hat, einem Men­schen, der nachweislich als Kriegsverbrecher überführt worden ist, ein Ehrenzeichen abzuerkennen (Abg. Amesbauer: Ich glaube, das ist der falsche


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Tagesordnungspunkt! Das ist schon vorbei!), nicht mehr und nicht weniger. Da unterscheiden wir uns (Abg. Belakowitsch: Es geht um Bekämpfung der Aktivitäten der Wagner-Gruppe!), und da wollen wir auch nicht, dass Sie unserer Meinung sind. Bleiben Sie dort, wo Sie gern sind! Das ist es. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schwarz. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Jetzt aber zurück zur Tagesordnung: Kriegsmeldungen, Terrormeldungen sind ja tatsächlich die täglichen Schlagzeilen, mit denen wir zu leben haben. Vorhin ist schon sehr ausführlich die furchtbare Situation nach dem Terroranschlag der Hamas besprochen worden.

Tatsächlich ist dieser Terror auch bei uns in Europa. In Frankreich herrscht die höchste Terroralarmstufe. Es werden nicht alle wissen: Frankreich hat die dritt­größte jüdische Gemeinde nach Israel und den USA mit mehr als 770 000 Jüdinnen und Juden. Frankreich ist schon mehrfach Opfer von Terroranschlägen geworden. Diese Woche mussten zwei Schweden sterben, nur weil sie Schweden und als Fußballfans als solche sehr leicht zu erkennen waren. Sie mussten sterben, weil in Schweden Provokateure etwas machen, das nicht meine Billigung findet: Sie verbrennen den Koran. Im Übrigen ist das auch in Dänemark schon passiert.

Es ist schrecklich, dass wir in einem solchen Klima sind, das immer mehr aufgeheizt wird. Ja, der Terror ist bei uns. Er hat auch schon Österreich einmal erfasst. Auch wir müssen die Sicherheitsmaßnahmen verstärken.

Es ist erst in dieser Woche in Brüssel ein Prozess zu Ende gegangen, bei dem Terroristen verurteilt wurden, die im Jahr 2016 zugeschlagen haben, damals am Flughafen 30 unschuldige Menschen getötet und 340 verletzt haben.

Warum sage ich das? – Da bin ich im Widerspruch zu Kollegin Blimlinger. Natür­lich sind auch Terroristen Mörderbanden, also was sonst? Das ist ja kein Widerspruch. Die Hamas ist auch eine Mörderbande, aber gleichzeitig sind sie Terroristen.


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Es gibt aber auch andere Banden, das sind Söldnertruppen, wie die von Jewgeni Prigoschin. Die sind einerseits eine Söldnergruppe, agieren militärisch, bestausgestattet, zuletzt, wie wir wissen, auch mit Satellitenunterstützung, mit Unterstützung chinesischer Satelliten. Einerseits treiben die militärisch ihr Unwesen, aber andererseits gehen sie genauso vor, wie eben Terroristen vorgehen. Das ist ja die Grundlage für diesen Antrag, den wir jetzt diskutieren.

Natürlich stellt aber das, was die Hamas gemacht hat, alles andere in den Schatten: diese unvorstellbare Brutalität. Da bin ich dann wieder hundertpro­zentig der Meinung der Kollegin Blimlinger, wenn sie gesagt hat, es darf da kein „Ja, aber“ geben. Es ist ganz eindeutig so, dass jede Form der Relativierung dessen, was da passiert ist, falsch ist. Es kann niemals irgendeine Rechtfertigung für Terrorakte geben, meine Damen und Herren (Beifall bei der ÖVP, bei Abge­ordneten der Grünen sowie des Abg. Brandstätter) – durch nichts ist das gerecht­fertigt –, und schon gar nicht von einer Gruppe, die die eigene Bevöl­kerung in Geiselhaft hat, jetzt israelische Geiseln genommen hat.

Was jetzt in Gaza passiert, ist natürlich eine furchtbare menschliche Tragödie, aber: Nie Täter und Opfer verwechseln! Ausgegangen ist das ausschließlich von diesem Terroranschlag der Hamas, und die Hamas tut jetzt auch alles, um die eigene Bevölkerung weiterhin in Geiselhaft zu behalten.

Es ist furchtbar, meine Damen und Herren, was da passiert. Das einzige – Positive ist das falsche Wort –, was für mich dabei wichtig ist – das ist das richtige Wort –, ist, dass wir uns mehr mit dem Thema beschäftigen. Terror und auch, was die Wagner-Gruppe anrichtet, waren bei uns schon ziemlich aus der Diskussion.

Vom Baby bis zum Greis: Niemand entgeht den Grausamkeiten solcher Terrorgruppen. Wenn das in Mali, in Burkina Faso in Afrika passierte, dann war das bei uns nicht so stark im Bewusstsein. Jetzt ist es wieder in unserem Bewusstsein, und daher ist dieser Antrag ein wichtiger Antrag: dass wir alles tun, dass Anführer, Mitglieder, Unterstützer, alle, die in diesem Terrorumfeld mit


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dabei sind, nie einer Straflosigkeit anheimfallen können, sondern dass sie zu verfolgen sind, dass wir alles tun, damit auf europäischer Ebene Maß­nahmen gesetzt werden, dass Terroristen wissen, dass sie ihrer gerechten Strafe nicht entgehen können.

Diesen Kampf gegen den Terror haben wir parteiübergreifend zu führen – der kann nur weltweit geführt werden –, und daher bin ich in diesem Fall der FPÖ dankbar, dass sie diesem Antrag zustimmt, weil es ein gutes Zeichen für das österreichische Parlament ist, wenn wir hier einhellig der Meinung sind: Null Toleranz Terroristen gegenüber! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.29.23

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Das Thema dieses Entschließungsantrages ist ein ernsthaftes. Wir sehen ja leider, dass die Grausamkeiten vergangener Jahrhunderte auf dieser Welt zunehmen statt abnehmen.

Ich meine, unser Kontinent hat genug gelitten, wenn ich nur daran erinnere, dass allein im Dreißigjährigen Krieg 40 Prozent der europäischen Bevölkerung durch Hunger, Seuchen, aber vor allem durch Söldnerheere dezimiert worden sind, die marodierend herumgezogen sind, alle angesteckt, vergewaltigt, gefoltert und umgebracht haben.

Da denkt man, die Zivilisation hat das überwunden, aber nein, im 21. Jahrhun­dert sehen wir neue Grausamkeiten und ein neues Auftreten solcher Probleme.

Söldnertruppen haben ja zwei Funktionen: Einerseits üben sie die schlimmste Form von gewaltvoller Repression aus, andererseits tun sie das angeblich


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unabhängig von staatlichen Akteuren. Staatliche Akteure tun jedenfalls so, als hätten sie nichts damit zu tun.

Wir erleben das immer wieder, nicht nur im Ukrainekrieg. Dort war die Wagner-Gruppe ja berühmt dafür, dass sie an Fronten tätig war, an denen es besonders blutig zugegangen ist und wo nachher besonders viele Verbrechen festgestellt wurden.

Es gibt auch eine Blutspur, die quer durch Afrika führt, wo solche Wagner-Gruppen eingesetzt werden, um einerseits Despoten aller Art an die Macht zu bringen und um andererseits die ökonomische Beute heimzubringen. Das ist vergleichbar mit dem Plündern im Dreißigjährigen Krieg, den ich vorhin erwähnt habe.

Ich bin daher dankbar dafür, dass wir das heute beschließen, möchte aber abschließend noch Folgendes dazusagen: Die Verurteilung der Wagner-Gruppe bedeutet nicht, dass andere berechtigt sind, Söldnertruppen aufzustellen, zu finanzieren oder zum Einsatz zu bringen. Ich bitte, diese Botschaft mit der notwendigen Sorgfalt auch über alle diplomatischen Kanäle zu verbreiten.

Es gibt nämlich auch andere Supermächte auf dieser Welt, die gerne heiklere Aufgaben – ob sie jetzt Schwarzwasser heißen oder wie auch immer – vergeben. Denen sei die Warnung ins Stammbuch geschrieben!

Wir werden alle solchen Organisationen als Terrororganisationen identifizieren, wir werden sie verurteilen und verlangen, dass das Montreux-Dokument in äußerster Strenge eingehalten wird. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

14.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste gelangt Frau Dr.in Ewa Ernst-Dziedzic zu Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



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14.31.42

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Werte Gäste auf der Galerie! Auch weil es bei diesen außenpolitischen Debatten jetzt unter anderem um Armenien geht, möchte ich auch den armenischen Botschafter, Armen Papikyan, hier bei uns im Saal begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

602 Tage, ein Jahr und sieben Monate, dauert der brutale Krieg Russlands gegen die Ukraine an, und die Welt hat tatsächlich aufgehört, die zahlreichen Kriegs­verbrechen, die dort tagtäglich, kontinuierlich, ohne Unterbrechung begangen werden, zu zählen.

Nach 86 Wochen müssen wir auch feststellen: Als der Krieg damals begonnen hat und wir auch damals schon über die Wagner-Gruppe gesprochen haben, dachten wir, dass unsere Sicherheitsinfrastruktur in Europa zerbrochen ist. Wir dachten, dass die Nachkriegsordnung nie wieder die gleiche sein wird. Heute, 86 Wochen danach, müssen wir feststellen, dass zu diesem Krieg in der Ukraine zahlreiche weitere Brandherde dazugekommen sind und dass wir zusehen müssen, dass sich diese nicht zu einem Flächenbrand entwickeln.

Deswegen ist es so wichtig, in dieser Zeit der Hoffnungslosigkeit hier im Parlament über Außenpolitik zu sprechen, aber auch Anträge zu debattieren, die wir einbringen, die zum Teil auch einstimmig sind, und das ist gut so, damit wir den nächsten Generationen diese Hoffnung nicht nehmen, dass es vielleicht einmal wieder für uns alle eine friedliche Zukunft gibt.

Tatsächlich ist es so, dass die Wagner-Gruppe nicht allein auf weiter Flur steht, sondern all diese Brandherde reihen sich hier geopolitisch in eine Kontinuität.

Wir haben hier auch schon viel über den Iran diskutiert, über die dortige Repression und Folter gegenüber der eigenen Bevölkerung, aber eines möchte ich erwähnen: Wissen Sie eigentlich, dass es im Iran aktuell mehr Anti-Hamas-


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Kundgebungen gibt als in Europa? Das ist ein Zeugnis davon, dass die Bevölkerung im Iran diesen Terror genauso wenig möchte.

Für uns macht das sichtbar, dass nicht nur der Iran die Hamas unterstützt hat, sondern dass auch Wagner-Gruppen die Hamas mittrainiert haben, womit wir wieder beim Gemeinsamen des Terrors wären. Und auch wenn ein Prigoschin vielleicht mittlerweile tot ist, Fakt ist: Der Geist der Vernichtung lebt in genau dieser Kontinuität weiter.

Heute wurden hier schon viele kluge Menschen zitiert, und ich möchte das noch ergänzen. Nietzsche sagte: „Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“

Wenn wir uns anschauen, was in Nordkosovo passiert, wie Vucić zündelt, wenn wir uns anschauen, dass im Schatten der Kriege, in der Ukraine, aber jetzt nach den Massakern, nach den furchtbaren Angriffen auf Israel, ein Erdoğan beispielsweise die Kurdengebiete bombardiert, wenn wir uns anschauen, was in Bergkarabach passiert ist, dass dort faktisch eine ethnische Säuberung stattgefunden hat, unter dem Schweigen der Europäischen Union, und wir fürchten müssen, dass es dort auch zu weiteren Vertreibungen kommt, nämlich auf armenischem Gebiet, dann wird uns klar, dass wir tatsächlich am Abgrund stehen.

Daher sollten wir alle hier mit aller Ernsthaftigkeit überlegen, wie das öster­reichische Parlament einstimmig, mit aller Vehemenz alles tut, auf europäischer, nationaler und internationaler Ebene, um diese Brandherde wieder zu löschen. Das bleibt unsere Verantwortung und das ist genau das, was eine Terrorgruppe, egal von welcher Terrorgruppe wir hier reden, nicht haben möchte.

Alle diese Terrorgruppen freuen sich, wenn wir in den Abgrund gezogen werden, wenn wir das Völkerrecht über Bord werfen, wenn wir die humanitäre Hilfe einstellen, wenn wir Zivilisten und Zivilistinnen aufgrund von Religion, Hautfarbe oder Herkunft unterschiedlich behandeln. Da freuen sich am Ende nur die


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Terrorgruppen, weil sie ihr durchsichtiges Spiel weitertreiben können und zusehen können, wie wir hier auch noch Öl ins Feuer gießen.

Ich danke allen Abgeordneten, die sich hier bei den Anträgen, nicht nur zur Wagner-Gruppe, sondern auch zum Thema Armenien oder auch später zum Thema Afghanistan, größtenteils sogar einstimmig dafür ausgesprochen haben, dass das österreichische Parlament klar Position bezieht.

Ich danke Ihnen, Herr Minister, dafür, dass Sie in unserem Auftrag weiterhin auf allen Ihnen zur Verfügung stehenden Ebenen alles tun, um diesen Flächenbrand zu verhindern.

Sie müssen jetzt nicht klatschen. Es gibt hier nichts zu lachen oder zu beklat­schen. Ich finde, wir sollten wahrscheinlich nach jeder dieser außenpolitischen Reden eher eine Schweigeminute abhalten. – Vielen Dank.

14.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Dr. Helmut Brandstätter zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.37.55

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, völlig richtig, Ewa Ernst-Dziedzic: Zum Lachen gibt es sowieso nichts, das ist eine sehr ernste Situation. Ich bin froh, dass wir darüber ernsthaft diskutieren. Wir müssen halt die Fakten aussprechen.

Bei Wagner handelt es sich nicht um eine Söldnertruppe – das klingt ja fast romantisch –, nein, das ist natürlich eine Terrorgruppe. Das muss hoffentlich spätestens dann jeder verstanden haben, als wir beim sogenannten Gedenken für den Führer Prigoschin eines der Geräte gesehen haben, das beim Morden der Wagner-Gruppe berühmt wurde, nämlich einen riesigen Vorschlaghammer.


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Diese Menschen haben es sich zum Spaß gemacht, nicht nur andere Menschen zu ermorden, sondern sie auch auf den Schädel zu schlagen und es dann zu genießen, das Blut zu sehen – etwas, das sich, glaube ich, kein normaler Mensch vorstellen kann. Aber wir können uns vorstellen, wie diese Menschen auch aufgehetzt wurden, was man ihnen alles versprochen hat, um sie zu derart bestialischen Taten zu verleiten.

Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir jetzt alles dafür tun, dass sie, wo immer sie auftauchen, verfolgt werden und dass selbstverständlich auch ihr Vermögen eingezogen wird.

Wir dürfen aber auch nicht übersehen, und das ist schon sehr wichtig, dass diese Wagner-Terroristen und Mörder einen großen Förderer hatten, und der sitzt im Kreml. Der Kremlherr, der Herr Putin, fand das ganz wunderbar. Jedes einzelne Kriegsverbrechen von Prigoschin und den anderen hat er gelobt, hat er toll gefunden, und er hat sie ja sehr lange auch finanziert, bis er selbst für seine Person dann eine gewisse Gefahr gesehen hat. Dann war es auf einmal vorbei und dann gab es einen gar nicht mysteriösen Flugzeugabsturz.

Deswegen ist es jetzt so wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass es geopolitisch diese Auseinandersetzung – es sind ja schon die Namen einiger Staaten und einiger Regionen gefallen; auch herzliche Grüße (in Richtung Galerie weisend) an den Botschafter von Armenien! – zwischen den liberalen Demokratien und den Diktaturen gibt und dass die Diktaturen fest zusam­menhalten. Der Russe Lawrow ist gerade bei einem anderen Mörder in Nordkorea, Putin und die Iraner verstehen sich bestens – Putin holt die Drohnen aus dem Iran, um in der Ukraine zu morden –, und wir müssen sie stoppen, wir müssen dagegenhalten.

Was sie noch besser oder mindestens so gut können wie morden, sind die hybriden Kriege, also einfach permanent falsche Nachrichten zu verbreiten. Dazu habe ich Ihnen heute dieses Buch (das genannte Buch in die Höhe haltend) mitgebracht, das es erst, glaube ich, in zwei Wochen in den Buchhandlungen


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gibt; ich werde es dann noch einmal empfehlen: „Russlands Krieg gegen die Ukraine: Worum geht es?“

Oksana Stavrou hat sehr viele Unterstellungen aufgegriffen und dann die Fakten dagegengehalten: Nein, es ist nicht so, dass es im Donbass einen Bürgerkrieg gegeben hat; es gab einen Überfall der Russen. Nein, es ist nicht so, dass die Nato Russland in irgendeiner Form bedroht hätte – ganz im Gegenteil, Putin war ja auch ins Hauptquartier der Nato eingeladen (Abg. Hafenecker: Das kann ich mir vorstellen, ...!) –, sondern es war so – und das hat sogar Prigoschin einmal in einer seltenen ehrlichen Runde gesagt –: Natürlich, Putin will die Ukraine einfach haben.

Es ist auch nicht so, dass in der Ukraine Nazis wären; nein, betreffend Nazis – das wissen wir aus diesem Buch (das Buch „Wagner – Putins geheime Armee: Ein Insiderbericht“ von Marat Gabidullin in die Höhe haltend), das ich schon einmal vorgestellt habe; aber bitte schaut es euch an, wenn ihr etwas über die Wagner-Gruppe wissen wollt – steht drinnen: Als tote Wagner-Söldner gefunden wurden, hat man auf ihnen natürlich SS-Abzeichen gefunden, auf ihren Handys „Mein Kampf“ et cetera. Das (auf das genannte Buch weisend) sind die Nazis, aber nicht die in der Ukraine. Diejenigen, die Putin täglich unterstützt und finanziert, das sind die Nazis, und das müsst ihr (in Richtung FPÖ) irgendwann auch einmal verstehen, Freunde Putins Österreich, ich glaube, das ist ganz wesent­lich. (Abg. Hafenecker: Das ist jetzt eine sehr peinliche Erwähnung ...!)

Was auch sehr klar ist: Es ist nicht so, dass die Neutralität in irgendeiner Form gefährdet wäre; nein, wir stehen auf der Seite der Menschenrechte, wir stehen bei denen, die verfolgt und gemordet werden, und wir stehen gegen diese Gruppen, wie es diese Wagner-Terroristen oder die Hamas sind, und dass es da eine Zusammenarbeit gibt, ist auch klar. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Es gibt eine einfache Entscheidung: Man kann auf der Seite von Demokratie, Menschenrechten, Rechtsstaat stehen (Abg. Hafenecker: ... Russland finanzieren ... NEOS! ... bekommen noch das Geld!), oder man steht auf der Seite


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der Diktatoren, der Mörder, der Kriegsverbrecher, der Vergewaltiger. Das kann jeder für sich entscheiden. Wenn Sie bei Putin sind, dann sind Sie bei den Mördern. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Hafenecker: ... verteidigen Russland ... finanziert wird! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von NEOS, Grünen und FPÖ. – Abg. Brandstätter: Das ist eine Lüge! Das ist eine Lüge! – Abg. Hafenecker: Aber die Strabag ...!)

14.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Andreas Minnich. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.42.45

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kollegen im Hohen Haus! Liebe Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten und hier im Parlament auf der Galerie! Seit Monaten reden und diskutieren wir über die schrecklichen Kriegsereignisse auf dieser Welt. Seit Monaten sehen wir täglich die Bilder der Zerstörung, Bilder des menschlichen Leids, Bilder, die es in unserer modernen Zeit nicht mehr geben dürfte. Wir sprechen darüber, wer die handelnden Akteure sind und was die genauen Motive hinter solch blutigen und menschenverachtenden Handlungen sein könnten.

Geschätzte Damen und Herren, bei all diesen Diskussionen begegnet uns eines immer wieder, und zwar die Wagner-Gruppe – eine Gruppe von Söldnern, für die es keine Grenzen gibt: keine Grenzen an menschlichem Leid, keinen Punkt, an dem jeder andere sagen würde: Bis hierher und nicht weiter!

Wir beschließen heute einen Antrag, der unsere Position gegen genau diese Gruppe einmal mehr klarstellt. Lassen Sie mich eines sagen: Fallen wir nicht in den Glauben, dass durch den Tod des Anführers Prigoschin die Aktivitäten der Wagner-Gruppe weniger werden würden. Ganz im Gegenteil: Die Wagner-Gruppe ist aktiver denn je! Allein in zwölf Staaten in Afrika – von Libyen, Mali, Mosambik, dem Sudan bis Zentralafrika – ist Wagner derzeit aktiv. Ein


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aktueller Bericht des UN-Hochkommissariats legt nahe, dass Wagner-Söldner vor einem Jahr an einem Massaker im Dorf Moura in Zentralmali beteiligt waren. Über 500 Menschen – von Babys bis zur Großmutter – seien hingerichtet worden.

Die Wagner-Gruppe richtet tagtäglich in vielen Teilen unserer Welt mensch­liches Leid in unvorstellbarem Ausmaß an. Wesentlich für uns ist die Frage: Warum bedient sich ein Staat wie Russland solch einer Gruppe, die bis vor wenigen Jahren noch geheim gehalten wurde? – Die Antwort liegt auf der Hand: Weil Söldnertruppen wie diese Taten begehen, die ein Staat niemals recht­fertigen kann, weil Gruppen wie diese die Menschenrechte und jede Form von Menschenwürde ausklammern, nur um zu töten. Das ist der Grund, warum die Wagner-Gruppe von Russland auf der gesamten Welt eingesetzt wird.

Geschätzte Damen und Herren, aus diesem Grund gibt es hier auch nur eine Position: die Verurteilung der Wagner-Gruppe als Terrororganisation. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

14.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.46.06

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Uns allen sind in diesen Tagen die schrecklichen Bilder und Nachrichten aus Israel und dem Gazastreifen sehr präsent. Wir haben als Parlament heute ein klares Zeichen gesetzt. Darüber bin ich sehr froh, und auch darüber, dass wir in Österreich eine ganz klare Haltung haben.

Auch in der Ukraine – das muss uns klar sein – herrscht noch immer Krieg. Meine Kollegin hat es ausgeführt: Es gibt ganz, ganz viele Krisenherde auf der


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ganzen Welt. Diese sind gefährlich und können jederzeit zu einer Bombe werden und explodieren. – Das ist brandgefährlich!

Der verbitterte, brutale Angriffskrieg Putins und seiner Lakaien darf uns nicht aus dem Kopf gehen, und auch wenn derzeit alle Augen auf der Terrorgruppe Hamas liegen, dürfen wir nicht vergessen, dass sich inmitten der russischen Stellungen in Luhansk und Donezk auch heute immer noch Hunderte Söldner der Wagner-Gruppe befinden und dort auch kämpfen. Prigoschins Coup mag gescheitert und er vielleicht getötet worden sein, aber seine unheilige Kreation Wagner kämpft weiter, ist weiter vor Ort.

Vergessen wir nicht, es geht immerhin um die Wagner-Gruppe – benannt nach dem für seine SS-Tattoos bekannten Neonazigründer Utkin –, die Verbrecher aus Gefängnissen rekrutiert, die, wenn sie es noch nicht können, zum Töten ausgebildet werden und Menschen umbringen, töten, sie in den „Fleischwolf“ Bachmut schickt und in diesem Zehntausende Menschen tötet, jene Wagner-Gruppe, die nicht nur nachweislich in der Ukraine Kriegsver­brechen von Folter bis zum Mord ukrainischer Kriegsgefangener per Handgranate zu verantworten hat, sondern schon 2014 Putins Speerspitze in der Besetzung der Krim bildete. Vergessen wir nicht, es geht um Wagner, die mindestens elf Länder auf vier Kontinenten angegriffen und destabilisiert hat, von der Ukraine über Syrien über Mali bis Zentralafrika, der lange Arm Putins, der seine Mineralölinteressen sicherte und das aktive Auslösen von Migrationswellen als Strategie bezeichnet.

Im Anbetracht dieser Faktenlage muss ich gestehen, dass mir der heutige Antrag eh schon ein bisschen zu sanft ist. Die Aktivitäten der Wagner-Gruppe alleine nur zu ächten und ihr gemeinsam im internationalen Einklang entgegenzuwirken, muss ein Bestandteil unserer aktiven Solidarität und solidarischen Neutrali­tätspolitik in Krisenzeiten sein, ganz klar, aber in der OSZE und auch im britischen Parlament hat man diesbezüglich kein Blatt vor den Mund genommen und sie klar als Terrorgruppe definiert.


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Meine Damen und Herren, die Faktenlage ist klar: Benennen wir sie als das, was sie ist: Was Wagner von Terrorgruppen wie der Hamas unterscheidet, ist, dass Wagner noch größer, noch stärker, besser finanziert und auch besser organisiert ist. Wagner destabilisiert, entführt und foltert – meine Damen und Herren, das ist ebenso Terror. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Dr. Susanne Fürst. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.49.01

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Ganz kurz zu diesem Antrag: Es geht um die Bekämpfung der Aktivitäten der Wagner-Gruppe.

Selbstverständlich ist die Freiheitliche Partei dabei, selbstverständlich ist, dass wir uns alle gegen Terroristen, gegen Terrorakte, gegen Söldnertruppen, Menschen, die dafür bezahlt werden, andere Menschen zu töten, aussprechen – das ist selbstverständlich. Wir sprechen uns aus gegen Personen und Gruppen, die Anschläge auf Menschen und auf Einrichtungen planen und auch ausführen, um ihre Ziele mit dieser brutalsten Gewalt durchzusetzen. Wir haben uns bezüglich der Wagner-Gruppe immer so ausgesprochen, das verurteilt, wir haben das aber auch bei der Terrororganisation Hamas immer so getan – Thema des Tagesordnungspunktes, den wir vorhin behandelt haben.

Sie nicken jetzt (in Richtung Abg. Lopatka) – das haben wir gemacht. Sonst, Herr Abgeordneter Lopatka, ersuche ich Sie, hören Sie auf mit diesen moralisierenden Anmerkungen! Das betrifft auch Ministerin Edtstadler – sie ist jetzt schon weg –, die uns mitteilt, was sie alles an der Freiheitlichen Partei beschämend findet. Es ist so vieles beschämend, was von dieser Regierung gemacht wird, aber das ist ein anderes Thema.


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Was ich beschämend finde, ist, dass zahllose EU-Politiker, angefangen von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen über deutsche Politiker bis hin auch zu österreichischen Politikern, die in diesen Tagen voller Solidarität mit Israel sind – richtig –, sich dafür aussprechen, Symbole und Gesten setzen, aber gleich­zeitig – und viele davon haben noch nicht aufgehört; Sie (in Richtung Bundesminister Schallenberg) beziehungsweise wir haben, glaube ich, schon auf­gehört –, immer noch, und das seit vielen Jahren, Milliarden – unser Steuer­geld! – nach Palästina schicken.

Dabei wissen wir seit Langem, dass es erwiesenermaßen nicht der dortigen Zivilbevölkerung zugutegekommen ist, sondern zu einem guten Teil von der Hamas abgezweigt wurde, die sich damit ein Luxusleben finanziert hat. Und wenn man es nicht weiß, hat man es nicht kontrolliert – das ist auch nicht besser. Es ist sicher auch die eine oder andere Waffe der Hamas, die sich jetzt gegen die Israelis gerichtet hat, aus diesen Geldern, aus unseren Geldern finanziert. Das sollte uns für die Zukunft doch zu denken geben, dass wir da anders vorgehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch nur zur Erinnerung, Herr Abgeordneter Brandstätter – der heute wieder triefend vor moralisierender Überheblichkeit hier stand und keine Gelegenheit auslässt, auf uns loszugehen –: Auch mit den Waffen, die seitens der EU finan­ziert und in die Ukraine geschickt werden, werden unzählige unschuldige Menschen getötet. Denken Sie einmal darüber nach, ob wirklich alles in der EU, bei uns und auch in Deutschland getan wurde, dass man den Konflikt vielleicht eher entschärft, als noch anfacht! – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Brandstätter.)

14.51 14.51.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf Herrn Bundesminister Schallenberg im Parlament begrüßen.

Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


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Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2229 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Bekämpfung der Aktivitäten der Wagner-Gruppe“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (341/E)

14.52.197. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 3551/A(E) der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Solidarität mit den Frauen in Afghanistan (2230 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Petra Bayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.52.42

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Menschenrechtsverletzungen, die die Taliban an den Frauen in Afghanistan verüben, sind einerseits schwerwiegend und anderseits systematisch. Sie haben eine derartige Systematik, dass sie nach Einschätzung sowohl der Internationalen Juristenkommission als auch von Amnesty International mittlerweile die Schwelle erreicht haben, dass sie als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeordnet werden können. Nicht nur Amnesty und die Juristenkommission sehen das so. Mittlerweile kann man auch aufgrund dessen, was der Internationale Strafgerichtshof in Afghanistan ermittelt hat, aufgrund dieser Beweislage davon ausgehen, dass es ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist.

Da verwundert es nicht sehr, dass viele Menschen, speziell auch viele Frauen und Menschenrechtsverteidiger:innen, versuchen, aus Afghanistan zu fliehen.


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Mir ist es wichtig, bei dieser Gelegenheit zu sagen, dass 95 Prozent aller Afghaninnen und Afghanen, denen es gelungen ist, aus dem Land zu flüchten, in Pakistan und im Iran untergekommen sind. Es ist also auch wichtig, diese Länder, bei allen Schwierigkeiten, bei der Versorgung der Flüchtlinge und beim Umgang mit ihnen zu unterstützen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Allerdings ist es aber auch so, dass viele andere Länder mittlerweile aufgrund der prinzipiellen Unterdrückung, dieser prinzipiellen Benachteiligung von Frauen und Mädchen, etwa Schweden, Dänemark und Finnland, sie prinzipiell als Flüchtlinge anerkannt haben. Es ist dann auch leichter, in diesen Ländern Zuflucht und humanitären Schutz zu kriegen. Es gibt auch in Österreich eine Reihe von Gemeinden und Städten, die sich bereit erklärt hätten, Frauen aus Afghanistan aufzunehmen, aber leider spielt da die Bundesregierung nicht mit. Sie haben keine Möglichkeit, hierherzukommen. (Abg. Belakowitsch: Wien zum Beispiel! Die wollen alle aufnehmen!)

Ich würde darüber hinaus anregen, dass wir eine Diskussion darüber führen sollten, wie denn ein gezielter Dialog mit den Strukturen, die in Afghanistan da sind – dass es nämlich zum Teil eine De-facto-Regierung gibt; ohne diese aber anzuerkennen, das ist mir ganz wichtig –, darüber möglich ist, wie die Achtung von Menschenrechten, speziell von Frauen und Minderheiten, wirklich uneingeschränkt möglich sein kann und dass sie möglich sein muss. Es ist auch zu erwähnen, dass Afghanistan natürlich Vertragspartner in vielen inter­nationalen Verträgen ist und sie auch gezwungen werden können oder müssen, den Menschen diese Rechte wirklich zuzugestehen, sie in den Schutz dieses Menschenrechtsschirms kommen zu lassen.

Ich denke , es ist auch sehr, sehr wichtig, die Stimmen der Afghaninnen und Afghanen zu hören, die im Exil leben – etwa von ehemaligen Abgeordneten, Richter:innen, Anwält:innen oder Repräsentanten von Minderheitengruppen. Ich möchte ganz besonders die Aktivitäten von Wolfgang Petritsch herausstreichen, der mit dem Vienna Process immer wieder Oppositionsgruppen und unter­schiedlichen Diasporaorganisationen aus Afghanistan in Wien die Möglichkeit


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gibt, miteinander zu reden, um zu schauen, wie sie denn auf einen grünen Zweig kommen könnten, um einem demokratischen und menschenrechtsbasierten Afgha­nistan in einer Zeit nach den Taliban – wenn auch realistisch mit den Taliban als Teil einer Demokratie – wirklich zum Durchbruch zu verhelfen. Ich glaube, solche Aktivitäten sollten wir durchaus unterstützen und fördern. (Beifall bei der SPÖ.)

14.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Lopatka, ich müsste Ihre Rede um 15 Uhr unterbrechen. Wollen Sie trotzdem starten? – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.56.43

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Schlimmste, was einem Mädchen passieren kann, ist, in Afghanistan zur Welt zu kommen. 97 Prozent der Bevölkerung dort leben unter der Armutsgrenze, 60 Prozent sind von internatio­nalen Hilfen abhängig. Das ist schon schlimm genug.

Dazu kommt jetzt, dass Frauen seit zwei Jahren nicht mehr die Möglichkeit haben, einer weiterführenden Ausbildung nachzugehen. Die Schließung aller Mädchenschulen ab der siebten Klasse, die Verwehrung des Zugangs zu den Universitäten ist von der UNO zu Recht massiv kritisiert worden.

Das ist schrecklich, und das hört man auch, wenn man mit Afghaninnen redet. Ich habe hier im Antiterrorbereich mit einem Opfer von Terroristen zusammengearbeitet. Sie sagt: Bilde eine Frau und du bildest eine Nation! – Nadia Ghulam Dastgir ist die Persönlichkeit, die in Spanien Zuflucht gefunden hat und jetzt dort in Sicherheit lebt.

Es geht aber darüber hinaus: Jetzt werden 62 000 Kameras in Kabul installiert, um überhaupt alle und alles zu überwachen. Das ist schrecklich. Daher sage ich, mit so einem Regime den richtigen Umgang zu finden, das ist nicht einfach. Sie zu besuchen ist kritisierenswert, meine ich. Was wir aber tun sollten, ist, massiv die UNO zu unterstützen, die Vereinten Nationen – der Außenminister versucht


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das, und auch die mutige Vertreterin der EU, die nach wie vor in Kabul sitzt –, in ihren Bemühungen, die Taliban endlich zu einem Einlenken zu bringen. Darauf sollten wir uns parteiübergreifend einigen und dabei die Afghanen und vor allem die Afghaninnen nicht vergessen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Was ich am Beginn vergessen habe, war die Begrüßung von zwei Besucher­gruppen, meine Damen und Herren. Ich darf das machen, bevor wir zur Dringlichen Anfrage kommen. Ich begrüße Bürgermeister Thomas Wolfesberger mit seinem Seniorenbund aus Bad Leonfelden und die Junge Wirtschaft aus dem gesamten oberösterreichischen Bundesland – herzlich willkommen hier im Parlament! (Allgemeiner Beifall.)

Es ist 15 Uhr, daher schließe ich meine Rede. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über Tagesordnungspunkt 7, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung in 1 Minute stattfinden kann.

15.00.19Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „COFAG-Skandal: 20 Milliarden mittels rechtswidriger Konstruktion verteilt – Wann bekommen wir unser Geld von Benko&Co zurück?“ (16643/J)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist 15 Uhr. Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 16643/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich deren Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Am Dienstag wurde bekannt, dass der Verfassungsgerichtshof die Konstruktion der COFAG für verfassungswidrig erklärt hat. Damit ist jetzt amtlich, was alle drei


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Oppositionsparteien seit Jahren kritisieren: Die COFAG wurde nur gegründet, um Milliarden an Hilfsgeldern ohne Kontrolle und abseits der Öffentlichkeit nach Gutsherrenart verteilen zu können. Ihre Einrichtung wäre niemals nötig gewesen, die Finanzverwaltung hätten das von vornherein besser und billiger gekonnt. Der Verfassungsgerichtshof spart dabei nicht mit deutlichen Worten:

„Sowohl die Ausgliederung an sich als auch die konkrete Organisation der COFAG und die spezifische Art und Weise der Aufgabenerfüllung widersprechen dem [verfassungsgesetzlichen] Sachlichkeitsgebot.“

Und weiter:

„Es kann somit im Ergebnis festgehalten werden, dass die COFAG der Sache nach (nahe­zu) keine wesentlichen selbstständig zu entscheidenden Aufgaben hatte und hat.“

Mit diesem Verfassungsgerichts-Urteil ist der vorläufige Höhepunkt in einer Geschichte des Versagens der schwarz-grünen Bundesregierung erreicht worden: Bereits im vergangenen Jahr hatte der Rechnungshof die COFAG zerpflückt. Er ortete auf Grund des untauglichen Förderdesigns „beträchtliches Überförderungspotential bei Konzernen“ und identifizierte bereits im Juni 2021 exorbitante Kosten für externe Beratung von 21 Millionen Euro sowie ungerechtfertigte Gehälter der COFAG-Geschäftsführung sowie mögliche Interessenkonflikte. Die COFAG hat so offenbar Millionen an Steuergeld verbrannt, während die wahre Arbeit erst Recht die Finanzämter zu erledigen hatten.

Was wirklich in der COFAG passiert ist, wissen wir aber nach wie vor nicht: Gesteuert von den politischen Kabinetten der schwarz-grünen Koalition – vorbei an den Expert:innen der Ministerien – wurden Förderrichtlinien erstellt, die am Ende vor allem großen Konzernen und Superreichen geholfen haben, während hunderte Klein- und Mittelunternehmen teilweise bis heute auf die versprochenen Hilfen warten. Sie sind es, die zu Bittsteller:innen degradiert wurden, in dem ihnen – ebenfalls verfassungswidrig – durch die Einrichtung der COFAG ein Rechtsanspruch auf Hilfsmaßnahmen entzogen wurde. So hat die Regierung womöglich eine Zwei-Klassen-Verwaltung gegründet, in der nur die „Freunde der ÖVP“ rasch und


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unbürokratisch an ihr Geld kamen, während sich alle anderen mit der Willkür der COFAG herumschlagen mussten. So lautet zumindest der Verdacht, den man angesichts des völligen Mangels an Transparenz und Kontrolle haben muss. Es ist nicht erst aus den Chats von Thomas Schmid bekannt, dass die ÖVP gerne ihr eigenes Klientel bedient und alle anderen im Regen stehen lässt. Umso mehr ist zu befürchten, dass sich die „Blackbox“ COFAG in Wahrheit zur „Pandora‘s box“ für die Steuerzahler:innen entwickelt. Auch 2024 muss der Finanzminister weitere 450 Millionen Euro für die COFAG im Budget einplanen. Geld, das Österreich gerade in Zeiten der Rekordteuerung an anderem Ort weitaus besser gebrauchen könnte.

Auch wenn wir nicht viel über die Vorgänge in der COFAG wissen, so kennen wir das unglaubliche Ausmaß dieses Skandals. Über die COFAG als Tochter der ABBAG werden Wirtschaftsförderungen in der Höhe von bis zu 19 Milliarden Euro abgewickelt, wobei der Auszahlungsstand seit dem Jahr 2020 per August 2023 rund 15,3 Milliarden Euro betrug:

Quelle: BMF, Bericht Monatserfolg August 2023


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Das von der ÖVP-geführte Finanzministerium hat damit einen der größten Finanzskandale der Zweiten Republik zu verantworten: Die Eurofighter-Beschaffung war mit 1,96 Milliarden Euro dagegen eine Kleinigkeit. Wie viel der COFAG-Skandal die Steuerzahler:innen am Ende tatsächlich kosten wird, ist leider noch nicht klar.

Klar ist aber: Von der COFAG haben Konzerne und Superreiche in besonderem Ausmaß profitiert. Hier zeigt sich ein Problem: Ein Wildwuchs an Förderungen aus Fixkostenzuschuss, Umsatzersatz I und II, Härtefallfonds und Kurzarbeit hat dazu geführt, dass einzelne Betriebe massiv überfördert werden.

So hat etwa René Benko für seine Firmen Staatshilfen in der Höhe von 10,2 Millionen Euro erhalten. Benko verfügt über ein geschätztes Vermögen von 4,9 Milliarden Euro und es ging ihm auch in den Krisenjahren prächtig. Er zahlte sich mit seiner Signa-Gruppe eine Dividende von 100 Millionen Euro aus und kaufte sich einen Gutshof um 30 Millionen Euro. Benko schickte die MitarbeiterInnen der Kika-Leiner Gruppe 2020 für sieben Wochen in Kurzarbeit und beantragte zusätzlich Steuergeld – für seine Kika-Leiner Gruppe 9,2 Millionen, für die Signa Luxury Collection eine Million. Zum Vergleich: Das etwa doppelt so große Möbelhaus XXXLutz bekam “nur” eine Million Euro. Und das alles nur, damit René Benko Kika/Leiner am Ende doch in die Insolvenz schickt und die meisten Mitarbeiter:innen ihren Job verlieren.

Stefan Pierers KTM hat insgesamt 11 Millionen Euro an staatlichen Hilfen – in Form von Kurzarbeitsgeldern - in Anspruch genommen. Zusätzlich wurde ein Sonder­kreditrahmen von 60 Millionen Euro bei der Österreichischen Kontrollbank beantragt. An das Dividendenverbot wollte man sich zunächst nicht halten. Nur auf Grund eines massiven öffentlichen Drucks, ließ man von diesen Plänen ab, bzw. verschob man die Auszahlung der Gewinne um ein Jahr. Diese Gewinne von KTM waren jedenfalls enorm – und wurden durch Wirtschaftshilfen, also Geld von Steuerzahler:innen – noch aufgefettet und subventioniert. KTM zahlte im Jahr 2020 18,59 Millionen Euro an Dividenden aus, 2021 rund 35 Millionen und 2022 gar 66,6 Millionen Euro!

McDonalds-Franchisenehmer:innen – die insbesondere Bundeskanzler Nehammer gut vertraut sein dürften – zählen auch zu den Profiteur:innen: Die Franchise-


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Unternehmen erhielten zum Teil zeitgleich Fixkostenersatz, Umsatzersatz, Kurz­arbeitsentschädigung sowie eine Halbierung der Mehrwertsteuer, die nicht an die Kund:innen weitergegeben wurde. Die Kosten der Betreiber:innen gingen dadurch Richtung Null. Brancheninsider:innen sprechen von absoluten Rekordjahren für die Unternehmensbilanzen.

Auch MediaMarkt/Saturn kann als Beispiel für die katastrophale Verteilungswirkung des Umsatzersatzes herangezogen werden: Die Media-Markt Filialen sind mit Fixkostenzuschuss, Umsatzersatz und Co. in Höhe von 11,7 Millionen Euro nach der AUA die größten Einzelprofiteure der Hilfsmaßnahmen – obwohl diese Branche über das Gesamtjahr 2020 kaum einen Umsatzrückgang zu verkraften hatte. Wie war das möglich? Im Herbst wurden an die Elektrobranche hohe Summen an Umsatz­ersatz ausbezahlt – für nicht verkaufte Elektrogeräte etc. Nachdem die Filialen wieder aufsperren konnten, wurde die Ware, die in dem Fall ja nicht verderblich ist, verkauft und zusätzlich Gewinn gemacht.

Die Frage, die sich nunmehr stellt, ist: Hat die Regierung und der ÖVP-Finanzminister daraus irgendetwas gelernt oder macht die ÖVP einfach weiter wie gehabt?

Nur vier Stunden nach der Veröffentlichung des COFAG-Urteils verkündet die Regie­rung, dass sie weitere Milliarden an Unternehmen ausschütten will. Wiederum über eine ausgegliederte Gesellschaft. Auch dort sollen Milliarden an Förderungen auf Grundlage von sogenannten Richtlinien vergeben werden, ohne Transparenz und ohne Kontrolle.

Die Verweigerungshaltung der ÖVP, irgendetwas aus dem COFAG-Skandal lernen zu wollen, geht sogar noch weiter: Anstatt nunmehr auf volle Aufklärung zu setzen, kündigt Finanzminister Brunner an, die COFAG „abwickeln“ zu wollen. Wie die ÖVP Dinge „abwickelt“, konnte man im Kanzleramt nach Bekanntwerden des Ibiza-Skandals bereits beobachten: Mit dem Schredder. In diesem Sinne braucht es in der COFAG dringend Datensicherungsmaßnahmen, sodass diese nicht für immer verloren sind.


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Auch in den Medien wurde Brunners Vorgehen längst enttarnt. So war etwa in der Tageszeitung „Der Standard“ zu lesen:

„Brunners Ankündigung im Sommer, die Cofag werde abgewickelt, war allerdings nichts weniger als der Versuch, einen Mantel des Schweigens über die mit Pleiten, Pech und Pannen gespickte Geschichte der Cofag zu breiten.“

Es ist jetzt Aufgabe des Parlaments, diesen Mantel des Schweigens zu zerschneiden. Der Verfassungsgerichtshof hat den Schlüssel dafür überreicht. Jetzt wird aufgesperrt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehende

Dringliche Anfrage

1.         Wie hoch ist der aktuelle Auszahlungsstand der COFAG?

2.         Welche Unternehmen haben mehr als eine Million Euro an Förderungen von der COFAG erhalten?

3.         Wie hoch sind die aktuellen Kosten für Dienstleistungen, die von der COFAG beschafft wurden, seit deren Gründung?

4.         Wie hoch sind die aktuellen Kosten für die Geschäftsführer der COFAG seit deren Gründung?

5.         Wurden die Doppelbezüge eines ehemaligen Geschäftsführers untersucht und kam es tatsächlich zu einer Rückzahlung?

6.          Wie hoch sind aktuell die gesamten Overhead-Kosten der COFAG seit ihrer Gründung (insbesondere Büroeinrichtung, Mieten, Personal, Dienstleistungen)?

7.         Wie viele Anträge an die COFAG sind noch offen bzw noch nicht ausbezahlt?

8.         Wie viele Stunden musste die Finanzverwaltung für die Prüfung von COFAG-Anträgen aufwenden?


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9.         Wie viele VBÄ (Vollbeschäftigtenäquivalente) der Mitarbeiter:innen der Finanzverwaltung wurden seit Gründung der COFAG für die Prüfungsansuchen benötigt? Wie hoch waren die daraus resultierenden Gehaltskosten der Finanzverwaltung?

10.       In wie vielen Fällen wurden Hilfszahlungen mittlerweile zurückgefordert und in welcher Höhe?

11.       Welcher Betrag an Hilfszahlungen wurde tatsächlich auf Grund von Rückforderungen zurückbezahlt?

12.       Welcher Betrag ist ggf uneinbringlich?

13.       Welcher Betrag wurde freiwillig zurückgezahlt?

14.       Wie viele Korrekturmeldungen sind bei der COFAG eingelangt und welches Volumen an Förderungen betrafen diese?

15.       Wie viele Klagen wurden im Zusammenhang mit der Rückforderung von Hilfszahlungen eingebracht?

16.       In wie vielen dieser Verfahren wird die Finanzprokuratur tätig?

17.       Welcher Aufwand ist dafür aktuell bei der Finanzprokuratur angefallen?

18.       Wie wurde die Einhaltung der Förderrichtlinien, insbesondere des Dividendenverbots, überwacht?

19.       Welche Schlüsse haben Sie aus dem Rechnungshofbericht gezogen, der hohe Überförderungen durch die COFAG attestiert?

a.          Wie hoch waren die durchschnittlichen Überförderungen, die durch die COFAG ausbezahlt wurden?

b.          Wie hoch waren die durchschnittlichen Auszahlungen bei den Top 10% der Gesamtauszahlungen an Unternehmen?


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c.          Wie hoch waren die durchschnittlichen Überförderungen unter den Top 10% der Gesamtauszahlungen an Unternehmen?

d.          Wie hoch waren die durchschnittlichen Auszahlungen bei den Top 1% der Gesamtauszahlungen an Unternehmen?

e.          Wie hoch waren die durchschnittlichen Überförderungen unter den Top 1% der Gesamtauszahlungen?

20.       Welche Maßnahmen haben Sie in Folge des VfGH-Erkenntnisses gesetzt, um weiteren Schaden von den Steuerzahler:innen abzuwenden?

21.       Welche weiteren staatlichen Aufgaben wurden so wie jene der COFAG – möglicherweise verfassungswidrig – an ausgegliederte Rechtsträger übertragen?

22.       An welche Rechtsträger wurden ganz allgemein staatliche Aufgaben in Ihrem Wirkungsbereich übertragen?

23.       Besteht gegenüber dem aws insbesondere zur Abwicklung des Energiekos­tenzuschusses ein ausreichender, vom Verfassungsgerichtshof geforderter Leitungs- und Verantwortungszusammenhang?

24.       Besteht gegenüber der Österreichischen Kontrollbank insbesondere zur Abwicklung der Exportfinanzierung ein ausreichender, vom Verfassungsgerichtshof geforderter Leitungs- und Verantwortungszusammenhang?

25.       Besteht gegenüber der ÖBAG insbesondere betreffend die Beteiligungs­verwaltung des Bundes ein ausreichender, vom Verfassungsgerichtshof geforderter Leitungs- und Verantwortungszusammenhang?

26.       Inwiefern hat die EU-Kommission in ihrer Entscheidung vom August 2023 festgehalten, dass Österreich das EU-Beihilfenrecht gebrochen hat?

27.       Wie viel wurde für die Rechtsberatung zum EU-Beihilferecht im Zuge der Schaffung der COFAG-Instrumente ausgegeben?


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28.       Ist angesichts der Entscheidung der EU-Kommission davon auszugehen, dass bei der beihilferechtlichen Beratung Fehler unterlaufen sind?

29.       Inwiefern müssen unter dem neuen Schadensausgleich (‚damage compensation scheme‘) offene COFAG-Anträge gekürzt werden?

30.       Werden Rückzahlungen wegen Überschreitung der beihilferechtlichen Schwellen mangels Berücksichtigung der Konzernbetrachtung notwendig sein?

a.          Wenn ja, von welchen Volumen geht das BMF aus?

31.       Wie viele Ergänzungsgutachten wurden von der COFAG beim sehr groß­zügigen Instrument des Umsatzersatzes in Auftrag gegeben?

32.       Wie viel Prozent der abgeschlossenen Anträge der COFAG wurden nach­träglich überprüft?

33.       Wie viel Förderungen könnten nach Einschätzungen des BMF von dem VfGH-Erkenntnis betroffen sein?

34.       Wie ist der Stand des von der ABBAG – eigentlich bis Ende September – zu entwickelnden Abwicklungskonzepts für die COFAG?

35.       Wurden die nachträglich sechsstelligen Boni-Zahlungen der ABBAG-Geschäftsführer untersucht und gegebenenfalls zurückgefordert?

36.       Wer wird für die Abwicklung verantwortlich sein?

37.       Wird der Bund oder eine andere Gesellschaft Rechtsnachfolgerin der COFAG und wenn letzteres, welche?

38.       Wie viele Förderungen werden voraussichtlich noch nicht vollständig rechtskräftig abgewickelt sein, wenn die COFAG aufgelöst wird?

39.       Wer wird nach der Auflösung der COFAG Partei in den die COFAG betreffenden Rechtsverfahren bzw -streitigkeiten sein?


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40.       Werden aktuell in der COFAG oder der ABBAG Akten vernichtet?

41.       Haben Sie alle ausgegliederten Rechtsträger, die staatliche Aufgaben wahrnehmen, angewiesen, sofort jegliche Aktenvernichtung zu stoppen?

42.       Haben Sie alle ausgegliederten Rechtsträger, die staatliche Aufgaben wahrnehmen, angewiesen, Sicherungskopien und Backups zu erstellen?

43.       Prüfen Sie Regressforderungen oder sonstige Ersatzansprüche gegen die zuständigen Personen, insbesondere den früheren Finanzminister Blümel, in Zusammenhang mit der verfassungswidrigen COFAG-Gründung und der Erstellung der Förderrichtlinien?

44.       Wann entschuldigen Sie sich bei allen Klein- und Mittelunternehmen, die durch die COFAG zu Bittsteller:innen degradiert wurden?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 2 GOG-NR zum frühest möglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Da der Herr Bundesminister angekündigt hat, gleich einzutreffen, würde ich vorschlagen, dass wir 2 Minuten warten. Ist es recht? (Bundesminister Brunner betritt den Saal. – Rufe bei der ÖVP: Ist schon da! Er kommt schon!) – Er ist schon da. (In Richtung Bundesminister Brunner:) Das war kürzer als erwartet, Herr Bundesminister, ich bin noch mitten im Referieren.

Ich darf Frau Abgeordneter Herr als Fragestellerin zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht über­schreiten darf, das Wort erteilen. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Bitte sehr.



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15.01.15

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, gerade noch rechtzeitig! Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, aber eigent­lich vor allem liebe Zuschauer und liebe Zuschauerinnen zu Hause! Ich würde heute gerne Sie adressieren und Sie ganz ehrlich fragen: Was denken Sie sich, wenn Sie hören, dass die Bundesregierung Milliardenbeträge auszahlt, es ihr aber wichtig ist, das vorbei an der Öffentlichkeit zu machen?

Was vermuten Sie, wenn Sie hören, dass die Bundesregierung Milliardenbeträge an Unternehmen verteilt, aber nicht will, dass das Parlament Einsicht bekommt, geschweige denn kontrollieren kann, wer wie viele Gelder bezieht? (Abg. Zanger: Gaunerei!) Welche Gründe kann es denn dafür geben? (Ruf bei der ÖVP: Kannst ja nachschauen!) Was denken Sie sich, liebe Zuschauer und Zuschauerinnen, wenn Sie hören, dass die Bundesregierung (Abg. Zanger: Raubrittertum! – Ruf bei der ÖVP: Es weiß jeder, was man kriegt, ... nur die Homepage aufmachen!) für ihre Geldverteilerei der Coronagelder extra eine eigene Agentur gründet, sodass Sie zu Hause ja nicht wissen, wohin diese Milliarden an Steuergeld eigentlich fließen? (Rufe bei der ÖVP: Das stimmt ja nicht! – Die Abgeordneten Hanger und Haubner: Transparenzportal! Trans­parenzportal.gv.at!)

Die Zuschauer und Zuschauerinnen zu Hause, ausgestattet mit Hausverstand, vermuten wahrscheinlich nichts Gutes. (Abg. Michael Hammer: Wieder eine Ogris-Strategie ...!) Mittlerweile können wir ihnen sagen: Es ist in Wirklichkeit noch viel schlimmer, denn seit dieser Woche ist klar, dass die Bundesregierung aus ÖVP und Grünen mittels de facto illegaler, mittels verfassungswidriger Konstruk­tion 20 Milliarden Euro verteilt hat. (Abg. Michael Hammer: Das habts ihr durchgestrichen: „illegal“! – Abg. Steinacker: Illegal ist es definitiv nicht! Man kann über rechtswidrig sprechen, aber nicht über „illegal“!)

Das hat der Verfassungsgerichtshof klargestellt. Das ist Ihre Cofag, Ihre Covid-Finanzierungsagentur (Abg. Steinacker: Ist ja unglaublich: „illegal“! Wir sind


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ja in keinem ...! – Abg. Ottenschläger: Habt ihr zugestimmt damals?): 20 Milliarden Euro verfassungswidrig ausbezahlt! (Beifall bei der SPÖ.) Das ist nicht weniger als einer der größten Finanzskandale der Zweiten Republik. (Ruf bei der ÖVP: Das ist ja allerhand! – Abg. Ottenschläger: Habt ihr zugestimmt, dem Gesetz damals?)

Was ist passiert? – Kleine Unternehmer und Unternehmerinnen haben Sie zu Bittstellern und Bittstellerinnen degradiert. (Ruf bei der ÖVP: Unfassbar!) Denen haben Sie nämlich den Rechtsanspruch auf Förderungen genommen. Mitten in einer der schlimmsten Krisen überhaupt, als die Unternehmer:innen nicht gewusst haben: Kann ich morgen aufsperren oder nicht? Kann ich meine Mitarbeiter:innen halten oder nicht?, haben Sie ihnen den Rechtsan­spruch genommen. Sie haben sie in Unsicherheit gelassen. Die kleinen und mittleren Betriebe haben eh meistens nur auf 2 000 Euro gewartet, und selbst da haben Sie sie im Regen stehen lassen und haben ihnen die Rechtssicher­heit genommen. – Auch das wurde übrigens vom Verfassungsgerichtshof gekippt, auch das.

Wir haben in der allerersten Sitzung, als Sie Ihre verhunzte Cofag ins Leben gerufen haben, schon genau darauf hingewiesen. Wir als SPÖ haben Anträge eingebracht und gesagt: Es braucht doch den Rechtsanspruch für die kleinen und mittleren Unternehmer, die können Sie doch nicht so in Unsicherheit lassen! – Sie haben das gewusst und Sie haben diese Anträge allesamt niedergestimmt. ÖVP und Grüne, wir haben Sie darauf hingewiesen! Das war nicht nur politisch fatal und unverantwortlich, das war auch verfassungswidrig! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie – diese Bundesregierung – sind leider mit Ihrer Konstruktion auf voller Linie gescheitert.

Und der springende Punkt dabei ist ja: Während Sie diese kleinen und mittleren Unternehmen, darunter viele Einpersonenunternehmen, im Regen stehen


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lassen haben, genauso wie Sie es jetzt im Übrigen mit der arbeitenden Bevölke­rung tun, die Sie der Teuerung quasi schamlos aussetzen (Widerspruch bei der ÖVP), während das auf der einen Seite passiert ist, haben auf der anderen Seite die René Benkos dieser Welt abkassiert. Unter anderem hat es durch die Cofag für einen der reichsten Menschen der Welt Millionen geregnet – Millio­nen! Ein Milliardär, der mit Millionen an Steuergeld gefördert wurde: Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen!

Herr Finanzminister, ich hoffe, Sie sprechen heute nicht von Treffsicherheit, denn, das ist belegt, die hat es nicht gegeben. Die hat es nicht gegeben! (Beifall bei der SPÖ.)

Gutsherrenartig hat das Finanzministerium die Gelder dorthin verteilt, vorbei an der Öffentlichkeit, wie man das eben wollte. Und was ist dabei rausgekom­men? – Leider, wie so oft, Bereicherung für einige wenige auf Kosten der breiten Mehrheit (Abg. Michael Hammer: So ein Unsinn!), auf Kosten der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen, die schon wieder herhalten mussten, auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung, die diese Überförderung noch finanzieren hat müssen. Das ist ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ.)

An dieser Stelle muss ich auch dazusagen: Das sage nicht nur ich (Abg. Michael Hammer: Das sagt der Krainer auch!), das sagt nicht nur die SPÖ, das sagt der Rechnungshof. Der Rechnungshof, den ich an dieser Stelle zitieren darf, hat ja Ihre Cofag ebenfalls zerpflückt und davon gesprochen, dass angesichts eines vollkommen untauglichen Förderdesigns ein – ich zitiere – „Beträchtliches Über­förderungspotenzial bei Konzernen“ vorliegt. Das sagt der Rechnungshof.

Schauen wir uns die Überförderung von Konzernen an, ich habe dazu ein paar Beispiele mitgebracht. Nur damit mich niemand falsch versteht: Diese Beispiele habe ich im Übrigen nicht mitbringen können, weil wir das parlamentarisch kontrollieren konnten (Abg. Michael Hammer: Weil sie öffentlich abrufbar sind!), sondern weil die EU Sie dazu gezwungen hat, zumindest einen Teil der Empfänger der Coronagelder zu veröffentlichen. Das war also sozusagen nicht


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Ihre Leistung, sondern nur die der EU, die zumindest einen Teil an Transparenz eingefordert hat. Volle Transparenz fehlt ja bis heute.

Kennen wir überhaupt diese Zahlen? – Fangen wir mit Nummer eins an: McDonald’s. Ich habe diesen Konzern auch ein bisschen deswegen ausgewählt, muss ich sagen, weil der ja bei Ihnen gerade sehr hoch im Kurs ist, auch bei Kanzler Nehammer. Sein Rezept gegen die Kinderarmut kennen wir ja: ein Burger von McDonald’s. Frei nach dem Motto: Wenn sie kein Geld haben, dann sollen sie doch Burger und Fastfood essen! – Aber gut.

McDonald’s als internationaler Konzern hat beispielsweise in der Coronazeit Rekordumsätze verzeichnet. (Abg. Ottenschläger: ... österreichisches Unternehmen! Franchisenehmer ...! – Abg. Wöginger: Ja, weil die Sozis alle hingehen!) Der Fixkostenersatz, der Umsatzersatz, die Kurzarbeitsentschädigung, die Halbierung der Mehrwertsteuer, das alles wurde nämlich gleichzeitig ausbezahlt, während McDonald’s übrigens offen hatte und weiterhin laufend Einnahmen verzeichnet hat. (Ruf bei der ÖVP: Dass das Franchisenehmer sind, das wissen Sie nicht, oder? – Abg. Ottenschläger: Österreichische Unternehmer!)

Brancheninsider – das bin wieder nicht ich, ich kann da aus der Branche zitie­ren – sprechen selbst von absoluten Rekordjahren für McDonald’s. Die Kunden und Kundinnen hatten davon übrigens nichts, außer dass sie das mit ihrem Steuergeld finanziert haben. (Abg. Steinacker: Na hoffentlich haben sie ein Essen gekriegt dafür, wenn sie einkaufen gegangen sind!) Rekordgewinne für McDonald’s, finanziert durch unser aller Steuergeld – na super, das ist die Leistung Ihrer Cofag! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: So wissensbefreit!)

Denn – und da kommen wir zu einem weiteren Konstruktionsfehler –: Finan­zielle Verluste waren ja gar nicht Voraussetzung dafür, dass man Hilfen erhält. (Abg. Ottenschläger: Aber damals konnte es nicht schnell genug gehen!) Dadurch haben ja auch Unternehmen, die wirklich gute Bilanzen geschrieben haben, die gute Wirtschaftsjahre verzeichnet haben, trotzdem abkassiert – vollkommen absurd!


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Um das ein bisschen in Perspektive zu rücken: Bei uns hat sich ein Gastronom aus Salzburg gemeldet, aus der Stadt Salzburg (Abg. Michael Hammer: Der Herr Schellhorn, oder?) – nein, es war nicht Herr Schellhorn –, der eine Gastronomie mit 20 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen hat und der gleichzeitig um Hilfen angefragt hat. Was glauben Sie, wie viel er erhalten hat? – Richtig: null. Null!

Bis heute wartet er auf sein Geld. Er hat natürlich hohe Fixkosten, er hat immer höhere Mieten zu zahlen – auch beim Mietpreisdeckel bringen Sie ja nichts weiter –, er hat hohe Kosten. Er hat um 80 000 Euro angefragt, erhalten hat er: nüsse. Er musste mittlerweile einen Überbrückungskredit aufnehmen und zahlt fette Zinsen, weil er nichts bekommen hat, während bei McDonald’s die Kassen geklingelt haben. (Ruf bei der ÖVP: Aber viele andere Gastronomiebetriebe haben ... bekommen!) Das ist die Leistung Ihrer Cofag-Finanzierungsagentur! (Beifall bei der SPÖ.)

Gehen wir aber weiter: Mediamarkt beispielsweise. Die Filialen haben in Summe 19 Millionen Euro Steuergeld bekommen – nicht um ihr Überleben zu sichern, da wären wir als Sozialdemokratie ja immer dafür gewesen, nein, um die Gewinne zu steigern. Die haben nämlich im selben Jahr ihre Gewinne je nach Filiale zwischen 20 und 130 Prozent gesteigert und dann noch eine Dividende in der Höhe von 63 Millionen Euro für die Aktionäre und die Aktionärinnen ausbezahlt – alles gefördert mit unserem Steuergeld: unser Steuergeld für die höheren Dividenden der Aktionäre und Aktionärinnen.

Gehen wir gleich weiter: Starbucks. Das ist auch so ein Unternehmen, das sich im Vermeiden vom Steuerzahlen relativ gut auskennt. Da wissen wir, im Jahr 2019 hat Starbucks in ganz Österreich nicht einmal 3 000 Euro Steuern auf seine Gewinne gezahlt. Im Jahr darauf hat dann Starbucks das 280-Fache an Fördergeld bezogen. Na super! (Abg. Greiner: Skandal! – Abg. Lindner: Unglaublich!) Einem Konzern, der hier nicht einmal seine Steuern zahlt, dem haben wir auch die Gewinne erhöht und auch da wiederum die Aktionäre und Aktionärinnen mit ein bissel Geld versorgt – mit unserem Steuergeld. Das ist das Ergebnis von Schwarz und Grün. Gratuliere! (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich nenne jetzt noch ein letztes Beispiel; ich höre dann schon auf, obwohl die Liste ja sehr, sehr lang wäre. Wie war das zum Beispiel mit Kika/Leiner? Auch der ÖVP-Freund und Milliardär René Benko hat für seine Firmen Staatshilfen in der Höhe von 10 Millionen Euro bekommen, obwohl es ihm im Krisenjahr prächtig gegangen ist: Er zahlte sich, also der Signa-Group, eine Dividende von 100 Millionen Euro aus. So knapp bei Kasse kann er also nicht gewesen sein; er hat sich in dieser Zeit auch einen Gutshof um 30 Millionen Euro gekauft. Alles schön für ihn, sehr schön, aber trotzdem hat er fett abgecasht. Im Übrigen hat Kika/Leiner – wir haben uns das angeschaut – fast zehnmal so viele Förderungen bekommen wie XXX-Lutz, obwohl XXX-Lutz doppelt so groß ist. Was da genau in Ihrer Cofag eigentlich passiert ist, das wirft sehr viele Fragen auf. Das ist wirklich spannend. (Beifall bei der SPÖ.)

Und was hat uns das unterm Strich politisch gebracht, diese 10 Millionen oder, ich glaube, 9 Millionen Euro, um korrekt zu sein, für Kika/Leiner, die wir ausbezahlt haben? – Eine der größten Insolvenzen überhaupt hat es uns gebracht, dass fast 2 000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihren Job verloren haben, hat es uns gebracht, obwohl die gar nichts dafürkonnten. Die haben nämlich keinen einzigen Cent dieser Förderungen bekommen, die waren lediglich die Leidtragenden. Das hat es uns gebracht! Und der größte Gläubiger bei dieser Insolvenz: die Republik. Wir zahlen also doppelt drauf, doppelt zahlen sie drauf, die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen. Das ist das Ergebnis Ihrer Cofag-Finanzierungsagentur. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt, Herr Minister, es sind unendlich viele Fragen offen: Wie hoch waren denn die durchschnittlichen Überförderungen, die ja auch vom Rechnungshof bestätigt sind? Wie hoch waren denn die durchschnittlichen Auszahlungen zum Beispiel an die top 10 Prozent der Unternehmen, die abgecasht haben? Wie hoch denn jene an das top 1 Prozent? – Wir sind sehr gespannt auf Ihre Antwor­ten, denn das muss aufgeklärt werden.

Und noch etwas muss passieren, liebe Zuschauer und Zuschauerinnen zu Hause: Wir müssen diesen Cofag-Finanzskandal natürlich in den heutigen Kontext


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setzen, wir müssen das politisch einordnen. Wir diskutieren nämlich gerade ein Budget, bei dem wir um 20 Milliarden Euro mehr ausgeben, als wir einnehmen. In diesem Zusammenhang muss man natürlich sagen: Das Geld, das Sie da teilweise vollkommen ungerechtfertigt aus dem Fenster geworfen haben, fehlt uns natürlich heute. Das fehlt uns an so vielen verschie­denen Ecken und Enden. Es war einfach unverantwortlich, dass Sie diese Überförderung zugelassen haben – unverantwortlich, intransparent und verfas­sungswidrig, aber vor allem falsch, politisch falsch! (Beifall bei der SPÖ.)

Jeder von uns spürt das, wenn er im Supermarkt steht, wenn er beim Hofer steht und die Preise anschaut. Dafür reicht es jetzt nämlich nicht: für echte Bekämpfung der Inflation und für Antiteuerungsmaßnahmen. Dafür reicht das Geld jetzt nämlich nicht. Sie haben das lieber gutsherrenartig im Finanz­ministerium verteilt. Schon längst könnten wir zum Beispiel sagen, wir streichen die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel, für das Notwendigste, was die Menschen zum Leben brauchen. Wir fordern das als SPÖ immer und immer wieder. Nein, da sagen Sie, dafür reicht das Geld nicht. Na super! Für die Cofag hat es gereicht, aber für die arbeitenden Menschen, die tagtäglich die hohen Preise zahlen, reicht es nicht. Das muss man gegenüberstellen.

An der Stelle will ich auch ganz deutlich sagen: Dieses viele Geld, mit dem hier überfördert wurde, das fordern wir natürlich zurück! (Beifall bei der SPÖ.) Wir wollen nicht nur Transparenz, wir wollen heute auch Gerechtigkeit einfordern. Wir sind nicht der Bankomat der Superreichen in diesem Land und schon gar nicht der Konzerne. Es kann kein Weiter-so geben, es braucht die Aufklärung, es braucht die Gerechtigkeit und es braucht natürlich die Rückzahlung dieser Milliarden an Steuergeld, sollten sie ungerechtfertigt ausbezahlt worden sein. (Rufe bei der ÖVP: Sollten! Sollten!)

Deshalb stellen wir auch diese Dringliche Anfrage heute. – Herr Finanzminister, welcher Betrag an Hilfszahlungen wurde denn bereits zurückgefordert? Ich meine, das Urteil vom Rechnungshof kennen wir ja schon seit Monaten. (Abg. Hanger: „Urteil“?!) Wieso sind Sie denn da nicht tätig geworden? Wie viel Geld ist


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denn tatsächlich zurückgeflossen? (Abg. Wöginger: „Urteil“ des Rechnungshofes?!) Wie viele Hilfszahlungen wurden zurückverlangt? Wir sind sehr gespannt auf diese Antworten. (Abg. Heinisch-Hosek – in Richtung Abg. Wöginger –: Eine Beurteilung! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich komme jetzt langsam zum Schluss. Die Stimmung hier herinnen kocht, ich kann das verstehen: Es geht um 20 Milliarden Euro, die verfassungswidrig ausbezahlt wurden. (Abg. Wöginger: Denkts einmal dran, was ihr schon alles owe­draht habts!) Der Punkt ist: Wäre all das vermeidbar gewesen? Oder – diese Frage muss man jetzt einmal in den Raum stellen –: War dieses gesamte Cofag-Konstrukt überhaupt notwendig, Ihre Art des Geldverteilens? – Nein! Wir haben das von der allerersten Sitzung an, in der diese Cofag ins Leben gerufen wurde, kritisiert und Alternativvorschläge eingebracht, nämlich dass beispielsweise die Finanzämter, die tatsächlich zuständig gewesen wären, die auch die Fach­expertise, die notwendige Erfahrung gehabt hätten, die Abwicklung hätten übernehmen sollen. Das haben wir eingefordert.

Wir haben immer davor gewarnt, immer darauf hingewiesen, dass es problema­tisch sein kann, wenn Sie das an diese Cofag auslagern. Und der Verfas­sungs­gerichtshof hat uns jetzt recht gegeben: Es war überhaupt nicht notwendig, dass Sie diese Agentur gründen. (Abg. Michael Hammer: Das hat er nicht gesagt!) Wir haben es jetzt schwarz auf weiß. Von Anfang an hätten beispielsweise die Finanzämter dafür zuständig sein können, dann hätten wir auch die Kontrolle gehabt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben Sie von Anfang an darauf hingewiesen, Sie haben das alles gewusst. (Abg. Haubner: Finanzexpertin!) Herr Finanzminister, Sie waren damals noch nicht in der Funktion des Finanzministers, das stimmt, aber Sie waren Teil der Regierung – genauso wie Kanzler Nehammer, genauso wie Vizekanzler Kogler. Der hat sich überhaupt gefreut, dass er überall mit dabei am Tisch sitzen kann. Die Grünen haben alles mitgetragen, alles mitgedeckt, alles auch mitver­teidigt, bis zum Schluss – dass Sie diesen Bankomaten für Millionäre und


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Konzerne, die Cofag, gebaut haben, mit Richtlinien, die in Wirklichkeit dazu geführt haben, dass Ihren Freunden sehr schnell geholfen wurde, während alle anderen der Willkür ausgesetzt wurden. (Abg. Wöginger: Wie sieht denn das der Gusenbauer?)

Die Struktur – Herr Wöginger, hören Sie vielleicht zu! – der Cofag ist ein weiterer sehr spannender Aspekt. Die Frage ist: Wie viel hat uns denn diese Entscheidung, die Sie da getroffen haben, dass Sie ja vorbei an der Öffentlichkeit diese Gelder verteilen konnten, gekostet? Auch das hat der Rechnungshof hervorgehoben. Siehe da: Die Cofag hatte gar nicht die Expertise, die es braucht, die musste erst wieder von externen Dienstleistern zugekauft werden: Gutachten, externe Expertise. Wissen Sie, was uns das gekostet hat, Ihre Cofag, nur das Konstrukt als solches? – 70 Millionen Euro. (Abg. Heinisch-Hosek: Na super!) Damit könnten wir für 1 500 Kinder einen qualitativen Kinderbetreu­ungs­platz schaffen. (Beifall bei der SPÖ.) Sie aber haben das Geld stattdessen lieber für Ihr Konstrukt verwendet.

Da rede ich noch gar nicht von den Geschäftsführergagen, die sie sich dann in der Cofag ausbezahlt haben. Ich erwähne das nur kurz, die Liste an Skandalen ist ja so lang: Natürlich gab es zwei Geschäftsführer, ganz klar. Der von der ÖVP hat auch mehr verdient als der von den Grünen. So viel Ordnung muss natürlich sein; alles, was recht ist, das muss natürlich klargestellt werden. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Da platzt einem wirklich fast der Kragen, wenn man daran denkt, dass Sie selbst in der allergrößten Krise, mitten im Coronachaos noch die Chance für Klientelpolitik genutzt haben und für Ihre eigenen Leute gscheit zugelangt haben. Das ist passiert. (Abg. Michael Hammer: Wie ist das mit den Schrebergärten?)

Ich komme jetzt zum Schluss. (Ruf bei der ÖVP: Na geh! – Abg. Hörl: Höchste Zeit!) Das Einzige, was dem Herrn Finanzminister als Reaktion auf diese vielfältige Kritik eingefallen ist, ist die Ankündigung, dass die Cofag jetzt eh abgewickelt


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wird. – Ja, das kennen wir schon, wie die ÖVP die Dinge abwickelt. Und wenn wir jetzt ganz, ganz leise sind, dann hören wir vielleicht schon die Schredder, die angeworfen werden (Heiterkeit bei der SPÖ – Abg. Michael Hammer: Mein Gott, sind wir lustig heute!), um ja sicherzustellen, dass nicht aufgeklärt wird. Das haben wir nämlich in der Vergangenheit auch gelernt. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb ist klar: Es braucht Datensicherungsmaßnahmen jetzt, sonst sind die Daten weg. Das haben wir gelernt. Auf Einsicht von ÖVP und Grünen warten wir ja vergeblich. Also, das hätte ich noch nicht mitbekommen, dass jetzt irgendjemand hier von einem Schuldeingeständnis spricht, dass man sich für einen der größten Finanzskandale der Zweiten Republik entschuldigt.

Ich meine – Entschuldigung! –, setzen wir das einmal in den Vergleich: Da sind die Eurofighter Peanuts dagegen, bei den Summen, von denen wir da sprechen. Das übersteigt die Hypo! (Abg. Hörl: Die Hypo! Genau!) Das ist größer als alles, was wir in den letzten Jahren diskutiert haben – nur damit wir wissen, wovon wir sprechen, meine Damen und Herren, auch zu Hause! (Abg. Hafenecker: ..., das ist mehr wie Kommunalkredit, Konsum, AKH und die Gewerkschaft zusammen!)

Das ist Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit. Das ist Umverteilung von unten nach oben, wie sie im Buche steht. Das ist, wie die ÖVP Politik macht, wie die ÖVP immer Politik gemacht hat, weil es ihre Identität ist, weil sie gar nicht anders kann, weil sie selbst in der allergrößten Krise noch schaut, wie ihre Freunde, wie die Vermögenden, wie die Reichen, wie die Konzerne ein ordent­liches Stück reicher werden, selbst in der größten Krise. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: Unerhört! Unerhört!)

Die Cofag ist keine Lappalie, und sie ist schon gar kein Fehler im System. Solange die ÖVP in der Regierung ist, hat diese Politik System. (Abg. Martin Graf: Ihr seid ja schuld, dass die in der Regierung sind!) Und deshalb: Ich weiß es, liebe Regierungsparteien, Sie wehren sich mit aller Kraft gegen Transparenz und Kontrolle und setzen alles daran, einen Mantel des Schweigens über einen der


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größten Finanzskandale der Zweiten Republik zu breiten. Es ist jetzt die Aufgabe des Parlaments, diesen Mantel des Schweigens zu zerschneiden, ganz im Sinne des heiligen Martins, der bald wieder gefeiert wird. (Abg. Wöginger: Ja genau! Der heilige Martin, na das war ein Sozialist! Na bist deppert!)

Der Verfassungsgerichtshof hat uns alle Möglichkeiten dafür gegeben. Es kann kein Weiter-so geben. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.) Es braucht die Transparenz und die Aufklärung. – Vielen Dank. (Lebhafter Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP. – Abg. Herr begibt sich zur Regierungsbank und reicht Bundesminister Brunner sowie Bundesministerin Raab die Hand.)

15.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundes­minister. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Der ... wird’s richten, nicht der heilige Martin!)


15.21.52

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Vielleicht darf ich zu Beginn ein paar Dinge klarstellen und erläutern, damit wir von denselben Dingen und denselben Realitäten sprechen.

Die Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes, also die Cofag, wurde, übrigens auch mit Zustimmung Ihrer Partei (in Richtung SPÖ), die die Anfrage gestellt hat (heftiger Widerspruch bei der SPÖ), von meinem Vorgänger gegründet (Abg. Wurm: Wir waren auf alle Fälle nicht dabei! Wir waren nicht dabei! Alle anderen waren immer dabei! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), und zwar mit dem Ziel, Unternehmen, die in Schwierigkeiten geraten sind, nämlich pandemiebedingt in Schwierigkeiten geraten sind, finanziell zu unterstützen. Für uns war daher auch von vornherein immer klar, dass die Cofag eine Institution ist, die ein Ablaufdatum hat.


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Die Cofag hat mittlerweile übrigens 99 Prozent der über 1,3 Millionen Anträge von 660 000 Antragstellerinnen und Antragstellern abgearbeitet und rund 15 Milliarden Euro an Hilfen ausbezahlt. Das sind durchschnittlich 22 300 Euro pro Antragsteller. Die Cofag hat ihre Aufgabe also durchaus erfüllt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wie die meisten anderen Länder auf der Welt hat auch Österreich natürlich sehr viel Geld in die Hand genommen, um Betriebe und damit auch Arbeitsplätze entsprechend zu retten. Der Staat war mit einer Notsituation, mit einer außerge­wöhnlichen Notsituation, konfrontiert, in der Menschen, in der Unternehmen rasch mit Liquidität versorgt werden mussten. Es musste rasch gehen (Abg. Lindner: ... Finanzamt!), und das muss, glaube ich, in dem Zusammenhang auch klargestellt werden.

Zur Struktur der Förderungen vielleicht ein paar Sätze: Ja, es gibt durchaus berechtigte Kritik, dass manche Hilfsinstrumente, gerade die ersten Instrumente, im Hinblick auf die Treffsicherheit – Sie haben es angesprochen – durchaus kritikwürdig waren. Diese sind aber bereits vor Jahren korrigiert worden, das ist ja schon vor Jahren entsprechend angepasst worden.

In Summe zeigt sich auf jeden Fall, dass gerade durch das schnelle Helfen, durch das intensive Helfen, durch das schnelle Reagieren großer wirtschaftlicher Schaden von der Gesellschaft insgesamt und auch von unserem Wohlstand abgewendet werden konnte.

Und ganz ehrlich gesagt, ein paar offene Worte: Wenn man Ihrer Argumentation folgen würde, könnte man eigentlich fast glauben, dass es besser gewesen wäre, keine Hilfen auszuzahlen. (Abg. Krainer: Hallo! – Abg. Herr: Nein, übers Finanz­amt! – Abg. Krainer: Aber hallo! – Abg. Kollross: ... transparent ...! – Abg. Heinisch-Hosek: Sie drehen einem das Wort im Mund um!) – Also das, glaube ich, wäre relativ unverantwortlich und eigentlich auch rechtswidrig gewesen, denn wie der Verfassungsgerichtshof (Abg. Kollross: ... Transparenz!) – da können wir kurz über das Verfassungsgerichtshofurteil sprechen – nämlich in seinem Urteil auch


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feststellt, hat für die Hilfen eben ein Rechtsanspruch bestanden. Das heißt, nichts auszuzahlen, keine Hilfen auszuzahlen war rechtlich keine Option. Sie widersprechen sich also (Abg. Herr: Na, na, na, na!) in Ihrer Antragstellung ja auch sehr. (Abg. Heinisch-Hosek: Nein! Überhaupt nicht! Sie haben nicht zugehört! – Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben also mit einer umfassenden Förderstruktur großflächige Insolvenzen und Gott sei Dank auch Massenarbeits­losigkeit verhindern können. Ich glaube, das muss man in dem Zusammenhang auch klarstellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das ist auch wieder etwas, das ja nicht wir behaupten, sondern das behaupten externe Expertinnen und Experten, das zeigen die Wirtschaftszahlen, und das wird auch in mehreren Studien belegt. Da muss man sich nur die objektiven Studien anschauen: Ohne Covid-Maßnahmen – das steht in diesen Studien – wären mehr als 10 Prozent aller heimischen Unternehmer illiquid geworden. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Abg. Herr: Wir sind nicht gegen Hilfen, wir sind für transparente Hilfen!) Das hätte zu einem Beschäftigungsverlust von 200 000 Arbeitsplätzen geführt. (Abg. Stöger: ... das Epidemiegesetz ausgesetzt!) 200 000 Menschen wären dadurch arbeitslos geworden, daher war natürlich besonders rasche Hilfe notwendig (Zwischenruf des Abg. Kollross), und über die Cofag wurde das schlussendlich auch gewährleistet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Krainer: Wer schreibt Ihnen diese Rede?)

Mit einem Blick in die Transparenzdatenbank – wenn man es machen würde – wird auch klar, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer, die wir als Staat in der Coronakrise unterstützt haben, aus allen politischen Lagern kommen. Das hat nichts mit einer Partei zu tun. (Abg. Matznetter: Um das geht’s nicht!) Sie kommen interessanterweise aus allen politischen Lagern und sind auch nicht politisch zuordenbar. (Abg. Hafenecker: Aber die Geschäftsführer waren es schon!) Um das geht es nicht, dass jemand politisch zuordenbar ist, wie Sie


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unterstellen, sondern es geht eben um die Notwendigkeit der Unterstützung. (Abg. Kollross: Transparenz!)

Also bitte hören Sie auf, zu behaupten, diese Bundesregierung hätte nur ihre Klientel bedient! Das ist einfach komplett daneben! (Abg. Steinacker: Falsch ist es! Falsch!) Das stimmt einfach nicht, und das lässt sich auch nachvollziehen (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen), man muss nur einen ent­sprechen­den Blick in die Transparenzdatenbank werfen.

Also: Es ging um notwendige Hilfen in einer Zeit, als aus gesundheitlichen Gründen unterschiedliche Lockdowns notwendig gewesen sind. Genauso wird mit Blick in die Transparenzdatenbank übrigens auch klar, dass zwei Drittel des Volumens der Hilfen an Unternehmen mit unter 50 Mitarbeitern ausbezahlt worden sind – zwei Drittel an Unternehmen mit unter 50 Mitarbeitern! –, nur dass man sich da auch einmal die klaren Zahlen hernimmt. (Abg. Herr: Laut Rechnungshof haben vor allem die großen profitiert!) Übrigens: 90 Prozent der Hilfen sind an Klein- und Mittelbetriebe geflossen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe das gestern schon gesagt, es ist im Rückspiegel der Geschichte natürlich immer einfach, auf die Pandemie zu blicken. Ja, das ist klar, und daher sollte die SPÖ, glaube ich, statt hier nur zu kritisieren, vielleicht auch darauf hinweisen, dass sie eben bei der Cofag-Gründung mitgestimmt hat. Ich habe das vorhin schon gesagt. (Abg. Heinisch-Hosek: Abänderungsvorschläge!) Und nun, weil es vielleicht politisch opportun ist, kritisiert man die Gründung und alles rund um die Cofag – man macht es halt, weil es so toll ist, oder auch, weil es so super populistisch klingt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Heinisch-Hosek: Seit wann polemisiert man von der Regierungsbank aus so viel? Das ist neu!)

Was schon auch interessant ist in dem Zusammenhang: Wie ist es denn überhaupt zu diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gekommen? Das


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ist nämlich auch interessant, und das wird oft verschwiegen! Der Ausgangs­punkt des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof ist ein Unternehmen, das im alleinigen Eigentum der Stadt Wien steht – dieses hat die Klage eingebracht – und das nicht gefördert wurde; das nicht gefördert wurde! (Abg. Heinisch-Hosek: Das Ergebnis ist doch wichtig!) Deswegen hat es die Klage eingebracht.

Was hat der Verfassungsgerichtshof entschieden? – Zu Recht hat es keine Förderung bekommen. (Oh-Rufe bei der ÖVP!) Zu Recht hat es keine Förderung bekommen. (Abg. Heinisch-Hosek: Ätschibätsch! Oder was ist das? Das ist ja unglaublich!) „Keine Bedenken“ – ich zitiere – hegt der Verfassungsgerichtshof gegen den Ausschluss von Unternehmen „im alleinigen Eigentum der öffentlichen Hand“. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Matznetter: Unfassbar!)

Es ist extrem interessant, wenn man es dann wirklich auch an den Fakten misst. (Abg. Scherak: Wenn man es verstehen würde, wäre es interessant!) Während Sie jetzt da im Parlament sitzen und so tun, als wären Unternehmen überfördert worden (Abg. Herr: Teilweise! Manche nicht! – Abg. Steinacker: ... macht Einschränkungen! Schau, schau!), klagen Unternehmen der Stadt Wien wegen einer zu geringen Förderung und verlieren das Urteil beziehungsweise den Prozess noch. (Abg. Herr: Viele zu wenig, manche zu viel!) Das ist eigentlich schon alles sehr interessant. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Michael Hammer: Die Wiener SPÖ ist immer Teil der Bundes-SPÖ! – Abg. Kollross: ... Überförderung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Zum Punkt der von Ihnen unterstellten mangelnden Transparenz in diesem Zusammenhang: Es gibt, sehr geehrte Damen und Herren, kaum eine Fördereinrichtung im Bund, die transparenter ist und auch immer so intensiv geprüft wird wie die Cofag, die Covid-19-Finanzierungsagentur. Ich sage Ihnen auch, warum und in welchem Zusammenhang: monatliche Berichtspflichten (Abg. Herr: Ans Parlament oder an wen? Hab ich verpasst!) – ja, monatliche Berichtspflichten, ich erwarte mir von Ihnen eigentlich ein Nicken –, rund 50 parlamentarische Anfragen, die beantwortet worden sind, die


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Veröffentlichung von Hilfen über 10 000 Euro in einer Transparenz­datenbank (Abg. Steinacker – in Richtung Abg. Herr –: Hast schon mal reingeschaut? – Abg. Herr: Ich habe daraus zitiert!) – ja, reinschauen muss man natürlich auch, das stimmt –, der Beirat und der Aufsichtsrat der Cofag (Abg. Herr: Der stumm ist! Der nichts sagen darf!), die europäische Transparenzdatenbank, die Berichte, die auf der Cofag-Homepage veröffentlicht sind und öffentlich zugänglich sind, die gemeinsam mit dem Vizekanzler erlassenen Richtlinien, aus denen die Förderbe­dingungen abzulesen sind, und auch der Rechnungshofbericht – selbstver­ständlich.

Das sind alles Dinge, mit denen man Transparenz sehr wohl auch entsprechend darstellen kann. (Abg. Heinisch-Hosek: Und genug Kritik, oder?) Natürlich veröffentlichen wir auch das Abwicklungskonzept, das Sie angesprochen haben, das die Abbag aktuell ausarbeitet.

Ja, wir hatten in diesem Zeitraum die größte Krise der Zweiten Republik – da sind wir uns Gott sei Dank einig –, und ja, es mussten rasch viele Entscheidungen von doch großer Tragweite richtig getroffen werden. Vielleicht wurde nicht immer jede Entscheidung zu 100 Prozent richtig getroffen – das stimmt auf jeden Fall, so ehrlich muss man sein, das habe ich hier im Parlament auch bereits des Öfteren erwähnt.

Im Verlauf der Pandemie wurde aber auch dazugelernt. (Ruf bei der SPÖ: Na ja, viel nicht!) Das war natürlich ein Prozess von Beginn an, dann im Laufe der Pandemie, da ist natürlich auch viel geändert worden. Die Opposition hat sich in diesem Zusammenhang eigentlich doch auch immer einer gewissen Verant­wortung entzogen und auch die Möglichkeit, an einem Beirat teilzunehmen, abgelehnt. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist einfach nicht wahr!) – Das muss man schon betonen (Abg. Meinl-Reisinger: Nein!), weil Sie es halt immer wieder abstreiten. (Abg. Scherak: Man muss es einmal betonen, ...! – Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Herr.) Sie hätten die Möglichkeit gehabt, haben es aber leider nicht gemacht – das ist schade. Diese Mitarbeit wäre, glaube ich, im Sinne der Demokratie und auch im Sinne von noch mehr Transparenz durchaus geboten


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gewesen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: ... entschuldigen, Herr Minister! – Abg. Meinl-Reisinger: Das war einfach schlecht gemacht!)

Noch ein interessanter Zusammenhang bei all diesen Themen, weil Sie es erwähnt haben – ein Wort über die Hilfen an bestimmte Unternehmen, die im Titel Ihrer Anfrage ja auch erwähnt worden sind: Während die SPÖ diese Hilfen kritisiert (Abg. Herr: Die Überförderungen! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) – okay, kann man machen; alle Förderungen sind übrigens nach denselben Richtlinien vergeben worden (Abg. Heinisch-Hosek: Kennen wir die Richtlinien?), sie sind öffentlich und können auch in einer Transparenzdatenbank abgefragt werden, wenn man reinschaut, wenn man das nicht macht, natürlich nicht, und es ist natürlich auch bereits zu Rückforderungen gekommen; ich komme dann in der konkreten Beantwortung der Frage noch dazu –, schreckt die SPÖ im Insolvenzverfahren gegen Kika/Leiner vor der eigenen Verant­wortung zurück.

Ich sage Ihnen auch, warum: Das Angebot, dass sich der ursprüngliche Eigentümer der Kika/Leiner-Kette mit 20 Millionen Euro sozusagen freikaufen kann, wurde von der Gewerkschaft unterstützt (Ah-Rufe bei der ÖVP), vom Finanzministerium abgelehnt. Wir haben es abgelehnt, weil es zu wenig war, und die Gewerkschaft hat es unterstützt. (Rufe bei der ÖVP: Aha!) Also bitte: Seien wir ehrlich und legen wir einmal die Fakten auf den Tisch! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Herr: Hat das damit irgendwas zu tun? – Abg. Heinisch-Hosek: Themenverfehlung! Falsches Thema!) – Es ist halt so.

Ich habe ehrlicherweise mit dieser Vorgehensweise keine Freude gehabt, über­haupt nicht, und der Anwalt der Republik, die Finanzprokuratur, hat sich auch entsprechend dafür eingesetzt, dass es eben zu keiner Zustimmung kommt (Abg. Herr: Habt ihr eigentlich Sicherheiten geholt von der Signa, bevor Sie die Stundungen ermöglicht haben?), aber leider hat die Gewerkschaft dieser Lösung schluss­endlich zugestimmt – schade, aber es ist halt so, es gibt halt auch Mehrheiten. Wir haben uns dagegen gewehrt, und die Finanzprokuratur hat da wirklich


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ausgezeichnete Arbeit geleistet. Wir hätten uns mehr an Rückzahlung erwartet – ja, wir hätten uns mehr erwartet –, aber das wurde leider verhindert.

Sehr geehrte Damen und Herren, wie vorhin gesagt: Im Rückspiegel der Geschichte ist vieles leicht, vor allem auf die Pandemie zu blicken ist leicht. Daher nochmals: Ich glaube wirklich, mit der Cofag wurden Hunderttausende Arbeits­plätze gerettet, auch Hunderttausende Unternehmen wurden gerettet, und der Vergleich mit anderen Ländern zeigt uns ja, dass die Hilfen in Österreich sehr gut funktioniert haben. Das zeigt ja auch das Wirtschaftswachstum (die Abgeord­neten Herr und Meinl-Reisinger: Welches Wirtschaftswachstum?), das wir dann im Jahr nach der Pandemie gehabt haben – das betrug 5 Prozent. (Abg. Steinacker: Das ist ja nachweisbar! – Abg. Matznetter: ... eine Rezession! – Abg. Herr: Die drittschlechteste Performance in der Eurozone!)

Um Gottes willen – ah, dann muss man noch einmal darüber reden: Damals, nach der Coronapandemie, gab es ein Wirtschaftswachstum von 5 Prozent. Wir reden jetzt von der Pandemie, oder? Die Anfrage ist schon zur Cofag, die damals in der Pandemie zuständig war.

So, und jetzt ist das Urteil da. Gott sei Dank ist jetzt das Verfassungsgerichts­hof­urteil endlich da, jetzt haben wir Klarheit und jetzt können wir auch diesen Abwicklungsprozess, den wir vor einigen Monaten ja schon begonnen haben, mit den Ergebnissen aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ent­sprechend finalisieren und dann auch das Abwicklungskonzept vorlegen. Daher war es auch klug vom Verfassungsgerichtshof, dass man eine Frist bis Ende Oktober 2024, also nächstes Jahr, eingeräumt hat, weil damit gewährleistet ist, dass alle Anträge auch abgearbeitet werden können.

Klar ist nun, dass wir diese Covid-19-Krise hinter uns bringen und in die Zukunft schauen müssen und auch ein Abwicklungskonzept auf den Tisch legen – das werden wir Ihnen selbstverständlich, sobald wir die Erkenntnisse des Verfassungs­gerichtshofes eingearbeitet haben, auch entsprechend präsentieren.


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Jetzt darf ich zu Ihren konkreten Fragen kommen:

Zur Frage 1:

Der Auszahlungsstand per 18. Oktober 2023 für nicht rückzahlbare Direktzuschüsse und schlagend gewordene Garantien beträgt 15,6 Milliarden Euro.

Zur Frage 2:

Die Angaben zu Förderhöhe und individuellen Empfängern ab 10 000 Euro können der Transparenzdatenbank entnommen werden.

Zur Frage 3:

Seit Gründung fielen 0,5 Prozent der aufgewendeten Mittel an.

Zur Frage 4:

Für beide sind es rund 500 000 Euro pro Jahr.

Zur Frage 5:

Die Antwort auf beide Fragen lautet: Ja.

Zur Frage 6:

Bis zum 30. September 2023 circa 10,5 Millionen Euro.

Zur Frage 7:

Aktuell sind, nach den mir vorliegenden Informationen, rund 6 000 Anträge offen.

Zu den Fragen 8 und 9:

Es wird bezüglich der eingesetzten VBÄ - - Entschuldigung, wir haben die Inhalte in letzter Minute noch zusammentragen müssen. – Es wird auf die Beantwortung


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der schriftlichen parlamentarischen Anfragen Nummer 12111/J und Nummer 15839/J verwiesen. (Abg. Krainer: Geh bitte!) – Ich komme schon noch dazu, nicht gleich aufregen, Herr Abgeordneter Krainer! – Es waren 2020 28, 2021 380, 2022 560 und von Jänner bis Juli 2023 195. Das entspricht einem durchschnittlichen Personalaufwand von 1 680 Leistungsstunden pro Jahr.

Bezüglich der Kosten wird ebenso auf die Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nummer 15839/J verwiesen. Die Kosten einer Außenprüferin beziehungsweise eines Außenprüfers im Finanzamt Österreich betragen im Schnitt 68 950 Euro.

Zur Frage 10:

In rund 5 000 mit einem Volumen von knapp 93 Millionen Euro.

Zur Frage 11:

Bis dato circa 25 Millionen Euro.

Zur Frage 12:

Per 30.9.2023 rund 13,5 Millionen Euro.

Die Antwort auf Frage 13 müssen wir leider nachreichen, da haben wir jetzt auf die Schnelle die Antwort nicht bekommen, aber wir werden sie selbstver­ständlich, sobald wir sie haben, nachliefern.

Zur Frage 14:

Bis 30. September 2023 waren es 52,6 Millionen Euro. Grundlage dieses Betrages sind 3 823 Korrekturmeldungen.

Zur Frage 15:

Zum Stichtag 19.10.2023 wurden bisher zwei Klagen eingebracht.


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Zur Frage 16:

In keinem.

Zur Frage 17:

Da es keines gab, natürlich keiner.

Zur Frage 18:

Im Zuge von Ergänzungsgutachten beziehungsweise von Förderüberprüfungen.

Zur Frage 19:

Die Änderung der Förderlogik hin zur Berücksichtigung von Kostenfaktoren wurde realisiert. Dies wurde etwa durch die Abkehr von Förderinstrumenten wie dem Umsatzersatz hin zum Verlustersatz entsprechend umgesetzt. Auch bei zukünftigen Vorhaben fließen natürlich die Anmerkungen des Rechnungshofes mit ein.

Zur Frage 19a:

Es bestehen keine Überförderungen nach den Vorgaben der innerstaatlichen Zuschussrichtlinien.

Zur Frage 19b:

Rund 445 000 Euro.

Zur Frage 19c:

Es bestehen keine Überförderungen nach den Vorgaben der innerstaatlichen Zuschussrichtlinien.

Zur Frage 19d:

Rund 1,9 Millionen Euro.


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Zur Frage 19e:

Es bestehen keine Überförderungen nach den Vorgaben der innerstaatlichen Zuschussrichtlinien.

Zur Frage 20:

Der Bundesminister für Finanzen hat die Abbag als Eigentümerin und auch Gründerin der Cofag mit der Erstellung eines Abwicklungskonzepts beauftragt. Die Abwicklung wird folgende Prämissen haben – ich habe das damals bereits vorgestellt –: Das Erkenntnis des Verfassungsgerichts­hofes, über das wir jetzt auch sprechen, wird durch das Finanzministerium mit Unterstützung des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes genau analysiert. Die Vorgaben des VfGH werden – gemäß dem Erkenntnis – in Bezug auf die Cofag und die noch ausstehenden Anträge auf Gewährung von Beihilfen durch die Cofag selbstverständlich lückenlos umgesetzt. Durch eine Liquidation oder Auflösung der Cofag wird es zu keiner Beeinträchtigung der Rechtsposition von Gläubigern kommen, eine Bearbeitung von Anträgen zur Sanierung von Fällen, in denen die Kommission eine verspätete Antragstellung festgestellt hatte, wird sichergestellt. Es wird dazu auch auf die Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage 15848/J verwiesen.

Zu den Fragen 21 und 22:

Das Urteil hat potenziell Auswirkungen auf weitere ausgegliederte Rechtsträger.

Zu den Fragen 23 und 24:

Beide sind keine Beteiligungen des Finanzministeriums.

Zur Frage 25:

Es wurden keine Hoheitsaufgaben übertragen.


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Zur Frage 26:

Dazu können der Website der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission nähere Informationen entnommen werden.

Zur Frage 27:

Rund 150 000 Euro sind angefallen.

Zur Frage 28:

Österreich hat sich zu Beginn der Pandemie bei Erstellung seiner finanziellen Hilfsinstrumente sehr bemüht, den Spielraum, den das europäische Beihilfenrecht bietet, vollständig auszunützen. Das Finanzministerium hat sich in weiterer Folge in intensiven Verhandlungen mit der Kommission um eine nachträgliche Sanierung der bestehenden rechtlichen Probleme bemüht. Es wird dazu auch auf die Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage 14565/J verwiesen.

Zu den Fragen 29, 30 und 30a:

Für die Umsetzung des Schadensausgleichs mangelt es an einer nationalen Rechtsgrundlage, jedes Unternehmen muss den Schaden individuell berechnen. Insgesamt wurde an Unternehmen, bei denen ein Konzernverbund vorliegt, bislang rund 1 Milliarde Euro ausbezahlt.

Zur Frage 31:

Bei Anträgen auf Lockdownumsatzersatz, also für November beziehungsweise Dezember, waren keine Ergänzungsgutachten vorgesehen. Im Rahmen des CFPG gibt es jedoch Ex-post-Prüfungen.

Zur Frage 32:

Bezüglich abgeschlossener Prüfungsmaßnahmen wird auf die Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage 15839/J verwiesen und hinsichtlich der Antragszahlen auch auf die Homepage der Cofag.


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Zur Frage 33:

Nach Einschätzung des Finanzministeriums sind im eigenen Zuständig­keits­bereich keine weiteren Förderungen von dem VfGH-Erkenntnis betroffen.

Zur Frage 34:

Die Frist zur Abgabe des Abwicklungskonzepts wurde mit Hinblick auf die Entscheidung des VfGH, auf die wir natürlich warten mussten, verlängert. Das nun vorliegende Erkenntnis wird aktuell gerade analysiert und fließt selbstverständlich auch in das Abwicklungskonzept ein. Das Abwicklungskon­zept wird im Sinne der Transparenz nach dessen Erstellung selbstver­ständlich auf der Homepage des BMF veröffentlicht.

Zur Frage 35:

Die angesprochenen Bonizahlungen stehen nicht im Zusammenhang mit der Cofag. Darüber hinaus wird auf die schriftliche parlamentarische Anfrage 10973/J vom 17. Mai der Abgeordneten Nina Tomaselli, Kolleginnen und Kollegen betreffend „1,5 Millionen Euro-Bonus für 20 Monate ABBAG-Geschäftsführertätigkeit – Wer hat das genehmigt?“ verwiesen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Tomaselli und Schwarz.)

Zu den Fragen 36 und 37:

Die Abbag wurde mit der Erarbeitung eines Abwicklungskonzepts für die Cofag beauftragt. Darin soll natürlich auch die aktuelle Entscheidung des VfGH – wie schon erwähnt – betreffend Bestimmungen des ABBAG-Gesetzes, die gerade analysiert wird, berücksichtigt werden.

Zur Frage 38:

Eine Bearbeitung von Anträgen und die Auszahlung der Beihilfe durch die Cofag selbst oder Rechtsnachfolger der Cofag ist sichergestellt. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch durch das Erkenntnis des VfGH.


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Zur Frage 39:

Die Finalisierung des Abwicklungskonzepts bleibt abzuwarten. Aufgrund der Aufhebung durch den VfGH verliert die Cofag als beklagte Partei der jeweiligen gerichtlichen Anlassverfahren nicht ihre Rechtspersönlichkeit.

Zu den Fragen 40, 41 und 42:

Das Finanzministerium setzt als Beteiligungsverwaltung eine geschäftsordnungs­konforme Dokumentation in allen Bundesbeteiligungen voraus.

Zur Frage 43:

Es wird auf die Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage 15425/J verwiesen.

Zur Frage 44:

Durchschnittlich wurden die Beihilfen binnen 14 Tagen ab Antragstellung zur Auszahlung gebracht. (Abg. Deimek: Das heißt, Sie werden ..., weil Sie haben die Frage zur ... nicht beantwortet! Das kann man heute schon sagen! Das ist eine Schande!) Zwei Drittel des Volumens an Hilfen wurden an Unternehmen mit unter 50 Mitarbeitern vergeben, 90 Prozent der Hilfen haben wir an Klein- und Mittelbetriebe ausbezahlt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Scherak – sich von seinem Sitzplatz erhebend –: Herr Präsident! – Abg. Steinacker: Herr Präsident! Wolfgang!)

15.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor wir in die Debatte eingehen (Abg. Meinl-Reisinger: Zur Geschäftsordnung! – Abg. Heinisch-Hosek: Herr Präsident!), darf ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und den Obmann des Reinhalteverbandes Wels-Land im Namen des Abgeordneten Lindinger recht herzlich bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS.)


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Kollege Scherak, zur Geschäftsordnung. – Bitte.

*****


15.45.51

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Der Herr Bundesminister hat jetzt bei einer Reihe von Fragen auf Anfragebeantwortungen und Anfragen von früher verwiesen. Ich glaube, dass es nicht im Sinne der Transparenz ist, dass die Zuseherinnen und Zuseher nicht nachvollziehen können, was hier eigentlich hätte beantwortet werden sollen. Es ist auch für uns nahezu unmöglich, wenn der Herr Bundesminister nur auf andere Anfragebeantwortungen verweist, nachzuvollziehen, ob er die Frage auch nur ansatzweise ausreichend beantwortet hat. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das den Regeln unserer Geschäftsordnung Genüge tut.

Ich würde Sie bitten, dass wir das in der nächsten Präsidiale intensiv diskutieren, denn es kann ja nicht sein, dass der Bundesminister, wenn man ein Thema als dringlich empfindet, ihn hierher zitiert, um rasch Antworten zu bekommen, ausnahmslos auf irgendetwas verweist, was diesen Anfragen vielleicht entspricht. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

15.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir werden das in der nächsten Präsidiale dementsprechend besprechen. (Ruf bei der ÖVP: Das müsst ihr ja schon längst wissen! – Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner. – Abg. Meinl-Reisinger: Nein, es muss ja ein Zuschauer auch verstehen können! ... nicht verweisen auf ...! Sie haben uns hier Rede und Antwort zu stehen ... nichts zu verschleiern! – Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner.)

*****

Wir gehen nun in die Debatte ein.


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Ich darf darauf aufmerksam machen, dass die Geschäftsordnung vorsieht, dass jeder Redner 10 Minuten Zeit hat und pro Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zur Verfügung steht.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. Bei ihm steht das Wort. – Bitte.


15.47.18

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, übrigens auch der Hinweis, dass es irgendwo im Internet vielleicht eine Antwort auf eine Frage gibt, ist keine Beantwortung. (Ruf bei der ÖVP: Recherchiert gscheit!) Die Beantwortung einer Frage ist, wenn Sie einfach die Antwort auf die Frage geben und nicht sagen: Schaut halt irgendwo nach! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Zwischenruf des Abg. Hanger.) Das ist nicht die Art und Weise, wie man hier Fragen beantwortet.

Wenn Sie hier – erstens einmal – einen Taschenspielertrick machen, indem Sie sagen, 90 Prozent der Hilfen sind an Klein- und Mittelbetriebe geflossen (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja!), dann sage ich Ihnen: Das ist falsch. Es sind 90 Prozent der Anträge von Klein- und Mittelbetrieben gekommen, aber zwei Drittel, 70 Prozent, des Geldes ist nicht an Klein- und Mittelbetriebe geflossen (Zwischen­ruf bei der ÖVP), sondern an die Großen. (Beifall bei der SPÖ.)

Und das ist das Problem: dass die großen Betriebe das große Geld bekommen haben, und die kleinen haben Kleingeld bekommen. (Abg. Steinacker: Es ist aber schon ein Unterschied, ob ich zwei oder 1 000 Mitarbeiter habe, oder?!) Ja, aber wieso sagt das der Minister nicht? (Abg. Steinacker: Zwei oder 1 000 Mitarbeiter, das ist ein Unterschied!) Er tut so, als ob 90 Prozent des Geldes an Klein- und Mittelbetriebe gegangen wäre, und das ist falsch. Das ist einfach objektiv falsch.

Die Großbetriebe haben zwei Drittel vom Geld bekommen. Das wissen wir nicht deswegen, weil Sie das hier transparent gemacht haben, sondern weil der


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Rechnungshof das transparent gemacht hat. Das ist das Ärgerliche im Umgang mit Wahrheit und Transparenz (Ruf bei der ÖVP: Da bist ja du ein Meister!), was die ÖVP und die Grünen uns hier schon seit Monaten zeigen.

Und ehrlich gesagt: Sie stellen sich dann hierher und sagen auch noch: Ihr habt ja zugestimmt! – Bitte, ich habe hier das Protokoll von der Nationalrats­sitzung, in der das war. Das war ein Sammelgesetz, in dem die Cofag drin war, ja, und es war die Kurzarbeit drinnen, und ich weiß nicht, was noch alles. (Ruf bei der SPÖ: 16 Gesetze!) In dritter Lesung haben wir wie, glaube ich, alle Parteien hier zugestimmt. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Was Sie aber übersehen, ist, dass wir einen Abänderungsantrag eingebracht haben, nämlich der Abgeordneten Krainer – zufällig – und Heinisch-Hosek, in dem wir genau die Punkte – genau die Punkte! –, die der Verfassungsgerichtshof jetzt als rechtswidrig erkannt hat, als verfassungswidrig erkannt hat, angesprochen haben. Wir haben nämlich nicht gesagt, das soll alles über die Cofag laufen und irgendwie ohne Rechtsanspruch passieren, sondern wir haben gesagt, Sie als Minister müssen die Entscheidung treffen und das soll über die Finanzämter abgewickelt werden. Das ist hier in diesem Abänderungsantrag schon so drinnen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundes­minister Brunner: Nicht ich, sondern mein Vorgänger, Herr Krainer!)

Das Zweite ist, dass wir den Rechtsanspruch für Klein- und Mittelbetriebe in diesem Gesetz ausdrücklich festschreiben wollten. (Abg. Meinl-Reisinger: Ich kann mich noch daran erinnern! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Das wurde von ÖVP und Grünen abgelehnt. Das hat der Rechnungshof jetzt als verfassungs­widrig erkannt. (Abg. Steinacker: Der Rechnungshof kann nichts als verfassungs­widrig erkennen!) Weil ich Zwischenrufe der NEOS und der Freiheitlichen höre: Das stimmt, das waren nicht nur wir Sozialdemokraten; die Freiheitlichen und die NEOS haben genau dasselbe wie wir gesagt, sie haben diesen Antrag damals auch unterstützt.

Wenn wir uns das anschauen, sehen wir, dass wir durch die Bank genau jene Punkte, die der Verfassungsgerichtshof jetzt aufgehoben hat, bereits damals, in jener Sitzung, als uns der Antrag wenige Stunden vor der Beschlussfassung


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vorgelegt worden ist, kritisiert und das auch in einem entsprechenden Abände­rungsantrag vorgebracht haben. Sie haben das niedergestimmt, nicht wir! (Beifall bei der SPÖ.) Wir waren auf der Seite der Transparenz, wir waren auf der Seite der Rechtssicherheit und wir waren der Meinung, dass das verfassungs­konform ablaufen soll.

Wir waren nicht der Meinung, dass es keine Hilfen geben soll. Wir waren der Meinung, dass jene Hilfen bekommen sollen, die sie brauchen, und dafür haben wir uns eingesetzt. Sie leider nicht, Sie wollten unbedingt den Weg über die Blackbox gehen, in die keiner hineinsieht, mit der es keine Rechtssicherheit gibt und über die es keine öffentliche und politische Kontrolle gibt. Das war der Weg von ÖVP und Grünen. Sie sagen: Das war mein Vorgänger, das war mein Vorgänger, das war mein Vorgänger! – Das stimmt, aber da sage ich Ihnen schon eines: Nicht alles war Ihr Vorgänger! (Abg. Prinz: Bei dem ihr euch noch immer nicht entschuldigt habt für die unrichtigen ...!)

Ein wesentlicher Punkt, den Sie zu verantworten haben – das haben Sie im Rahmen der Dringlichen Anfrage teilweise auch beantwortet –, ist: Was ist mit den Geldern, die – gegen das geltende Gesetz, nämlich betreffend Konzernbetrachtung – zu viel an große Konzerne ausbezahlt wurden? Sie haben selber gesagt, da geht es um 1 Milliarde Euro. Sie sind dafür verantwortlich, ob diese 1 Milliarde Euro zurückgefordert wird oder nicht. Seit 6. August hat die Europäische Kommission das klargelegt, sie hat es auf den Tisch gelegt. Sie können auf der Homepage der Europäische Kommission nachlesen (Bundesminister Brunner: Ach so?!), dass Sie dieses Geld zurückfordern müssen.

Das ist fast drei Monate her. Was haben Sie bisher getan? – Sie haben es noch nicht umgesetzt. Diese Milliarde ist noch nicht zurückgefordert. (Bundes­minister Brunner: Das ist ja nicht klar, dass man sie ...!) Wenn es um das Geld der Konzerne geht, wenn es darum geht, Geld von den Konzernen zurückzuholen, schlafen Sie offenbar in der Pendeluhr. Wenn es darum geht, Geld an Konzerne auszuschütten, kann es Ihnen nicht schnell genug gehen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Brunner: Das stimmt ja nicht!)


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Das ist die falsche Politik, weil wir jeden Euro brauchen. Für ein warmes Mittagessen pro Kind pro Tag ist kein Geld da, für Kinderbetreuung ist kein Geld da, aber wenn es darum geht, Geld, das rechtswidrig an Konzerne ausbezahlt wurde, zurückzufordern, schlafen Sie in der Pendeluhr.

Ich sage Ihnen eines: Das ist der erste Tag der Aufklärung, sie beginnt mit diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes erst. Das mag das Ende der Cofag sein, aber es ist der Beginn und nicht das Ende der Aufklärung. Wir werden Licht ins Dunkel bringen, wir werden herausfinden, was mit diesen Milliarden passiert ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abge­ordneten Hafenecker und Hauser.)

15.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stocker. – Bitte.


15.53.30

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Nicht jede Kritik – auch eines Verfas­sungsgerichtshofes – bezieht sich auf einen Skandal, und schon gar nicht auf einen Finanzskandal. (Abg. Kollross: Wenn es die ÖVP betrifft, meistens!) Wenn aus jeder Kritik ein Skandal gemacht werden soll, dann ist es wirklich skandalös, da haben Sie recht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Holzleitner: Der war schlecht!)

Wenn Sie heute hier anführen, dass die Cofag nur deshalb gegründet wurde, um rasch, ohne Kontrolle und abseits der Öffentlichkeit Auszahlungen vorzu­nehmen, dann frage ich mich: Haben wir hier, wo wir gerade diskutieren, keine Öffentlichkeit? (Abg. Scherak: Darf ich Kollegen Stocker erinnern, dass er auf die Verfassung angelobt ist? – Zwischenruf des Abg. Deimek.) Ist das keine Öffentlichkeit, wenn in der Transparenzdatenbank nachvollziehbar ist, wer wie viel bekommen hat? Und ist es keine Kontrolle, wenn der Rechnungshof


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beziehungsweise der Verfassungsgerichtshof das überprüft? – Natürlich ist das Öffentlichkeit und natürlich ist das Kontrolle.

Sie haben gesagt, es geht um Auszahlungen an die Freunde der ÖVP. Ich weiß nicht genau, ob René Benko ein Freund der ÖVP ist, er ist jedenfalls kein Mitglied und kein Spender. (Abg. Hafenecker: Geh bitte, gechattet habt ihr genug mit ihm!) Jedenfalls ist er ein Freund von Alfred Gusenbauer, Ihrem ehemaligen Parteivorsitzenden, das weiß ich schon. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehen wir uns an, wie Transparenz und Öffentlichkeit dann im Ergebnis aussehen: Es gibt, und das soll auch gesagt werden – der Finanzminister hat es ja gesagt –, keine Parteibrille. Sehr viele Unternehmungen aus Ihrem Bereich sind auch in den Genuss dieser Unterstützungen gekommen, weil sie rasch und unbürokratisch ausbezahlt worden sind. (Abg. Kollross: Das ist ja gar nicht Thema!) Wenn Sie es nicht glauben, dann reden Sie mit Ihren Funktionärinnen und Funktionären bei den Naturfreunden – die wissen, wie viel die Betriebe der Naturfreunde bekommen haben – und letztlich auch mit der Leykam Medien AG, die im Mehrheitseigentum der SPÖ steht. Die waren auch alle froh darüber, dass rasch und unbürokratisch geholfen wurde.

Wenn Sie wissen wollen, wie Intransparenz wirklich geht, dann schauen Sie nach Wien! (Abg. Kollross: Das war eh klar! – Abg. Heinisch-Hosek: Es hat eh lange gedauert! Wir haben schon gewartet!) – Ja, ja, ich weiß. Ich bin mir eh nicht mehr sicher, ob Sie mit der SPÖ Wien noch etwas zu tun haben. Da bin ich mir nicht sicher. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Ihre Sorgen möchte ich auch haben, wirklich! – Abg. Matznetter: Themenverfehlung, Herr Stocker!)

Der Vorsitzende der SPÖ Wien will offenbar mit dem Vorstand oder dem Präsi­dium nicht mehr so viel zu tun haben. Bei der SPÖ wird es bald heißen: Andreas Babler allein zu Hause! (Abg. Heinisch-Hosek: Können Sie zur Sache reden?!) Das ist aber Ihre Sache, dass Sie das regeln. Wenn Sie wissen wollen, wie Intransparenz wirklich geht, dann schauen Sie sich einmal Stolz auf


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Wien an. Da sehen Sie, wie das geht, dort ist nämlich wirklich alles abseits der Öffentlichkeit. Da weiß niemand, wie viel Steuergeld ein Unternehmen bekommen hat, warum eine Unternehmensbeteiligung erfolgt. Wissen Sie, wie das begründet wird? – Das wollen die Unternehmen nicht! Das haben sie nicht gerne, weil es sein könnte, dass im Sanierungsfall ein schlechtes Licht auf die gesamte Abwicklung geworfen wird.

Schauen wir uns einmal an, wie die Sanierungsfälle ausschauen, die Sie in Wien mit der Stolz auf Wien GmbH unterstützen! Viele sind es ja nicht. Man muss sagen, während die Cofag über 230 000 Betriebe unterstützt hat, haben Sie das nur bei 36 gemacht. Gratuliere! Von diesen 36 Betrieben sind fünf schon insolvent, das sind 14 Prozent. (Ruf bei der SPÖ: Schlechte Rede! – Abg. Kollross: Hast du vom Stocker schon einmal eine gute gehört?) 14 Prozent der von Ihnen geförderten Unternehmen sind laut Medienberichten schon insolvent. Wenn ich davon ausgehe, dass die Cofag über 230 000 Betriebe gefördert hat, dann können Sie sich ungefähr ausrechnen, wie dieses Verhältnis ausschaut. In ganz Österreich gehen pro Jahr ungefähr 5 000 Betriebe in Konkurs oder werden insolvent – in ganz Österreich. Das sind 2 Prozent der Gesamtanzahl, die gefördert worden sind – wenn alle eine Förderung erhalten hätten, die insolvent sind.

Wir können uns noch anschauen, welche Betriebe von der Stolz auf Wien GmbH gefördert wurden, die nicht insolvent sind: zum Beispiel die Mediatest Research GmbH. Ah, da klingelt es! (Abg. Matznetter: Ertappt! Erwischt!) Da klingelt es zu Recht! Die Mediatest Research GmbH hat die Voraussetzungen aber nicht erfüllt, denn es waren null Mitarbeiter beschäftigt. (Oh-Rufe bei der ÖVP.) Dafür gibt es dort ein paar Eigentümer, die Ihnen vielleicht bekannt sind: Herr Ogris und Herr Hofinger – Sora (Abg. Ottenschläger: Gratuliere!) –, Sie kennen sie vielleicht. (Abg. Kollross: Wenn du über Wien reden willst, dann geh in den Land­tag!)

Dazu höre ich von Ihnen nichts, auch von Ihrem Parteivorsitzenden höre ich dazu nichts. Er hat zu vielem nichts zu sagen, auch dazu sagt er nichts, da wäre


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er aber gefordert. (Abg. Hanger: Zu Schrebergärten!) Ich weiß bis heute nicht, welche Leistungen die SPÖ von Sora entgeltlich oder unentgeltlich bezogen hat. Wir wissen bis heute nicht, wie die Grundstückdeals in Wien ablaufen. Es wurde von Ihrem Parteivorsitzenden großmundig angekündigt, er wolle wissen, wer was wann gewusst hat, wer sich persönlich bereichert. (Abg. Kollross: Was hat das jetzt mit der Cofag zu tun?) Das interessiert niemanden mehr, alles verräumt, diese Grundstückdeals gibt es nicht mehr. Transparenz à la SPÖ schaut offensicht­­lich so aus. (Abg. Tomaselli: ... ein Best-Practice-Beispiel für Transparenz!)

Es interessiert ihn ja nicht einmal, dass er sich zu dem, was Ihre Sozialistische Jugend Vorarlberg sagt, zu Wort meldet. (Abg. Stöger: Hat dir die Cofag dafür was gezahlt?) Ich halte es auch anlässlich dieser Tagesordnung für einen Skandal, dass dieser Teil Ihrer Jugendorganisation die Geschichten der Hamas, die Desinfor­mation der Hamas weitererzählt. (Abg. Krisper: Von der Cofag zur Hamas!) Das liegt vielleicht daran, dass der Ja-nein-vielleicht-Marxist Babler eine gewisse Sympathie dafür hat. Auf seiner Homepage wird zu Der Funke, einer marxisti­schen Gruppierung, verlinkt – gratuliere dazu! Dieses Schweigen spricht Bände. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Strategisch nützlicher Unsinn! – Abg. Kollross: Einfach über etwas anderes reden, ja nicht zum Thema!) – Ja, ist schon recht.

Die SPÖ redet dieses Land kontinuierlich schlecht. (Abg. Kucher: Es geht um eure Politik!) Die Konzerne sind auf einmal böse; solange sie verstaatlicht waren und Sie Ihre Betriebsratskaiser dort gehabt haben, war es super. (Abg. Loacker: Viele Sätze zum Thema waren da noch nicht dabei!) Schauen Sie sich die Gagen Ihrer Betriebsratskaiser an, man findet sie vielleicht noch, sie waren und sind legendär, nur damit das auch gesagt ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie schüren in diesem Land Neid und Missgunst. Ihr Wirtschaftsmodell, von dem Sie hier erzählen, ist schon 1989 gescheitert, und wir wollen es nicht zurück. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)


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Ich sage Ihnen noch etwas: Wir lassen uns die Wirtschaft in diesem Land von Ihnen nicht schlechtreden und im Ergebnis auch nicht ruinieren. (Abg. Kucher: Das machts ihr! – Abg. Herr: Das machts schon ganz allein! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Es ist manches zu kritisieren und es sind die Lehren daraus zu ziehen, aber eines sage ich Ihnen auch: Dieses Land ist ein gutes Land, und wir glauben an Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

16.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.


16.00.55

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Ich habe jetzt gerade Kollegen Stocker sehr aufmerksam zugehört und ich habe eines interessant gefunden - - (Abg. Hanger: Vielleicht hast was gelernt einmal!) – Kollege Hanger, lassen Sie mich einmal mit der Rede anfangen! – Ich habe also Kollegen Stocker sehr aufmerksam zugehört und ich habe eines sehr interessant gefunden - - (Abg. Hanger: Na ja, vielleicht hast was gelernt, die Hoffnung stirbt zuletzt!) – Kollege Hanger, jetzt hör einmal zu, bitte! (Abg. Hanger: Ich horch dir eh so gern zu!) – Kollege Stocker hat die SPÖ gerade der persönlichen Bereicherung bezichtigt, und was man so aus der SPÖ hört, ist auch nicht schön, aber kann man da jetzt im Umkehrschluss davon ausgehen, dass Sie dadurch von der eigenen persönlichen Bereicherung ablenken wollten, Herr Kollege Stocker? Also das muss man ja so sehen, oder? (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hanger: Nein, kann man nicht! Also das war jetzt eine ganz interessante Logik! – Abg. Stocker: Bereichert hat sich die FPÖ in Graz! Da können Sie schauen, bei Ihren Leuten!)

Kollege Stocker, wissen Sie, ich bin jetzt auch schon ein paar Tage im Geschäft. Sie gehen her und sagen: Diskutieren wir heute nicht über die Cofag, reden wir heute nicht! Hat es keine Kontrolle gegeben? – Ja, die hat es gegeben, aber – wissen Sie was, Herr Kollege Stocker? – weil sie Ihnen passiert


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ist. Sie haben ja nicht vorgesehen, dass diese Kontrolle stattfindet. Finanz­minister Blümel hat damals ein Konstrukt gebastelt, das genau das verhindern sollte. Sie haben es nur nicht rübergebracht. Das ist das Faktum, Kollege Stocker! – Das Ganze vielleicht nur zur historischen Aufklärung.

Insgesamt muss ich mich noch bei Kollegen Scherak bedanken, weil er in seinen Ausführungen zur Geschäftsbehandlung eines klargemacht hat, nämlich wie einmal mehr die ÖVP – konkret Sie, Herr Bundesminister – mit dem Interpella­ti­onsrecht umgeht. Sie kriegen in einer Dringlichen Anfrage konkrete Fragen vorgelegt und sagen uns nichts anderes als: Schauen Sie bei Google nach oder lesen Sie es im Internet durch! – Das ist überhaupt keine Art und Weise, wie man mit dem Parlament umgeht. (Abg. Hanger: Das stimmt ja nicht! Aber eine Förderung von 1 Million nachfragen, wo alles im Internet steht – das soll halt schon eine Qualität auch haben! Eine Dringliche Anfrage braucht eine Qualität auch! – Zwischenruf der Abg. Reiter.)

Dieses Beispiel und Ihr Umgang mit dem Interpellationsrecht zeigen, wie intransparent Sie sind und was Sie tatsächlich im Schilde führen, Herr Bundes­minister! Das werden sich die Wähler draußen sicherlich merken. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Krainer und Stöger.)

Ich bin der Sozialdemokratie sehr dankbar, dass wir heute die Möglichkeit haben, auch darüber zu reden, weil das eine Geschichte ist, die Sie am liebsten schon wieder irgendwo unter den Teppich gekehrt hätten. (Abg. Schmuckenschlager: Afghanischer Gebetsteppich! – Heiterkeit des Abg. Hanger.) Und genau deswegen gibt es heute die Dringliche Anfrage, einfach nur, um einmal darzustellen und aufzuzeigen, Herr Kollege, was Sie die ganze Zeit so treiben. (Ruf bei der ÖVP: Seids schon daheim von Kabul?) Wissen Sie, Sie können schon selbstgefällig lachen, aber ich sage Ihnen nur eines: Was jetzt mit der Cofag kommt, ist die Spitze des Eisberges. Da wird Ihnen das Lachen sehr rasch vergehen, und die Hälfte von Ihnen wird nach der nächsten Wahl nicht mehr hier sitzen. Das ist ein Faktum, und wir werden uns dann anschauen, wer noch lacht. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Krainer. – Abg. Hanger: Hochmut


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kommt vor dem Fall! – Abg. Kollross: Das ist kein schwerer Verlust!) Es ist kein schwerer Verlust, da gebe ich dir recht, Herr Kollege Kollross, da gebe ich dir recht. (Heiterkeit des Abg. Kollross.)

Wenn man sich gestern die Rede des Herrn Finanzministers angehört und gesehen hat, wie er eigentlich mit dem Steuerzahler umgeht, wie er ein Katastrophenbudget präsentiert, muss man sagen: So schön kann man die Leiche gar nicht schminken, die Sie gestern vorgelegt haben – 20 Milliarden Euro Abgang, eine absolute Katastrophe. Das sind jene 20 Milliarden Euro, die Sie vorher mit der Gießkanne verteilt haben.

Herr Bundesminister, die Bevölkerung weiß schon, was hier läuft, und sie weiß auch, dass Sie mit Ihrem grünen Beiwagerl in Ihren Ministerien in Saus und Braus leben. Wenn man in das Ministerium Gewessler hineinschaut und sieht, was dort alleine für Eigenwerbung und PR ausgegeben wird, dann finde ich es fast wundersam, dass die Grünen überhaupt noch in der Lage sind, PR-Agenturen zu finden, weil diese ja schon alle von Ihnen weggebucht worden sein müssen. Das Gleiche gibt es im Kanzleramt und in den anderen Ministerien genauso. Bei sich haben Sie nie gespart, Herr Bundesminister, Sie haben immer nur geschaut, dass Sie Ihren Koalitionspartner und Ihre Freunde bedienen – das muss ich an dieser Stelle auch einmal sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Was die Grünen in ihre PR-Agenturen hineinstecken, stecken Sie in andere Maschinerien hinein, von Beinschab bis Karmasin. Wir wissen es, das ist ja alles so weit bekannt. Diese Regierung ist in Wahrheit von Korruption und Vetternwirtschaft geprägt, das haben wir im letzten ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss gesehen.

Herr Bundesminister, auch wenn ich Sie persönlich sehr schätze: Das, was Sie hier abhalten, ist kein Kavaliersdelikt, sondern das gehört besprochen, und genau das machen wir auch. (Abg. Ottenschläger: Ist das in der Steiermark schon aufgeklärt?)


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Es gibt aktuell ein Verfahren gegen Ihren ehemaligen Messias, gegen Herrn Kurz, weil er schon einmal versucht hat, darzustellen, dass nichts mit nichts etwas zu tun hat. Wer glaubt, dass Sebastian Kurz nicht gewusst hat, was in der Republik läuft und wie die Öbag bestellt wird, der ist Ihnen von der ÖVP auf den Leim gegangen. Die Problematik ist aber nur, dass es Ihnen eben niemand mehr glaubt.

Auch im Zusammenhang mit der Cofag: Mein Großvater hat immer gesagt: Man erwartet sich mehr, als man sich errennt!, oder: Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit! – Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wahrheit holt Sie jetzt auch in Sachen Cofag ein.

Wissen Sie, Sie waren in der Coronazeit eigentlich sehr unverschämt, liebe ÖVP und liebe Grüne, denn Sie haben es geschafft, aus einer tatsächlichen Krise, die es gegeben hat, auch noch Kapital herauszuschlagen. Sie haben es auf der einen Seite mit der Cofag geschafft, Sie haben es auf der anderen Seite damit geschafft, dass Sie Ihre eigenen Ministerien aufgefettet und für die Eigen­ver­marktung noch mehr Geld herausgepresst haben.

Übrig geblieben sind im Prinzip nur die Bürger. Sie haben schamlos zugeschlagen und haben alles, was Sie an Problemen gehabt haben, schamlos dafür ausge­nützt, den eigenen Vorteil daraus zu ziehen.

Dann kam es eben auch zu diesen 19 Milliarden Euro, die Sie einmal in eine Organisation hineingesteckt haben, die Sie wohlweislich der parlamentarischen Kontrolle entzogen haben. Das ist Ihnen ja nicht passiert, das haben Sie sich ja vorher offensichtlich überlegt. Wie gesagt war es nicht vorgesehen, dass wir heute diese Debatte führen, deswegen haben Sie diese Konstruktion auch gewählt.

Ich kann mich an noch etwas erinnern, Herr Finanzminister – Sie waren damals zwar noch nicht zuständig, aber Herr Blümel hat versucht, uns das schmackhaft zu machen –: Es stimmt, Sie sind auf alle Parteien in diesem Haus


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zugegangen und haben vorgeschlagen, dass man dort irgendwelche Beiräte hineinsetzt. Das wären Titel ohne Mittel gewesen. Wir sind ganz klar deshalb nicht hineingegangen, weil wir gewusst haben, was Sie im Schilde führen, und weil wir sicherlich nicht dafür zuständig gewesen wären, Ihre Kalamitäten hier weißzuwaschen. Deswegen haben wir uns dort nicht hinein­gesetzt. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Greiner, Krainer und Doppelbauer.)

Der Rechnungshof hat gesagt, dass das, was Sie da konstruiert haben, eine absolute Katastrophe ist und dass das sofort abgewickelt werden muss. Der Rechnungshof hat gesagt, Herr Bundesminister, dass Schwarz und Grün da drinnen fröhliche Urständ gefeiert haben. Sie haben für 30 Protokolle dem Protokollführer aus dieser ausgegliederten Gesellschaft heraus 125 000 Euro bezahlt – 30 Protokolle: 125 000 Euro. Das kann doch nicht normal sein, Herr Minister! (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Wie kann man so etwas argumentieren? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, in einer Zeit der Teuerung so mit dem österreichischen Steuergeld herumzuschmeißen!

Sie haben mit Ihrer Cofag 21 Millionen Euro für Berater ausgegeben – ich würde mich schämen –, für Berater, die niemand gebraucht hätte. Wenn Sie das gemacht hätten, was die Freiheitliche Partei verlangt hat, wenn Sie diese Hilfen, die durchaus notwendig waren – darüber brauchen wir nicht zu streiten –, über das Finanzministerium und über die Finanzämter abgewickelt hätten, dann hätten Sie sich die 21 Millionen Euro für Ihre Freunde und für Ihre Berater sparen können. Das haben Sie aber nicht getan, weil jeder bei Ihnen dauernd mitpartizipieren muss. – Das ist doch der Hintergrund.

Sie haben sich einen Geschäftsführer geleistet, der überhaupt gleich in eine Doppelfunktion hineingegangen ist. Dem haben Sie 455 000 Euro nachgeschossen, und das grüne Beiwagerl, das auch noch danebengesessen ist – so in der Aufteilung der Koalition –, hat das auch nicht gratis gemacht.


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Bevor Sie also damit angefangen haben, Gelder auszubezahlen, haben Sie die Steuerzahler zig Millionen gekostet, bevor Sie überhaupt zu arbeiten begonnen haben. Da möchte ich gar nicht darüber reden, wie problematisch es eigentlich ist, Herr Bundesminister, hochsensible Steuerdaten an ein privates Unternehmen auszugliedern. Wozu haben wir unsere Finanzämter, Herr Bundesminister? Wozu haben Sie die Abteilungen? Warum muss man das ausgliedern? Da kann man doch nur einen bösartigen Vorsatz dahinter sehen, damit Sie wieder einmal die Möglichkeit haben, Steuergelder auszuleiten und an Ihre Freunde weiterzugeben. (Abg. Hanger: Geh bitte!) – Das war der einzige Hintergrund für diese Konstruktion. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hanger: So ein Schwachsinn!)

Der Herr Finanzminister hat vorhin davon gesprochen, dass das jetzt Populismus ist, was wir hier diskutieren. (Abg. Hanger: Na! Na! Na!) – Auch Sie, Kollege Hanger, sind auf die Verfassung angelobt, genauso wie der Herr Bundesminister. (Abg. Hanger: Aber dann bleib einmal bei den Fakten, das wäre auch eine Möglichkeit! Bleib einmal bei den Fakten!) Ich stelle mir schon die Frage, Herr Kollege Hanger: Macht der Verfassungsgerichtshof Populismus? Macht der Rechnungshof Populismus? (Abg. Hanger: Ich beziehe mich gerade auf das, was du vor 1 Minute gesagt hast! Du behauptest, dass unrechtmäßig Geld ausbezahlt worden ist! Das behauptest du! Über das haben wir gar nicht geredet!) Ist das Ihr Zugang? Ist das Ihr Zugang, Herr Kollege Hanger? (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

Herr Kollege Hanger, das ist Ihr Zugang. Sie haben sich jetzt selber enttarnt. Sie nehmen die Institutionen dieses Staates nicht ernst, und genau das ist das Problem der ÖVP (Abg. Hanger: Das ist ja die nächste Unterstellung, die du schon wieder machst! Das ist purer Populismus, was anderes könnts eh nicht!), und genau deswegen werden Sie auch abgestraft werden, darauf können Sie wetten.

Ich bin aber noch immer nicht fertig, Kollege Hanger, auch wenn es Sie stört, was passiert ist. Vorhin ist der Fall Kika/Leiner aufgezeigt worden, und dieser ist beispielhaft dafür, was mit der Cofag passiert ist und welche Tricks Sie dort zur


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Anwendung gebracht haben. Natürlich ist der Fall Kika/Leiner herzuzeigen, und er ist repräsentativ für viele, viele andere Fälle.

Über René Benko hat Kollege Stocker vorhin gesagt, dass der sicher kein Freund der ÖVP sei. – Entschuldigung, mit wem hat denn der Herr Schmid dauernd seine SMS ausgetauscht, Herr Kollege Stocker? – Das war in dem Fall nicht Alfred Gusenbauer, von dem habe ich nichts gehört. (Abg. Hanger: Jetzt hast du schon wieder nicht aufgepasst, was gesagt worden ist! Du musst ein bissl aufpassen!)

Ich habe mir die Akten durchgelesen. (Abg. Hanger: Herr Kollege Stocker hat darauf hingewiesen, dass der Benko ein Freund vom Gusenbauer ist! Das ist der Punkt! Pass ein bissl auf, was du redest! Du musst zuhören! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Deimek und Tomaselli.) – Ja, aber, Herr Kollege Hanger, wenn man die Ohren aufsperren würde, während man rein­schreit, dann könnte man auch intellektuell nachvollziehen, was ich sage. Offen­sichtlich gibt es da aber jetzt ein bisschen ein Problem. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hanger: Du passt einfach nicht auf! Das sinnerfassende Zuhören ist ein bissl ein Problem!)

Also nehmen wir uns den Fall Kika/Leiner und Benko her. Eines ist klar: Herr Benko hat sich dort 100 Millionen Euro herausgezogen, ohne mit der Wimper zu zucken. Herr Benko, der nichts mit der ÖVP zu tun hat, ist übrigens auch der, der schlussendlich bei der „Kronen Zeitung“ eingestiegen ist. Das ist Ihr Freund, den bringen wir dort nicht weg. Das ist so.

Gut, also wie gesagt, hier liegt ein Skandal der Sonderklasse vor. Wir müssen alle erdenklichen Mittel ergreifen, um das aufzuklären. Eines noch zum Abschluss: Wenn jetzt gleich das Licht zu flackern beginnt, heißt das für mich nur eines (Ruf bei der ÖVP: Wenigstens ein Licht da vorne!), nämlich dass die ÖVP wieder einmal die Schredder angeworfen hat. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Kollross und Krainer.)

16.11



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwarz. – Bitte.


16.11.29

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebes Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es gibt eine Dringliche Anfrage der SPÖ zu bearbeiten, und sie ist dringlich, weil der Verfassungsgerichtshof erst am Dienstag erkannt hat, dass die gesetzliche Basis für die Covid‑19-Finan­zie­rungsagentur des Bundes, kurz Cofag, verfassungswidrig war. (Abg. Kaniak: Nicht nur das! – Die Abgeordneten Greiner und Krainer: Und ist!)

Da in der Debatte einige Dinge über den Haufen geworfen werden, was ja nicht unüblich ist, würde ich gerne zwei Dinge tun: Als Erstes würde ich gerne die verschiedenen Themen auseinanderdröseln, als Zweites würde ich mich dann gerne ein bisschen in der Geschichte zurückbewegen, und zwar in die Zeit, als die Cofag gegründet und die gesetzliche Basis geschaffen wurde. Insbesondere die Abgeordneten Krainer und Hafenecker, meine Vorredner, werden das, glaube ich, sehr spannend finden. Ich bitte also darum, bis zu diesem Punkt die Geduld zu bewahren.

Also erstens: Es wird oft so getan, als hätte die Cofag die ganzen Coronahilfen abgewickelt (Abg. Herr: Nur die Hälfte! 50 Prozent!); das ist natürlich nicht so, sondern es war nur ein Teil der Coronahilfen. In Summe waren es über 40 Milliarden, 12 Milliarden davon wurden über die Cofag abgewickelt. Der größte Teil war die Kurzarbeit, das ist über das AMS abgewickelt worden. Die Wirtschaftskammer, fast alle Ministerien, vom Landwirtschaftsministerium bis zu Kunst und Kultur, haben eigene Fonds gehabt, mit denen sie spezifische Zielgruppen mit Hilfen unterstützt haben. Das Finanzministerium, dem man das alles quasi hätte umhängen wollen, hat selbst Hilfen in der Höhe von 9, 10 Milliarden Euro abgewickelt – das waren Steuerstundungen, die Umsatz­steuersenkung, Verlustrücktrag und, und, und. Es hat in dieser Zeit


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verschiedene Maßnahmen und auch einen Haufen Arbeit gegeben, und deshalb sollte man das auch in diesem Kontext sehen. Es geht nicht um die Corona­hilfen, es geht nur um einen Teil davon.

Es geht nicht einmal um diesen Teil der Coronahilfen, denn womit sich der Verfassungsgerichtshof nicht beschäftigt hat, ist das, worum es hier in der Debatte immer geht, nämlich wie hoch, wie treffsicher und wie schnell die Hilfen waren. Den wirtschaftlichen Teil hat er nicht unbedingt behandelt. Ich möchte trotzdem noch kurz darauf eingehen, weil es ja doch immer wieder Thema ist, und zwar deshalb, weil sich zeigt, dass die Hauptquelle der Überförderung der Umsatzersatz im November 2020 und Dezember 2020 war. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

Wie war denn damals, als wir diesen Vorschlag eingebracht haben, die Situation? – Falls Sie sich nicht mehr erinnern können: Ich kann die Zitate von Herrn Matznetter, Herrn Schellhorn und Herrn Fuchs noch aus der Lade ziehen, ich habe sie alle hier. Es ging nicht schnell genug, es hätte noch mehr sein müssen und die Kriterien hätten noch weiter zurückgeschraubt werden müssen. (Abg. Meinl-Reisinger: Nein!) Der Umsatzersatz war zu klein für Sie, er war zu klein. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Das stimmt einfach nicht! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Schneller: ja, aber da reden wir ja von einem Jahr!) – Die Aufregung bitte noch für später aufsparen, es kommt noch dicker!

Um diese wirtschaftlichen Fragen ist es dem VfGH ja nicht gegangen, sondern es ging um eine rechtliche Frage, nämlich ob die gesetzliche Basis der Abwick­lungsstelle, der Cofag, verfassungskonform war oder nicht. Dazu hat der Verfas­sungs­gerichtshof jetzt entschieden, dass es sich bei den Aufgaben, die diese Abwicklungsstelle übernommen hat, um so wesentliche Aufgaben gehandelt hat, dass es sozusagen zentrale, hoheitliche Aufgaben waren und dass diese deshalb nicht an eine privatwirtschaftlich ausgegliederte Institution hätten ausgelagert werden dürfen.


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Deshalb hat der VfGH im betreffenden Gesetz, dem ABBAG-Gesetz, mit dem die Gründung der Cofag geregelt worden ist, folgende fünf Regelungen als verfassungswidrig erkannt und sie aufgehoben – es ist sehr wichtig, dass Sie das mitverfolgen, denn ich komme dann später noch einmal darauf zurück –: Es sind § 2 Abs. 1 Z 3, § 2 Abs. 2 Z 7, § 2 Abs. 2a, § 3b Abs. 2 und § 6a. Das ist im ABBAG-Gesetz aufgehoben worden, das ist sozusagen der kritische Punkt. (Abg. Deimek: Was heißt das auf Deutsch? Muss ich jetzt das Gesetz lesen? – Abg. Ottenschläger: Als Abgeordneter ...!)

Jetzt kommen wir zur Frage, wie es denn zu diesen verfassungswidrigen Bestimmungen gekommen ist. Kollegin Herr, in Ihrer Dringlichen Anfrage sagen Sie, dass mit dem Erkenntnis jetzt amtlich sei, was alle drei Oppositionsparteien seit Jahren kritisieren. (Abg. Herr: Ja, der Rechtsanspruch fehlt!) Tatsächlich könnte man meinen, das wäre ein Paradebeispiel dafür, was rauskommt, wenn die Regierungsfraktionen mit ihrer knappen Mehrheit und trotz Kritik und massiven Widerstands der geeinten Opposition so ein Gesetz durchpeitschen – aber war das so? (Rufe bei der SPÖ: Ja! Abg. Meinl-Reisinger: Ja!)

Ich habe mir tatsächlich die Mühe gemacht und mir das einmal angeschaut. Wer die fünf Paragrafen sucht: Sie wurden in einer Novelle des ABBAG-Gesetzes am 15. März 2020 im Nationalrat beschlossen. Und wer hat das beschlossen? – Sie haben es beschlossen, Frau Herr. (Abg. Herr: Mit Abänderungsanträgen!) Sie haben es beschlossen, Herr Krainer. (Abg. Krainer: In dritter Lesung! Und was war in der zweiten Lesung?) Sie haben es beschlossen, Herr Hafenecker. Als der Herr Präsident gefragt hat, wer dem zustimmt, sind Sie aufgestanden. (Abg. Krainer: Könnts ein bissl ehrlich sein! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Ja, vor allem ein bisschen Parlamentarismus ...!) – Dazu kommen wir gleich. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen.)

Auch Kollege Scherak, der mich heute in der Früh noch gefragt hat, wie das denn sein kann und ob wir uns nicht in den Boden schämen würden, dass wir verfassungswidrige Bestimmungen beschlossen haben, war dabei und hat dem


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zugestimmt. Also bitte einmal schlecht fühlen, lieber Niki! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Scherak: Kannst du dich erinnern, wie das war? Wie war denn das damals? – Abg. Meinl-Reisinger: Was haben wir denn gesagt in der Debatte?)

Ich habe ja schon darauf gewartet, dass der Widerspruch kommen wird, und Herr Abgeordneter Krainer hat es sogar schon in seiner Rede vorweggenommen: Das waren damals ja alles Sammelnovellen. – Das ist ja tatsächlich ein berech­tigter Einwand. Es war ein Riesenpaket mit allen möglichen Maßnahmen, und da hat man als Oppositionsfraktion halt sozusagen aus Staatsräson oder aus politischer Verantwortung zugestimmt, obwohl man vielleicht einzelne Teile, nämlich wahrscheinlich genau diese fünf Paragrafen, die jetzt gehoben worden sind, abgelehnt hat. (Abg. Stöger: Signalisiert haben wir’s! – Abg. Herr: ... in Anträgen verschriftlicht! – Abg. Matznetter: ... Nein, der Jakob Schwarz hat dagegen gestimmt!)

Es gibt da ein Instrument – Kai Jan Krainer hat das ja schon ausgeführt –, das uns Abgeordneten für genau diesen Fall zur Verfügung steht, nämlich den Abänderungsantrag. Jetzt haben tatsächlich – man kann es ja gar nicht glauben – der Finanzsprecher der SPÖ, Herr Kai Jan Krainer, und der Finanzsprecher der FPÖ, Abgeordneter Fuchs, einen solchen Abänderungsantrag eingebracht, in dem genau all diese Regeln von der Cofag-Gründung rausgestrichen worden sind – oder nicht.

Gerade Sie, Herr Krainer – ich habe Ihren Abänderungsantrag hier (das genannte Dokument in die Höhe haltend), Sie haben uns vorhin ein Gschichtl erzählt –, Sie stochern da wild im Nebel herum, Sie haben alle möglichen Ideen, was Sie in diesem Gesetz ändern wollen. Man muss sich das einmal vor Augen führen: So proaktiv habe ja nicht einmal ich für die Cofag gestimmt. Er ist mit seinen Mitarbeitern das ganze Gesetz durchgegangen und hat dann gedacht: Na ja, Rechtsanspruch wäre schon super, aber bei der Sonder­betreuungszeit für die Arbeitnehmer:innen, nicht für die Unternehmen, die da einen Antrag stellen. Oder: Finanzämter wären schon wichtig, aber beim Covid-Krisenbewältigungsfonds – der ist nicht gehoben worden, die


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Cofag ist gehoben worden. Sie sind also gut unterwegs: von fünf möglichen Punkten null getroffen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Krainer: Da müsste man halt sinnerfassend den Antrag lesen! – Abg. Matznetter: Ihr glaubt, ihr kommt damit durch, bei dem Desaster?!)

Abgeordneter Fuchs ist besser – auch er hat einen Abänderungsantrag mit allen möglichen Änderungen eingebracht; sehr spannend, was er da alles gerne hätte –: Er hat einen Treffer. Der Rechtsanspruch, in dem Fall an der richtigen Stelle, ist von Abgeordnetem Fuchs gekommen: Gratulation!

Die NEOS haben nur einen Entschließungsantrag eingebracht. Sie hätten gerne die Rücklagen von der Wirtschaftskammer für die Förderungen verwendet, was auch keine Überraschung ist, waren aber sonst mit diesem Paket eigentlich zufrieden.

Ich will jetzt niemandem einen Vorwurf machen. Es war damals der 15. März – das war ein Tag vor dem ersten Lockdown, zwei Tage nachdem er beschlossen worden ist –, wir sind alle beieinander gesessen, einen Tag zuvor war der Ausschuss, und wir haben Stress gehabt, wir haben das hinkriegen müssen. Ich bin dankbar dafür, dass alle mitgestimmt haben, dass man diese Verantwortung übernommen hat, aber wenn man schon so laut: Skandal!, ruft, dann macht man sich doch bitte vorher die Mühe und schaut, ob man nicht selbst Teil dieses Skandals ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Jetzt noch einmal insbesondere an die SPÖ, weil sich das wirklich wie ein roter Faden durch die letzten Jahre zieht: Wenn wir bei den Wählerinnen und Wählern da draußen jetzt den Eindruck erwecken, dass der Gesetzgeber, nämlich wir alle hier, ein bissel ang’rennt ist und wir Dinge machen, die eigentlich nicht sehr sinnvoll sind – wem wird das denn bei der nächsten Wahl wahrschein­lich nützen?

Es zieht sich durch die Teuerungsdebatte und es zieht sich auch durch diese Geschichte: Es hilft euch nichts! (Abg. Matznetter: Dann hättets endlich Schluss


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gemacht mit denen! Ganz einfach: Schluss, aus, erledigt!) Es zahlt bei anderen ein, und die sind ruhig und freuen sich darüber. Ich bitte darum: Lasst das! Ein Strategiewechsel würde jetzt helfen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ja lächerlich! Man soll nichts mehr kritisieren, weil es der FPÖ helfen könnte?! – Abg. Herr: Die Opposition darf nicht mehr arbeiten aus Angst vor der FPÖ, oder was? Entschuldigung! Dann schaffen wir die Opposition ab, weil die Grünen haben Angst vor der FPÖ! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ja eine Selbstaufgabe: Wir dürfen nichts sagen, sonst wächst die FPÖ!)

16.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


16.20.01

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank auch meinem Vorredner. Es ist natürlich schon ein wenig entwaffnend: Einer der größten Skandale dieser Legislaturperiode, und wir sollen einfach nicht darüber reden, weil das jemand anderem helfen könnte! (Ruf bei der ÖVP: Das hat er nicht gesagt!) Herr Kollege, uns geht es hier schon um Transparenz und Kontrolle. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Über Fakten reden ...!)

Ja, natürlich ist es die Cofag. Wir haben es von Anfang an gesagt. Wir haben es tatsächlich von Anfang an gesagt, wir haben gerade nachgeschaut: Im Juni 2020 haben wir gesagt: So geht das nicht mit dieser Cofag! (Abg. Maurer: Der Beschluss war am 15. März!) – Ja, da war es ein Sammelgesetz, und dann haben wir im Juni festgestellt: Was hier kommt, macht wenig Sinn. Ich kann mich an meine Worte erinnern. Ich habe gesagt: Wenn das Steuergelder sind, die richtigerweise an Unternehmen ausgezahlt werden, weil sie geschlossen worden sind – natürlich gehört das kompensiert! –, macht es bitte transparent! Das war mein Punkt. Was ist passiert? – Natürlich nichts! (Abg. Schwarz: Alle


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Förderungen über 10 000 Euro vollkommen ...!) Die Cofag war da und die Cofag – ich bleibe dabei – ist Intransparenz und Freunderlwirtschaft in einen rechtlichen Rahmen gegossen und nichts anderes. (Beifall bei den NEOS.)

Ich möchte es tatsächlich ein wenig anhand dessen durchgehen, was uns der Herr Finanzminister immer erzählt.

Punkt eins: Es musste schnell gehen. – Ja, schnell gegangen ist, dass man dieses intransparente Konstrukt geschaffen hat, sonst ist überhaupt nichts schnell gegangen, weil der Herr Finanzminister nämlich im Sommer 2020 – manche mögen sich daran erinnern – Besseres zu tun hatte. Blümel hat nämlich Wahlkampf in Wien gemacht. Er hat sich nicht darum gekümmert, ob man EU-rechtlich Hilfen gut aufsetzen könnte. Es gab riesige Streitereien. Ja, und dann ist es natürlich wirklich dramatisch geworden, und zwar im Herbst bezie­hungsweise Winter, als die Unternehmer zu Recht gesagt haben: He, wir brauchen jetzt etwas, ihr müsst jetzt endlich etwas tun!

Und was war? – Super, der Schuss ins Blaue mit dem Umsatzersatz, bei dem der Herr Finanzminister ja auch selber zugibt, der hat nicht wirklich gut funktioniert. (Ruf bei der ÖVP: Sepp Schellhorn sei Dank! Aber den wolltet ihr haben!) So viel zum Thema: Es musste schnell gehen. Es ist über ein halbes Jahr lang nichts passiert – Punkt eins. (Abg. Wöginger: Aber dem Herrn Schellhorn wäre es fast noch zu wenig gewesen!)

Punkt zwei: Transparenz. Alle stellen sich jetzt hier heraus und sagen: Ach, die Cofag ist ja so transparent! – Kollege Stocker, der Herr Finanzminister. Ja, warum ist sie das denn geworden? – Eine EU-Richtlinie sagt, man müsste das doch in eine Transparenzdatenbank stellen. Sie wären nicht auf die Idee gekommen, dass das geht. Ich weiß nicht, wie viele Anträge ich damals dazu gestellt habe. Von der EU ist es gekommen, ansonsten wüssten wir bis jetzt gar nichts. Wir hätten keine Zahlen dazu. (Abg. Ottenschläger: In Wien wissen wir auch nichts!) Das war der zweite Punkt. (Beifall bei den NEOS.)


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Der dritte Punkt, zu dem wir immer gesagt haben, das kann doch nicht sein: dass die Unternehmerinnen und Unternehmer keinen Bescheid bekommen, wenn nicht über die Finanzämter ausgezahlt wird – wie wir das auch alle vorgeschlagen hätten –, wenn die Cofag Gelder ausbezahlt.

Was machen Sie denn damit? – Wenn man irgendetwas wissen will, kann man beim Finanzamt, von dem man einen Bescheid bekommt, relativ schnell nachfragen und das gemeinsam mit dem Finanzamt ausarbeiten. Man kriegt auf jeden Fall Informationen. – Natürlich nicht so bei der Cofag: Da muss man privatrechtlich klagen. Das ist sauteuer. (Abg. Deimek: Das ist dem Finanzminister herzlich wurscht!) Natürlich haben das die Unternehmen jetzt gemacht, natürlich fangen sie an, das jetzt zu tun. Herr Finanzminister, da können Sie sich nicht herstellen und sagen: Na ja, die verlieren jetzt eh gerade alle! Das glaube ich nämlich nicht, das schauen wir uns nächstes Jahr an. Das glaube ich wirklich nicht. (Beifall bei den NEOS.)

Der nächste Punkt: Sie haben immer gesagt, das Finanzministerium, die Finanz­ämter hätten nicht genügend Mitarbeiter:innen, um das abzuarbeiten, deswegen brauche es die Cofag. – Ja, wer hat denn die Arbeit gemacht? Auch das hat der Rechnungshofbericht sehr klar dargestellt: Die Arbeit ist in den Finanzämtern passiert. Da wurden viele, viele Mitarbeiteräquivalente gebraucht, um tatsächlich auch sehr viel dieser Arbeit zu übernehmen. Also auch das ist einfach eine Mär, die Sie uns immer wieder zu erzählen versuchen. Es stimmt einfach nicht.

Mein letzter Punkt zu diesem Thema: Was uns der Herr Finanzminister in seiner Märchenstunde immer weismachen möchte, wenn es um das Thema Cofag geht, ist ja tatsächlich der Beirat. Ich habe letztes Mal schon dem Kollegen von der ÖVP erklärt, was die Aufgabe eines Abgeordneten ist. Jetzt muss ich es offenbar beim Finanzminister auch noch einmal machen. (Bundesminister Brunner: Ich bin auch Abgeordneter, sogar zehn Jahre! Wie lange sind Sie schon Abgeordnete?) – Ja, dann haben Sie es vielleicht nicht ganz richtig verstanden, was Ihre Aufgabe ist: Gesetzgebung und parlamentarische Kontrolle. (Abg. Kopf: Das ist sehr abge­hoben!)


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Dann berufen Sie jemanden in einen Beirat, der einen Maulkorb bekommt, und man kann de facto nichts darüber sagen? Das ist nicht Transparenz und das ist nicht Kontrolle. Wenn Sie es mir nicht glauben, dann schlagen Sie es bitte einfach im Rechnungshofbericht nach, denn der kommt genau zum gleichen Schluss wie wir! (Beifall bei den NEOS.) – Sie merken es: Mich macht das wirklich grantig.

Jetzt hat ja Gott sei Dank der Verfassungsgerichtshof gesagt, woran wir wirklich sind. Er hat gesagt, die Cofag war nicht nur für den Hugo, sondern sie war auch verfassungswidrig: kein Rechtsanspruch und Bescheid für Unter­nehmen – verfassungswidrig; keine Rechtsmittel außer privaten Klagen – so ist das nicht handzuhaben; eine Cofag, die die ihr übertragenen Aufgaben gar nicht heben kann; letztlich handelt es sich um die Übertragung von hoheitlichen Aufgaben an eine privatrechtliche Konstruktion ohne ersichtlichen Vorteil für die Unternehmerinnen und Unternehmer. – Das ist das, was in diesem Urteil steht, und das sollten Sie bitte auch respektieren.

Herr Finanzminister, ich verstehe es ja nicht ganz! Ich muss Ihnen wirklich noch einmal sagen: Ich verstehe wirklich nicht ganz, warum Sie sich diesen Schuh anziehen. Sie haben das ja damals gar nicht gemacht. Sich jetzt die ganze Zeit hier herzustellen und zu sagen, dass die Cofag ein Erfolgsmodell ist, steht Ihnen wirklich nicht gut an – lassen Sie mich auch das sagen. (Beifall bei den NEOS.)

Ja, jetzt haben wir natürlich das Resultat. Der Verfassungsgerichtshof hat jetzt gesagt, die Cofag gehört aufgelöst. Das finden wir gut. Was aber darüber hinaus noch kommt – da es ja ein sehr weitreichendes Urteil ist –, ist, dass in weiterer Folge auch die Frage besprochen werden wird: Was darf denn überhaupt ausgelagert werden und was nicht? – Auch das wird eine sehr, sehr spannende Frage.

Das ist jetzt übrigens – auch in Richtung SPÖ gesagt – das, was uns am meisten interessiert, denn was wir als NEOS nicht wollen, ist, dass jetzt eine Schlamm­schlacht folgt und dass Unternehmerinnen und Unternehmer sozusagen vor den


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Kadi gezerrt werden, um Dinge aufzudecken. Die Unternehmerinnen und Unternehmer können nämlich – ehrlich! – gar nichts dafür. Die haben sich an das gehalten (Abg. Hanger: Ah!), was die Politik beziehungsweise die Bundesregie­rung vorgeschlagen hat. Diese Richtlinien, wie die gesamten Gelder ausbezahlt werden, das ist eine politische Verantwortung, und darüber können wir sehr gerne reden. (Abg. Hanger: Ja!) Ich möchte es auch noch einmal in Richtung SPÖ sagen: Wenn Sie ein angestellter Geschäftsführer eines Unternehmens sind und Sie holen sich diese Gelder nicht ab, die Ihnen ja nach den Richtlinien zustehen, dann ist das Untreue. (Abg. Ottenschläger: Das weiß die SPÖ nicht, was das heißt!)

Ich möchte also schon darauf verweisen, dass es hier nicht darum geht, Unternehmerinnen und Unternehmer zu bashen, sondern darum, die politische Verantwortung für die Cofag aufzuarbeiten. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Abgeordnete Greiner. – Bitte.


16.27.14

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher:innen! Ich beginne mit etwas Erfreulichem: Ich darf die SPÖ Ebensee im Namen unserer Abgeordneten Elisabeth Feichtinger herzlich willkommen heißen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS.)

Frau Kollegin Doppelbauer, ja, es geht um die politische Aufklärung dessen, was da passiert ist. Wo stehen wir jetzt? – Der Verfassungsgerichtshof hat die Konstruktion der Cofag für rechtswidrig, verfassungswidrig erklärt. (Ruf bei der ÖVP: Fünf Paragrafen!) Die Cofag haben wir als SPÖ-Fraktion seit ihrer Gründung, von der ersten Minute an sehr, sehr kritisch gesehen, weil wir uns gedacht haben: Was soll da passieren? Was ist da der Hintergrund?


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Wir haben nicht verstanden, warum man die Förderabwicklung nicht der Finanzverwaltung überlassen hat. Wir haben wirklich ausgezeichnete Beamtinnen und Beamten mit hoher Expertise. Sie verfügen über die entsprechenden erforderlichen Daten. Es war für uns unverständlich, warum man da eine eigene Agentur gründen muss. Die Fragen sind immer mehr geworden, Antworten erhielten wir ohnehin nie. Das war auch der Grund, warum wir als Fraktion ein Sonderprüfverlangen an den Rechnungshof gestellt haben.

Dieser Bericht liegt dankenswerterweise penibel und sehr fundiert aufbereitet vor. Der Rechnungshof hat gesagt – heruntergebrochen –: Warum gibt es die Cofag eigentlich? Es fehlt nämlich bereits die Begründung zur Gründung. Die war nicht auffindbar. Zweiter Sukkus: Die Cofag ist aufzulösen. Der Cofag-Skandal, so wie wir ihn jetzt erleben müssen, spiegelt in exemplarischer Weise das Versagen dieser Bundesregierung wider. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist passiert? – 20 Milliarden Euro an Steuergeld sind über die Cofag geflossen. Wussten wir davon, wer wie viel wann warum bekommt? Das ist unser ureigenstes Interesse als Nationalrat, muss es auch sein, denn der Nationalrat hat die Budgethoheit in der Republik Österreich. Wir haben keine Antworten bekommen, weil – das liegt in Ihrer Verantwortung, Herr Bundesminister! – die Cofag der parlamentarischen Kontrolle entzogen wurde, gehütet wie ein geheimer Schatz. Da darf niemand hineinschauen, damit Sie mit Ihrer Unterstützung und auch der der Grünen Milliarden – 20 Milliarden Euro – vergeben können. –Treffsicher? – Ja: Gönner, Spender, Freunde, Großkonzerne, die noch mehr Gewinne gemacht haben und diese an die Aktionäre ausschütten konnten. Und Sie haben gesagt, es ging so viel an Klein- und Mittelunternehmen. Warum - - (Abg. Eßl: Das glauben Sie ja selber nicht, was Sie hier sagen!) – Herr Kollege, ja, kommen Sie, arbeiten Sie mit! Lernen Sie daraus! Klären Sie mit auf! (Beifall bei der SPÖ.) 45 Prozent mehr Insolvenz­anträge – passt das zusammen? Ist das ein Erfolg? – Sorry, für die SPÖ ist das ein Misserfolg.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 273

500 Millionen Euro an Überförderungen. 25 Millionen sind zurückgeholt worden? – Die Europäische Kommission hat Ihnen tüchtig auf die Finger geklopft und hat gesagt: 1 Milliarde Euro holen wir zurück, die ist zurückzu­fordern! (Bundesminister Brunner: Nein, nein, nein, um Gottes willen!) Herr Minister! Sie hat im August bereits die Kriterien vorgegeben, wonach die Rückforderungen zu erfolgen haben– durch Sie! Es gibt aber noch keine Verordnung, sodass wir die Rückforderungen sehen. Haben Sie jetzt einen Plan? – Wir haben noch immer keine Antwort. Und vor allem die Milliarde, nein, die ist nicht da.

20 Milliarden Euro Schulden im Budget, 70 Milliarden Euro werden in den nächsten vier Jahren dazukommen. 20 Milliarden Euro haben Sie über die Cofag in den Sand gesetzt, die wir nicht kontrollieren durften, weil Sie das goutiert haben. (Abg. Pfurtscheller: In den Sand gesetzt!?) Es ist in Ihrer Verantwor­tung. Diese Art, Verantwortung wahrzunehmen, verurteilen wir auf das Schärfste. Das ist nicht gerecht, das ist nicht sozial, das ist schlichtweg ein Skandal der Sonderklasse! (Beifall bei der SPÖ.)

Lieber Kollege Schwarz, ein Schlusssatz an Sie gerichtet: Sie haben immer dagegengestimmt. Bei dem Antrag damals ist es darum gegangen: Wir wollten, dass sichergestellt wird, dass dem Budgetausschuss regelmäßig berichtet wird, was da passiert. Wir wollten immer einen Kontrollausschuss, von Anfang an. – Sie haben dagegengestimmt. Gehen Sie in sich! Machen Sie es wieder gut! (Abg. Schwarz: Es gibt monatliche Berichte!) Versuchen Sie es! (Abg. Schwarz: Wir haben monatliche Berichte!) Helfen Sie bei der Aufklärung!

Herr Minister, die Verantwortung, wie Sie sie wahrnehmen, ist inakzeptabel. (Abg. Schwarz: Wir haben monatliche Berichte!) Bitte, klären Sie mit auf – aber noch besser: Machen Sie den Weg frei für Neuwahlen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.32



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 274

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kopf. – Bitte.


16.32.33

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Ruf bei der ÖVP: Jetzt wissen wir, was das Ziel ist!) Nach dieser Selbstanklage der SPÖ und auch noch der unverschämten Anklage gegenüber mehr als 200 000 Unter­nehmerinnen und Unternehmern, die diese Förderungen dringend gebraucht haben, weil viele davon es sonst nicht überlebt hätten (Abg. Greiner: Es war ein Mangel an Transparenz!), kommen wir wohl besser wieder zu den Fakten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich wäre ja versucht, die Rede des Kollegen Schwarz einfach noch einmal zu wiederholen, vor allem was den Punkt der Entstehungsgeschichte der Cofag anbelangt, aber ich erinnere Sie gerne noch einmal daran, meine Damen und Herren von der Opposition: Der VfGH hat uns vorgehalten, dass er die Ausgliederung der Abwicklung dieser Förderung in eine eigene Gesellschaft für nicht verfassungskonform oder nach der Verfassung für nicht notwendig gehalten hat. (Abg. Krainer: Na, na, na!) Wir alle haben diese Gesellschaft mit einem Gesetz hier herinnen eingerichtet, mit einem Gesetz beschlossen und grundgelegt. (Abg. Stöger: Wir nicht!) Sie klagen sich ja selber an, meine Damen und Herren! Sie klagen sich selber an, wenn Sie das jetzt kritisieren. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir alle waren damals, zu dem Zeitpunkt, mit dem Wissen, das wir hatten, der Meinung, das sei der beste Weg. Wovon reden wir denn? – Da war eine große Dimension an betroffenen Unternehmen zu bewältigen, da war eine große Dimension an nötigem Fördervolumen zu bewältigen, da war eine große Anzahl von Förderanträgen zu erwarten – wir wissen es: es sind inzwischen 1,3 Mil­lionen geworden –, und es gab auch eine Dringlichkeit der Abwicklung. Das heißt, es war eine mehr als legitime Überlegung des Finanzministeriums (Abg.


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Deimek: Überhaupt nicht!), hierfür eine eigene Einheit zu schaffen, die das macht, eine Zweckgesellschaft (Abg. Deimek: Das ist absurd!), denn glauben Sie mir: Das hätte die Finanz mit Sicherheit nicht geschafft. (Beifall bei der ÖVP. – Rufe bei der FPÖ: Natürlich! – Abg. Yildirim: Das stimmt einfach nicht!)

In Spitzenzeiten 100 000 Anträge pro Monat zu erledigen, das ist weit mehr, als die meisten Förderstellen in Österreich, die wir kennen – ob das das AWS ist, ob das die Forschungsförderung ist, ob das die OeKB ist –, erledigen. Die bearbeiten eine solche Anzahl an Anträgen vielleicht im Jahr, aber mit Sicherheit nicht jeden Monat. – Unmöglich!

Meine Damen und Herren, es ist selbstverständlich mit allem Respekt zu akzeptieren, dass der Verfassungsgerichtshof diese Entscheidung getroffen hat. Nicht zu akzeptieren, meine Damen und Herren, ist aber so manche Interpretation, die hier in der Debatte immer wieder gebracht wird. Da wird – ich zitiere –: behauptet, die Cofag sei nur gegründet worden, „um Milliarden an Hilfsgeldern ohne Kontrolle und abseits der Öffentlichkeit nach Gutsherrenart verteilen zu können“. (Abg. Deimek: Es gab keine Kontrolle! Sie argumentieren jämmerlich!) – Es gibt glasklare Richtlinien, nach denen alle Anträge abgehandelt werden, und die sind für alle Antragsteller – ob sie jetzt einer Partei zugehören oder nicht – gleich. (Beifall bei der ÖVP.) Im Gegensatz zu manchen Förderstellen anderer Art werden hier alle Anträge einer Kontrolle unterzogen und nicht wie bei manchen anderen Stellen nur stichproben­weise.

Dann wird behauptet, es seien Förderrichtlinien erstellt worden, bei denen am Ende Konzerne und Superreiche begünstigt würden, während Hunderte Klein- und Mittelunternehmen durch den Rost fallen. (Abg. Herr: Sagt auch der Rechnungshof!) Der Herr Finanzminister hat es schon gesagt: 85 Prozent der Antragsteller haben weniger als zehn Mitarbeiter, 95 Prozent der Antragsteller weniger als 2 Millionen Euro Umsatz. – Ja, sind das die von Ihnen gemeinten Konzerne und Superreichen, meine Damen und Herren? – Das ist doch wirklich eine Vernebelung und das sind Behauptungen, die jeden Wahrheitsgehalt


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vermissen lassen. Sie sollten sich wirklich dafür schämen! (Beifall bei der ÖVP.)

Eines noch, meine Damen und Herren: Die am meisten kritisierte und, ich würde sagen, nicht ganz zu Unrecht kritisierte Maßnahme ist der Umsatzersatz von damals 80 und dann 50 Prozent. (Abg. Kassegger: Aha: „nicht ganz zu Unrecht“!) Kollege Matznetter – das ist protokollarisch nachzulesen – wird zitiert mit: 80 Prozent Umsatzersatz will er als generelle und dauerhafte Hilfsmaßnahme, auch für indirekt Betroffene, etabliert sehen. – Nicht für zwei Monate, wie es damals geschehen ist, sondern als dauerhafte Maßnahme und generell für alle, ob direkt oder indirekt betroffen. – Zitat Matznetter.

Aber auch Kollege Fuchs hat diese Maßnahme begrüßt und hat nur kritisiert, dass sie nicht automatisch ausgezahlt wird, sondern dass man dafür noch einen Antrag stellen muss, der dann überprüft werden kann. Er geht ja noch weiter, als wir dann in der Richtlinie gegangen sind. Hört, hört! Und jetzt wird das als Überförderung kritisiert. – Hallo, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, Kollege Matznetter, Kollege Fuchs, ihr wolltet ja noch weiter gehen als wir! Und jetzt kritisieren Sie uns dafür? – Nicht sehr seriös. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Eines noch, meine Damen und Herren, zu den Kontrollinstanzen: Es gibt einen fachlich höchst kompetent zusammengesetzten Aufsichtsrat bei der Cofag. (Abg. Kaniak: Aus Rot und Schwarz!) Üben Sie jetzt Kritik an diesen honorigen Persönlichkeiten in diesem Aufsichtsrat? Üben Sie jetzt Kritik an denen? (Abg. Deimek: Das ist jämmerlich!) Dieser Aufsichtsrat war höchst kompetent, ist es bis heute und nimmt seine Kontrollfunktion auch wirklich wahr. (Abg. Deimek: Ist ja nicht wahr!) Dass Sie als Oppositionsparteien in den Beirat nicht gegangen sind, diese Einladung nicht angenommen haben, das zeigt ja nur (Zwischenrufe der Abgeordneten Doppelbauer und Loacker), dass Sie offenbar ab einem bestimmten Zeitpunkt die Strategie geändert haben, von der ursprünglichen Grundzustim­mung in Richtung: Hoppla, daraus könnte man einmal am Ende politisch Kapital


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schlagen. Diese Tür lassen wir uns lieber offen! – Schäbig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen am Ende: Ich bedanke mich an dieser Stelle – da sind Fehler passiert, keine Frage – grosso modo bei allen, die daran mitgewirkt haben. Ich bedanke mich beim Aufsichtsrat, bei der Geschäftsführung der Cofag, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Cofag, die unter schwierigsten Bedin­gungen – unter Zeitdruck, unter wechselnden und sich ändernden Richtlinien – einen tollen Job gemacht haben, auch bei den Mitarbeitern des Finanz­ministeriums und nicht zuletzt auch bei jenen von den Sozialpartnern – arbeit­geber- und arbeitnehmerseitig –, die sich bereit erklärt haben, und auch bei jenen Abgeordneten, die bereit waren, im Beirat mitzuwirken und dafür zu sorgen, dass Transparenz herrscht. Danke allen, die ihre Arbeit dort gemacht haben.

Wie gesagt, bei allen anderen Fördereinrichtungen, die wir in Österreich staatlicherseits haben, gibt es nicht mehr Transparenz als hier bei der Cofag. Es gibt einen Aufsichtsrat, es gibt Richtlinien, es gibt gesetzliche Grundlagen. Der Rechnungshof kann hineinschauen und es kann auch jemand zum Verfas­sungsgerichtshof gehen, wenn ihm die gesetzliche Grundlage einer dieser Fördereinrichtungen nicht passt. Das ist 1 : 1 dieselbe Situation wie beim AWS oder bei anderen Fördereinrichtungen.

Meine Damen und Herren! Sie wollen hier mehr als politisches Kleingeld, Sie wollen hier politisches Kapital aus einer Sache schlagen, die unter höchst schwierigen Umständen notwendig war, grosso modo gut umgesetzt wurde, und jetzt wollen Sie daraus wie gesagt auf billige Art und Weise Kapital schlagen. (Abg. Deimek: ... unter Ihrem Niveau! ... jämmerlich!) Ich denke nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger Ihnen das honorieren werden. (Beifall bei der ÖVP.)

16.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es folgt eine tatsächliche Berichtigung durch Abgeordneten Krainer. – Bitte.



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16.41.17

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgeordneter Kopf hat eben in seiner Rede behauptet, die SPÖ hätte ohne Kritik an der Cofag bei der Einrichtung so zugestimmt.

Ich berichtige tatsächlich und zitiere aus dem Stenographischen Protokoll der Nationalratssitzung im März 2020. Da hat die SPÖ einen Abänderungsantrag zu diesem Thema eingebracht, ich zitiere aus der Begründung:

„Die Abwicklung soll unbürokratisch über die Finanzämter erfolgen. Das seit 1950 geltende Epidemiegesetz soll mit diesem Initiativantrag ausgehebelt werden. Damit würden vor allem Klein- und Kleinstbetriebe keine entsprechen­den Entschädigungen erhalten. Daher soll das Epidemiegesetz für Betriebe bis 25 Mitarbeiterinnen weiter in Geltung bleiben.“

Wir haben zeitnah genau diese Dinge gefordert und auf das hingewiesen (Ruf bei der ÖVP: Haben Sie dem Antrag zugestimmt? – Ja!), was der Verfassungsgerichts­hof vor zwei Tagen als verfassungswidrig erkannt hat. Das ist die Wahrheit. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zanger. – Bitte.


16.42.33

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kopf hat jetzt gerade so nonchalant gesagt: Ja, der Rechnungshof soll hineinschauen! – Das hat er eh gemacht. Und wie ist das Urteil des Rechnungshofes ausgefallen? Die Cofag ist die größte, teuerste und intransparenteste Fehlkonstruktion, die Österreich je gesehen hat. Sie ist ein Milliardengrab, bei dem Freunderlwirtschaft möglich war. Das ist jetzt auch durch das VfGH-Erkenntnis de facto bestätigt worden. Und wenn wir das kritisieren, dann sagen Sie, es ist schäbig!? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Da stellt eine Institution fest, dass es so ist, und für euch ist das alles kein Problem?! Es ist nicht wahr?! Das ist, im Gegenteil, noch eine Erfolgsgeschichte?! Fragt einmal die normalen Bürger draußen, was die davon halten, wenn die ÖVP so reagiert! – Eine Erfolgsgeschichte kann es für die ÖVP nur dann sein, wenn ein paar Geldpackerl in die Taschen wandern, von Freunderln, Gönnern, Spendern, Großunternehmern und vielleicht noch ein paar von euch. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der ÖVP: ... steirische FPÖ!)

Ihr habt Milliarden in der Cofag gehortet und schwarzen, grünen Parteigängern die Taschen vollgestopft. Das ist die Wahrheit bei der Cofag. (Abg. Stocker: Wir sind nicht in Graz, Herr Kollege! – Ruf bei der ÖVP: Ein bisschen zu viel Rum in der Geburtstagstorte vom Kickl! – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ihr habt zig Millionen für Beratungsleistungen ausgegeben, wahrscheinlich auch wieder an schwarze und grüne Parteigänger, Nahestehende, Freunderl et cetera, anstatt vorhandene Expertise in der Finanzverwaltung zu nutzen. (Zwischen­ruf des Abg. Eßl.)

Ihr habt 125 000 Euro für Protokollführung für 30 Sitzungen in einem halben Jahr locker springen lassen. Ich möchte auch wissen, wer das war. Wahrscheinlich auch wieder ein schwarzer, grüner Parteigänger oder weiß der Teufel wer. Die Cofag war ein Paradies für schwarze und grüne Berater.

Und wer bezahlt das alles? Wer bezahlt das? – Das ist derjenige, der draußen auf der Straße steht, hackelt, Steuern zahlt – jetzt komme ich noch zu Ihnen, Herr Minister, und noch ein Bezug auf Ihre Budgetrede –, das sind die Leute, die nicht wissen, wie sie die Stromrechnungen zahlen sollen, wie sie die Gasrechnungen zahlen sollen, wie sie Essen einkaufen sollen. Und da haben wir jetzt nichts von eurem Nehammer-Burger. So nehmt ihr den Steuerzahlern das Geld aus der Tasche, füttert euch und eure Freunderl, und dann geht der Herr Finanzminister her und sagt in seiner Budgetrede ganz zum Schluss, er bedanke sich bei den Steuerzahlern dafür, dass sie so schön in die Kassen einzahlen, was dann die


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ÖVP mit vollen Händen wieder ausgibt und in vielfacher Weise auch in die eigenen Taschen steckt. (Abg. Pfurtscheller: Also das ist eine Unterstellung! Nehmen Sie das zurück!)

Und selbstverständlich haben auch Großunternehmer profitiert, und da komme ich noch einmal zum Herrn Benko. Mit dem habe ich eh noch ein Hühnchen zu rupfen, denn – jetzt kommt aber auch ein bissel Kritik an euch, meine lieben roten Genossen (Zwischenruf des Abg. Eßl) – Herr Benko hat ja, wie wir eh schon gehört haben, 10 Millionen Euro an Förderungen erhalten und hat sich dann um lockere 30 Millionen, so wird es kolportiert, ein großes Anwesen in meiner Heimatgemeinde gekauft. 1 300 Hektar, 30 Millionen Euro, alles kein Problem.

In meiner Region ist übrigens auch das Familienunternehmen Mateschitz aktiv. Jetzt möchte ich euch einmal etwas sagen, liebe Kollegen von den Roten: Das Familienunternehmen Mateschitz ist im Gegensatz zum Unternehmen von Herrn Benko so konstruiert, dass es dort zwar auch sehr viel gekauft hat, aber die haben hergerichtet, modernisiert, adaptiert, geschaut, dass Traditionen erhalten werden, die haben Gebäude saniert, et cetera. Die haben etwas für die Region gemacht, für die Wirtschaft dort, für die Leute, die dort wohnen. Und wisst ihr, was Herr Benko gemacht hat? – Ein florierendes Unternehmen, ein gutes Wirtshaus, da hat man heiraten können, in einer wunderschönen Region: Er hat das zugedreht, ein historisches Gebäude mit einer der ältesten Rauchkuchln der Steiermark! Das ist der Herr Benko! Jetzt wird er wahrscheinlich mit seinen Freunderln ein bisserl jagern, vielleicht sind ja dort auch ein paar ÖVP-Abgeordnete auf ein Hirscherl oder ein Reherl eingeladen, so wird das dort laufen. Es ist mittlerweile alles zugesperrt, es gibt Fahrverbotstafeln et cetera. Das ist der Herr Benko! Und ich möchte euch (in Richtung SPÖ) nur sagen, Herr Mateschitz hat es anders gemacht. (Zwischenruf des Abg. Stocker.)

Herr Finanzminister, weil ich auf die Rede von Ihnen und auf dieses Dankeschön an die Steuerzahler eingegangen bin: Was glauben Sie, wenn man diese Geschichten alle hört, was sich der Bürger draußen denkt? Das ist doch blanker


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Hohn! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Eßl: Das war blanker Unsinn, was du geredet hast!)

16.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Götze. – Bitte.


16.47.27

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Werter Herr Minister! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen sowie werte Zusehe­rinnen und Zuseher hier und auch zu Hause! Erlauben Sie mir oder erlaubt mir ein persönliches Wort vorab: Ich bin wirklich gern in der Politik und ich glaube, es ist wichtig, dass wir hier konstruktiv diskutieren und die richtigen Dinge tun, aber nach oder während einer Rede des Kollegen Zanger zweifle ich daran. (Abg. Ottenschläger: Das verstehe ich!)

Zurück zu den Fakten: Wir sind hier, weil wir über das Urteil des VfGH diskutieren. Die Fakten sind: Der VfGH hat auf Antrag der Wiener Lokalbahnen die Cofag angeschaut und ist zum Erkenntnis gekommen, dass verschiedene Punkte – und sie wurden schon ausführlich diskutiert – verfassungswidrig sind. Danke an den VfGH – und natürlich ist das richtungsweisend. Natürlich müssen wir unsere Lehren daraus ziehen. Es wurde schon angesprochen, auch von der Kollegin Doppelbauer, dass das möglicherweise auch auf andere Förderkonstruk­tionen, Förderabwicklungsinstrumente Auswirkungen haben wird. Das werden wir uns ganz genau anschauen. Also wir sind hier, um daraus unsere Lehren zu ziehen. Wofür wir, glaube ich, nicht hier sind und nicht gewählt sind, ist, polemisch über für doch sehr viele Menschen wichtige Dinge zu sprechen.

Zurück zu den Fakten: Tatsache ist, dass der Verfassungsgerichtshof eindeutig festgestellt hat, dass es möglich ist, dass der Gesetzgeber regulieren kann, dass Antragstellende, die im Eigentum von Gebietskörperschaften


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sind, wie das die Lokalbahnen sind, keine Förderungen bekommen. Das ist rechtmäßig.

Er hat auch festgestellt, dass es am Gesetzgeber liegt, zu entscheiden, wenn jemand Finanzvergehen – und das war in den Förderrichtlinien – begangen hat, dass er von Förderungen ausgeschlossen wird, weil wir als sozusagen Fördergeber oder weil der Finanzminister entscheiden kann, dass steuerliches Wohlverhalten Voraussetzung dafür ist, dass jemand Steuermittel erhält. Also das per se war nicht rechtswidrig. Was rechtswidrig war, war die Konstruktion. Man muss sich am Tatzeitpunkt orientieren und nicht am Urteilszeitpunkt. – Also gut, das werden wir alle miteinander daraus mitnehmen.

Zur Frage: Warum sind wir überhaupt dazu gekommen, die Cofag zu errichten?, wurde schon viel gesagt. Es ist darum gegangen, rasch eine Konstruktion zu schaffen, und wir haben das – wir haben das jetzt schon mehrmals gehört – gemeinsam hier beschlossen. Allerdings möchte ich schon erwähnen: Die Cofag ist im Eigentum des Bundes. Der Finanzminister ist weisungsbefugt gegenüber der Abbag und somit auch der Cofag. Und: Alles, was in der Cofag passiert ist, ist anhand von Richtlinien passiert. Das ist, glaube ich, sehr wichtig, dass wir uns das vor Augen halten. (Abg. Krainer: Die wurden teilweise auch als verfassungswidrig aufgehoben, diese Richtlinien! Das sollten Sie aber schon wissen!)

Auch ich möchte der Cofag und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dort Danke sagen, weil sie wirklich unter großem Druck sehr schnell gearbeitet haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

50 Prozent der mehr als 1,3 Millionen Anträge – man muss sich das einmal vorstellen – wurden binnen acht Tagen genehmigt und dann ausgezahlt. Also das ist wirklich unglaublich schnell passiert. Ich erinnere mich noch sehr gut, dass Ihr Vorgänger gesagt hat, die Finanzverwaltung – es wurde schon gesagt, was die in diesem Zeitraum noch alles zu tun hatte – schafft das nicht.


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Vielleicht ist das auch eine Lehre, die wir daraus ziehen sollten, dass wir wieder mehr in Personal investieren müssen, auch in Personal in Ministerien beispielsweise, damit solche Krisensituationen auch bewältigt werden können. Es war eine Krisensituation. Wir hören auch immer wieder, es geht um schlanke Verwaltung – das ist in Ordnung, solange nichts Außertourliches passiert, aber wenn es eine Krise gibt, geht sich das einfach nicht aus. Ich glaube, das müssen wir mitnehmen. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Ich möchte eine Zahl nennen, was die Ergänzungsgutachten betrifft, weil immer davon die Rede war, das könnte ja alles die Finanzverwaltung machen (Abg. Kaniak: Die hat ja auch die Ergänzungsgutachten gemacht!) – das könnte sie möglicher­weise machen, wenn viel mehr Personal vorhanden wäre, das aber nicht vorhanden ist –: Die Finanzverwaltung braucht für die Ergänzungsgut­achten im Durchschnitt 95 Tage! (Abg. Kollross: Hättet ihr halt mehr Personal aufgenommen!) 95 Tage versus die acht Tage, von denen ich vorhin gesprochen habe – ich glaube, das spricht für sich, und das liegt einfach daran, dass die Belastung dort so groß ist.

Noch etwas: Es wurde mehrmals angesprochen – aus meiner Sicht wirklich faktenbefreit –, dass keine Transparenz da ist (Abg. Greiner: Na Entschuldigung!), und es wurde von 100 000 Euro und EU-Transparenz und Ähnlichem gesprochen. Wir haben hier beschlossen, dass die Transparenz in Österreich bei einer wesentlich niedrigeren Schwelle einsetzt, nämlich bei 10 000 Euro. Wir alle – und auch Sie alle zu Hause – können bei Förderungen ab 10 000 Euro nachschauen: Welches Unternehmen hat wie viel bekommen? (Abg. Greiner: Seit wann steht denn das drinnen?) – Also transparenter geht es doch gar nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Also 100 000 Euro nach den Vorschriften der EU, 10 000 Euro in Österreich – ich glaube, das spricht für sich.


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Noch etwas, was auch faktenbefreit vonseiten der SPÖ – von Krainer und Greiner, einmal mit K, einmal mit G – gesagt wurde: Die EU würde 1 Milliarde Euro zurückfordern. – Das stimmt so einfach nicht. Die EU hat uns aufgefordert, die Richtlinien, die nicht konform mit den EU-Vorgaben waren, nachzubessern – und ich gehe davon aus, dass der Herr Finanzminister demnächst diesbezüglich etwas vorlegen wird. (Abg. Krainer: Nach drei Monaten! – Abg. Greiner: Seit drei Monaten warten wir!)

Ein letzter Punkt: Der Verfassungsgerichtshof wirkt pro futuro. Wir werden unsere Lehren daraus ziehen. Der Rechnungshof hat in seiner Studie, von der wir ja übrigens auch schon gesprochen haben, zahlreiche Empfehlungen abgegeben. Die Cofag hat davon schon alle umgesetzt – also wir ziehen unsere Lehren daraus. Und was, glaube ich, auch noch ausständig ist – wir haben vorhin davon gesprochen –, ist eine Studie des Finanzministeriums, eine Ex-post-Studie wahrscheinlich, in der es um die Zuschussinstrumente – es wurde schon vom Umsatzersatz gesprochen – gehen wird und darum, was da alles damals gefordert wurde.

Wir werden jedenfalls unsere Lehren daraus ziehen, damit wir es in Zukunft oder bei anderen Situationen besser machen können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


16.54.42

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Wenn Sie, geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer, sich jetzt wundern, warum Kollegin Götze das alles so schönredet und kein Problem sieht: Sie muss das machen, denn sie war und ist im Beirat der Cofag, und der Rechnungshof hat ausdrücklich erklärt, dass das nicht zusam­mengeht für einen Mandatar, so eine Funktion mit Verschwiegenheitspflicht zu


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übernehmen. Abgeordnete Götze, die Ihnen jetzt sagt, wir werden die Lehren daraus ziehen, hat zumindest aus dem Rechnungshofbericht keine Lehre gezogen, sie sitzt nämlich immer noch in diesem Beirat. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

In solchen Debatten gelangen manchmal Dinge ein bisschen in die Schieflage, denn Leute, die ein Interesse haben, dass die Wahrheit nicht ganz sauber dargestellt wird, ziehen dann, und auf einmal steht etwas dann schief da.

Zum Beispiel war die Frage, ob Förderrichtlinien europarechtswidrig waren, und der Herr Minister hat in der Beantwortung der Frage 26 auf eine Homepage der EU-Kommission verwiesen – was natürlich stimmt. Tatsache ist, dass wir schon seit vielen, vielen Monaten wissen, dass das Finanzministerium die Richtlinien so geschrieben hat, dass die Konzernbetrachtung nicht gestimmt hat, und man muss nach europäischem Beihilfenrecht zusammengehörende Unternehmen immer zusammen anschauen. Das wäre keine Rocketscience gewesen, und man würde dem Finanzministerium unterstellen, dass die Leute dort das Europarecht so gut kennen, aber offensichtlich hat man die Förderrichtlinien anders geschnitzt. Was die Absicht war, können wir nicht wissen, nur vermuten.

Dann wird darauf verwiesen: Ja, wir haben das ja gemeinsam beschlossen! – Jetzt erinnern Sie sich bitte zurück: Da gibt es diesen einen Beschluss vom 15. März 2020, das war diese Nationalratssitzung am Sonntag. Da waren wir alle in heller Aufregung, weil niemand wusste, was dieses Virus, das da daherkommt, mit sich bringt. Es war eine konstruktive Opposition, die gesagt hat: In dieser Notlage tragen wir jetzt einmal alles mit, es muss schnell gehen, und wir schauen uns das dann nachher genauer an; der Zeitpunkt kommt noch. Jedenfalls hat meine Fraktion im Juni gesagt: Das mit dieser Cofag geht nicht, das gehört über die Finanzämter abgewickelt. (Abg. Meinl-Reisinger: Wir haben das auch schon im Ausschuss davor gesagt!) – So viel einfach zur sauberen Darstellung, wie es war. (Beifall bei den NEOS.)


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Jetzt dazu, dass Kollege Kopf sagt: Der Aufsichtsrat in der Cofag war so super – bah! Also dass Österreich bei Aufsichtsräten grundsätzlich eine international unübliche Lässigkeit an den Tag legt, wissen wir. Das geht in anderen Ländern so nicht. Jetzt muss man sich aber nur einmal anschauen, was die geliefert haben: Sie haben für den Geschäftsführer eine Gage in Höhe von 600 000 Euro freigegeben. Bei der Ausschreibung des Geschäftsführerpostens war null Erfahrung in Abwicklung von Garantien und Zuschüssen gefordert. Da hat einfach einer kommen können, der davon keine Ahnung hatte! – Ein guter Aufsichtsrat würde die Ausschreibung so nicht tolerieren und würde dann auch nicht so entscheiden.

Der Rechnungshof hat auch die Sphärenvermengung bemängelt, weil das immer die gleichen Leute sind, die da miteinander zu tun haben – die bei der Abbag und früher schon bei der Heta und bei der Öbag zusammenarbeiten –, und da immer die gleichen Anwälte und die gleichen Berater beieinander sitzen.

Das kann man doch auch anerkennen und sagen: Das hätte so nicht passieren sollen. Oder man hätte sagen können: Ja, das ist am Anfang in der Geschwindigkeit passiert!, und man hätte es später entflechten können. Man kann auch sagen: Wir haben versäumt, es zu entflechten. – Es wird einfach nichts zugegeben. Da kommt der Stocker heraus und walzt einfach alles nieder, redet über Wien und nicht über die Sache. Das kann man doch auch zugeben, dass einmal ein Fehler passiert ist! Da sind Fehler passiert, denn der Verfassungsgerichtshof und der Rechnungshof sind sich da ziemlich einig in der Beurteilung.

Dann hat Kollegin Götze noch behauptet, der Minister hätte ein Weisungsrecht bei der Cofag. Auch das ist fachlich völlig unrichtig, weil der Verfassungs­gerichtshof in seinem Erkenntnis sagt: Einer der Gründe, warum das aufgehoben wird, ist eben, dass es kein Weisungsrecht in die Cofag hinein gibt. Genau so ist es.


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Der Herr Minister hat in seiner Anfragebeantwortung erklärt, die Unternehmen hätten einen Rechtsanspruch auf Hilfen gehabt. Auch da ist das Gegenteil wahr. (Abg. Deimek: ... das Urteil lesen! Das wäre besser ... weiter Tennis spielen!) Der Verfassungsgerichtshof sagt: Dass es diesen Rechtsanspruch nicht gibt, ist mit einer der Gründe für die Aufhebung des Gesetzes.

Auf der Homepage der Cofag stand auch – man konnte das dort nachlesen, wenn man sich durchgeklickt hat –, dass es eben keinen Rechtsanspruch gibt. Das war ja das Problem, Himmel nochmal! (Bundesminister Brunner: Es hätte einen geben sollen, ja!) – Es hätte einen geben sollen, richtig! Es hätte einen geben sollen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Deimek: Das hat er nicht zusammengebracht!)

Warum hätte es einen geben sollen? – Wenn die Unternehmen die Nachteile von Betriebsschließungen, auf die sie keinen Einfluss hatten, in Kauf nehmen müssen, dann muss es einen Rechtsanspruch geben. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Da stimmt auch die unternehmensfeindliche Position der SPÖ nicht, denn Ihnen konnte keine Maßnahme der Regierung streng genug sein. Sie haben immer noch mehr Masken, noch mehr Lockdowns und noch mehr – frag mich nicht! – Maßnahmen gefordert. Ihnen konnte nichts streng genug sein. Natürlich, wenn man solche strengen Maßnahmen ergreift – und die österreichische Bundesregierung war im internationalen Vergleich besonders rigide und hat die Unternehmen besonders lange zugesperrt –, ja, dann fallen halt hohe Hilfs­zahlungen an. Das muss man fairerweise einfach auch sagen.

Was schon bemerkenswert ist: Es hat nicht gleiches Recht für alle gegolten. Jeder kennt in seinem Umfeld Fälle, dass Unternehmen lange auf Förderungen haben warten müssen. Wer aber gute Kontakte hatte, der hat halt die Förderungen schneller bekommen. (Abg. Hanger: Geh bitte!)

Das war in Summe eine teure Fehlleistung der Regierung. Es sind Milliarden Euro an Hilfen ausgeschüttet worden. Man hat auch eine Haltung kreiert, dass jedem


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Hilfen für sämtliche ökonomische Unwägbarkeiten des Lebens dauernd zustehen. Das ist eine Haltung, die wir ganz schwer wegbekommen. Ich befürchte, diese Regierung hat in ihrer Amtszeit das geschafft, was man in den 75 Jahren davor mit der Landwirtschaft gemacht hat, nämlich alle auf Förderungen umzukonditionieren. Das ist schlecht für die Republik, für das ökonomische Verständnis. Man hat die Vollkaskomentalität befeuert, ausgebaut und gefestigt, und es wird der Job, fürchte ich, leider erst der nächsten Regierung sein, von dieser Vollkaskomentalität wieder abzu­kommen. (Beifall bei den NEOS.)

17.01


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Elisabeth Götze zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.01.41

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Kollege Loacker hat behauptet, ich hätte gesagt, dass der Herr Finanzminister „ein Weisungsrecht“ hat.

Ich berichtige tatsächlich: Was ich gesagt habe, ist, dass der Herr Minister über die Abbag Weisungen an die Cofag erteilen kann. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Hanger.)

17.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. – Bitte.


17.02.11

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Götze, ich bin mir jetzt gar nicht sicher, ob der Herr Finanzminister das glaubt, so wie Sie es gerade tatsächlich berichtigt haben, aber egal, lassen wir es dahingestellt!

Meine Damen und Herren, seit Dienstag haben wir es schwarz auf weiß, dass unsere Kritik, die wir an der Cofag ja von Anfang an hatten, sich bestätigt hat.


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Ich verstehe schon, dass die Regierungsparteien keine Freude damit haben, wenn so ein Verfassungsgerichtshofurteil kommt, und ein bisschen die Nase rümpfen, wenn sie dann draufkommen, dass wir mit dem, was wir schon im März 2020 gesagt haben, recht gehabt haben: dass das Konstrukt, so wie es ist, falsch ist.

Jetzt kann man sagen: Okay, jetzt hat das der Verfassungsgerichtshof gesagt, und die Opposition hat es immer kritisiert! Aber auch der Rechnungshof hat es uns bestätigt. Also es gibt jetzt eine Reihe von Institutionen, die sagen: Das war nicht richtig so. Es war kein gutes Konstrukt, es war eine Blackbox. Da können Sie sagen, was Sie wollen – ob man parlamentarische Anfragen stellen kann oder nicht. – Ja, das können wir natürlich. Es hat aber in der Cofag keine Transparenz gegeben, es war eine Blackbox, es sind darüber fast 20 Milliarden Euro gelaufen, und wir wissen nicht ganz genau, was da drinnen passiert ist.

Das Verteilen der Gelder war leider so, wie es auch schon ausgeführt wurde. Das Verhältnis der Anträge stimmt schon so, wie Sie es gesagt haben: Es sind viele kleine Unternehmen betroffen gewesen. Gerade die kleinen Unternehmerinnen und Unternehmer haben da aber ein Problem gehabt. Es war nämlich gar nicht so einfach, in Zwei-, Drei-, Viermannbetrieben diese Anträge auszufüllen, die Steuerberater zu beauftragen, damit alles korrekt ausgefüllt ist. Manche haben fast gleich hohe Steuerberatungskosten gehabt, wie sie dann Förderungen gekriegt haben. Es war ja auch nicht einfach.

Ein paar wenige, die Großen, haben es sich aber richten können. (Zwischenruf des Abg. Schwarz.) Da hat die Cofag funktioniert wie ein Bankomat. Die sind hingegangen und haben das Geld gekriegt, da hat es funktioniert. (Abg. Schwarz: Nein! ... die Zuschüsse, Ausfallsbonus! ...!)

Wenn der Minister sagt, 6 000 Anträge sind immer noch offen, dann wissen wir, dass ganz, ganz viele Unternehmerinnen und Unternehmer heute noch, zwei


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Jahre später, auf das Geld warten. Das ist immer noch offen, und das ist das Problem.

Es gibt einen Finanzskandal, der lückenlos aufgeklärt gehört. Das ist die Pflicht, die wir hier im Parlament haben und die wir auch wahrnehmen müssen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Was schon verwunderlich ist: dieses komplette Unverständnis der Regierungs­parteien, ob es jetzt Kollege Kopf oder Kollege Stocker ist, die herauskommen und sagen: Das war eigentlich die beste Idee, die wir je gehabt haben! – Es wird von allen Seiten kritisiert, es war intransparent, es ist intransparent. (Abg. Obernosterer: ... das kritisiert! Es war das Beste!) Es ist unglaublich, ich weiß gar nicht, wie man so wenig Selbstreflexion haben kann.

Auch Kollegin Götze: Jetzt wissen wir seit August, dass die EU sagt: Fordert das Geld zurück!, und ich finde es ja schon fast herzig, Frau Kollegin Götze, dass Sie immer noch so viel Vertrauen in den Finanzminister haben und sagen: Ja, von August bis jetzt ist einmal nichts passiert (Abg. Schwarz: ...! Das sagt sie nicht!) – aber null; da fordert man noch nichts zurück –, und jetzt habe ich aber schon das Vertrauen, dass der Herr Finanzminister bald eine Richtlinie erlassen wird! – Ja, wo sind wir denn?! Wir brauchen das Geld doch zurück. Das muss man doch konsequent einfordern, wenn man Überför­derungen gemacht hat. (Zwischenruf der Abg. Götze.) Das ist doch die Aufgabe, die wir haben, und nicht, zu sagen: Ich habe schon das Vertrauen, dass der Herr Finanzminister das vielleicht einmal machen wird!

Meine Damen und Herren, in Summe ist viel aufzuklären!

Eines stört mich schon noch sehr, ich muss es sagen: Gestern ist der Herr Finanzminister bei seiner Budgetrede hier gestanden und hat gesagt: Ich bin der Treuhänder der Steuergelder Österreichs! Ich bin der Treuhänder, ich, der Finanzminister! – 70 Millionen Euro Verwaltungskosten in der Cofag: Wo sind Sie da Treuhänder, Herr Finanzminister? Da hat man Geld ohne Ende


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hinausgeblasen. Sie sind eben nicht der Treuhänder der Steuerzahler, sondern Sie sind der Treuhänder der ÖVP-Günstlinge und der ÖVP-Spender. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Hanger. – Bitte.


17.06.48

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir freuen uns ja momentan über sehr viele Besucher im Hohen Haus. Ich darf sehr herzlich im Namen meiner Kollegin die Senioren aus der Gemeinde Sollenau bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen im österreichischen Parlament! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Bevor ich auf die Cofag eingehe, möchte ich kurz darauf replizieren, was Kollege Scherak bezüglich der Kritik an der Anfragebeantwortung gesagt hat. Aus meiner Sicht hat der Herr Finanzminister die Anfrage sehr ausführlich beantwortet. Ich bin aber auch dafür, das in der Präsidiale zu diskutieren, gar keine Frage. Ich würde aber vorschlagen, dass wir dann auch die Qualität der Dringlichen Anfragen diskutieren. Da werden Fragen gestellt, die ganz einfach über das Internet beantwortbar sind, da werden Fragen gestellt, die schon x-mal beantwortet wurden (Zwischenruf des Abg. Scherak) – also wenn, dann diskutieren wir alles: die Fragen und die Antworten. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Also die Qualitäts­frage wäre schon wichtig, und diese Dringliche Anfrage hat aus meiner Sicht halt sehr wenig Qualität; das ist halt Faktum.

Jetzt aber zur Cofag selber: Wir haben ja heute schon gehört, das Cofag-Konstrukt wurde im Einvernehmen hier im Hohen Haus beschlossen, in einer Situa­tion, die manche ausblenden: Wir waren mitten in einer Pandemie, wir standen kurz vor einem Lockdown, es war eine außergewöhnliche Situation. Die Cofag hat einen ganz klaren politischen Auftrag bekommen, nämlich die


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Zahlungsfähigkeit, die Wirtschaftlichkeit der österreichischen Unternehmen, die Wirtschaft an sich und damit die Arbeitsplätze sicherzustellen. Es wurden sogar vier Kriterien per Gesetz definiert. Man hat gesagt, es muss rasch, effizient, transparent und nachvollziehbar passieren. Schauen wir einmal, ob diese vier Kriterien erfüllt worden sind!

Punkt eins – und da glaube ich doch, dass wir noch Einvernehmen herstellen können –: Wurde rasch geholfen? (Ruf: Nein!) – Natürlich wurde sehr rasch geholfen. 99 Prozent der Anträge wurden unglaublich rasch abgewickelt, manche innerhalb von sieben Tagen. Ich nenne den Ausfallbonus: Innerhalb von sieben Tagen wurden mehrere Zehntausend Anträge abgewickelt. Die Cofag hat in der Schnelligkeit, in der Raschheit sehr gut gearbeitet.

Der zweite Punkt: Wurde effizient geholfen? Das ist wahrscheinlich die zentrale Frage in der politischen Auseinandersetzung, und da darf ich darauf hinweisen – der Herr Finanzminister hat es erwähnt –: Es wurde natürlich auch eine Ex-post-Betrachtung gemacht. Das Finanzministerium hat unabhängige Wirtschafts­experten gefragt, wie denn die Situation danach eingeschätzt wird. Und unisono kommen alle zum Ergebnis, dass natürlich die Hilfen, die über die Cofag abgewickelt wurden, enorm wichtig für die österreichische Wirtschaft waren. Man hat das Wirtschaftsleben stabilisiert, Arbeitsplätze gesichert. Wir hatten eine ganz geringe Insolvenzrate, ein enorm hohes Wirtschaftswachstum 2022. Das sind deutliche Indizien dafür, dass die Hilfsmittel sehr effizient eingesetzt worden sind. Das ist ja gar keine Frage. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Schwarz.)

Was – zum Dritten – immer kritisiert wird: Das war eine Blackbox, das alles war ja nicht transparent! – Also ich weiß nicht: Hat man irgendwie den parla­mentarischen Diskurs nicht mitverfolgt? Der Rechnungshof hat kontrolliert, es hat umfangreiche Berichtspflichten an das Parlament gegeben (Abg. Greiner: Ja, dann! Vorher sind die Gelder geflossen ohne unsere Kontrolle!), die Oppo­sitionsparteien waren immer eingeladen, auch im Beirat mitzuagieren, und das Allerwichtigste war: Jede einzelne Zahlung ab 10 000 Euro an jedes


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Unternehmen ist in der Transparenzdatenbank nachsehbar. Wer spricht da von mangelnder Transparenz? Das ist für mich persönlich wirklich nicht nachvoll­ziehbar.

Wenn wir schon bei der Nachvollziehbarkeit sind, sage ich ganz ehrlich: Manche Abgeordnete hier herinnen schützt ausschließlich ihre parlamentarische Immunität, denn bei diesen Vorwürfen, die Sie machen – irgendjemand hätte rechtswidrig Geld bekommen –, müsste man ja klagen (Abg. Lindner: Gerade Sie! Gerade Sie!), denn dafür haben Sie noch keinen einzigen Beweis auf den Tisch gelegt. (Beifall bei der ÖVP.)

Immer von irgendwelchen Günstlingen zu sprechen, das weise ich striktest zurück! Wenn Sie diesbezüglich einen Verdachtsfall haben, dann zeigen Sie es an, andernfalls hören Sie endlich mit diesen Vorhalten auf! Sie schützt wirklich nur die parlamentarische Immunität, sonst hätte ich auch als Abgeord­neter hier längst agiert, denn natürlich gibt es Gesetze, natürlich gibt es Richtlinien, auf denen die Auszahlungen basieren. Die sind für alle gleich – na no na net! (Abg. Kaniak: Fragen wir einmal da die Protokollschreiber, ob sie auch 125 000 Euro bekommen!) Wir leben ja auch in einem Rechtsstaat!

Alles, was hier behauptet wird, weise ich hier wirklich strikt zurück, aber ja – das hat auch der Herr Finanzminister immer wieder betont –: Natürlich kann man Dinge auch noch besser machen – gar keine Frage! Wir können über die Treffsicherheit diskutieren, wir können über die Rechtskonstruktion diskutieren – natürlich!, es ist auch eine gute parlamentarische Gepflogenheit, das zu tun –, aber dieses Instrument pauschal zu verurteilen ist ganz einfach falsch, weil die Coronahilfen, die über die Cofag abgewickelt worden sind, ein ganz wichtiger Beitrag dafür waren, dass Österreich gut durch die Krise gekommen ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.



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17.12.08

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Minister, Kolleginnen und Kollegen, aber vor allem Zuseher vor den Fernseh­bildschirmen! Ich habe als einer der letzten Redner diese Cofag-Debatte bis jetzt verfolgt. Was ist meine Conclusio? – Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne tun so, als ob alles gut sei. Es gibt einen desaströsen Rechnungshof­bericht über die Cofag, und ich zitiere aus dem Mainstream, aus der „Kleinen Zeitung“ nach Veröffentlichung des Berichtes.

Ich zitiere: „Interessenskonflikte“, vermeidbares „Überförderungspotenzial“, auf das ich noch zu sprechen komme, „in der Höhe von Hunderten Millionen“ Euro – das hat bitte der Rechnungshof festgestellt, nicht wir, nicht die Opposition –, für „externe Dienstleister [...] 36 Millionen Euro“, Leistungen, die trotzdem zugekauft werden mussten, und für die Protokollführer, wie heute schon ange­sprochen, für 30 Sitzungen 125 000 Euro. – Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer, Protokollführer haben für 30 Sitzungen 125 000 Euro bekommen! Ich bin wirklich froh, dass dieses Thema heute hier diskutiert wird, und wir werden dieses Thema natürlich im Rahmen eines Untersuchungsausschusses aufarbeiten. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Viele Menschen wissen nicht, wie sie das tägliche Leben finanzieren sollen, sie wissen nicht, wie sie den täglichen Einkauf bestreiten sollen, und da gibt es eine Institution, die für die Protokollführung für 30 Protokolle sage und schreibe 125 000 Euro ausgibt – und ÖVP und Grüne gehen her und sagen: Alles gut, alles super! – Das ist ja unfassbar! Conclusio des Rechnungshofes: „Der Rechnungshof kritisiert die Cofag scharf.“

Üblicherweise besteht der Konsens, dass man, wenn der Rechnungshof (auf die Regierungsbank weisend) hier sitzt, sagt: Tolle Arbeit, gut gemacht, wir werden daraus lernen! – ÖVP und Grüne lernen überhaupt nichts, ihr legt das einfach weg. Ich möchte dieses Thema jetzt ein bisschen sezieren.


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Erster Punkt – auch immer wieder von der ÖVP vorgebracht –: Wir haben rasch geholfen, wir haben Liquiditäten gesichert. – Was sage ich immer, was sagen Tourismusexperten? – Ihr habt die Betriebe rasch zugesperrt, das war – noch einmal – nicht der liebe Gott! Herr Minister, wir hatten in Österreich einen Dauerlockdown, und den hat nicht die Opposition beschlossen. Wir als FPÖ waren gegen die Lockdowns, wir waren auch gegen Schulschließungen – damit ich das hier auch noch einmal feststelle. Das wurde alles weggewischt. Ich wurde hier im Hohen Haus als Schwurbler bezeichnet – das werde ich immer noch; das ist eine Ehre für mich, danke schön! Die Schwurbler hatten immer recht. Herr Minister, das alles wurde von Ihnen weggewischt.

Ich habe das heute in der Früh schon einmal in einer Rede gezeigt: Österreich hatte einen verordneten Lockdown vom 2. November 2020 bis Ende Mai 2021. (Der Redner stellt eine Tafel mit einem Diagramm unter dem Titel „Österreich – Schweiz im Nächtigungsvergleich 2020/2021“ auf das Redner:innenpult.) Alle Betriebe waren zu, während in der Schweiz in derselben Situation mit demselben Virus die Betriebe offen waren. Schauen Sie sich die schwarzen Balken an! Nächtigungsminus in Österreich: 95 Prozent, in der Schweiz: 25 bis 30 Prozent.

Herr Minister, zweite Conclusio: Es ist notwendig und klar, dass, wenn Betriebe behördlich geschlossen werden, diese Betriebe zu entschädigen sind. Das ist ja logisch! Deswegen hat es ja das Epidemiegesetz gegeben, nur haben Sie das Epidemiegesetz ausgehebelt: Aus einem gesetzlich verpflichtenden, notwendigen Entschädigungsanspruch ist eine Betteltour ohne Bescheid geworden. Die Cofag hat keine Bescheide ausgestellt. Das ist das Verwerfliche, und daraus müssen wir lernen.

Deswegen zweitens: Betriebe, die behördlich geschlossen werden, sind zu entschädigen, nur müssen wir das richtig machen.

Jetzt komme ich zu den Überförderungen. Herr Minister, ich habe – da waren Sie noch Staatssekretär – das bereits vor eineinhalb, zwei Jahren hier im Hohen


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Haus kritisiert – lesen Sie es in den Parlamentsprotokollen nach! –, diese Überförderungen (der Redner stellt eine Tafel mit folgendem Inhalt auf das Redner:innenpult: „80 % Umsatzersatz / für touristische Gewerbebetriebe für 11/2020, auch für Anzahlungen! / 50 % Umsatzersatz / für touristische Gewerbebetriebe für 12/2020, auch für Anzahlungen!“): 80 Prozent Umsatzersatz für Tourismusbetriebe.

Jetzt erkläre ich Ihnen, worum es da gegangen ist, was wir kritisiert haben: Das ist eine Überförderung. (Abg. Matznetter: ... Privatzimmer!) Im November 2020 waren die Hotelbetriebe behördlich geschlossen, weil Sie einen Lockdown verordnet haben. Jetzt wurde für diese Hotelbetriebe ein Umsatzersatz von 80 Prozent (Abg. Loacker: ... Privatbetriebe!) für den November 2020 beschlossen; das Referenzjahr war November 2019. Jetzt bringe ich Ihnen ein konkretes Beispiel, und da sollten Sie in sich gehen, weil so etwas nicht sein darf. Auf der einen Seite kommen Menschen mit dem Geld nicht aus und auf der anderen Seite wird das Geld beim Fenster hinausgeschmissen.

Es gibt Großbetriebe, touristische Betriebe, die im November 2019 (auf die Tafel am Redner:innenpult weisend) Anzahlungen kassiert haben – Anzahlungen von Urlaubsgästen, die im Dezember, im Jänner, im Februar und im März in diesen Betrieb kommen. (Zwischenruf des Abg. Eßl.) Ich kenne einen Betrieb, und dieser Betrieb hat zu einer Champagnerparty eingeladen – genau das habe ich vor eineinhalb, zwei Jahren hier gesagt –, weil er sich den Kontoauszug angeschaut hat und gesagt hat: Um Gottes willen, jetzt habe ich 320 000 Euro am Konto! Wieso? – Im November 2019 hat dieses Hotel 400 000 Euro (neuerlich auf die Tafel am Redner:innenpult weisend) an Anzahlungen für Dezember, Jänner, Februar, März eingenommen – de facto für Leistungen, die erst in den weiteren Monaten zu erbringen waren, mit minimalem Personal. Die Hotels waren zu der Zeit, wie im Herbst üblich, zu, man hat Anzahlungen kassiert, und jetzt wurde dieses Hotel mit 320 000 Euro entschädigt. – Die Konsequenz war eine Cham­pagnerparty.


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Herr Minister, darüber müssen wir reden, nicht über die Entschädigungen, die notwendig waren. (Abg. Loacker: ... Champagnerparty!) Natürlich: Wenn Betriebe behördlich geschlossen werden, ist das notwendig, nur müssen wir das richtig machen.

Sagen Sie nicht, Sie wussten das nicht! – Ich habe das hier am Rednerpult unter lautem Geschrei der Kolleginnen und Kollegen dokumentiert, habe das gesagt, und das wurde wie immer weggewischt, als Schwurblerei abgetan. Die Konsequenz ist, dass der Rechnungshof das richtigerweise kritisiert hat. Darüber ist zu reden, geschätzter Herr Minister, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, so etwas darf nicht mehr passieren!

Umgekehrt mussten Kleinbetriebe – und ich sage ganz bewusst: touristische Vermieter mit mehr als zehn Betten, die keine Gewerbeberechtigung hatten –, 15 Monate auf einen Ausfallbonus warten. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Die haben aber nicht 80 Prozent bekommen, die haben 25 Prozent bekom­men. Das ist die Entschädigung, wie sie in Österreich für viele Betriebe abgewickelt wurde – unterm Strich: unsozial, unfair, ungerecht.

Über das müssen wir sprechen. Ich bin froh, dass wir heute darüber reden konnten, aber die große Aufarbeitung muss und wird folgen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der FPÖ.)

17.20


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte sehr.


17.20.09

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Finanzminister! Geschätzte Frau Ministerin! Ich möchte gerne einen Schritt zurückgehen, weil wir in der Debatte heute viele Ereignisse nicht ausreichend berücksichtigen, und die sind schon ein Stück weit auch Ursache für das Thema, das wir heute mit der Cofag haben.


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Als wir damals im März zusammengekommen sind und das Epidemiegesetz außer Kraft gesetzt haben, haben damals alle Fraktionen dafür gestimmt; Herr Minister, Sie haben das mehrfach angesprochen. Das waren die Freiheitlichen, die NEOS, die SPÖ sowie die Regierungsfraktionen. Aber: Die Ursache dafür, dass wir damals zugestimmt haben, waren Gespräche im Vorfeld dieser Abstimmung mit den Regierungsspitzen, die uns allen versichert haben, wir brauchen einen nationalen Schulterschluss, wir müssen gemeinsam einer Gefahr, die wir noch nicht genau kennen, begegnen und es wird ganz bestimmt eine adäquate Alternative für Unternehmerinnen und Unternehmer geben, damit diese, wenn es zu Schließungen kommt – und das war damals ja absehbar –, nicht auf ihren Kosten sitzen bleiben.

Warum führen wir heute die Debatte? – Weil Sie dieses Vertrauen, das Sie damals von allen Oppositionsparteien eingefordert haben, zu Recht eingefordert haben – es war eine Situation, die keiner zuvor jemals gekannt hat –, massiv missbraucht haben. Wir sind hier zusammengekommen, wir haben hier in diesem Vertrauen abgestimmt, und als wir rausgegangen sind – damals noch aus der Hofburg –, konnten wir bereits auf orf.at lesen, dass der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz das Gegenteil von dem kommuniziert hat, was er den Abgeord­neten vorher gesagt hat. Das ist der erste Bruch des Vertrauens gewesen, gleich zu Beginn der Pandemie. Das war dann auch der Grund, warum man später überhaupt eine Cofag gebraucht hat. Die wirklich schändliche Art, wie Sie dieses Vertrauen missbraucht haben, werden wir nicht vergessen. Das ist auch die Ursache, warum wir Ihnen in den Jahren danach nicht mehr vertrauen konnten, bei keiner einzigen Zusage, die Sie getätigt haben. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Finanzminister, Sie waren damals noch nicht im Amt, aber man muss schon sagen: Die Prozesse, die dann aufgesetzt worden sind, waren wirklich extrem technokratisch. Wenn man aus der Perspektive eines Unternehmers oder einer Unternehmerin darauf schaut: Es gab vor der Pandemie funktionierende Prozesse. Man hat als Unternehmer als Ansprechpartner seinen Steuerberater oder seine Steuerberaterin, die sich in allen wesentlichen Fragen von der


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Sozialversicherung bis zum Finanzamt mit den entsprechenden Ansprech­partnern auskennen, die einem zur Seite stehen, wenn man Fragen hat, die man selbst nicht beantworten kann.

Dieses System hat immer funktioniert. Es ist daher extrem naheliegend, dass man, wenn wir als Staat Betriebe schließen und wenn wir dann auch entsprechende Hilfszahlungen leisten müssen, weil ja der Staat die Schließungen vorgenommen oder Betretungsverbote ausgesprochen hat, dann auf ein solches System zugreift, dass ein Steuerberater, der das Vertrauen des Unterneh­mers, der Unternehmerin hat, auf jene Personen auf staatlicher Seite, bei den Behörden zugreifen kann und sagen kann: Wir haben folgende Situation. – Man kennt alle Daten des Betriebs, alle Ansprechpartner kennen einander und können gemeinsam eine schwierige Situation lösen.

Sie haben dieses Verhältnis zwischen den unterschiedlichen Ebenen komplett zerstört, indem Sie die Cofag etabliert haben, indem Sie komplett neue Richtlinien zur Verfügung gestellt haben, mit komplett neuen Ansprechpartnern, auf eine von den Anfangsphasen bis heute sehr intransparente Art und Weise, und haben dadurch Unternehmerinnen und Unternehmer von einem Steuerzahler zu einem Bittsteller gemacht. Sie haben es geschafft, dass man nicht mehr dorthin gehen und sagen konnte: Wir haben diese oder jene Situation, der Staat hat eine Verantwortung, weil er ein Betretungsverbot ausgesprochen hat oder eine Schließung angeordnet hat. Sie haben mit der Cofag eine Realität geschaffen, in der Unternehmerinnen und Unternehmer hoffen mussten – nach Monaten! –, dass sie Geld bekommen. Zahlreiche Betriebe – das dürfen Sie nicht vergessen – haben sich nach Monaten des Wartens an verschiedenste Abgeordnete der verschiedensten Fraktionen gewendet, weil es eben nicht funktioniert hat.

Die Cofag war schlechter, als es bei den Finanzämtern zu belassen. Sie haben Unternehmerinnen und Unternehmer über zweieinhalb Jahre zu Bittstellern gemacht und – Kollege Loacker hat es vorhin auch schon gesagt – Sie haben immer das Signal ausgesendet: Für jedes Problem gibt es irgendwann eine


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Förderung, aber du musst brav bitten und du musst am besten noch drei E-Mails schreiben! – Das ist nicht unser Verständnis von Staat und das ist nicht unser Verständnis von Wirtschaften. (Beifall bei den NEOS.)

In diesem Drama, das ÖVP und Grüne gemeinsam mit der Cofag bewerkstelligt haben – wo man wirklich viele Demütigungen erlebt hat, man nicht gewusst hat, ob das Geld rechtzeitig am Konto ist, um Rechnungen zu bezahlen, was vielen Menschen, die Unternehmerinnen und Unternehmer sind, schlaflose Nächte gebracht hat –, kommt dann die Sozialdemokratie und pickt sich von all denen, die dann doch noch eine Förderung gekriegt haben, Einzelne heraus und greift die Unternehmerinnen und Unternehmer wieder an. Die Sozialdemokratie kann, weil ihr eben leider die Wirtschaftskompetenz ganz, ganz stark fehlt, auch nicht zwischen einem Weltkonzern und einem Franchisenehmer unterscheiden.

Ein Franchisenehmer hat ein Unternehmen, hat ein, zwei, drei Standorte und hat dort Mitarbeiter beschäftigt. Es ist vollkommen egal, wie viel Geld McDonald’s beispielsweise in einem Land oder in Europa verdient, das hat überhaupt nichts mit den Einkünften und den Ausgaben eines Franchise­nehmers, einer Franchisenehmerin zu tun. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Loacker  in Richtung SPÖ deutend –: Denen musst du Franchise erklären!)

Wir müssen wirklich darauf achten: Wir haben jetzt jahrelang eine Kultur etabliert, in der es keine klaren Zuständigkeiten gibt, in der es keine klaren Verantwortlichkeiten gibt, in der es keine Rechtssicherheit gibt, ob man jetzt Geld kriegt oder nicht. Darauf folgten dann Angriffe auf das Unternehmertum an sich, weil eh alle Großverdiener sind, alle den roten Sportwagen haben, alle in Reichtum leben. Das sind Hunderttausende Menschen, die genauso arbeitende Menschen sind wie alle anderen, die angestellt sind. Hier diese permanenten Angriffe im Nationalrat zu fliegen, Julia Herr, ist wirklich, wirklich alles andere als legitim. (Abg. Herr: Wir haben die Cofag-Richtlinien kritisiert!)


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Wir müssen gemeinsam schauen, dass wir wirklich in eine neue Phase kommen, und das in einer Rezession, dass wir wieder Optimismus schaffen, dass wir nicht darüber nachdenken, was alles nicht geht, sondern schauen, was in Zukunft möglich ist, dass Unternehmerinnen und Unternehmer stolz sind, einen Beitrag leisten zu können, und nicht geschlagen werden wie die letzten Hunde in unserer Republik.

Weder von der linken Seite noch von Bundesregierungsseite her sollten weitere Angriffe kommen. Wir sollten gemeinsam nach vorne schauen. Da braucht es auch einen Schulterschluss, damit man wirklich wieder das Unternehmertum fördert, denn das ist der Wohlstand von morgen und das ist auch die Umverteilung, die Sie (in Richtung SPÖ) gerne wollen. Wohlstand schaffen Sie nur durch Optimismus und nicht dadurch, dass Sie immer weiter auf die Unternehmerinnen und Unternehmer draufprügeln. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Ottenschläger: Der Schluss war gut!)

17.26


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits. – Bitte.


17.26.56

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Bevor ich zum Thema der Dring­lichen komme, möchte ich an dieser Stelle sagen: Es geht überhaupt nicht, dass ein Kollege, egal welcher Fraktion, zu einer Kollegin vom Redner:innenpult aus „herzig“ sagt. Das möchte ich an dieser Stelle festhalten. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Kollege Einwallner hat sich bei Kollegin Götze dafür entschuldigt; das ist meine Information dazu. Das wird von uns von keiner Fraktion geduldet, das möchte ich sagen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)


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Nun zum Thema: Ich bin wirklich sehr überrascht, dass nach zweieinhalb Stunden Debatte von einer ehemals staatstragenden Partei, der ÖVP, hier überhaupt kein staatstragendes Verhalten an den Tag gelegt wird, auch nicht von Ihnen, Herr Bundesminister: Sie haben die Fragen unserer Dringlichen Anfrage sehr, sehr lapidar beantwortet, haben auf Anfragebeantwortungen verwiesen, sind überhaupt nicht im Detail darauf eingegangen und haben das alles unglaublich runtergespielt. Alle Redner – und ich glaube, es waren ausschließlich Redner – vonseiten der ÖVP haben dieses Thema runtergespielt. Es geht, geschätzte Damen und Herren, um 20 Milliarden Euro Steuer­geld, um nicht mehr und nicht weniger. Das runterzuspielen und als lapidare Geschichte zu betrachten ist eine bodenlose Frechheit. Das einmal vorweg. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Verfassungsgerichtshof – das sagen ja nicht wir, sondern der Verfassungs­gerichtshof – sagt seit Dienstag: Die Cofag-Konstruktion von ÖVP und Grünen ist ganz klar verfassungswidrig. – Sie haben sich damals ein Konstrukt aufgebaut, bei dem es ganz klar darum geht, einen Bankomaten für Millio­när:innen und Milliardär:innen einzurichten. Das ist so.

Rund um dieses ganze Konstrukt bestellt man dann auch noch Geschäftsführe­rinnen und Geschäftsführer. Das Ganze kostet 70 Millionen Euro, denn man braucht Berater:innen, wenn man die Expertise selbst nicht hat – obwohl man es beim Finanzamt hätte machen können. Man braucht Gutachten, weil man die Expertise selbst nicht hat. Das alles kostet 70 Millionen Euro. Geschätzte Kollegen und Kolleginnen, 70 Millionen Euro sind 1 500 Bildungsplätze für Kinder, für 1 500 Kinder ein Kindergartenplatz, was wir schon dringend brauchen würden. Nein, Sie verschleudern Steuergeld an eine verfassungswidrige Cofag. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schnabl.)

Dieser Bankomat, dieser Cofag-Bankomat, wird bis zu 20 Milliarden Euro aus­spucken, so die Einschätzung – ein bissl mehr als 15 Milliarden Euro sind schon geflossen. Aber, werte Damen und Herren, 20 Milliarden Euro Steuergeld werden nicht etwa dafür eingesetzt, dass man Armut bekämpft oder dass man


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wirklich Preise dämpft und da eingreift, nein. Die gehen auch nicht an die kleinsten und mittleren Unternehmerinnen und Unternehmer. Vielleicht kennen Sie auch in Ihrer eigenen Gemeinde ein Wirtshaus, das bis heute nichts von der Cofag bezahlt bekommen hat, oder ein kleines Café in Ihrem Grätzel, das bis heute nichts gesehen hat. Etwas gesehen haben Milliardär:innen und Millionär:in­nen, die Freundinnen und Freunde der ÖVP, alles gestützt von den Grünen.

Benko hat 10 Millionen Euro dafür bekommen (Ruf bei der ÖVP: Benco ist ein Kakao!), dass er dann Kika/Leiner zusperrt und Tausende an Mitarbeiter:innen rauswirft, und Sie schauen zu und tun nichts, Sie holen auch das Geld nicht zurück. Oder McDonald’s: Ganz ehrlich, die bekamen Gelder noch und nöcher; Starbucks: abgeschöpft bis zum Gehtnichtmehr; Mediamarkt/Saturn – ich frage Sie ehrlich: Inwiefern bitte sind Elektrogeräte verderblich, dass man da einen Umsatzersatz benötigen würde?

Das ist unfassbar. Es ist unerhört, es ist unglaublich, und Sie tun nichts. Herr Finanzminister, Sie sind aufgefordert, diese Überförderungen zurückzuholen. Das ist an die 1 Milliarde Euro. (Beifall bei der SPÖ.) Das wurde nicht von uns festgestellt, sondern von der Europäischen Kommission. Sie tun nichts, Sie schauen zu, Sie machen nichts!

Mit 1 Milliarde Euro wäre ein Mittagessen täglich für alle Kinder bei uns für ein ganzes Jahr garantiert. Das ist das, was wir benötigen würden, und dafür kämpfen wir ganz klar. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage es Ihnen ehrlich, Herr Minister: Wenn Sie schon auf uns Oppositions­parteien seit drei Jahren nicht hören, dann nehmen Sie als Finanzminister der Republik Österreich bitte den Verfassungsgerichtshof ernst! Sorgen Sie endlich für Transparenz und Aufklärung, und das, ohne zu schreddern!

Wir fordern an dieser Stelle ganz klar Rückzahlungen, Rückzahlungen von Steuergeldern, die uns allen gehören, und echte Aufklärung, und das jetzt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.31



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Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kurt Egger. – Bitte.


17.31.52

Abgeordneter Mag. (FH) Kurt Egger (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und via Livestream! Das, was wir heute von der SPÖ erlebt haben (Abg. Heinisch-Hosek: War richtig und wichtig!), kann man, glaube ich, kurz zusammenfassen: schwach angefangen, dafür aber sehr, sehr stark nachgelassen. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Jössas na!)

Bei der SPÖ ist immer das gleiche Schema erkennbar. (Abg. Stöger: Immer für die ...!) Wenn es in den eigenen Reihen und mit der eigenen Situation nicht so gut läuft, dann braucht man natürlich dementsprechende Nebelgranaten, um von der eigenen Unfähigkeit abzulenken. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schroll: Die Rede war nicht einmal schwach, ... unterirdisch angefangen!)

Im Vorfeld eines Parteitages, der bezeichnenderweise mit dem Faschingsbeginn zusammenfällt und in Graz stattfindet, wo die kommunistische Bürgermeisterin gleich einmal die Grußworte sagen kann, bei dem sich die Hälfte der Landesparteien, wo die Landeshauptleute noch etwas zu sagen haben, verab­schiedet, ist das natürlich ein herrlich willkommener Anlass, um von den eigenen Sorgen abzulenken. (Ruf bei der SPÖ: Was war das jetzt?)

Kollegin Herr hat in der Einleitung gesagt, na ja, das ist etwas, was die ÖVP für ihre eigenen Freunde gemacht hat, damit das schneller geht und das Geld zielsicher landet. Sie hat da aber, glaube ich, insofern etwas verwechselt, als dass wir das nur in Zusammenhang mit der SPÖ Wien kennen, nämlich wenn es darum geht, die Schrebergärten an die eigenen Leute zu vergeben. Da ist es für die eigenen Freunde. (Abg. Schroll: Da klatschen nicht einmal die eigenen Leute! Und das sind deine Freunde, die klatschen nicht einmal!) – Die Aufregung passt,


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also stimmt es anscheinend. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: ... absurd! – Weiterer Zwischenruf des Abg. Keck.)

Kollegin Herr hat in der Einleitung gemeint, es geht um einige wenige Unternehmer. Kollegin Greiner hat gemeint: Was soll da passieren? (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist darum gegangen, schnell und kurzfristig Arbeitsplätze abzusichern. Es ist darum gegangen, Betrieben in einer sehr, sehr schwierigen Zeit, als keiner gewusst hat, was auf uns zukommt, das Weiterleben zu ermöglichen. (Ruf bei der SPÖ: Das ist eine schlechte Rede heute! – Abg. Schroll: Was heißt „heute“?)

Und was fällt euch ein? – Alles nur schlechtzureden, die Großen gegen die Kleinen auszuspielen, zu sagen, das war nur für wenige Unternehmer. Ich kann Ihnen sagen, es war für 255 000 Betriebe. Wenn das für Sie wenig ist, nehme ich das zur Kenntnis. (Abg. Herr: Ich habe gesagt, wenige haben Überförderungen gekriegt!)

Die SPÖ hat sich ohnehin schon verabschiedet, nämlich von ihrer Grundpro­fession der Ausrichtung als Arbeiterpartei. (Abg. Schroll: ... sinnerfassend zuhören!) Arbeiterpartei – weit weg davon. Wir haben Arbeitsplätze gesichert, und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Stöger: Bei Kika/Leiner habt ihr es gut gemacht!)

Es musste schnell gehen. Noch einmal zur Erinnerung: 16. März 2020: Lock­down; 27. März: Cofag-Gründung; 25. Mai: erstes Förderinstrument am Laufen; neun Monate später (Abg. Schroll: Da warst du ja gar nicht dabei!): sieben Förderinstrumente für die heimische Wirtschaft zur Sicherung der Arbeitsplätze am Laufen.

235 000 Betriebe, 1,3 Millionen Anträge abgewickelt: Ja, es ist wahrscheinlich nicht alles gut gelaufen, und man ist vielleicht auch im Nachhinein gescheiter geworden, aber in dieser Situation war es die richtige Entscheidung. (Abg. Schroll: Du warst bei der Entscheidung nicht dabei! Du kannst es nachgelesen haben!)


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In dieser Zeit ist meine Lieblingskategorie der politischen Kommentatoren entstanden – ich habe das schon ein paarmal hier gesagt –: der Rück­wärts­versteher, der nämlich mit dem Wissen von heute die Situation von vorgestern großartig beurteilen kann; und das kann die SPÖ besonders gut. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Voglauer.)

Auch noch ein Wort zur Freiheitlichen Partei, weil Kollege Zanger jetzt wiederholt von „die Taschen vollgestopft“ gesprochen hat: Ich habe das letzte Mal das Osttiroler Beispiel mit der Turntasche gebracht. Man kann wahr­scheinlich auch Herrn Kollegen Kassegger fragen, was in der FPÖ-Stadtpartei Graz mutmaßlich abläuft (Abg. Kassegger: Mutmaßlich!) oder abgelaufen ist. (Abg. Schroll: Der kennt sich mit den Taliban besser aus!) Immer wieder von den eigenen Sorgen abzulenken ist natürlich großartig. (Abg. Kaniak: Und Sie machen gerade was anderes? Das ist ja schizophren!)

Alles in allem zusammengefasst: Es wurde rasch und unbürokratisch geholfen. Man hätte vielleicht das eine oder andere anders machen können, aber man hatte in dieser Situation keine Zeit, anders zu entscheiden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Schroll: Das war jetzt aber eine Büttenrede!)

17.37


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Julia Herr zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.37.23

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Frau Präsidentin! Abgeordneter Kurt Egger hat soeben in seiner Rede behauptet, dass ich gesagt hätte, dass bei der Cofag nur wenige Unternehmen zum Zug gekommen wären. – Das ist unrichtig.


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Der tatsächliche Sachverhalt lautet, und da kann ich mich jetzt selbst zitieren, dass es einige wenige Unternehmen gegeben hat, die eine massive Über­förderung bekommen haben (Abg. Hörl: Was ist denn das für eine tatsächliche Berichtigung? Das ist ein Scherz!), während viele kleine und mittlere Unternehmen noch heute auf ihr Geld warten. Das war meine Aussage. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Baumgartner. – Weiterer Ruf bei der ÖVP: ... tatsächliche Berichtigung!)

17.37


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerhard Kaniak. – Bitte.


17.37.59

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrter Minister! Geschätzte Damen und Herren! Es ist ja wirklich bezeichnend, wie die ÖVP hier von massiven Missständen ablenken möchte und alle anderen Parlamentsparteien hier anpatzt. (Widerspruch der Abgeordneten Hanger und Zarits. – Abg. Michael Hammer: Man könnte auch über die FPÖ Südoststeiermark reden! – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Um Gottes willen!)

Fakt ist, dass der Verfassungsgerichtshof das Konstrukt Cofag als verfassungs­widrig erkannt hat, und deshalb haben wir hier diese Dringliche Anfrage und diese Debatte.

Herr Bundesminister, es ist mitnichten so, dass die Cofag notwendig gewesen ist, weil die Unternehmen pandemiebedingt in Schwierigkeiten waren, sondern die Unternehmen waren in Schwierigkeiten, weil diese Bundesregierung derartig überschießende Maßnahmen und Lockdowns verhängt hat, dass die Unternehmen in Schwierigkeiten gekommen sind. So herum war das. Das sollte man vielleicht nicht vergessen, sehr geehrter Herr Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Voglauer: Mah bitte!)


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Nun, schauen wir uns an, was das Verfassungsgericht festgestellt hat. Punkt eins: Die Ausgliederung der öffentlichen Aufgaben an eine private Einrichtung wie die Cofag war verfassungswidrig. Punkt zwei: Die Förderricht­linien in dieser Gesellschaft waren teilweise verfassungswidrig. Und Punkt drei: Der Ausschluss des Rechtsanspruches auf diese Entschädigungs­zahlungen war verfassungswidrig.

Das alles wäre ja gar nicht notwendig gewesen, und wir haben das auch in den allerersten Anfängen dieses Konstrukts diskutiert: Die Finanzverwaltung, die Finanzämter wären durchaus in der Lage gewesen, das abzuarbeiten und diese Förderungen abzuwickeln. Die Auslagerung war nicht notwendig, genauso wenig, dass der Rechtsanspruch, der im ursprünglichen Epidemiegesetz gegeben war, von Ihrer Bundesregierung und Ihren Fraktionen im Parlament abgesetzt wurde und in die Cofag-Gesetze nicht neu aufgenommen wurde.

Sie haben diese Gesetze vorsätzlich so gemacht, das unterstelle ich Ihnen jetzt, weil Sie die Gesetze gemacht haben – (in Richtung Bundesminister Brunner) nicht Sie, Ihre Vorgänger, diese Bundesregierung hat diese Gesetze ausgearbeitet. Sie haben vorsätzlich den Rechtsanspruch aus diesen Gesetzen herausgenommen und Sie haben vorsätzlich diese Aufgaben aus der öffentlichen Verwaltung ausgelagert, um Ihre eigenen Günstlinge in diese Gesellschaft auf Führungsposi­tionen setzen zu können, mit hochdotierten Stenografenjobs zu versorgen. Die Beratungsverträge sind, wie wir heute schon gehört haben, großzügig vergeben worden, und mutmaßlich sind auch die Förderungen nicht so supersauber vergeben worden, wie das heute von den ÖVP- und Grünen-Rednern immer dargestellt worden ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fazit: Bei der Cofag handelt es sich um eine offensichtlich verfassungswidrige grün-schwarze Blackbox, deren gesamte Gebarung bis ins Kleinste durchleuchtet werden muss. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hörl: Eines hochdekorierten Apothekers nicht würdig, diese Rede!)

17.40



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 309

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Matznetter. – Bitte.


17.40.38

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren, vor allem jene, die uns nach dieser heftigen Debatte noch zusehen! Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Ich weiß ja nicht, was Steve Bannon, der Trump beraten hat, derzeit macht, aber wenn man jetzt vor allem den Vertretern der Österreichischen Volkspartei zugehört hat, gewinnt man den Eindruck, der wäre deren Berater gewesen. Ich kann den englischen Ausdruck, der mir dazu einfällt, jetzt nicht sagen, Frau Präsidentin, denn das würde mir einen Ordnungsruf einbringen, weil darin auch ein unflätiges Wort enthalten ist, daher sage ich: mit irgendetwas die Gegend zu fluten – ich habe es jetzt bewusst harmlos formuliert –, damit man ja nicht über das eigene Versagen reden muss.

Das war ja wild: Herr Stocker kommt heraus und versteigt sich dann zur „Stolz auf Wien“ GesmbH, die eigentlich fachlich von der Wirtschaftskammer Wien betrieben wird – auch ein interessantes Faktum, das wissen halt die Wiener Neustädter nicht. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Als Nächster kommt Kurt Egger daher und erzählt da irgendetwas von Schrebergärten. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Michael Hammer: Haben Sie auch einen? Matznetter hat auch einen, oder was? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Freunde! Das hilft euch gar nichts, denn dieser Garten hier ist keine 347 Quadrat­meter, sondern 19 Milliarden Euro groß. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.) – Frau Kollegin, Sie können noch mehr hereinschreien, dass Ihnen das völlig egal ist, dass die Menschen das zahlen müssen. (Abg. Michael Hammer: Haben Sie die Frau Bayr schon gefragt: Wie ist das mit den Schrebergärten?) Die Rechnung werden Sie bekommen (Abg. Michael Hammer: Da freuen wir uns schon!), genau Sie, Frau Kollegin, die Sie den Zwischenruf gemacht haben.


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19 000 Millionen Euro verschieben Sie über eine intransparente Struktur, und Sie erzählen uns da irgendetwas, der Minister füttert uns mit Querverweisen, statt Antworten zu geben. Glauben Sie, das ist ein Zufall? – Nein. Der Braten riecht gewaltig.

Meine Damen und Herren! Ehrlich: Uns zu sagen, die Opposition hätte das mitgetragen, ist absurd! Wie viele Sitzungen hatten wir im Ausweichquartier? Von Anfang an gab es den Antrag: Das Epidemiegesetz mit seinem Rechts­anspruch muss zumindest für die Kleinen bis 25 aufrecht bleiben, damit sie einen Bescheid erwirken können, damit sie einen Rechtsanspruch haben. Ich habe Ihnen erklärt, warum das für die Bilanz wichtig ist: weil man einen Rechtsanspruch zedieren kann, da kriegt man einen Kredit drauf. – Nichts haben Sie gemacht, alles abgelehnt! Jeder Antrag auf eine Ausschusssitzung, um das zu überprüfen, wurde abgelehnt. Jeder Antrag, dass die Finanz das macht, wurde abgelehnt. Diese Verantwortung tragen die Österreichische Volkspartei und die Grünen.

Aber die Grünen verstehe ich überhaupt nicht. Die ganze Cofag-Geschichte war doch die Idee der ÖVP. Ich zeige euch einmal, welche Mails ich von Unternehmerinnen und Unternehmern bekommen habe. Die haben den hinteren Teil des Wortes Cofag anders geschrieben, nämlich englisch. Warum verteidigt ihr das zu diesem Zeitpunkt? Sagt es, wie es war: Die ÖVP wollte es, wir sind mitgegangen, tut uns leid! – Wenn ein Boot sinkt, ein Schiff groß wie die Titanic sinkt, springt man von Bord und geht nicht mit unter. (Abg. Fürlinger: Ja, die Feiglinge, die Feiglinge!) Lasst es sein! Macht stopp hier! Die (in Richtung ÖVP weisend) müssen eh weg von der Macht, aufgeklärt muss es auch werden. Es ist die beste Gelegenheit für die Grünen, mit irgendeinem Anstand noch auszu­steigen. Jetzt wäre der Zeitpunkt. Weiterzumachen ist Selbstaufgabe.

Als Räuberleiter hat es Werner Kogler immer bezeichnet, er hat uns beschimpft und gesagt, wir machen für die ÖVP die Räuberleiter. Dazu kann ich nur sagen: Bei euch war das überhaupt eine Luxusgateway, die ihr rangeschoben habt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Alles habt ihr zugelassen!


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Für das werdet ihr leider die Rechnung zahlen. – Danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

17.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte.


17.44.58

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Herr Außenminister! Ich mag gar nicht noch einmal über die meiner Meinung nach unzulässige Art und Weise der Anfragebeantwortung reden, aber ich will ganz gerne etwas Grundsätzliches sagen.

Wir alle hier als Abgeordnete sind auf die österreichische Bundesverfassung angelobt, und auch Sie als Minister haben sich an das zu halten, was da drinnen steht. Ich finde die Debatte deswegen einigermaßen irritierend, weil man die Relevanz der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes offensichtlich nicht sieht. Sie tun so – das haben auch Sie gemacht, Herr Bundesminister, und das hat mich sehr irritiert –, als ob da irgendein Gericht irgendetwas entschieden hätte, und sagen: Na ja, jetzt wissen wir, dass das so nicht in Ordnung war.

Es ist das der österreichische Verfassungsgerichtshof. Es ist unfassbar wichtig, dass wir den Institutionen in Österreich wie dem Parlament, auch der Regierung, auch dem Verfassungsgerichtshof, dem Rechnungshof den gebührenden Respekt entgegenbringen. Wenn der österreichische Verfassungsgerichtshof Ihnen sagt, dass ein Gesetz, das Sie gemacht haben, komplett unsachlich ist und dem Sachlichkeitsgebot widerspricht, das unsere Verfassung für Auslagerungen als notwendig erachtet, das heißt, die Auslagerung grundsätzlich nicht verfassungskonform ist, und gleichzeitig sagt, es braucht einen Rechtsanspruch für Entschädigungsansprüche, den Sie in dem Gesetz nicht vorgesehen haben, dann ist das nicht irgendeine Entscheidung von irgendeinem Gericht, sondern ist das ein ganz essenzielles Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichts­hofes. Und ich erwarte mir, dass in Zukunft alle hier in diesem Hohen Haus und


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auch die Bundesregierung nicht immer so nonchalant drübergehen, wenn der Verfassungsgerichtshof etwas entscheidet und ganz grundlegende Entscheidungen trifft. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Bundesminister Brunner: Das tun wir ja nicht!)

O ja, Herr Bundesminister! Der Herr Bundesminister sagt, das tun Sie ja nicht. Natürlich tun Sie das. Das ist seit vielen, vielen Jahren in diesem Haus ein riesiges Problem.

Als ÖVP und SPÖ gemeinsam noch eine Mehrheit, eine Verfassungsmehrheit hatten, hat man Gesetze beschlossen, und wenn der Verfassungsgerichtshof sie aufgehoben hat, dann haben ÖVP und SPÖ gesagt: Na gut, was machen wir am gescheitesten? Machen wir ein Verfassungsgesetz, dann ist es dem Verfas­sungsgerichtshof entzogen! – So geschehen beim Frauenpensionsantrittsalter, das vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde, weil es unsachlich ist, dass Frauen und Männer ein ungleiches Pensionsantrittsalter haben. Dann hat man ein Verfassungsgesetz beschlossen, was dazu geführt hat, dass der Europäische Gerichtshof es aufgehoben hat. Ich erachte diesen Umgang mit der öster­reichischen Bundesverfassung als absolut grenzwertig. Ich erachte das als gefährlich.

Wissen Sie, wer es auf die Spitze getrieben hat? Und daran sollten insbesondere Sie sich kein Beispiel nehmen, weil es wirklich nicht Ihr Niveau ist. Der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz hat damals in Bezug auf die Betretungs­verbote Folgendes gesagt: Er hat gesagt, es gibt seiner Meinung nach nur vier Gründe, außer Haus zu gehen. – Das hat nie gestimmt, es gab immer mehr Gründe, es war nie so, dass es nur vier Gründe, außer Haus zu gehen, gab. – Und er hat gesagt: Na ja, ist ja egal, irgendwann einmal, wenn der Verfassungsge­richts­hof diese Verordnungen wegen Gesetzwidrigkeit aufhebt, dann werden die eh nicht mehr gelten.

Ich erachte diese Missachtung dem Verfassungsgerichtshof und unserer Verfassung gegenüber für brandgefährlich, und ich würde wirklich darum bitten,


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dass wir alle anfangen, dies in Zukunft hier ernster zu nehmen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.48


Präsidentin Doris Bures: Nun ist zu dieser Debatte niemand mehr zu Wort gemeldet, und damit schließe ich sie auch.

17.48.17 Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme die Verhandlungen über den Tagesord­nungspunkt 7 wieder auf: Entschließungsantrag betreffend „Solidarität mit den Frauen in Afghanistan“.

Rednerin ist jetzt Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte.


17.48.39

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Außenminister! Hohes Haus! Ja, von wirklich sehr, sehr, sehr viel Geld, nämlich über 14,5 Milliarden Euro, die die Cofag ausbezahlt hat, hin zu deutlich weniger Geld, nämlich der Entwicklungszusammenarbeit Österreichs. Wir sprechen über Frauenrechte in Afghanistan.

Da gibt es gar nicht viel zu sagen, denn es gibt die Frauenrechte in Afghanistan schlichtweg nicht mehr. Mädchen dürfen keine weiterführenden Schulen besuchen, Frauen wird der Zugang zur Universität verwehrt, aber ohne Bildung steigt das Risiko für Mädchen, ausgebeutet zu werden, missbraucht zu werden und zu früh verheiratet zu werden.

Jetzt haben wir im Ausschuss einen Antrag, einen Allparteienantrag beschlossen, auch schon besprochen, in dem es darum geht, dass wir Solidarität mit den Frauen in Afghanistan zeigen wollen. Ich glaube, dass man diesen Antrag jetzt nicht noch im Detail sezieren muss, weil ich denke, dass wir alle heute diesem Antrag zustimmen werden.


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Wir hatten auch eine gute Diskussion im EZA-Unterausschuss, die ich jetzt gerne hier ins Plenum reinholen würde, nämlich: Wo, wann und unter welchen Umständen soll denn eigentlich Österreich Entwicklungszusammenarbeit leisten? Soll es Konditionalitäten geben?

Wir NEOS haben da ja auch schon einige Anträge eingebracht, in denen es um Evaluierung oder Aussetzung von Entwicklungszusammenarbeitsgeldern ging, zum Beispiel dann, wenn Demokratiebewegungen einfach nieder­geprügelt werden, wie in Uganda, oder wenn Bürgerkrieg herrscht, wie beispielsweise in Äthiopien.

Da haben Sie, Herr Minister, diese Anträge dann immer abgelehnt, mit einem durchaus validen Argument. Ich darf es zusammenfassen, wenn das für Sie in Ordnung ist. Ihre Argumentation war: Wenn wir Entwicklungszusammenarbeit in diesen Ländern aussetzen, dann trifft es die Ärmsten und nicht die Regime, und deshalb müssen wir weiterhin Entwicklungszusammenarbeit in dieser Form leisten.

Es gibt aber auch das Gegenargument, das ebenso valide ist und das besagt: Wenn wir Entwicklungszusammenarbeit in Ländern leisten, wo Regime herrschen, die Menschenrechte mit den Füßen treten, dann hat das zur Folge, dass wir eigentlich über die Bande diese Regime auch stützen, weil sie dann ja nicht ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen müssen, beispielsweise die Bildungsinstitutionen aufzubauen oder für Krankenhäuser zu sorgen, sondern das machen ja wir. So haben diese Regime dann die Möglichkeit, beispiels­weise in Waffen zu investieren und diese wiederum gegen ihre eigene Bevölkerung zu richten. – Sie sehen, beide Argumente haben etwas für sich, aber genau darüber müssen wir sprechen.

Sie haben dann im EZA-Unterausschuss gesagt, dass Afghanistan jetzt klar eine rote Linie überschritten hat und wir dort keine Projekte mehr machen. Jetzt kann man darüber debattieren, ob die Regierung in Äthiopien während des Bürger­kriegs wirklich besser war als die Taliban in Afghanistan. In Äthiopien aber haben


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wir weitergearbeitet und haben dort den Menschen weiter geholfen, obwohl Teile des Landes abgeschnitten waren, nämlich von der Regierung, und auch Menschen, die Hilfe gebraucht haben, eben keine Hilfe bekommen haben.

Jetzt, nach diesem schrecklichen Terrorangriff auf Israel, haben wir genau das Gegenteil gemacht, nämlich sofort die Unterstützungen für Palästina eingestellt. Das war auch richtig und wichtig. Was ich mir aber wünschen würde, ist ein Kriterienkatalog und dass wir darüber sprechen, nach welchen Kriterien wir eigentlich Entwicklungszusammenarbeit leisten, wann wir diese einstellen, wie lange wir diese einstellen und warum wir diese ein­stellen, und nicht, dass es dann auf Ihr Mitgefühl oder mein Schuldgefühl oder das Gefühl von irgendjemand anderem ankommt. Wir brauchen ein­fach klare Kriterien und einen klaren Kompass, wann und warum wir Arbeit leisten und wann nicht. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yildirim.)

17.52


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte.


17.52.40

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen, insbesondere Kollegen der FPÖ! Stellen Sie sich vor, Sie sind eine junge Frau, gut ausgebildet und voller Hoffnung für die gute Zukunft Ihrer Töchter. Dann kommt ein Terrorist mit einer Kalaschnikow daher, drängt Sie zurück in die Küche und sagt: Da bleibst du jetzt!, und verabschiedet dann 70 Dekrete, die dir verbieten, in die Schule zu gehen, deine Kinder in die Schule zu schicken, überhaupt allein einkaufen zu gehen. Er negiert einfach deine Universitätsabschlüsse, du kannst nicht einmal allein irgendwo hinreisen.

Daneben sehen Sie dann ein Bild einer illustren Männerrunde, mit an Bord ein paar Herren aus Österreich auf Delegationsreise. Diese fordern dann – und versprechen dem erwähnten Terroristen mit der Kalaschnikow, dass sie sich in


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Europa dafür einsetzen werden –, dass diese Terroristen von uns als recht­mäßige Regierung anerkannt werden. – Das klingt unglaubwürdig, ist aber genau so passiert.

Ich möchte hier nur damit schließen, dass die FPÖ nicht dabei war, als wir die afghanische Community ins Parlament eingeladen haben, um uns darüber auszutauschen, wie wir in Österreich dafür sorgen können, dass sie nicht immer nur die Bad Boys und Bad Girls sind, und wie deren Integration besser funktionieren kann. Sie waren nicht dabei, als ich den afghanischen Oppositions­führer nach Österreich eingeladen habe und alle anderen Parteien sich mit ihm beraten haben: Was können wir in Europa tun, um diesen Terror in Afghanistan abzustellen? Sie waren auch beim Antrag nicht dabei.

Ich hoffe sehr, dass Sie jetzt, heute mitstimmen, für die Menschenrechte, für die Menschen, vor allem für die Frauen und die Mädchen in Afghanistan, und sich nicht nur dann dafür einsetzen, wenn jemand dorthin hinreist, um uns zu beweisen, dass alles gar nicht so schlimm ist. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.54


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Selma Yildirim. – Bitte.


17.54.58

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Damen und Herren! Liebe Gäste oben auf der Galerie! Es ist schon eine tolle Sache und es freut mich wirklich aufrichtig, wenn wir uns als Abgeordnete, als Vertreterinnen und Vertreter im österreichischen Parlament, über unsere Landesgrenzen hinaus auch Gedanken darüber machen, wie es denn in anderen Ländern geht. Was können wir beitragen, wenn wir internationale Delegationen empfangen oder auf Einladung international unterwegs sind? Jeder Besuch, jede Begegnung und jedes Treffen ist so Frieden stiftend, finde ich,


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wenn wir auf Augenhöhe in diesen internationalen Organisationen mit Menschen zusammenarbeiten.

Schwierig ist es natürlich und unvorstellbar für uns, aber Realität seit 15. August 2021, seit etwas mehr als zwei Jahren, was da in Afghanistan passiert. Man glaubt es einfach nicht, wie es sein kann, dass ein Volk, dass ein Land im Innen­verhältnis so zerstörerisch sein kann. Ich habe mich oft gefragt, was da noch alles im Namen von Religionen passiert. Man kann es kaum fassen. Es ist unsagbar tragisch.

Ich glaube, es geht nicht nur mir so. Erinnern wir uns an die Fernsehbilder aus der Zeit, als die Taliban wieder an die Macht kamen, an die vielen Tau­sen­den Menschen, die bestrebt waren, Demokratie, Rechtsstaat und eine Struktur, Grund- und Menschenrechte dort zu forcieren! Sie haben zu den Flughäfen gedrängt, haben versucht, einen Platz in einem Flugzeug für sich zu bekommen, entweder in die USA, nach Kanada oder sonst wohin im Ausland, bei Verbündeten, für eine gute Sache, für eine gemeinsame Sache, und wurden leider großteils zurückgelassen.

Ich denke da immer noch an die vielen mutigen Frauen und Männer, vor allem aber Frauen, an die Richterinnen, an die Akademikerinnen, die eine Vision für ein Land hatten und die jetzt aus dem öffentlichen Leben verschwunden sind, irgendwo, in Gefängnissen sind.

Das ist unser Appell, Herr Minister: dass Sie sich als Außenminister der Republik Österreich mit einer tollen und schönen Tradition in Diplomatie und Friedensverhandlungen auch für ein Land starkmachen, das vielleicht nicht unser Nachbarland ist, uns vielleicht nicht unmittelbar berührt. Es zeichnet uns als Gesellschaft aber aus, dass es uns nicht egal ist, was am internationalen Parkett passiert.

Sie haben öfter als wir Abgeordnete die Gelegenheit, auf Konferenzen darauf hinzuwirken, dass es nicht akzeptabel ist, egal welche Bestrebungen es gibt, egal


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ob sich da jetzt die Taliban verfestigen oder nicht, was ich persönlich für das afghanische Volk sehr, sehr bedauern würde; dass sie einen Weg in die Zukunft machen müssen und raus aus dem Mittelalter! Nur so kann Weltfrieden herrschen, und für diesen Einsatz, glaube ich, lohnt es sich, zu kämpfen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.58 17.58.10


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir jetzt zu den Abstimmungen.

Zunächst lasse ich über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, seinen Bericht 2230 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 3551/A(E) zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2230 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Wahrung der Menschenrechte, insbesondere von Frauen und Mädchen, in Afghanistan“.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen. (342/E)

17.59.118. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 3629/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Gudrun Kugler, Dr. Harald Troch, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stopp des militärischen Kampfeinsatzes und der humanitären Krise in Bergkarabach (2240 d.B.)



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Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 8. Punkt unserer heutigen Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Abgeordneter Hintner steht schon am Rednerpult. – Bitte.


17.59.49

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Minister! Hohes Haus! Zu den historischen Konfliktherden zählen die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan, nicht zuletzt wegen der armenischen Enklave Bergkarabach, oder besser gesagt der ehe­ma­ligen armenischen Enklave Bergkarabach. Diese wurde in einer Blitzoffensive von Aserbaidschan unter Kontrolle genommen und soll beziehungsweise wird ab Jänner 2024 nicht mehr bestehen.

Die selbstständigen Staaten Armenien und Aserbaidschan entstanden aus ehemaligen Sowjetrepubliken. Die politische, wirtschaftliche und kulturelle Unterstützung war auch gleichsam definiert: Russland als Schutzmacht der Armenier, die Türkei als Schutzmacht von Aserbaidschan. Die Situation in Bergkarabach, mehrheitlich von Christen bewohnt, führte immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen, wobei von 19. auf 20. September 2023 seitens Aserbaidschans militärische Tatsachen gesetzt wurden.

Im Entschließungsantrag des Menschenrechtsausschusses vom 10. Oktober 2023, der einstimmig verabschiedet wurde, heißt es in einer Aufforderung an den Nationalrat unter anderem, neben der eindeutigen Verurteilung des Einmarsches: Forderung eines Endes des militärischen Kampfeinsatzes, Zugang der Bevölkerung „zu lebenswichtigen Gütern“, Einsatz „für die strikte Einhaltung des humanitären Völkerrechts und den Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Infrastruktur“, und „sich für einen“ sofortigen „freien und ungehinderten Zugang internationaler [...] Organisationen nach Bergkarabach einzusetzen“.


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In der Zwischenzeit hat in Bergkarabach eine Massenflucht nach Armenien eingesetzt, man spricht von mehr als 100 000 Menschen. Aktuell sollen sich nach Schätzungen noch 500 bis 1 000 Armenier in der Region aufhalten.

Offizielle Vertreter Aserbaidschans haben sich gestern, am 18. Oktober, gegenüber österreichischen Parlamentariern dahin gehend geäußert, dass Aserbaidschan die geflohene armenische Bevölkerung zur Rückkehr auffordert und einlädt. Sie sprachen dabei von Sicherheitsgarantien, von der Garantie der Unversehrtheit der Menschen sowie deren Wohnungen, Häuser, kirchlicher und infrastruktureller Einrichtungen. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Darüber hinaus wurde eine Sicherheitsgarantie gegenüber den territorialen Grenzen und der Souveränität Armeniens abgegeben. Wir werden beobachten können, ob diesen Worten auch Taten folgen werden.

Ungeachtet der jüngsten Ereignisse sind die Armenier historisch gesehen ein leidgeprüftes Volk. Als eines der ältesten christlichen Völker über Jahrhunderte und auch jetzt in verschiedenen Staaten lebend, teils durch Grenzziehungen, teils durch erlittene Diaspora (Abg. Stögmüller: Sie fallen auch auf jede Propaganda rein!), darf man die systematische Vernichtung von 1,5 Millionen Armeniern durch Massaker, Seuchen und Hunger durch das Osmanische Reich im Jahr 1915 nicht vergessen. Ich empfehle dem Hohen Haus den sehr beeindruckenden und schrecklichen Roman des österreichischen Schriftstellers Franz Werfel „Die vierzig Tage des Musa Dagh“.

Ingeborg Bachmann wird das Zitat zugeschrieben: „Die Geschichte lehrt dauernd, aber sie findet keine Schüler.“ (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

18.03


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 321

18.03.29

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Armenien und Österreich – der Vorredner hat es schon gesagt, ich habe mir erlaubt, das Buch in guter Tradition mitzubringen (das genannte Buch in die Höhe haltend): „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ von Franz Werfel, einem der besten und bemerkens­wertesten Literaten Österreichs im 20. Jahrhundert. Er schildert eindringlich die Tragödie des Völkermords, des Genozids an den Armeniern 1915/16.

Wenn wir mit der Region des Südkaukasus zu tun haben, dann ist dieser Völkermord an den Armeniern vor über 100 Jahren natürlich präsent. Ich würde sagen, dieser Genozid an den Armeniern und die Ängste, die durch einen Genozid dieses Umfangs hervorgerufen werden, sind in den Genen dieses Volkes.

Nun, was hat die Geschichte mit Bergkarabach, mit Nagorny Karabach zu tun? – Da wäre natürlich ein kurzer Blick in die Geschichte spannend. 1921 werden die neuen, jungen südkaukasischen Republiken Sowjetrepubliken, und es ist eine persönliche Intervention und Weisung Stalins, dass entgegen Partei­beschlüssen Nagorny Karabach nicht Teil Armeniens wird. Die Politik Stalins war auch, Völker untereinander, gegeneinander auszuspielen. Das kulturell, politisch und identitätsmäßig starke Armenien sollte aus Sicht Stalins durchaus geschwächt werden. Es gab nur innerhalb Aserbaidschans diese Autonomie.

Es gibt Autoren wie zum Beispiel Otto Luchterhandt, die sehr wohl argumen­tieren, dass Nagorny Karabach eine staatliche Selbstständigkeit verdienen würde und dass es die logische Konsequenz wäre – auch völkerrechtlich spannend.

Zur jetzigen Situation ist zu sagen, um auch mit Anton Wildgans zu sprechen: von der Nationalität zur Bestialität. Die Situation in diesem Raum, in Nagorny Karabach ist eine erdrückende. Wir sprechen von einer 3 000 Jahre alten Kultur, und wir sprechen von einer Gefahr, dass diese Kultur in der Form von Ruinen


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von christlichen Klöstern, von christlichen, armenischen Kirchen ausgelöscht, niedergewalzt wird – was ja schon passiert.

Die Fluchtbewegung der Armenier und Armenierinnen aus Nagorny Karabach ist hier schon thematisiert worden. Diese Fluchtbewegung ist verständlich, auch vor dem Hintergrund, dass türkische Politiker und leider auch aserbaidscha­nische Politiker gedroht haben und von Armenien nur als Westaserbaidschan sprechen. Das löst Ängste aus, Ängste, die bereits da sind. Daher ist Solidarität gefragt.

Ich bin froh, dass es auch klare Entscheidungen des Europäischen Parlaments gibt. Die Armenier und Armenierinnen verdienen unsere uneingeschränkte Solidarität. Wien ist eine der Städte, in denen es seit 600, 700 Jahren eine zugewanderte armenische Gemeinde gibt, neben den Griechen und den Juden. Das ist Teil von Wien, das soll uns bewusst sein, und wir stehen auch dazu. So wie wir ein klares Bekenntnis zum Existenzrecht Israels ablegen und dazu stehen, sollten wir auch ein klares Bekenntnis gegen jede Form des Genozids an den Armeniern abgeben und dafür, dass auch die Armenier ihren 3 000 Jahre alten Staat einfach geschützt haben, sie dort ihre Heimat haben und diese weiterexistiert.

In diesem Sinne sage ich Danke, auch für die Debatte hier, für diesen Antrag, und ich ersuche auch alle um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Brandstätter und Ernst-Dziedzic.)

18.07


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.


18.07.53

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Außenminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht hier um die kleine Region Bergkarabach. Mein Vorredner hat einen historischen Überblick


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gegeben, wie sich diese Geschichte entwickelt hat. In Bergkarabach hat sich eine eigene armenische Minirepublik selbst sozusagen an die Macht gehievt und hat eigentlich seit dem Zerfall der Sowjetunion darum gekämpft, auch international, anerkannt zu werden.

Die internationale Staatengemeinschaft hat in Wahrheit die Region Bergkarabach seit Jahrzehnten in Stich gelassen. Das sollte man nicht unter den Teppich kehren. Das war schon auch etwas, bei dem man durchaus mehr hätte machen müssen.

Es hat jetzt seit ungefähr einem halben Jahr eine EU-Mission in der Region gegeben. Das Ergebnis ist leider Gottes, wie es ist. Dieser Antrag, dem wir natürlich zustimmen, ist leider heute bereits veraltet. Die ethnische Säuberung in Bergkarabach hat stattgefunden. Die internationale, westliche und europäische Staatengemeinschaft hat in Wahrheit zugesehen. – Herr Außenminister, auch Österreich hat zugesehen. Man stellt sich manchmal schon die Frage, warum das so ist, warum niemand den Armeniern zu Hilfe gekommen ist. Stattdessen geben sich Westpolitiker in Aserbaidschan die Türklinke in die Hand. Das muss man auch einmal ganz deutlich sagen. Das ist die sogenannte Kaviardiplomatie, die von Herrn Ilham Alijew in Aserbaidschan durchgeführt wird, bei der sich viele sehr geschmeichelt fühlen und Weiteres.

Es gibt ja auch schon Verurteilungen in verschiedenen europäischen Staaten, weil aserbaidschanisches Geld an Westpolitiker geflossen ist. Es ist eindeutig, dass sich Aserbaidschan natürlich die westliche Politik gekauft hat. Dann trifft man sich dort bei Formel-1-Rennen samt VIP-Paket. All das darf man nicht außer Acht lassen, wenn man sich überlegt: Warum ist Bergkarabach in Wirklichkeit im Stich gelassen worden?

Was dort jetzt passiert ist – eine sogenannte Blitzaktion haben es die Vorredner genannt –, war eine ethnische Säuberung ungeahnten Ausmaßes. Man hat die Leute dort tatsächlich im Stich gelassen. Für die Region Bergkarabach ist es jetzt zu spät, aber ich glaube, es wäre dringend notwendig, Herr Außenminister,


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auch von Ihnen und von der Europäischen Union, Aserbaidschan für das, was dort gemacht worden ist, deutlich – und zwar ganz deutlich – zu verurteilen und sich wirklich auf die Seite der Armenier zu stellen. (Beifall bei der FPÖ.)

18.10


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte.


18.10.37

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Werte Gäste auf der Galerie! Auch ich werde jetzt nicht auf das eingehen, was passiert ist. Ich möchte betonen, was wir jetzt tun müssen. Wir sagen, dass die ethnische Säuberung von Armeniern und Armenierinnen aus ihrer historischen Heimat, in der ihre Vorfahren seit Jahrhunderten gelebt haben, nicht ungestraft bleiben darf.

Wir fordern, dass der Einsatz von Gewalt durch Aserbaidschan zur Lösung des Konflikts in Bergkarabach als ein eklatanter Verstoß gegen das internationale Recht und die damit verbundenen Verpflichtungen eingeordnet und entsprechend geahndet wird. Die erzwungene Vertreibung der gesamten indigenen armeni­schen Bevölkerung nach einer monatelangen inhumanen Blockade humanitärer Hilfe ist ein klarer Fall von Völkerrechtsverletzung und ethnischer Säuberung, der in der jüngsten Resolution des Europäischen Parlaments auch als solche aner­kannt worden ist.

Wir fordern weiters, dass in Bergkarabach unbedingt ein unabhängiger und handlungsfähiger internationaler Mechanismus eingerichtet werden soll, um die Situation zu überwachen. Dies kann natürlich dazu beitragen, eine förderliche Umgebung für die sichere und würdevolle Rückkehr der Armenier in ihre Heimat zu schaffen – mit der Gewährleistung ihrer Rechte und ihrer Sicherheit.

Erlauben Sie mir einen Nebensatz: Es ist schlicht dreist, dass Aserbaidschan jetzt behauptet, diese Menschen nie vertrieben zu haben, und es ist noch dreister, zu


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behaupten, sie könnten jetzt ohne Weiteres zurückkehren. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie der Abgeordneten Belakowitsch und Wurm.)

Wir betonen weiters, die Entführung und die anschließenden willkürlichen Festnahmen und Scheinstrafverfolgungsmaßnahmen gewählter Vertreter von Bergkarabach durch Aserbaidschan sind inakzeptabel. Armenien sieht sich einer enormen Herausforderung gegenüber. Und ja, wir müssen Armenien weiterhin auch mit humanitärer Hilfe, mit EZA-Geldern unterstützen, weil Armenien jetzt eben 100 000 Menschen aus Bergkarabach beherbergt. Wich­tiger aber ist es noch, darauf zu schauen, dass das, was in Bergkarabach passiert ist, nicht auch demnächst im Süden von Armenien passiert. Wer übersieht, was sich dort zusammenbraut, der ist schlicht gewollt und bewusst blind.

Eines noch an dieser Stelle: Wir dürfen nicht mehr die Rolle der Türkei in dem Ganzen übersehen. (Abg. Erasim: Ja, genau!) Die Türkei hat nicht nur in der Ver­gangenheit maßgeblich dazu beigetragen, dass es einen Genozid an den Armeniern gab, sondern hat jetzt auch Aserbaidschan dabei unterstützt, diese ethnische Säuberung vorzunehmen. Ein Satz noch: Nicht umsonst hat Israel gerade eben deswegen beschlossen – und so viel zu den Zusammenhängen, die heute schon Thema waren –, die türkischen Diplomaten aus Israel auszuweisen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Erasim.)

18.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte.


18.14.10

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und liebe Zuseher! Über Franz Werfels „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ über den Völkermord an den Armeniern ist mehrfach gesprochen worden. Ich freue mich, dass hier auch über Bücher gesprochen wird. Wenn wir über


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Bücher sprechen, müssen wir auch erwähnen, was mit Büchern noch gemacht wird, außer dass sie gelesen werden. In der Türkei wurde dieses Buch (das genannte Buch in die Höhe haltend) verboten, die Nazis haben es verbrannt. Da sehen wir wieder den Zusammenhang: dass es eben Staaten gibt, die alles dafür taten und tun, um auch das freie Wort einzuschränken.

Kollegin Belakowitsch hat davon gesprochen, dass es westliche Politiker gibt, die versuchen, mit Baku gut auszukommen. Sie haben natürlich wie immer Herrn Putin vergessen. Es ist schon so, dass Putin, dass Russland noch eine Zeit lang Armenien unterstützt hat. Aus verschiedenen Gründen, unter anderem weil die Armenier nicht mehr bereit waren, beim Militärbündnis der Russen mitzumachen, hat man ihnen dann den Schutz entzogen.

Das ist auch ein ganz wesentlicher Punkt: Putin will gemeinsam mit Erdoğan gegen die Ukraine vorgehen, er will gemeinsam mit ihm die neue Welt­ordnung, von der sie immer reden, erschaffen, nämlich gemeinsam als Diktaturen gegen unsere liberalen Rechtssysteme, gegen unsere Rechtsstaaten, gegen unsere Demokratien.

Ich möchte, obwohl meine Redezeit gleich vorbei ist, noch auf eines ver­weisen, weil ich immer wieder auch gefragt werde, warum ich mich um andere Länder kümmere. Ich glaube, dafür gibt es sehr viele Begründungen. Eine ist auch schon mehrfach angesprochen worden: weil das, was sich in unserer Umgebung, und das ist ja alles nicht so weit weg, abspielt, auf uns Rückwirkun­gen hat. Es hat Rückwirkungen, was Migration betrifft, es hat Rückwirkungen, was unseren Warenhandel betrifft.

Außerdem bekennen wir uns zu den universellen Menschenrechten. Wir bekennen uns dazu, dass Menschen überall die gleichen individuellen Menschenrechte haben sollen, haben müssen. Bei gewissen Gelegenheiten zu sagen: Nein, das interessiert uns nicht, wir bauen eine Mauer rund um Österreich und schauen weg!, ist erstens unmöglich und zweitens falsch, weil wir ja wollen, dass Menschen zu uns kommen, weil wir ja Handel treiben wollen.


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Außerdem ist es ohnehin unmenschlich und das soll es ja wohl auch nicht sein.

In diesem Sinne müssen wir uns um diese Regionen kümmern. Das ist der wesentliche Teil der Außenpolitik. Ich kann nur sagen, wir müssen immer auf der Seite der Menschlichkeit sein, wir müssen den Menschen aber auch die Wahrheit sagen. Manche Kooperationen mit Diktatoren sind dann eben nicht möglich. Das kann dazu führen – das haben wir auch schon besprochen, gerade im Zusammenhang mit dem Iran –, dass wir gewisse Dinge nicht bekommen, teurer bekommen, dass das Auswirkungen auf uns hat.

An dieser Stelle sage ich dann immer, es gab Zeiten, als den Österreicherinnen und Österreichern geholfen wurde, in denen andere auf gewisse Dinge verzichtet haben, damit uns geholfen wird. Die Welt ist inzwischen noch kleiner geworden. Wir alle werden gemeinsam in dieser Welt anständig leben oder nicht leben. Deswegen ist es wohl eindeutig, was wir wollen, nämlich gemeinsam anständig zu leben. Das heißt, wir müssen uns im Sinne der Menschenrechte auch um die anderen kümmern. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

18.17


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte.


18.17.39

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Europa und die Welt sehen sich zunehmend mit humanitären Krisen konfrontiert – seien es bewaffnete Konflikte, die Klimakrise, Naturkatastrophen oder andere Elementarereignisse. Das alles erfordert koordinierte und effiziente Herangehensweisen, auch auf europäischer Ebene, um sicherzustellen, dass Hilfe schnell und wirksam bei jenen ankommt, die sie dringend und sofort benötigen.


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Das ist der Punkt, an dem neutrale Länder wie Österreich eine mitunter entscheidende Rolle spielen könnten, ja müssten. Die Neutralität Österreichs erlaubt es uns, in Krisensituationen Brückenbauer zu sein. Wir können vermitteln und helfen, wir können agieren, ohne parteiisch zu sein. Sie ermög­licht uns, Zugang zu Krisengebieten zu erhalten, um humanitäre Hilfe organisieren und Bedürfnisse der betroffenen Menschen in den Mittelpunkt stellen zu können. In Friedenszeiten ist die Neutralität vielleicht ein Regelwerk, in Krisenzeiten jedoch hohe politische Kunst. Daran sollten wir immer wieder erinnert werden und daran sollten wir denken. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, am 19. September hat Aserbaidschan die mehr­heit­lich von Armeniern bewohnte Region Bergkarabach angegriffen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats UNHCR sind mehr als 100 000 Ge­flüchtete aus der Region in Armenien angekommen. Zahlreiche Beobachter sprechen von einem Massenexodus, von ethnischer Säuberung, von Vertreibung. Es herrschen Zustände, bei denen wir als internationale Gemeinschaft nicht wegsehen dürfen.

Ich erinnere daran, dass Erdoğan und Alijew den Schwur der Bruderschaft abgelegt haben – ein Volk, zwei Nationen, Türkei und Aserbaidschan –, unter anderem mit dem Ziel, den Sangesur-Korridor von Baku in die Türkei zu etablieren. Dieser Korridor läuft aber durch Armenien.

Beim Besuch von Bundeskanzler Nehammer am 10. Oktober in Ankara wurde diese gefährliche Entwicklung allerdings nicht angesprochen, zumindest nicht öffentlich.

Die Türkei hat eine historische Verantwortung – ich erinnere an den osmanischen Völkermord an einer Million Armenierinnen und Armeniern im Jahr 1915.


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Gewalttätige Aggressionen müssen mit aller Entschiedenheit verurteilt werden. Wir können nicht zulassen, dass sich das Chaos in den Regionen etabliert, ja bereits etabliert hat, vor allem jetzt nicht, wenn unsere Welt, so wie wir sie kennen und kennengelernt haben, vor einem weiteren Wendepunkt steht – Sie alle wissen, was ich meine –, und doch gab es ein lautes Schweigen in Europa während der Tage der Verfolgung.

Da hätte auch Österreich als Bundesregierung schnell und beispielgebend agieren müssen. Leider haben auch wir, das offizielle Österreich, weggesehen. Österreich muss in Europa wieder eine laute Stimme für soziale Gerechtigkeit, für Solidarität und für Menschlichkeit sein. Österreich muss außen- und europapolitisch die Stimme für die Bedrohten in der Welt sein und nicht nur Diener der Wirtschaftslobbyisten. Ein engagiertes, ein neutrales Öster­reich kann mehr als zum derzeitigen Status quo, meine Damen und Herren! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

18.21


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Melanie Erasim. – Bitte.


18.21.32

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Geschätzte Präsidentin! Sehr geehrte Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben schon sehr viel Wichtiges und Richtiges zu diesem Entschließungsantrag gesagt. Ich möchte den Fokus meiner Ausführungen zu den Vertreibungen aus Bergkarabach auf die vielen menschlichen Schicksale legen.

Als internationale Wertegemeinschaft bekennen wir uns zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Menschenrechten – unantastbare Rechte, die jedem Menschen kraft seines Menschseins zustehen, Rechte für alle Frauen, Männer und Kinder.


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Frauen und Kinder sind wie so oft auch in diesem barbarischen Konflikt, auch bei dieser Vertreibung die Hauptleidtragenden. Über 100 000 geflüchtete Armenierinnen und Armenier, die vom Terror Aserbaidschans fliehen, fliehen vor mittelalterlichen Kriegsführungsmethoden, und das muss man hier auch in aller Deutlichkeit sagen: mittelalterliche Kriegsführungsmethoden wie Aus­hungern und Abschneiden von jeglicher medizinischer Versorgung und humanitärer Hilfe.

Ich finde es wirklich notwendig und wichtig und richtig, dass wir uns als österreichischer Nationalrat klar gegen dieses Unrecht positionieren (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller), doch ich bitte, bei der fast unerträglichen Fülle neuer, weltweiter Konflikte auch das Nachbarland, den Iran, und da vor allem die frauenrechtliche Situation für Mädchen und Frauen nicht zu vergessen. All das dürfen wir bei den schockierenden Bildern, die uns tagtäglich erreichen, nicht außer Acht lassen.

Narges Mohammadi, eine unermüdliche Kämpferin für Frauen- und Mädchen­rechte sowie für Meinungsfreiheit, hat den Friedensnobelpreis bekommen, doch fast zeitgleich wurde Armita Garawand, eine Kurdin, aufgrund der immer strenger werdenden Bekleidungsvorschriften von der Sittenpolizei brutalst ins Koma geprügelt.

Warum erwähne ich das hier und heute von dieser Stelle? – Es soll ein Appell sein, ein Appell an Sie alle, an uns alle, dass wir uns an all den Wahnsinn, der gerade passiert, nicht gewöhnen, nicht bei Bergkarabach, nicht im Iran, nicht in Afghanistan, nicht beim Angriffskrieg auf die Ukraine, nicht beim Terrorangriff auf Israel.

Wenn man sich das geografisch ansieht, sieht man, wie eng das zusammenhängt und wie groß und wie immer größer dieser Krisenherd wird. Heute, morgen und an jedem darauffolgenden Tag soll gelten: ein Schulterschluss für Frieden und


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die Einhaltung der Menschenrechte! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

18.24 18.24.51


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2240 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Verurteilung der militärischen Handlungen durch Aserbaidschan sowie Schutz von Minderheiten­rechten und Kulturgütern in Bergkarabach“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen. (343/E)

18.25.319. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungs­vorlage (2205 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975 geändert wird (2264 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 9. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Norbert Totschnig im Hohen Haus und erteile Herrn Abgeordneten Michael Seemayer als Erstem das Wort.


18.26.05

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ganz kurz zum Forstgesetz und warum wir der Novelle nicht zustimmen werden: Natürlich ist es sinnvoll, dass auch das Forstgesetz der Notwendigkeit der


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Anpassung an den Klimawandel gerecht wird. Trotz diverser Bezüge in der Novelle, dass neue Regelungen wegen des Klimawandels getroffen werden, sind die vorgeschlagenen Änderungen insgesamt nicht ausreichend, um die Wälder Österreichs zukunftsgerecht zu verändern.

So fehlt die Implementierung wirksamer und zukunftsweisender Maßnahmen zur Schaffung klimafitter Wälder. Die Fördermaßnahmen werden nicht auf nach­weisbare Mehrleistungen begrenzt und präzisiert. So sollte etwa ein ausgeglichenes Wald-Wild-Verhältnis Voraussetzung für alle Fördermaßnahmen sein. Es sollte ein regional angepasstes, intensives Schalenwildmanagement zur Sicherstellung der Naturverjüngung vorgeschrieben werden. Fördermaßnahmen sollten ausschließlich in Gebieten möglich sein, wo bereits Verbesserungen der Verbiss- und Schadenssituation eingeleitet wurden.

Bei Fördermaßnahmen zur Steigerung der Kohlenstoffaufnahme und der Kohlenstoffspeicherfähigkeit des Waldes sollten Förderungen nur dann möglich sein, wenn Bewirtschaftungsformen angewandt werden, die nachweislich eine über das herkömmliche Maß der nachhaltigen Waldbewirtschaftung hinaus­gehende Leistung bedeuten. Förderungen alleine für die Tatsache des Vorhanden­seins von Waldflächen sind abzulehnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Und: Es sollte dargestellt werden müssen, wie hoch die erhöhte Kohlenstoff­wirksamkeit tatsächlich ist.

Es kann derzeit nicht umfassend festgestellt werden, welche konkreten gesell­schaftlichen Leistungen durch die Förderungen des Waldfonds erbracht wurden, die über die gesetzlichen Bestimmungen des Forstgesetzes für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung hinausgehen, und wie diese Leistungen in Relation zum Umfang der eingesetzten Budgetmittel stehen. Dies muss aber Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit jeglicher Förderung sein.


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Die Möglichkeit, in Hinblick auf die bereits bekannten Herausforderungen für die Waldbewirtschaftung wenigstens ansatzweise auch gesetzlich zu reagieren, wurde unserer Ansicht nach im Rahmen dieser Novelle nicht genutzt.

Aus diesem Grund werden wir der Novelle nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.28


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Georg Strasser. – Bitte.


18.28.58

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir reden heute über die Forstgesetz-Novelle.

Kurze Einführung in die österreichische Forstwirtschaft: 47,9 Prozent der Staats­fläche sind bewaldet, und wenn man in die landwirtschaftliche und forstwirt­schaftliche Gesamtrechnung hineinschaut – Statistik Austria –, so werden 10,5 Milliarden Euro an Wertschöpfung in der Landwirtschaft und 3 Milliarden Euro im Forst erzielt. In Summe gibt es entlang der Wertschöpfungskette 300 000 Personen, die in Österreich im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft ihr Einkommen beziehen – 300 000 Personen! –, und es gibt 140 000 Waldbesitzer.

Was möchte ich damit sagen? – Der Wald ist auf der einen Seite ein ökologisch wichtiger Faktor, aber auf der anderen Seite auch ein volkswirtschaftlicher Faktor, den es sich zu hegen und zu pflegen lohnt.

Darum, geschätzter Herr Bundesminister: Danke für das Engagement von dir und allen Expertinnen und Experten, die da mitgewirkt haben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)


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Nur ein bewirtschafteter Wald ist ein klimafitter Wald. – Das ist ein interes­santes Mantra, das wir immer vor uns hertragen, und da gibt es zwei Maßnahmen, für die der Bundesminister, der für Land- und Forstwirtschaft zuständig ist, Verantwortung trägt.

Zum einen ist das der Waldfonds: Aus dem Waldfonds werden Maßnahmen unterstützt, vom Pflanzen bis hin zur Pflege, bis hin zur Verwertung, ob es jetzt in Richtung Energie oder in Richtung Hausbau geht. Das ist ein tolles Projekt und wir sind sehr, sehr froh, dass dieses Projekt auch in den Budgetverhandlungen eine gewisse Aufstockung erfahren wird, damit wir dort mit richtigem Zug aufs Tor weiterarbeiten können.

Heute diskutieren wir aber das Forstgesetz. Es wird immer wieder nachhaltige Forstwirtschaft diskutiert. Die Themen, die der Kollege von der SPÖ ange­sprochen hat, muss man sich wirklich auch auf wissenschaftlicher Basis anschauen. Ich habe aber eine Zahl mit: Lediglich 89 Prozent des Zuwachses, der Holz­menge, die in Österreich zuwächst, werden genutzt. Das heißt, die Holzmenge wächst jedes Jahr um 11 Prozent, und das ist sozusagen der Kern einer nachhaltigen Forstwirtschaft. Diese nachhaltige Forstwirtschaft wird durch dieses Forstgesetz auch weiter gestärkt werden.

Es gibt aber zwei besondere Aspekte, die nicht ganz klassisch mit der Wald­bewirtschaftung zu tun haben, und das ist zum einen die Implementierung des Themas Mehrnutzungshecke. Über die Mehrnutzungshecke gelingt es, auch zum Beispiel in einem Ackerbaugebiet Windschutzgürtel oder auch Biodiversi­täts­flächen anzulegen. Es wachsen Bäume, es wachsen Sträucher, die aber nicht zu Wald werden. Damit ist die Hemmschwelle, dort, zum Beispiel im Wein­viertel, auch Biodiversitätsflächen anzulegen, eine geringere, und das ist eine gute Sache.

Es ist auch wichtig, zu erwähnen – und es ist aus diesem Grund ein bisschen schade, dass die SPÖ da nicht mitgeht, weil ich glaube, dass auch der SPÖ die


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freiwilligen Feuerwehren in Österreich sehr, sehr wichtig sind –, dass die Abgeltung der Waldbrandbekämpfungskosten vereinheitlicht wird.

Das heißt, wenn irgendwo ein Waldbrand ausbricht, dann kann sich der Feuer­wehr­kommandant oder der Finanzreferent darauf verlassen, wie das Bundesland letztendlich diese Sätze abrechnet. Das ist eine österreichweite Vereinheit­lichung – auch dafür ein großes Dankeschön, und ein großes Dankeschön auch an die freiwilligen Feuerwehren in ganz Österreich, die immer da sind, wenn irgendwo ein Waldbrand bekämpft wird. – Herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Abschließend: So wie im Budget die Grundsätze der ökosozialen Marktwirtschaft abgebildet sind, so ist das auch im Forstgesetz. Das Forstgesetz ist ökologisch wertvoll, das Forstgesetz ist sozial ausgewogen und das Forstgesetz ist wirtschaft­lich tragbar.

Aus diesem Grund ein großes Dankeschön: Es ist ein Gesetz, das wirklich in die Zukunft weist. – Danke und alles Gute! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.33


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Peter Schmiedlechner zu Wort. – Bitte.


18.33.18

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Präsident! Herr Minister! (Abg. Hechenberger: Tu nicht zu viel schimpfen mit uns!) – Sehr geehrter Herr Kollege, keine Sorge, ich werde heute nicht zu viel schimpfen mit der ÖVP. (Abg. Prinz: Es gibt ja auch keinen Grund dazu!)

Sehr geehrte Zuseher! Wir diskutieren die Anpassung des Forstgesetzes. Mit einiger Verspätung, ja, man könnte sagen, mit großer Verspätung, wird da endlich einmal gehandelt. Im Jänner 2020 haben wir als FPÖ bereits einen Antrag auf Änderung der Liste der Holzgewächse im Forstgesetz eingebracht. Wir wollten damals schon eine Anpassung. Wir wollten damals schon eine Änderung. Leider hat sich die ÖVP damals nicht erweichen oder umstimmen lassen.


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Jetzt endlich wird dieser Baumartenkatalog angepasst und flexibler gestaltet. Das ist gut so. Danke, dass die ÖVP endlich unsere guten Ideen aufgreift. (Beifall bei der FPÖ.)

Positiv ist auch zu erwähnen, dass endlich auch die Waldbrandbekämpfungs­kosten übernommen werden – jedoch mit einem kleinen Fehler: Man hat dort – wie so oft – die Beseitigung und die Räumung von Holz oder Gegenständen aus Wildbächen bei Katastrophenereignissen vergessen. Da kann man nur sagen: Na ja, Schreibtischtäter, wieder einmal wurde von den ÖVP-Genossen etwas Wichtiges vergessen.

Leider wurde auch die Anerkennung der Speicherung des CO2 durch die Waldbewirtschaftung vergessen. Die Abgeltung für die Land- und Forstwirt­schaft wird nicht umgesetzt. Die Wichtigkeit der CO2-Bindung durch den Wald wird zwar thematisiert, aber die Waldbauern werden für die Leistung nicht entschädigt, Herr Minister.

Was bei dieser Änderung des Forstgesetzes ganz fehlt, sind Maßnahmen gegen Wildschäden. Der Herr Kollege von der SPÖ hat schon gesagt, in diesem Bereich gibt es einiges zu tun. Wenn man sich den Wildschadensbericht anschaut, sieht man das, aber den wollt ihr ja hier im Plenum nicht diskutieren, weil er seit Jahrzehnten immer gleich schlecht ist beziehungsweise immer schlechter wird. Es ist klar, dass man das dann nicht gerne hier diskutiert; der Bericht wurde im Ausschuss enderledigt.

Nichtsdestotrotz sehen wir diese Änderung des Gesetzes als einen ersten Schritt in Richtung Verbesserungen. Natürlich kann ich da dem Argument der SPÖ etwas abgewinnen, dass das nicht ausreichend ist, aber wie gesagt, es ist der erste Schritt.

Zum Waldfonds nur noch ganz kurz, weil ich sehe, die Zeit wird schon knapp: Es ist durchaus gut, dass dieser ausgebaut wird, jedoch gilt es, dort genau zu beobachten, dass nicht wieder nur die Sägeindustrie unterstützt wird, sondern


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dass das Geld auch bei den Bauern ankommt. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lindinger: 100 Millionen!)

18.36


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Clemens Stammler. – Bitte.


18.36.36

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich darf die Bezirksgruppe der Grünen aus dem 21. Bezirk begrüßen. (Beifall bei Grünen und SPÖ, bei Abge­ordneten der ÖVP sowie der Abg. Doppelbauer.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie notwendig diese Novellierung des Forstgesetzes ist, sieht man schon daran, dass unser Wald im letzten Jahr bereits zum Emittenten geworden ist und nicht mehr Speicher ist. Deshalb weiß ich auch gar nicht, ob es die Forstbesitzer, Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer wirklich unbedingt haben möchten, dass das in einem Gesetz verankert und eventuell entschädigt wird, weil: Auf der einen Seite bekommt man, wenn es gespeichert wird, eine Entschädigung, auf der anderen Seite heißt es aber eigentlich eine Abgeltung zu leisten, wenn man zum Emittenten wird. – Ich weiß nicht, ob man das möchte.

Warum wurde der Wald zum Emittenten? – Weil ganz einfach der Schadholz­anteil so groß geworden ist, dass extrem viel Holz zu entnehmen war, das nicht mehr nutzbar, sondern nur mehr verfeuerbar war. Genau dem treten wir mit diesem Forstgesetz entgegen, und ich glaube, das ist gut so.

Dieses Forstgesetz stellt eine Mischung aus Klimaschutz und Klimaanpassung dar und ermöglicht es auch – nämlich mit der Pauschalierung der Vergütung bei Waldbränden beziehungsweise bei der Waldbrandbekämpfung –, das abzuholen, was man bisher verabsäumt hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Wir setzen – und das klingt auf den ersten Blick gar nicht so grün und gar nicht so nett, weil es ums Bäumeumschneiden geht – die Hiebreife der Fichte von 60 Jahren auf 50 Jahre herunter. Damit erreichen wir, dass die Fichte als gesunder Baum geerntet werden kann, dass dieser Kohlenstoff in Form von Baustoff gespeichert werden kann, länger gespeichert bleibt und es eben nicht zur Ver­feuerung kommt.

Gleichzeitig forcieren wir den Waldumbau. Ich kann Kollegen Seemayer verstehen, wenn er sagt, wir brauchen sehr strikte Regelungen bezüglich des Waldfonds, was den Waldumbau anbelangt, was die Baumarten, die bei der Pflanzung gefördert werden, anbelangt – aber das ist eben der Waldfonds, das werden wir im Waldfonds regeln, der wird auch neu geregelt und angepasst werden müssen. Das ergibt sich schon alleine aus der Aufstockung.

Grundsätzlich möchte ich noch einen Appell an die Länder richten: Es wird nicht genügen, den Waldfonds um 100 Millionen Euro aufzustocken. Es wird das beste Forstgesetz getrübt werden, wenn die Jagdgesetze der Länder so bleiben, wie sie sind. Es hilft uns nichts, wenn wir pflanzen und diese Pflanzen vom Wild gefressen werden.

Wir brauchen Jagdgesetze, die mehr dem Wald dienen, mehr dem Klima, der Klimaanpassung beziehungsweise auch der Eindämmung des Klimawan­dels als den Hobbys gewisser Jäger und Jägerinnen dienen. Wir wissen, dass wir da eine starke Lobby haben. Der größte Jagdpächter des Landes Oberösterreichs ist die Raiffeisenlandesbank. Wir wissen, woher der Wind weht. Bitte denken wir da auch im Sinne des Klimaschutzes um! – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Eßl: Sollen wir jetzt mehr schießen oder weniger schießen? – Abg. Lukas Hammer: Kommt drauf an, auf wen! – Abg. Eßl: Mehr oder weniger? – Abg. Lukas Hammer: Kommt drauf an, was du schießen willst!)

18.40



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 339

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Doppelbauer. – Bitte.


18.40.42

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Landwirtschaftsminister! Hohes Haus! Heute geht es um eine Novelle des Forstgesetzes, und auch wir werden dieser zustimmen, weil wir sie durchaus sinnvoll finden.

Was ist das größere Bild, das wir im Augenblick haben und weswegen wir uns auch freuen, dass da etwas passiert? – Der Wald hat eine Vielzahl von Aufgaben, nicht nur wirtschaftliche Aufgaben. Es geht ja darum, dass das ein ganz, ganz wichtiges Standbein in den Mischbetrieben der Landwirtinnen und Landwirte ist, aber es geht auch darum, dass es für die Biodiversität, für die ökologischen Aufgaben wie der Speicherung von CO2 ein ganz, ganz wichtiger Bereich ist. Da spreche ich jetzt noch gar nicht vom Lawinenschutz und von der Aufgabe als Schutzwall generell. Die Aufgaben reichen nicht zuletzt auch bis hin zum Erholungs­raum für die vielen Menschen, die mehr und mehr auch in unseren abgelegenen Wäldern herumspazieren. Das ist nicht immer nur positiv, aber tatsächlich auch ein wichtiger Faktor. Deswegen ist es wichtig und richtig, dass wir da Schritte setzen.

Und wenn wir Schritte setzen, dann möchte ich auf eines noch ein wenig eingehen, und zwar auf die massiven klimatischen Veränderungen, die unsere Wälder extrem stressen. Ich war die letzten paar Wochen, in der Zeit der großen Hitze viel bei uns im Wald unterwegs und ich habe ihn noch nie so trocken gesehen. Ich habe heuer im Frühjahr, also eigentlich im Herbst und im Frühjahr, wie viele andere auch einige Hundert Bäume gesetzt, kleine Eichenbäumchen, die den Winter, glaube ich, nicht überstehen werden, weil es einfach zu trocken ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 340

Es gibt massive klimatische Veränderungen, die wir auch nachbetrachten müssen. Es ist eine unglaublich schwierige Zeit und deswegen umso wichtiger, dass wir weitere Gesetzespakete auf den Weg bringen und dieses so wichtige Ökosystem weiter fördern.

Wir finden es auch positiv – das wurde schon gesagt –, dass der Baumarten­katalog aufgestockt wird, das macht aus unserer Sicht Sinn. Auch dass die Waldbrandbekämpfung mit dem Anpassen der Beträge für die Feuerwehren jetzt sozusagen harmonisiert worden ist, ist ein wichtiger Punkt.

Das heißt, prinzipiell finden wir, dass da vieles richtig gemacht worden ist. Man kann natürlich immer noch mehr machen. Ein Wunsch, den ich in diesem Zusammenhang auch noch an Sie, Herr Landwirtschaftsminister, herantragen will, ist, dass das nicht nur für die privaten Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer gilt, sondern dass die Regeln, die Sie jetzt im Forstgesetz niedergeschrieben haben, dann auch von den Bundesforsten umgesetzt werden. Was nämlich aus meiner Sicht keinen Sinn machen kann, ist, wenn die Bundesforste – Sie kennen das Beispiel Ohlsdorf – einfach 18 Hektar Wald roden und dann versiegeln, ohne einen Plan zu haben, was tatsächlich passiert.

Das heißt, auch die Bundesforste da in die Pflicht zu nehmen, tunlichst mit dem Gut Wald umzugehen, ist nicht nur eine Bitte, sondern, glaube ich, auch das Gebot der Stunde. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

18.43


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Norbert Totschnig zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


18.43.41

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Nationalrätinnen und Nationalräte! Geschätzte Damen und Herren! Mit der vorliegenden Gesetzesnovelle beschließen wir die größte Anpassung im


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 341

Forstgesetz zum Schutz der Wälder seit 20 Jahren. Wir schaffen praktisch die gesetzliche Basis, um die Entwicklung klimafitter Wälder noch schneller vorantreiben zu können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das ist notwendig, denn der Klimawandel macht auch vor dem Wald nicht halt. Wenn wir uns die Unwetter anschauen, die Sturmschäden, Borkenkäfer, Schneebruch, von denen riesige Flächen in Österreich betroffen sind, sehen wir, dass der Wald zunehmend unter Druck gerät. Allein in diesem Sommer haben Stürme in Tirol und Kärnten Schäden im Ausmaß von 600 000 Festmeter in Tirol und 700 000 Festmeter Schadholz in Kärnten angerichtet. Nun gilt es, dieses Holz rasch aufzuarbeiten, damit nicht Folgewirkungen wie jene in Osttirol oder in Oberkärnten mit dem Borkenkäfer entstehen.

Allein in diesen beiden Bundesländern wurden in den vergangenen fünf Jahren durch den Borkenkäfer 15 600 Hektar Objektschutzwald zerstört. Dieser Objektschutzwald muss jetzt rasch wiederaufgeforstet werden und das geht natürlich nur über eine aktive Waldpolitik. Gleichzeitig spielen der Wald und der Rohstoff Holz eine sehr entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Die Bindung von Kohlenstoff, sowie Holzprodukte als Ersatz für fossile Rohstoffe tragen maßgeblich zur Reduktion von CO2 bei. Das ist unser Weg in der Forstwirtschaft mit dem Waldfonds, und diesen Weg werden in den nächsten Jahren konsequent fortsetzen.

Die Novellierung des Forstgesetzes bringt eine Vielzahl von Anpassungen mit sich, die aus mehreren Gründen richtungsweisend sind. Ich möchte ein paar Punkte ansprechen, ein paar wurden schon genannt.

Durch die Überarbeitung der Zielsetzung im Forstgesetz wird bei forstlichen Förderungen nun der Klimawandel berücksichtigt. Der Baumartenkatalog des Forstgesetzes kann künftig flexibler an die geänderten klimatischen Bedin­gungen angepasst werden. Wie funktioniert das? – Zum Beispiel können Baum­arten wie Kiefergewächse aus weit südlicheren Regionen in Europa auf Basis


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von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Einschätzungen neu in den Baum­arten­katalog aufgenommen werden, und erst dann können sie natürlich auch ausgepflanzt werden.

Der Umbau in Richtung standortangepasster Mischwälder wird durch die Senkung des Hiebsunreifealters – ein kompliziertes Wort – bei Fichten von 60 auf 50 Jahre erleichtert. Warum? – Damit wird eine frühzeitige flächige Nutzung von Fichtenwäldern ermöglicht, mit dem Ziel, strukturreichere Misch­wälder mit einer hohen Artenvielfalt zu etablieren. Wir beschleunigen damit die Errichtung klimafitter Wälder. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Klimabedingt nimmt auch in Österreich – wir haben es schon gehört – die Anzahl der Waldbrände stetig zu. Heuer haben in Österreich bisher mehr als 100 Waldbrände stattgefunden, in den vergangenen Jahren waren es bis zu 220 Brände. Das heißt, die Feuerwehren in den Regionen sind immer mehr gefordert. Das ist eine riesige Herausforderung, vor allem für die freiwilligen Feuerwehren.

Der rasche Kostenersatz für die Waldbrandbekämpfung und für etwaige Schäden an Ausrüstungen trägt wesentlich dazu bei, dass die Feuerwehreinsätze in Zukunft unbürokratischer abgegolten werden können. Das gelingt durch die Etablierung eines bundesweit einheitlichen, modernen und transparenten Systems mit gestaffelten Pauschaltarifen, das eine vereinfachte Abwicklung ermöglicht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Um auch in Zukunft Maßnahmen gegen Naturgefahren wie Lawinen, Steinschlag oder Muren fördern zu können, ist eine Rechtsgrundlage für die Dienststellen der Wildbach- und Lawinenverbauung geschaffen worden. Konkret wird der Wildbach- und Lawinenkataster im Forstgesetz verankert. Das Ergebnis ist eine Verwaltungsvereinfachung, denn der Kataster dient der elektronischen Dokumentation und Analyse von Informationen über


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Naturgefahren wie beispielsweise Gefahrenzonenplänen und steht damit sehr leicht für die Behörden, aber auch für die Öffentlichkeit zur Verfügung.

Weiters wird künftig, wie Georg Strasser angesprochen hat, die Nutzung von Agroforstflächen erleichtert. Auch Agroforstflächen können für landwirt­schaftliche und forstwirtschaftliche Aktivitäten genützt werden. Erleichtert wird es insofern als diese Flächen nun nicht mehr mit Zeitablauf automatisch in den Wirkungsbereich des Forstgesetzes fallen würden, sprich diese Flächen werden nicht ab einer gewissen Anzahl an Jahren wieder zu Wald. Mit dieser gesetz­lichen Klarstellung können nunmehr etwa Mehrnutzungshecken – das sind beispielsweise Wildobstbäume oder -sträucher –zum besseren Schutz von fruchtbaren Oberböden, zum Schutz von Böden vor Austrocknung und vor Erosion angepflanzt werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Im Bereich der forstlichen Ausbildung wird an der Forstfachschule Traunkirchen der Ethikunterricht als alternativer Pflichtgegenstand eingeführt. Zudem wird die Nachwuchssicherung für die Dienststellen der Wildbach- und Lawinenver­bauung durch einen neuen Ausbildungsweg für Forstassistentinnen und Forstassis­tenten gestärkt.

Ich komme zum Schluss: Mit der Novelle des Forstgesetzes reagieren wir auf die geänderten klimatischen Bedingungen und schaffen zeitgemäße Rechts­grundlagen für den Umbau unserer wertvollen Ressource Wald. Ich bedanke mich bei den Landwirtschaftssprechern, bei Georg Strasser, bei Clemens Stammler und Olga Voglauer für die konstruktiven Verhandlungen und bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haus beziehungsweise im Klub für die kompetente und professionelle Unterstützung. Ich danke für eine breite Unterstützung des Gesetzes. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.50


Präsidentin Doris Bures: Jetzt ist Herr Abgeordneter Andreas Kühberger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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18.50.33

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! 48 Prozent unserer schönen Landfläche in Österreich sind mit Wald bedeckt – und das ist auch gut so, denn es ist ein wichtiger Wirtschafts­faktor in Österreich. Darum tut es mir auch leid, dass die SPÖ bei diesem Forst­gesetz nicht mitgeht, wenn man bedenkt: Über 300 000 Menschen in unserem Land verdienen tagtäglich ihren Lohn mit der Holzwirtschaft. Das ist immerhin jeder 15. Arbeitnehmer.

Meine Damen und Herren! Die Arbeit mit Holz ist keine einfache, das ist eine schwere, harte. Man braucht in Wahrheit einige Tage, wenn man das wieder macht, dass man reinkommt – auch von der Fitness, von der Körperlichkeit –, und es ist auch eine gefährliche Arbeit. Trotzdem ist sie sehr wichtig als Wirtschaftsfaktor, aber auch – wir haben es bei den Vorrednern gehört – für eine hohe Biodiversität in unseren Wäldern. Es ist mit vielen Studien nachgewiesen, dass die nachhaltige Waldwirtschaft eine Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen erhält.

Wir haben es aber heute auch schon gehört, dass der Druck auf den Wald immer größer wird, vor allem durch die Klimaveränderung. Da sind unser Bäue­rinnen und Bauern die Erstbetroffenen – aber nicht nur sie, denn in Wahrheit sind wir alle betroffen. Warum? – Weil der klimafitte Wald eine wichtige Schlüsselrolle in Bezug auf die Klimaerwärmung einnimmt, und darum ist es wichtig, dass wir die richtigen Schritte setzen.

Herr Kollege Schmiedlechner, ein wichtiger Schritt war der Waldfonds, der übrigens – und da möchte ich dir danken, Herr Bundesminister – um 100 Millio­nen Euro aufgestockt wird, und das kommt nicht, wie du behauptet hast, in die Sägeindustrie rein. Wenn du den Waldfonds kennst: Da geht es um Aufforstung, da geht es um Durchforstung, um Läuterung und vieles mehr, damit wir es


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schaffen, den klimafitten Wald sicherzustellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein wichtiger Schritt ist aber auch das Forstgesetz, das wir heute beschließen. Von der Hiebunreife haben wir schon gehört; die wird zum Beispiel bei der Fichte von 60 Jahren auf 50 gesenkt, damit die Bäuerinnen und Bauern ihren Wald klimafit machen können, damit wir – wie wir gehört haben – zukünftig auch mehr CO2 speichern können.

Ich fasse noch einmal zusammen: Ein Wirtschaftswald ist ganz wichtig für die Arbeitsplätze, liebe SPÖ, ist aber auch wichtig für die Biodiversität und vor allem für die CO2-Speicherung.

Zum Schluss noch einmal: Unsere Bäuerinnen und Bauern sind nicht das Problem oder die Verursacher – nein! –, sondern sie sind ein wichtiger Teil der Lösung, was den Klimawandel betrifft. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten den Grünen.)

18.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Kainz. – Bitte.


18.53.37

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Werte Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, das Klima ist in einem ständigen Wandel, und es ist daher auch notwendig, dass man sich dem veränderten Klima entsprechend anpasst. Wenn wir jetzt davon reden, dass mit Novellierung des Forst­gesetzes unser Wald endlich klimafit gemacht werden soll, dann ist das höchst überfällig. Ein gesunder Wald ist nicht nur für die Naherholung, für die Holzindustrie und auch für das Landschaftsbild entscheidend, ein gesunder Wald hat weit wichtigere Aufgaben zu erfüllen.


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Eine wichtige Aufgabe ist gerade in unserer jetzigen Zeit der fast immer hysterisch geführten Klimadebatten umso wichtiger: Der Wald ist der größte natürliche CO2-Speicher in Österreich. Eigentlich brauchen wir uns in Österreich – eine rund 40-fache Menge der jährlichen Treibhausgasemissionen speichert ein gesunder Wald – nicht wirklich immer selbst mit CO2-Bepreisung, den Maßnahmen bezüglich der Energie und den Zertifikaten zu geißeln. Es ist nicht notwendig, der Wald erledigt sehr, sehr viel.

Wieso wird der enorme Beitrag, den der Wald als Klimaregulator leistet, total in den Schatten gestellt? Warum eigentlich? Anstatt mit der Modernisierung des Forstgesetzes schon längst begonnen zu haben, um die Situation in die Wege zu leiten, um ein klares Bekenntnis zu unseren heimischen Wäldern abzulegen, geht es unserer Regierung immer darum, wie man für neue Windräder noch mehr Waldflächen roden kann.

In Kärnten dürfen zum Beispiel im Gegensatz dazu keine Siloballen auf einer Wiese gelagert werden (Abg. Schmuckenschlager: Das haben die Blauen eingeführt!), laut eines Gerichtsurteils des Verwaltungsgerichtshofes. Grüner Strom wird wegen der Netzüberlastung nicht gefördert und eingespeist. Wenn man sich jetzt also einmal mit Blick auf das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz überlegt, was da vor sich geht, dann sollte man sich einmal überlegen, ob das zeitgemäß und vernünftig für unsere Umwelt ist. (Ruf bei der ÖVP: Was hat das mit dem Thema zu tun?)

Wir als Freiheitliche Partei unterstützen dieses Forstgesetz, weil es da wirklich um die Umwelt geht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.56


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Astrid Rössler. – Bitte.



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18.56.18

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und Zuseherinnen und Zuseher! Das Forstgesetz ist zusammen mit dem Wasserrechtsgesetz und den alten Naturschutz- und Landschaftsschutzgesetzen sicher die Kernmaterie der Umweltgesetzgebung und sorgt in Wahrheit für die Grundlagen gesunder Lebens­bedingungen. Eine Forstgesetznovelle, die so weitreichende Änderungen nach sich zieht, wie wir sie heute diskutieren, ist gleichzeitig auch ein sehr schöner Moment, der zeigt, dass wir im Umweltschutz wieder ein gutes Stück voran­kom­men. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gesunde Wälder und ökologisch stabile Wälder sind im allerhöchsten öffentlichen Interesse, sie sind die Lebensgrundlage. Der Zustand der Wälder spiegelt ja auch wider, welchen Faktoren Wälder durch Klimawandel, durch andere Faktoren ausgesetzt sind. Wenn man sich die vier Waldfunktionen anschaut, sieht man auch sofort, in welchem Spannungsfeld der Wald gesehen wird: Die Nutzfunktion ist schon angesprochen worden: Rohstoff-, Energie­wende, erneuerbare Energie unter dem Titel Klimaschutz. Die Schutz­funktion – und genau da ist auch der Klimawandel bereits angekommen –: Abhaltung von Muren, Schutz vor Hangrutsch, Erosionen, Steinschlag, Lawinen – das sind ganz wesentliche Schutzfunktionen, die die Wälder jetzt übernehmen.

Bei der Erholungsfunktion, der dritten Funktion, zeigt sich aber auch schon ein weiteres Spannungsfeld zwischen Nutzung von Wäldern, der freien Begehbarkeit der Wälder, aber gleichzeitig auch einem hohen Nutzungsdruck durch unterschiedliche Sportarten und auch der Beunruhigung zum Teil im Wald-Wild-Gleichgewicht.

Schließlich die entscheidende Wohlfahrtsfunktion, in der eigentlich all die ökologischen und die Ökosystemleistungen abgebildet sind: Klima, Luftqualität, Wasserspeicher in den Böden, der One-Health-Ansatz der WHO, da man


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weiß, wie entscheidend und wichtig der Aufenthalt in sauberer Luft, in einer sauberen Umgebung für den Menschen, für das Wohlbefinden, für die Gesund­heit ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Novelle, die ich heute anspreche, verknüpft eine ganz wichtige Lücke und die Interessen von Forstwirtschaft und Naturschutz, indem für Rodungen künftig in Wäldern mit besonderen Lebensräumen eine Zusammenarbeit zwischen Forstbehörde und Naturschutzbehörde vereinbart wird. Es ist jetzt im Gesetz aufgenommen, dass bei Rodungen in Naturwaldreservaten, in Nationalparks, in Naturschutzgebieten und auf Waldflächen mit FFH-Lebensräumen gemäß Flora-Fauna-Habitatrichtlinie der EU, in solchen besonders wichtigen Lebensräumen künftig die Naturschutzbehörde, die Bezirksbehörde informiert werden muss und ein Stellungnahmerecht hat. Das heißt, die Naturschutzbehörde hat das EU-Recht und die Schutzbestimmungen zu vollziehen, sie hat den Zugang zu Informationen und wird das künftig umsetzen. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Genau da ist nach sicher langen Diskussionen eine ganz wichtige Lücke geschlossen worden, die ich für den größten Benefit dieser Novelle halte. Ich freue mich auch, dass es gelungen ist, eine sehr einfache, aber auch sehr kreative Lösung für die Kooperation zwischen Forst- und Naturschutzbehörden zu finden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In Abwandlung vielleicht von manch anderem, woran wir ablesen können, was der Mensch für sein Wohlbefinden braucht: Geht es den Bäumen gut, geht es dem Wald gut, und geht es den Wäldern gut, geht es den Menschen gut. Wälder sind die Grundlage und die Lebensgrundlage für unser Wohlbefinden. – Danke für diese gute Novelle. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.00 19.00.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


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Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2205 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

19.00.5110. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Bericht 2023 der Bundesregierung (III-1019/2265 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Elisabeth Feichtinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.01.15

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Für mich als Landwirtschaftssprecherin ist der Grüne Bericht ein zentrales Instrument, um festzustellen, wie es unseren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben im letzten Jahr ergangen ist. Bei der Analyse des Berichtes muss man zum Schluss kommen, dass leider nicht alles Gold ist, was glänzt. Das zentrale Ergebnis der Einkommensberechnungen zeigt ein Plus von 42 Prozent bei einem durch­schnittlichen Einkommen in landwirtschaftlichen Betrieben im vergangenen


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Jahr. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass insbesondere die großen Betriebe überdurchschnittlich davon profitiert haben und die kleinteilige Landwirtschaft wieder einmal durch die Finger geschaut hat, auf weiter Strecke.

Die Schere geht massiv auseinander, besonders beim Einkommen pro Familienarbeitskraft kann man das deutlich sehen. In größeren Betrieben stehen rund 18 000 Euro pro Familienarbeitskraft mehr zur Verfügung als in kleineren landwirtschaftlichen Betrieben, da sprechen wir von nur rund 4 000 Euro. Es sind nicht nur die Zahlen, sondern es sind die Menschen dahinter, und die müssen schauen, wie sie diese Nebenerwerbslandwirtschaften überhaupt noch weiterhin betreiben können, wenn die finanzielle Situation so eng ist.

Schauen wir uns die oberen 25 Prozent der Betriebe an, die das meiste Einkom­men haben: Sie haben rund 85 000 Euro pro Familienarbeitskraft. Was verdienen dagegen jene 25 Prozent, die am wenigsten haben? Sie haben im Durchschnitt einen Verlust von 3 200 Euro pro Familienarbeitskraft. – So viel zum Durchschnitt: Es ist also ganz klar zu sehen, dass gerade die klein­teilige Landwirtschaft davon nicht profitiert hat.

Wenn man jetzt noch neben dem Betrieb arbeiten geht – da sprechen wir von den Nebenerwerbslandwirten –, dann liegt das Nettohaus­haltseinkommen aller Nebenerwerbsbetriebe im Schnitt bei rund 45 000 Euro; und da ist die unselbstständige Arbeitstätigkeit schon miteingerechnet. Im Vergleich zu Vollerwerbslandwirten, die rund 80 000 Euro netto Haushalts­einkommen haben, ist das fast eine Verdoppelung zu den Nebenerwerbs­landwirtinnen und ‑landwirten. Da ist es kein Wunder mehr, dass diese betroffenen Nebenerwerbslandwirtinnen und ‑landwirte sukzessive aufhören, überlegen, ob sie noch weitermachen oder ob sie jemanden finden, der ihren Betrieb noch weiterführt.

Sie erkennen natürlich auch, dass die Fördermittel in Österreich ungerecht verteilt sind, denn die zusätzlichen Fördergelder waren mitunter ein Grund dafür, dass die großen Betriebe so exorbitant viel Einkommen hatten. Politik


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sollte aber lenken und nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilen, wenn es schon längst regnet.

Wenn jetzt die Preise zurückgehen, ist das ein tiefer Absturz und daher auch ein Versagen der Regierung. Es wäre wirklich besser gewesen, die Steuergelder nicht im Jahr 2022, als jeder Betrieb ein positives Ergebnis hatte, bei den Zuwächsen zu verteilen, sondern jene Betriebe zu unterstützen, die mit dem Einkommen auch letztes Jahr schon große Probleme hatten. Fördermittel müssen so verteilt werden, dass alle Landwirtinnen und Landwirte keine Angst davor haben müssen, um ihre Existenz fürchten zu müssen. Wer zusätzlich noch arbeitet, sollte nicht bestraft werden und nicht weniger zur Verfügung haben (Beifall bei der SPÖ), denn wer wird unsere Nahrungsmittel in gewohnter Qualität bereitstellen? – Das sind unsere Bäuerinnen und Bauern. (Beifall bei der SPÖ.)

19.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Franz Leonhard Eßl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.04.48

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf zu Beginn im Namen meines Kollegen Christoph Zarits den Gemeinderat der Stadt Mattersburg, an der Spitze Vizebürgermeister Otmar Illedits und Stadtrat Thomas Haffer, begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Ebenso darf ich im Namen meines Kollegen Christoph Stark die VP-Frauen aus dem Bezirk Weiz mit Landtagsabgeordneter Silvia Karelly begrüßen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Wir diskutieren die 64. Ausgabe des Grünen Berichtes, und dieser weist für die bäuerlichen Betriebe im Jahr 2022 ein kräftiges Einkommensplus aus, das ist erfreulich, aber kein Grund zum Jubeln. Warum? – 2022 ist zwar der Ertrag, aber auch der Aufwand entsprechend


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gestiegen; 2023 ist der Ertrag mittlerweile wieder gesunken, der Aufwand aber nicht. Das heißt: Die Kritik, dass eine Unterstützung der Bäuerinnen und Bauern aufgrund der Einkommenssituation nicht gerechtfertigt wäre, geht tatsächlich ins Leere. Ich erinnere an so manche Anträge der SPÖ, 50 Prozent Bauerngeld aus dem Topf Ländliche Entwicklung für landwirtschaftsferne Bereiche zu verwenden. Ich erinnere an gewisse Forderungen nach einer zusätzlichen Besteuerung von Eigentum, was die ÖVP grundsätzlich ablehnt.

Daneben müssen die Bauern den Versorgungsauftrag erfüllen. Die Versor­gungs­sicherheit mit Lebensmitteln ist eine wichtige Angelegenheit, aber die Bäuerinnen und Bauern können dies nur erfüllen, wenn sie entsprechende Rahmenbedingungen haben. Sie wollen das tun, sie können das tun, sie wollen das nach den Grundsätzen der ökosozialen Marktwirtschaft auch tun. Wenn sie die geeigneten Rahmenbedingungen haben, dann können sie entsprechend Einkommen erwirtschaften.

Gestiegene Lebensmittelpreise werden von einigen hier im Hohen Haus für die Teuerung verantwortlich gemacht – ich blicke da in Richtung SPÖ und ich blicke auch in Richtung FPÖ. Ich sage Ihnen, meine geschätzten Damen und Herren: Diese Anpassungen bei den Erzeugerpreisen im landwirtschaftlichen Bereich waren längst überfällig und für das wirtschaftliche Überleben der bäuer­lichen Familien höchst notwendig. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Da gibt es noch einige, die vermitteln wollen, dass sich die Bevölkerung Lebensmittel nicht mehr leisten kann. Denen darf ich sagen: Längerfristig betrachtet sind die Löhne deutlich mehr gestiegen als die Preise für Lebensmittel. Ich nehme zum Vergleich den Zeitpunkt, als wir der EU beigetreten sind, 1995: Da sind die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte bis 2022 um 51,5 Prozent gestiegen, der Verbraucherpreisindex ist um 70,2 Prozent gestiegen und der Lohnindex, praktisch die Löhne, ist in diesem Zeitraum um 88,1 Prozent gestiegen. Das heißt: Die Kaufkraft hat sich wesentlich verbessert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Die Entwicklung für die Bäuerinnen und Bauern im Jahr 2022 ist trotzdem positiv zu beurteilen, wenn auch einige Wermutstropfen dabei sind. Die Einkommen der Bergbäuerinnen und Bergbauern zum Beispiel sind zwar prozentuell stark gestiegen, aber nominell ist die Schere zwischen Nichtberg­bauern und Bergbauern größer geworden, und vor allem ist der Abstand zu den unselbstständig Erwerbstätigen weiterhin sehr groß.

Auffällig ist: Die Einkommen der Mutterkuhhalter betragen pro Familienarbeitskraft lediglich 13 586 Euro im Jahr. Da braucht es für die Zukunft zweifelsohne noch mehr Unterstützung als bisher.

Ich möchte mich aber auch bei Herrn Minister Totschnig bedanken. Das gute Ergebnis 2022 ist nicht nur durch bessere Preise und durch eine gute Ernte zustande gekommen, die Regierung hat gerade in der Zeit der Krise viel für die Menschen in unserem Land getan: Nicht nur die Zahlungen aus dem Umwelt­programm, für die Bergbauern die Ausgleichszulage, die Direktzahlungen sind gesichert, darüber hinaus gibt es auch unzählige Entlastungsmaßnahmen, wie die ökosoziale Steuerreform, die Senkung des Steuertarifs, die Anpassung der Pauschalierungsgrenzen, die Abschaffung der kalten Progression – das heißt dauerhafte Steuersenkung –, den Klimabonus, den Familienbonus, die Valorisie­rung, also die jährliche Erhöhung der Familienleistungen, den Stromkosten­zuschuss, die Strompreisbremse, die Agrardieselvergütung und so weiter und so fort.

Das hat die Regierung für die Bevölkerung in Österreich gemacht. Besten Dank, Herr Bundesminister! Wir in Österreich, unsere gesamte Bevölkerung und auch wir als Bäuerinnen und Bauern, können positiv in die Zukunft schauen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Rössler und Voglauer. – Rufe bei der ÖVP: Bravo, Franz!)

19.10



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schmiedlechner. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf bei der ÖVP: Jetzt bin ich gespannt, ob du den Bericht gescheit gelesen hast!)


19.10.44

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Zuseher! Wir reden über den Grünen Bericht 2022, und zwar über das durchschnittliche Betriebseinkommen in der Landwirtschaft, für die landwirtschaftlichen Betriebe.

Nun, meinem Vorredner kann man nur eines sagen (Abg. Hechenberger: Er hat alles richtig gesagt!): Anscheinend haben Sie keine Ahnung, wie es in der Realität wirklich ausschaut! Auf die Lebensmittelpreise darf ich nur kurz eingehen – wahrscheinlich wissen Sie das nicht (Abg. Hechenberger: Die Rede vom Eßl war großartig!) –: Während die Konsumenten abkassiert werden, werden die Bauern ruiniert. Die Erzeugerpreise für die Lebensmittel bei den Bauern sind sinkend (Abg. Loacker: ... mehr Einkommen laut Bericht!), die Einkommenssituation ist katastrophal, und die Stimmung auf den Bauernhöfen ist erschreckend. (Rufe bei der ÖVP: Bei dir daheim, ja! Auf deinem Betrieb!) Und dann stellen Sie sich hierher und stellen die Situation noch positiv dar und reden sie schön. Das ist eine Schande, eine Schande für die Agrarpolitik! (Abg. Gahr: Bist leicht frustriert!)

Zum Grünen Bericht: Es wird die hohe Inflation nicht berücksichtigt, die dann das reale Plus deutlich drückt. Es wird auch nicht berücksichtigt, wenn wir hier von einem durchschnittlichen Betriebseinkommen von 45 757 Euro sprechen: Wenn das für eine Person wäre, wäre das durchaus schön, aber auf einem Bauernhof arbeiten meistens mehrere Personen; laut Grünem Bericht sind es 2,7 Personen. Wenn man jetzt die 45 000 Euro hernimmt und durch 2,7 teilt, dann bleiben ungefähr 16 000 Euro über. Wenn man dann davon noch die Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen hat, dann ist das nichts, dann bleibt für die landwirtschaftlichen Familien, für die bäuerlichen Familien genau nichts über.


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Und dann gibt es die SPÖ, die roten Genossen, die ständig Verschärfungen – Verschärfungen beim Tierschutz, Verschärfungen beim Pflanzenschutz – und andere Reglementierungen einfordern. Wie soll das gehen, wenn nichts zu verdienen ist? Dann kommen die schwarzen Genossen, die auf EU-Ebene bei jeder Gelegenheit umfallen (Abg. Reiter: Das sagt ein Blauer! – Abg. Strasser: Genau, das sagt ein Blauer! Was ist mit dem Pflanzenschutz?), dem Green Deal zustimmen und dort die Maßnahmen durchführen, die die Bauern weiter einschränken. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Strasser: Richtig abstimmen, Peter! Ihr müsst schon richtig abstimmen! – Abg. Reiter: Schau dir einmal die Abstim­mungsergebnisse auf EU-Ebene von deinen Kollegen an!)

Die Situation wird von euch schöngeredet, das hilft aber keinem Bauern. Bei den nächsten Wahlen, Frau Kollegin, werden wir sehen, wie ihr für eure schlechte Arbeit abgestraft werdet. (Abg. Reiter: Und du für deine schlechten Parolen!)

Es gibt immer weniger Landwirte in Österreich. Beim EU-Beitritt 1995 waren es 192 793 Bauernhöfe, die wir in Österreich gehabt haben. Jetzt haben wir nur mehr knapp 110 000 Betriebe, die praktisch aktiv an der Landwirtschaft teilneh­men, den Mehrfachantrag abgeben. Wenn man das auch noch schönredet, dann ist das aus meiner Sicht eine Katastrophe. Ihr müsst wirklich einmal schauen, dass ihr zu den Leuten hinauskommt, damit ihr wisst, was los ist. (Abg. Hechenberger: Das ist nicht nur eine schlechte Rede, das ist auch null Lösung!)

Abschließend nur kurz auch noch zu den Biobetrieben: Österreich wird immer so hochgelobt als das Bioland, es sei alles so gut und so schön. Wenn man es sich genau anschaut, dann zeigt sich aber: Die Biobetriebe haben weniger verdient als ein durchschnittlicher konventioneller Betrieb. Die Bio­betriebe sperren zu, hören auf. Und was bleibt dann über nach der Regierungsbeteiligung der Grünen? – Weniger Biobetriebe.

Wir als FPÖ (Abg. Hechenberger: Haben auch keine Lösung!) treten ein für die Ernährungssouveränität, wir treten ein für eine Trendumkehr in der


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Landwirtschaft. Deswegen unsere klaren Forderungen: Ausstieg aus dem Green Deal, Stopp des Importes von ukrainischem Billiggetreide, SVB-Beiträge in Krisenzeiten erlassen, AMA-Marketing-Beiträge abschaffen, raus aus der Kostenfalle!, die Mehrwertsteuer abschaffen und die Mineralölsteuer für die landwirtschaftlichen Betriebe erlassen, Agrargipfel, um die Ernährungssicherheit und die Ernährungssouveränität abzusichern – das wären Punkte, die wir umsetzen wollen.

Deswegen stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „freiheitliches Entlastungspaket für die Landwirtschaft“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasser­wirt­schaft wird aufgefordert, zugunsten der heimischen Landwirte die in der Begründung angeführten Punkte des freiheitlichen Entlastungspakets für die Landwirtschaft umzusetzen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Ich bitte um breite Zustimmung. – Natürlich erwarte ich mir nichts von der ÖVP. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hechenberger: Peter, du warst schon besser! – Abg. Rauch: Das war eine sehr gute Rede!)

19.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Mag. Gerald Hauser, Alois Kainz

und weiterer Abgeordneter

betreffend freiheitliches Entlastungspaket für die Landwirtschaft

eingebracht im Zuge der Debatte in der 235. Sitzung des Nationalrats am 19. Oktober 2023 über den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Bericht 2023 der Bundesregierung (III-1019/2265 d.B.) - TOP 10.

Die vielen Herausforderungen in der Landwirtschaft, insbesondere der Druck für die Betriebsführer, aber auch für die gesamten Bauern-Familien, werden immer größer: Finanzielle Sorgen, Vorschriften, Auflagen, Kontrollen, Diffamierungen und Falschmeldungen durch sogenannte Klima- und Tierschützer, illegale Stalleinbrüche und vieles mehr setzen den Landwirten extrem zu. Die hohe Inflation, unvorhersehbare Preisentwicklungen und Billigimporte aus der Ukraine verschärfen die Lage noch zusätzlich. Einmaleffekte durch Entlastungsmaßnahmen wie Teuerungsausgleich und Stromkostenzuschuss kaschieren vordergründig, dass die Situation prekär ist.

Nicht wegzurechnen ist jedoch das fortschreitende Bauernsterben. Die Anzahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe lag laut dem Grünen Bericht 2023 bei 107.690.1 Das sind 791 Betriebe weniger als im Jahr 2021. Die im INVEKOS abgebildete landwirtschaftlich genutzte Fläche betrug 2022 rund 2,55 Mio. Hektar Davon machte Ackerland 1,32 Mio. und Dauergrünland 1,17 Mio. Hektar aus.


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Quelle: Grüner Bericht 2022, S. 26.

Als statistischer Nebeneffekt steigen aufgrund des Wegfallens kleiner Betriebe im Durchschnitt die Einkommen der verbleibenden Landwirte.

Um eine Trendumkehr in der Landwirtschaft zu schaffen, hin zu Ernährungssou­veränität und unabhängigen Bauern, die vom Verkauf ihrer hochqualitativen Produkte nicht nur überleben, sondern gut leben können, braucht es die Umsetzung der folgenden Punkte des freiheitlichen Entlastungspakets für die Landwirtschaft:

•          Ausstieg aus dem Green Deal: Es braucht weniger EU-Bürokratie. Statt Bauern zu verpflichten, weitere Flächen aus der Produktion zu nehmen, muss die heimische Produktion unterstützt und gestärkt werden.

•          Importstopp für ukrainisches Billiggetreide: Zum Schutz der heimischen Bauern gilt es alle erforderlichen Schritte zu setzen, um zollfreie Getreideimporte aus der Ukraine künftig nur noch für die Durchfuhr in die afrikanischen Zielländer zuzulassen.

•          SV-Beiträge in Krisenzeiten erlassen: Als gerechte, rasche und unbürokratische Hilfe braucht es einen Rettungsschirm für die Landwirtschaft.


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•          AMA-Marketing-Beiträge abschaffen: Die AMA-Beiträge sind spätestens seit der Einführung eines allgemeinen Flächenbeitrags im Jänner 2023 eine versteckte Grundsteuer.

•          Raus aus der Kostenfalle: Die Mehrwertsteuer auf Betriebsmittel sowie die Mineralölsteuer müssen für alle landwirtschaftlichen Betriebe in Krisenzeiten ausgesetzt werden, um die explodierenden Produktionskosten einzudämmen.

•          Agrargipfel für Ernährungssouveränität: Der Stand der heimischen Ernährungssouveränität muss im Rahmen eines Agrargipfels endlich diskutiert werden, um sinnvolle Konzepte für die Zukunft zu erarbeiten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft wird aufgefordert, zugunsten der heimischen Landwirte die in der Begründung angeführten Punkte des freiheitlichen Entlastungspakets für die Landwirtschaft umzusetzen.“

1 Anm: Hauptbetriebe im INVEKOS 107.690 laut dem „Mehrfachantrag“ (MFA) 2022.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Clemens Stammler. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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19.16.14

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es gefällt mir immer, wenn Kollege Schmiedlechner Zahlen infrage stellt, statt sie zu analysieren, statt sie zu betrachten.

Ich finde es auch spannend, zu fordern, dass man Sozialversicherungsbeiträge stunden soll, Mehrwertsteuer auf Diesel streichen soll (Abg. Rauch: Du fährst mit Kernöl!), wenn es um eine Debatte geht, in der wir über ein Plus von 42 Prozent in der Landwirtschaft im Jahr 2022 sprechen.

Jetzt möchte ich diese 42 Prozent auf keinen Fall glorifizieren, weil das ganz einfach falsch ist. Wir wissen, dass die Preise derzeit extrem volatil sind. Wir wissen auch, dass Bäuerinnen und Bauern sich die Preise zum Großteil nicht selber machen, sondern Gefangene in einem System sind und an relativ wenigen Schrauben drehen können, um das Betriebsergebnis zu verbessern oder zu verschlechtern. Sie hängen nicht nur vom Weltmarkt ab, sie hängen nicht nur vom Wetter ab, sie hängen vom Glück ab, das man im Stall ganz einfach auch manchmal braucht. Es gibt extrem viele Faktoren, ein kleiner davon ist das Mana­­gement der Bäuerin und des Bauern.

Trotz der Einkommenszuwächse verdiente eine Bäuerin, ein Bauer 2022 noch immer um 4 000 Euro weniger als ein Angestellter im Jahr 2021. Daran erkennt man, dass wir nicht von goldenen Zeiten sprechen können. Man erkennt es auch daran, dass das Einkommen von 2012 bis 2021 deutlich unter jenem im Jahr 2011 gelegen ist und erst jetzt, im Jahr 2022, wieder das Niveau von 2011 erreicht hat beziehungsweise leicht darüber liegt.

Frau Kollegin Feichtinger hat die Einkommenssituation der kleinen und großen Betriebe angesprochen. Ja, ich gebe ihr recht. Wir Grüne haben allerdings in der neuen GAP ab 2023 dafür verhandelt, dass kleinere Betriebe, dass die unteren Hektar höher gefördert werden. Wir haben bei der Steuerreform dafür gesorgt, dass die Sozialversicherungsbeiträge der niedrigen


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Einheitswerte geringer sind beziehungsweise dass diese besser bedient werden als die hohen Einheitswerte. Wir schauen also, dass wir da Verbesserungen zustande bekommen.

Alles ist aber leider, muss man ganz ehrlich sagen, auch nicht politisch lösbar. Wenn ich mir anschaue, was ein Traktor 1983 gekostet hat und welche Ausstattung er damals gehabt hat und was er heute kostet, dann weiß ich, dass das für einen kleineren Betrieb einfach ein größerer Nachteil ist. Er braucht diese Schlagkraft trotzdem, aber die Betriebsmittel, gerade die technische Ausstattung wird teurer und teurer und teurer, und das schlägt einfach bei kleinen Betrieben höher zu Buche als bei großen Betrieben. Das darf man nicht außer Acht lassen. Das könnten wir mit der Digitalisierung eventuell wieder etwas lindern und lösen, wenn wir es klug angehen und da nicht einfach großen Konzernen die Daten überlassen, damit diese Technik schaffen, die dann nur mehr für Große funktioniert. Da liegt es an uns als Politikern, ein Reglement zu finden. Wir sollten jetzt schon beginnen, darüber nachzudenken.

Ich glaube, 2022 war ein gutes Jahr. 2023 wird allerdings wieder schwierig werden. Also: Anorak anziehen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.20.18

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Das ist der Grüne Bericht (diesen in die Höhe haltend). Schmal ist er geworden, es steht wenig drin. Als Tierschutzsprecher der SPÖ habe ich natürlich sofort schauen müssen: Was ist mit dem Tierwohl? Tierwohl muss ja auch dem Landwirt­schaftsminister ein Anliegen sein. Steht etwas über das Tierwohl im Grünen Bericht? – Ich habe geblättert und geblättert und geblättert und habe nichts über das Tierwohl gefunden, sondern nur zwei Seiten über die Tierproduktion.


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Ich habe mir gedacht: Na, vielleicht gibt es wenigstens Bilder, auch wenn es nur – so, wie wir immer im Jugendjargon sagen – gefakte Bilder sind. Die habe ich natürlich gefunden. Man sieht einen Rinderstall, in dem die Rinder nicht auf Vollspaltenböden stehen, wie es sonst üblich ist, man sieht auch einen Schweinestall, der mit Stroh ausgelegt ist, wobei der Großteil der Schweine­mäster Vollspaltenböden hat (Abg. Hechenberger: ... das Einkommen in der Landwirtschaft!), und man sieht Rinder, die auf der Alm liegen, wo es wirklich super ist. (Abg. Lindinger: ... schon, dass der Grüne Bericht zuständig ist?)

Das heißt, das sind lauter Bilder, die Wohlfühlatmosphäre schaffen sollen. Das Wohlfühlen gibt es aber nicht, meine Damen und Herren! Warum gibt es das nicht? – Ich möchte Ihnen das jetzt erklären.

Wir haben beim letzten Landwirtschaftsausschuss viele Tagesordnungspunkte auf der Tagesordnung gehabt, davon wurden das letzte Mal aber 13 Punkte vertagt. Es ist bei der ÖVP üblich, dass Punkte vertagt werden, im Gesundheits­ausschuss sind 28 Tagesordnungspunkte vertagt worden. Es waren auch Punkte auf der Tagesordnung, die das Tierwohl betroffen haben. Die werden einfach nicht behandelt.

Was passiert aber, wenn man dann Fragen zum Tierschutz stellt, nämlich die Frage: Wer, Herr Minister, bekommt denn überhaupt Tierwohlprämien aus Ihrem Ressort? Die gibt es ja in Ihrem Ressort. Da gibt es nämlich Tierwohlprä­mien, die 2021 und 2020 an einen Betrieb ausbezahlt wurden, bei dem eine Anklage der Staatsanwaltschaft anhängig ist und eine Verurteilung wegen Tierquälerei schon erfolgte. Der hat Tierwohlprämien in der Höhe von 20 000 Euro gekriegt, obwohl er wegen Tierquälerei angeklagt ist, obwohl er 2013 schon wegen Tierquälerei dran war. 2022 hat er das nächste Verfahren an den Hals gekriegt, weil sich bei ihm nichts getan hat. Der hat Tierwohlprämien gekriegt.

Wissen Sie, was passiert, wenn man dem Minister diese Fragen stellt? – Man bekommt keine Antwort. Es wird geschwiegen, weil man das ja nicht beantworten will. (Abg. Hechenberger: Der ist ja nicht zuständig für den Tierschutz!


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Da ist der verantwortliche Gesundheitsminister zuständig!) Man will nicht, dass da Antworten kommen. Man will nicht, dass die Öffentlichkeit etwas erfährt. Das sind auch die Gründe, wieso all diese Tagesordnungspunkte vertagt werden, meine Damen und Herren: Die ÖVP und auch der Bauernbund wollen nicht, dass man der Öffentlichkeit sagt, was wirklich los ist – denn wenn sie es wollen, dann sollen sie die Anträge nicht vertagen, sondern ablehnen. Dann kann man das hier diskutieren und man kann der Öffentlichkeit zeigen, was in der Landwirt­schaft wirklich los ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lindinger: Das, was wirklich los ist, zeigt der Grüne Bericht!)

19.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Dipl.-Ing.in Karin Doppelbauer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.23.12

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Land­wirt­schaftsminister! Hohes Haus! Der Grüne Bericht ist immer ein wirklich interessantes Dokument, interessant zu lesen und interessant anzuschauen. Ich glaube tatsächlich, dass man, wenn man sich die Ergebnisse 2022 anschaut, sagen kann: Es gibt in diesem Jahr zumindest keinen Grund zu klagen! Das ist gut und auch wichtig, weil es in den letzten paar Jahren ja immer anders ausgeschaut hat. Es ist auch zu befürchten, dass sich diese positive Tendenz, was die Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte betrifft, leider nicht so fortsetzen wird.

Wir sehen heuer schon, dass die erhöhten Betriebskosten – da ist es egal, ob wir über Dünger, Diesel oder Sonstiges reden – natürlich wieder massiv auf die Preise drücken werden. Tatsächlich sind die Preise im Handel ja auch sehr viel kleiner geworden, und deswegen befürchte ich schon, dass dieses Kurzzeithoch, dieser Ausreißer, der in einem massiv ungewöhnlichen Jahr mit dem Angriffs­krieg Putins gegen die Ukraine seinen Anfang genommen hat, auf ganz, ganz


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vielen Ebenen furchtbar dramatisch war und einmal halt ein höheres Einkommen generiert hat, ein Ausreißer bleiben wird.

Weil es dann ja immer heißt – und auch wir diskutieren das viel und häufig –, 42 Prozent mehr Einkommen, das ist so viel und so großartig: Ja, es war ein gutes Jahr, es braucht sich aus meiner Sicht wirklich keiner zu beschweren. Tatsächlich ist es aber so, dass wir von einem sehr niedrigen Niveau ausgehen. Das durchschnittliche Einkommen je Hof seit 2011 ist 31 000 Euro im Jahr. Damit lassen sich keine Reichtümer ansparen.

Ich habe noch eine andere Zahl, weil mir die auch immer am Herzen liegt. Die betrifft die Arbeitsproduktivität – auf die schaut nämlich in der Landwirtschaft keiner; das macht man aber in jedem normalen Betrieb –, das Verhältnis zwischen dem wirtschaftlichen Ergebnis und der Arbeitsleistung. Das macht man in jedem wirtschaftlichen Unternehmen, das ist ein Standard-KPI in der BWL.

Die Landwirtschaft liegt da wirklich am untersten Ende von allen Berufssparten, die man sich angeschaut hat. Ehrlich gesagt, sie ist 2021 auf 24 000 gewesen. Auch das hat sie nur geschafft, weil es in Wien – durch die Gärtnereien und andere Betriebe dort – 50 000 waren; dort werden sehr viel höhere Einkommen erzielt. Das heißt, die Strukturen, die da geschaffen worden sind, sind wirklich ungünstig. Nochmals: Landwirtschaft: 24 000 Euro; Produktionsbetriebe, Industrie zum Beispiel: 100 000 Euro; sogar der Bau hat 78 000 Euro. Deswegen möchte ich noch einmal alle darauf hinweisen: Es war ein gutes Jahr, aber es ist tatsächlich nicht so, dass die Bauern vom Reichtum gejagt werden.

Das Grundübel besteht natürlich darin, dass die Erzeugerpreise sehr, sehr, sehr gering sind und dann die verarbeitenden Betriebe und der Handel dement­sprechend drauflegen. Der Handel sagt natürlich auch: Wir müssen aus diesen und jenen Gründen teurer sein! Auch wir haben keine Megagewinnmargen! – Ganz so stimmt das aber nicht. Man braucht nur nach Deutschland zu schauen und sieht, dass dort die Lebensmittelpreise niedriger sind.


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Es macht natürlich auch einen Unterschied, ob man in jedem Dorf einen Supermarkt baut, den man dann auch unterhalten muss. Natürlich ist das teuer und treibt die Gesamtkosten in die Höhe. Ein bisschen weniger Boden­verbau und ein bisschen weniger Supermarktdichte in Österreich wären ein Riesenschritt in die richtige Richtung.

Kollege Eßl hat so wunderbar auf die Rahmenbedingungen hingewiesen, die es noch brauchen würde, damit man die Einkommen generell auf einem guten Niveau absichern könnte. Auch sind sehr viele Mitglieder des Bauernbunds hier anwesend. Ich kann mich ehrlich gesagt gar nicht erinnern, wann der letzte Nicht-ÖVP-Landwirtschaftsminister hier gewaltet hat. Viel ist in diesem Bereich nicht weitergegangen, außer dass man wieder auf Förderungen, Förderungen und Förderungen zu sprechen kommt. Mein Anliegen, Herr Landwirt­schaftsminister – Sie wissen das –, ist: Raus aus diesem Fördersumpf! Es muss möglich sein, von einer Landwirtschaft auch ohne Förderungen zu leben. Unternehmertum zurück in die Landwirtschaft! Die Bauern möchten das. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

19.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Gerald Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Moment! Das war ein Fehler von mir. Herr Bundesminister – es tut mir leid –, Sie gelangen natürlich zu Ihrer Stellungnahme zu Wort. Bitte, Herr Bundesminister.


19.27.41

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Zuschauerplätzen! Die Bäuerinnen und Bauern in Österreich produzieren qualitativ hochwertige Lebensmittel, und gleichzeitig erbringen sie eine Vielzahl an Leistungen für unser Land und für unsere Menschen, wie zum Beispiel die Pflege der unverzichtbaren und wunderschönen Kulturlandschaft. Dafür gilt unseren Bäuerinnen und


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Bauern großer Dank und Anerkennung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Ergebnisse des Grünen Berichtes 2022 zeigen ein Bild eines absoluten Ausnahmejahres. Warum? – Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, die Blockade der Schwarzmeerhäfen der Ukraine, die praktisch dazu geführt hat, dass die von Lebensmittelimporten abhängigen Staaten im Nahen Osten und in Afrika keine Lebensmittel mehr erhalten haben, führten zu massiven Marktverwerfungen und Marktstörungen. In Europa und in Österreich sind damals auch diese Marktverwerfungen, das Thema Lebensmittelver­­sorgungs­sicherheit und auch die Stabilität auf den Agrarmärkten wieder in den Fokus gerückt.

Unsere heimischen Bäuerinnen und Bauern hatten im Frühjahr 2022 einerseits mit explodierenden Betriebsmittelkosten zu rechnen. Insgesamt musste eine Kostensteigerung von über 1 Milliarde Euro gestemmt werden. Andererseits gab es darauf folgend ab Sommer 2022 starke Steigerungen bei den Erzeuger­preisen, ausgelöst durch einen Nachfrageüberhang auf den Weltmärkten.

Die Lebensmittelversorgungssicherheit hierzulande trotzt all diesen Krisen. Das ist aber keine Selbstverständlichkeit, sondern das verdanken wir den Akteuren entlang der Wertschöpfungskette, insbesondere unseren Bäuerinnen und Bauern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Die Entwicklung der land- und forstwirtschaftlichen Einkommen im Jahr 2022 ist im Kontext der vergangenen Jahre zu betrachten, damit eine objektive Bewertung des Ausnahmejahres 2022 möglich ist. So gab es im Zeitraum 2011 bis 2021 vier Jahre mit einer positiven Einkommensentwicklung, fünfmal gab es eine negative Einkommensentwicklung und zweimal mehr oder weniger Nulllohn­runden.

Zusätzlich – das ist der zweite Aspekt – muss man beachten, dass auf den stark volatilen Agrarmärkten starke Preissteigerungen dazu führen, dass im Folgejahr die Preise wieder sehr schnell und deutlich zurückgehen – natürlich mit


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Konsequenzen für die Einnahmen der Bäuerinnen und Bauern. Genau dieses Phänomen der Preisschwankungen beobachten wir seit Ende vergangenen Jahres. Heuer sind die Erzeugerpreise stark gesunken, leider sind die Produk­tionskosten annähernd gleich hoch geblieben wie im vergangenen Jahr. Vor diesem Hintergrund der Marktdynamik sind die folgenden Ergebnisse des Grünen Berichtes 2022 zu bewerten.

Auf Basis der Buchführung von 1 936 Testbetrieben betrugen die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2022 45 757 Euro. Das bedeutet eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr von 42 Prozent.

Die Testbetriebe bewirtschafteten im Durchschnitt eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 30,6 Hektar und hatten durchschnittlich 1,4 betriebliche Arbeitskräfte.

Die Betriebe haben in den Bilanzen ein Eigenkapital von durchschnittlich 520 000 Euro und mit 13,1 Prozent einen sehr geringen Verschuldungsgrad. Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass unsere Betriebe sehr sparsam, sehr nachhaltig wirtschaften und finanziell sehr solide aufgestellt sind. Wir sind da im europäischen Vergleich sehr gut unterwegs, und das hat natürlich auch damit zu tun, dass die Betriebsübergaben bei uns von den Rahmenbedingungen her sehr gut gestaltet werden. Wenn wir da beispielsweise Dänemark zum Vergleich hernehmen: Dort ist der Verschuldungsgrad wesentlich höher, weil die Nachfolger ihre Betriebe sozusagen kaufen müssen.

Das Ergebnis 2022 brachte ein kurzfristiges Aufatmen für unsere Betriebe, allerdings gibt es keinen Grund für Euphorie. Wenn wir die Einkünfte vergleichen beziehungsweise in einen Stundenlohn umrechnen, so würde dieser ungefähr 16 Euro brutto betragen; zum Vergleich: Unselbstständige erhalten ein Bruttogehalt von 24 Euro. Inflationsbereinigt – wir haben das schon gehört – bedeutet das Ergebnis 2022, dass es dem Ergebnis des Jahres 2011 gleichkommt, das heißt, wir haben eine lange Phase der Stagnation hinter uns,


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und man muss diese Einkommenssteigerung des letzten Jahres einfach auch in dieser Relation betrachten.

Was war positiv für die Einkommenssteigerung? – Natürlich die gestiegenen Preise und Erträge – die besseren Erträge – im Bereich Getreide sowie gestiegene Preise im Bereich der Milchviehhaltung, der Rinderhaltung und auch in der Schweinehaltung. Im Bereich der Forstwirtschaft gab es einen erhöhten Einschlag, das hat – trotz sinkender Holzerlöse – auch einen Beitrag geleistet.

Natürlich haben auch die Entlastungsmaßnahmen dafür gesorgt, dass es eine positive Auswirkung auf die Einkünfte gegeben hat. Die Entlastungsmaßnahmen im Frühjahr waren notwendig, weil damit sichergestellt wurde, dass angebaut wird, dass Dünger gekauft wird und dass Tiere eingestellt werden, und damit wurde letztendlich sichergestellt, dass die Versorgung gesichert wurde.

Negativ zu Buche schlugen im Vorjahr deutlich gestiegene Aufwendungen natürlich bei der Energie, bei den Düngemitteln, höhere Aufwendungen in der Tierhaltung, insbesondere bei Futtermittel- und Tierzukäufen, sowie natürlich auch die höheren Abschreibungen bei Maschinen und Geräten.

Auch der agrarische Außenhandel entwickelte sich 2022 positiv und verzeichnet eine annähernd ausgeglichene Bilanz. Wenn wir da die letzten zehn Jahre anschauen, sehen wir, dass die Exporte wertmäßig von 9,1 Milliarden Euro auf 16,1 Milliarden Euro gesteigert werden konnten und sich auch die Importe entsprechend entwickelt haben, aber am Ende muss man sagen – und das möchte ich betonen –, dass der agrarische Außenhandel für den Gesamtaußen­handel Österreichs eine große Bedeutung hat. Beim Export macht er 8,3 Prozent aus, bei den Importen 7,5 Prozent.

Warum betone ich das? – Weil wir es mit unserer vergleichsweise klein­struk­turierten Landwirtschaft und mit unseren Wirtschaftsunternehmen, den Genossenschaften, trotzdem schaffen, uns auf den europäischen Märkten, auf


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den internationalen Märkten positiv zu positionieren. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

Wie ist der Ausblick 2030? – Ich habe es schon angesprochen: Wir haben sinkende Erzeugerpreise bei Milch, Weizen und Holz und anhaltend hohe Betriebskosten. Damit erwarten wir natürlich einen Rückgang der Einkünfte im heurigen Jahr.

Zusätzlich hinterlässt der Klimawandel seine Spuren. Die Wetterveränderungen führen zu teils großen Schäden im Wald – ich habe es vorhin bei der Debatte zum Forstgesetz angesprochen –, aber auch in der Landwirtschaft, und damit ist natürlich eine Verringerung der Einkünfte zu erwarten.

Umso mehr ist es unser Ziel, mit Blick auf den Selbstversorgungsgrad bei tieri­schen und pflanzlichen Erzeugnissen die Versorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zu sichern und weiter auszubauen. Österreich hat eine sehr nachhaltig und umweltgerecht produzierende Landwirtschaft. Die Maßnahmen zur Erhöhung der Umweltwirkung in der Agrarpolitik wurden 2023 deutlich ausgebaut, zum Beispiel durch die Einführung der Ökoregelungen. Rund 80 Prozent der bäuerlichen Familienbetriebe nehmen an Maßnahmen des Agrarumweltprogrammes Öpul teil.

Frau Kollegin Feichtinger, es ist in der Landwirtschaft so: Das Umweltprogramm hat zur Folge, dass Mehraufwendungen auf der Fläche natürlich abgegolten werden. Mehr Fläche heißt höhere Aufwendungen, und das bedeutet am Ende auch, dass der Bauer natürlich mehr Ausgleichszahlungen braucht, ansonsten würden sich die Bauern – ökonomisch gesehen – natürlich nicht an den Maß­nahmen beteiligen. Das heißt, das hat natürlich eine Logik, damit eine flächen­deckende umweltgerechte Landwirtschaft sichergestellt wird.

Darüber hinaus gibt es natürlich Mechanismen, um eine gerechtere Verteilung zu erreichen, zum Beispiel degressive Zahlungen im Öpul. Im Bereich der Bergbauernförderung gibt es gestaffelte Förderungen: Für die ersten Hektar


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wird mehr bezahlt, und – Kollege Clemens Stammler hat es angesprochen – es gibt – neu eingeführt – eine Umverteilungszahlung, die einen besseren Ausgleich schaffen soll. Das heißt, es wird hier auch aktiv in Richtung der kleineren Unternehmen gesteuert.

52 Prozent der Maßnahmen in der jetzigen Gemeinsamen Agrarpolitik leisten einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele, und damit ist Österreich – wir sind es jetzt schon! – eines der klimafreundlichsten, nein, das Land mit der klima­freundlichsten Landwirtschaft in Europa und auch weltweit.

Die Bauernfamilien stellen mittlerweile circa 210 000 Hektar für Biodiver­sitäts­flächen zur Verfügung, das sind 50 000 Hektar mehr als im vergangenen Jahr. Fast 28 Prozent der Nutzfläche wird biologisch bewirtschaftet – dieser Anteil steigt jährlich. Wir werden da die Ziele, die wir uns gesetzt haben, erreichen! Auf fast 10 Prozent der Staatsfläche wird nach wie vor Almwirtschaft betrieben.

Gemäß Animal Protection Index, Kollege Keck, liegen wir mit der Schweiz, mit Dänemark, mit Schweden, mit den Niederlanden und mit Großbritannien beim Tierwohl an der Spitze. Wir haben diesbezüglich sehr viel getan, wir investieren auch sehr viel, und wir werden diesen Weg konsequent weiter fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das alles ist nur möglich, weil wir in Österreich konsequent auf einen ökosozialen Weg in der Agrarpolitik setzen, weil wir konsequent die verfügbaren Instrumente der Gemeinsamen Agrarpolitik umsetzen und diesen Weg weiter fortsetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Voglauer.)

19.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Gerald Hauser. – Nun bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Hauser – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Zweiter Anlauf!)



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19.38.34

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber Zuseher und Zuseherinnen! Herr Minister, wir gönnen den Bauern jeden Cent, den sie zusätzlich verdienen (Abg. Strasser: Aber die Belakowitsch! – Abg. Kühberger: Pensionserhöhung Belakowitsch!), und wir unterstützen auch alle sinnvollen Maßnahmen, die die Berglandwirtschaft, die Landwirtschaft erhalten – das haben wir in der Vergangenheit mit unseren Initiativen bewiesen. (Ruf bei der ÖVP: Warum stimmt ihr dann immer dagegen?) Was wir aber einfach einfordern, ist Realismus.

Die Situation in der Landwirtschaft ist nach wie vor eine schwierige. 80 Prozent der Landwirte sind Nebenerwerbslandwirte, die also nebenbei einen Job machen müssen, damit sie die Landwirtschaft weiterbringen. Natürlich müssen wir die unterstützen! Wir müssen sie unterstützen, weil wir unsere Kulturlandschaft – auch für den Tourismus, für die Menschen – erhalten müssen.

In einem – und da hat man aus den Reihen der ÖVP unglaublich viel Gelächter gehört – gebe ich unserem Agrarsprecher Peter Schmiedlechner aber vollkommen recht (Abg. Voglauer: Nur in einem?): Die Lebensmittel sind in den Geschäften zu teuer – das spüren die Menschen Tag für Tag –, aber der Bauer bekommt zu wenig. Beim Handel dazwischen et cetera – Vermarktung, AMA und so weiter – wird viel zu viel Wertschöpfung abgeschöpft. Wir müssen schauen, dass mehr beim Bauern bleibt!

Beispielsweise hat der Bauer beim Liter Milch 28 Prozent, beim Kilogramm Karotten 9 Prozent, und bei einem Kilo Kartoffeln bekommt der Bauer 25 Prozent des Endpreises. Das heißt, das ist unterm Strich einfach zu wenig, und da muss man ansetzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nebenbei – wir haben sehr wenig Redezeit – gibt es für uns, ich sage einmal, mindestens drei Baustellen. Der Borkenkäfer – er wurde heute schon angesprochen –: Herr Minister, in allen Regionen, in denen der Borkenkäfer wütet, müssen wir uns intensiv bemühen, das in den Griff zu bekommen. (Abg.


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Loacker: Der Borkenkäfer ist ein Teil des Great Reset! – Heiterkeit bei den Grünen. – Ruf bei den Grünen: Der war gut!) Wir kennen die Situation in Osttirol. In Osttirol habe ich beispielsweise wirklich Angst, dass wir zum Teil nicht mehr in die Talschaften hineinkommen, wenn wir nicht noch mehr Gelder in die Hand nehmen, um den Borkenkäfer zu bekämpfen. Ich weiß es – wir brauchen jede Unterstützung.

Mercosur ist die nächste Baustelle. Der Wirtschaftsbund und der ÖAAB bei der ÖVP unterstützen dieses Freihandelsabkommen, aber dieses Freihandels­abkommen, das wir ablehnen, ist der Tod der kleinstrukturierten Landwirtschaft und der Landwirtschaft, weil 100 000 Tonnen Rindfleisch von den Mercosur-Staaten nach Europa im Tausch gegen Autos kommen. Das müssen wir verhindern!

Drittens der Wolf (Heiterkeit bei den Grünen), auch wenn sich dieses Jahr die Situation durch die Abschüsse verbessert hat (Zwischenruf des Abg. Loacker): Wieso seid ihr nicht bereit, endlich auch die formalen Voraussetzungen zu schaffen? Wieso machen wir nicht das, was acht nordische Staaten zuwege gebracht haben (Zwischenrufe der Abgeordneten Rössler und Loacker), nämlich den Schutzstatus des Wolfes gemäß FFH-Richtlinie zu reduzieren? Ich bringe deswegen auch heute wieder einen Antrag folgendes Inhaltes ein (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen):

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutz der Almwirtschaft vor dem Wolf“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen für ein aktives Wolfsmanagement in Österreich zu treffen“ (Abg. Reiter: Ja schau dir einmal an, was die Bundesländer machen!) „sowie sich auf EU-Ebene für die Entnahme von Problemwölfen durch Änderung des Schutzstatus gem. FFH-


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Richtlinie und insbesondere die Verschiebung von Anhang IV zu Anhang V der Richtlinie einzusetzen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das ist das, was ihr von der ÖVP den Bauern über Petitionen versprecht. Bis jetzt habt ihr immer dagegengestimmt, und wahrscheinlich werdet ihr heute auch wieder dagegenstimmen. (Abg. Reiter: Sie wissen ja gar nicht, für was sich der Minister einsetzt!) Habt endlich einmal den Mut, das mit uns umzusetzen! (Beifall bei der FPÖ. – Ruf: Wenn du bei der Wahrheit bleiben würdest! – Ruf bei der ÖVP: Gerald, sie haben in den Ländern schon alles gemacht! – Zwischenruf des Abg. Loacker. – Abg. Reiter: Informieren!)

19.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Peter Schmiedlechner

und weiterer Abgeordneter

betreffend Schutz der Almwirtschaft vor dem Wolf

eingebracht im Zuge der Debatte in der 235. Sitzung des Nationalrats am 19. Oktober 2023 über den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Bericht 2023 der Bundesregierung (III-1019/2265 d.B.) - TOP 10.

Die vielen Herausforderungen in der Almwirtschaft, insbesondere der Druck für die Betriebsführer, aber auch für die gesamten Bauern-Familien, werden immer größer. Der Grüne Bericht 2023 belegt das fortschreitende Bauernsterben. Auch die Bedrohung durch den Wolf wirkt als Katalysator. Wie die vorläufigen Risszahlen für das Jahr 2023 in Österreich andeuten, konnte das Tierleid bei Nutztierrissen durch


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Maßnahmen auf Landesebene jedoch maßgeblich im Vergleich zu Vorjahr eingebremst werden:

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Auch auf EU-Ebene gibt es positive Entwicklungen. So wurde ein gemeinsamer Entschließungsantrag zum Schutz der Viehwirtschaft und der Großraubtiere in Europa beschlossen.1 Der mehrheitlich mit Stimmen der Fraktionen ID, EPP, RENEW und ECR beschlossene Abänderungsantrag fordert die EU-Kommission auf, den derzeitigen strengen Schutzstatus des Wolfes zu überdenken. Konkret wird die vom Ständigen Ausschuss der Berner Konvention beabsichtigte Herabstufung des Wolfes von Anhang II auf Anhang III nun auch mehrheitlich vom EU-Parlament begrüßt.2


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Damit einhergehend ist nun auch die FFH-Richtlinie insofern zu ändern, dass der Schutzstatus des Wolfes von Anhang IV in Anhang V verschoben wird. Ein Entsprechender Änderungsantrag wurde anlässlich der Abstimmung über die Resolution von den Abgeordneten von FPÖ und ÖVP unterstützt, während jene von SPÖ, Grüne und NEOS die nachstehende Formulierung ablehnten:

begrüßt, dass ein Änderungsvorschlag zur Herabstufung des Wolfes (Canis lupus) von Anhang II in Anhang III des Übereinkommens in die Tagesordnung der 42. Tagung des Ständigen Ausschusses des Berner Übereinkommens aufgenommen wurde; betont, dass der Erhaltungszustand des Wolfs auf gesamteuropäischer Ebene eine Herabstu­fung des Schutzstatus und folglich die Annahme der vorgeschlagenen Änderung rechtfertigt;3

Allein auf Bundesebene gibt es keinerlei Initiativen zum Schutz der Almwirtschaft vor dem Wolf. Willensbekundungen und Lippenbekenntnissen seitens der ÖVP-Abge­ordneten in Brüssel werden zum Schutz der traditionellen österreichischen Almwirtschaft und der im Einzugsgebiet des Wolfes lebender Menschen jedoch nicht genügen. Vielmehr gilt es die Mehrheitsverhältnisse in Österreich zu nutzen, um der Bundesre­gierung ein klares Mandat für die Anpassung der FFH-Richtlinie zu geben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen für ein aktives Wolfsmanagement in Österreich zu treffen sowie sich auf EU-Ebene für die Entnahme von Problemwölfen durch Änderung des Schutzstatus gem. FFH-Richtlinie und insbesondere die Verschiebung von Anhang IV zu Anhang V der Richtlinie einzusetzen.“

1 https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/RC-9-2022-0503_DE.html


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2 Vgl. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221124_OTS0174/fpoe-haider-zu-wolfs-resolution-eu-parlament-stimmt-fuer-schutz-von-nutztieren

3 AM 9/17

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Ing. Manfred Hofinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.42.30

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute den Grünen Bericht von 2022 – ein besonderes Jahr für die Landwirtschaft. Vorweg möchte ich einmal den Betrieben herzlichen Dank sagen. Es sind 2 000 Betriebe, die freiwillig diese Buchführung machen und diese Daten zur Verfügung stellen, sodass wir heute überhaupt darüber diskutieren können – herzlichen Dank diesen Betrieben! (Beifall bei der ÖVP.)

Das Jahr war außergewöhnlich: Hohe Produktpreise und Betriebsmittelpreise, die nicht nachgezogen sind, führen dazu, dass wir ein sehr gutes, positives Jahr mit einer Steigerung von über 40 Prozent hatten. Aber: Ist das wirklich eine große Steigerung? Das ist die Frage. Wenn man den Stundenlohn eines Landwirtes hernimmt und mit dem von Arbeitern und Angestellten vergleicht, dann muss man sagen, dass es doch so ist, dass der Landwirt 16 Euro pro Stunde verdient und der Angestellte, der Arbeiter im Durchschnitt 24 Euro. Da haben wir schon noch eine Lücke, die wir auch füllen müssen. Wir haben da noch Aufgaben, die wir lösen müssen.

In den letzten zwölf Jahren ist es so gewesen, dass das bäuerliche Einkommen in sechs Jahren negativ war, und im vergangenen Jahr war es Gott sei Dank


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positiv. Wir haben etwas aufholen können, sind aber noch immer daran, dass wir das Ergebnis für die Landwirtschaft noch positiver machen müssen.

Die Bäuerinnen und Bauern produzieren 365 Tage im Jahr unsere Lebensmittel, und zwar sehr hochqualitative, und decken den Österreicherinnen und Österreichern den Tisch, trotz hoher Auflagen im Tierwohlbereich, aber auch im Pflanzenschutzbereich, die immer mehr steigen. Es ist doch so, dass diese hohen Standards auch Geld kosten. Die Landwirte sind sehr flexibel, investieren in neue Ställe und investieren in neue Produktionsmethoden, aber das kostet Geld und das muss auch hereinkommen. Was ist nämlich die Conclusio daraus? – Wenn es nicht mehr rentabel ist, dann hören die Bauern auf, und dann müssten wir die Selbstversorgung in Österreich hinterfragen und wir müssten natürlich importieren, aber das wollen wir alle miteinander nicht.

Einige Punkte noch zur Opposition, deren Redner bei den Landwirt­schafts­themen immer die großen Bauernretter sind, aber wenn es um Lösungen und Aufgaben geht, um Abstimmungen geht, hört man nichts mehr von ihnen. Wenn ich zum Beispiel an die EU-Ebene denke: Glyphosat, negative Stellungnahme von der FPÖ – das ist natürlich schlecht für uns. Genauso aber von der SPÖ: Wenn man sich die Reden von heute angehört hat (Zwischenruf des Abg. Schmiedlechner), in denen es nur um den hohen Tierschutz geht, aber nicht um die gesamte Landwirtschaft (Abg. Schmiedlechner: Aber der Minister hat ja auch dagegengestimmt!), nicht um die Lebensmittelproduktion (Zwischenrufe bei der ÖVP), dann kann man meiner Meinung nach nur sagen, das ist ein Armutszeugnis. Wir müssten schon schauen, dass wir gemeinsam Lösungen zusammenbringen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Keck.)

Die Landwirtschaft ist als Lebensmittelproduzent für alle Österreicherinnen und Österreicher zu wichtig, als dass wir da politisches Kleingeld wechseln. Das ist, glaube ich, ganz wichtig. Wir von der ÖVP setzen uns wirklich für unsere Landwirtinnen und Landwirte, für unsere Bäuerinnen und Bauern ein. Wenn wir uns zum Beispiel die Pensionen anschauen: 157 000 bäuerliche Pensionen werden mit Jahreswechsel um 9,7 Prozent erhöht. Es ist auch dazuzusagen, dass


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die bäuerliche Pension ungefähr um die 1 000 Euro liegt, bei den Frauen sogar bei 837 Euro. (Abg. Loacker: ... Beitrag zahlen!) Da sind wir auf ganz niedrigem Niveau. Wir müssen uns wirklich Gedanken machen, auch da höhere Erlöse für die Pensionen zu erreichen.

Insgesamt haben wir noch viele Baustellen, die wir diskutieren müssen. Ich glaube, es ist wichtig und auch wert, darauf zu achten, dass wir gemeinsam für die Bäuerinnen und Bauern da sind. Wir als ÖVP setzen uns dafür ein und lassen unsere Bäuerinnen und Bauern nicht im Stich. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Dipl.-Ing.in Olga Voglauer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.46.52

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Spoštovana Visoka Hiša! Der Grüne Bericht als Grundlage: Das würde ich gern hören, wenn wir jedes Jahr – immer wieder zu einer ähnlichen Zeit – hier im Plenum über diesen Bericht reden, denn er ist eine gute Grundlage für Entscheidungen für die Zukunft.

Was tun wir aber? – Ich nehme mir heraus, und als Bäuerin darf ich das: Wir beschäftigen uns immer mit dem letzten Jahr und damit, warum dieses so war, finden Erklärungen und so weiter und so fort. Wir beklagen das Bauernsterben – selten das Bäuerinnensterben –, wir beklagen den Verlust von Fläche, wir beklagen zu wenig Tierwohl. Vieles beklagen wir hier. Was wir hier aber nicht tun – wir sind hier im Nationalrat, im österreichischen Parlament als Vertreter:innen und gewählte Mandatar:innen! –, ist, den Menschen die Poten­ziale und die Möglichkeiten aufzuzeigen. Das würde ich gern nächstes Jahr hören. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Agrarausschuss, vielleicht


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nehmen wir uns fürs nächste Jahr vor, über die Potenziale und Chancen zu reden, denn vielleicht ändert das etwas!

Ich habe vor 13 Jahren den Bauernhof meiner Eltern übernommen. Wenn mir diese vorgehalten hätten, wie viele Betriebe neben uns mittlerweile schon aufgehört haben, dann hätte ich den Betrieb wahrscheinlich nicht übernommen. Warum habe ich ihn übernommen? – Weil ich Chancen gesehen habe und weil ich Menschen um mich gehabt habe, die mir aufgezeigt haben, wie toll Landwirtschaft ist. Wir können da viel stärker Botschafterinnen und Botschafter sein, denn es funktioniert.

Wo liegen denn die Chancen? Ganz einfach: Wo sind wir denn Vorreiter, Herr Minister? – Sie haben es heute so schön gesagt: in der Biolandwirtschaft. 27 Prozent der Fläche ist schon bio, und viel mehr ist möglich. Ganz viel Fläche wird mit ganz wenig Pestiziden bewirtschaftet. Die haben auch die höchsten Öpul-Förderungen. Es gibt Betriebe, lieber Herr Kollege Keck, auf denen Tierwohl sehr wohl möglich ist, nämlich auf jedem Biobetrieb in Österreich. Das ist auch beim Einkaufen ganz einfach: Kaufen Sie bio, dann kaufen Sie Tierwohl! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was gibt es aber noch an Potenzialen? – Weniger vom Schlechten, mehr vom Guten ist immer ein gutes Potenzial. Investieren wir in die Energiewende, werden wir zu Energiewirten! Alles, was uns der Markt wegfrisst, was uns die Blackbox wegfrisst, was uns andere Händler wegfressen – kompensieren wir es mit der Energiewende! Agro-PV: Bevor wir 1 Million Euro in Ställe investieren, die wir in 40 Jahren nicht zurückverdienen, investieren wir doch in die Energiewende, bei der wir nach vier, fünf, sechs, sieben Jahren schon den ersten Return of Investment sehen! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Strasser.)

Als Bäuerinnen und Bauern haben wir so viele Möglichkeiten, wie wir dieses Österreich, unsere Heimat gestalten! Das geht, und man muss nicht immer mehr vom Alten haben. Nehmen wir ein bisschen mehr vom Neuen, schützen wir dadurch unser Klima, und trauen wir uns etwas zu!


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Der Grüne Bericht hat nämlich etwas gezeigt letztes Jahr: Weniger Einsatz von Betriebsmitteln, weniger Dünger, weniger Pestizide, all das hat ganz viel im Börserl gespart und in der Produktion trotzdem ähnliche Ernten gebracht. Das sollten wir uns merken, das sollten wir in unseren Schulen erzählen. Letztendlich wäre das eine Form einer Landwirtschaft mit Hausverstand. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Ing. Johann Weber. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.50.11

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren auf der Galerie und auch zu Hause vor den Bildschirmen! Wir debattieren hier den Grünen Bericht 2023.

Der Grüne Bericht wird jedes Jahr vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft herausgegeben. Er zeigt uns jährlich die Analyse der Entwicklung der sozialen und wirtschaftlichen Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft. Die Auswertungen der Buchführungsdaten der fast 2 000 freiwillig teilnehmenden Betriebe über das Kalenderjahr 2022 zum Beispiel bildet eben jetzt die zentrale Basis für die Erstellung des Grünen Berichtes 2023.

Die Sicherstellung der Versorgung mit heimischen Lebensmitteln hat oberste Priorität in der österreichischen Agrarpolitik. In den Krisen der vergangenen Jahre haben unsere Bäuerinnen und Bauern stets bewiesen, dass sie in der Lage sind, die heimische Bevölkerung mit besten, hochwertigsten Lebensmitteln zu versorgen. Auf unsere Bauern ist nämlich eindeutig Verlass. Das haben sie in dieser Situation, in diesen Krisenphasen eindrucksvoll bewiesen, und dafür gebührt ihnen ein großes Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 381

Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erhöhen sich im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr 2021 um 42 Prozent auf durchschnittlich 45 757 Euro je Betrieb. Allerdings wird im mehrjährigen Vergleich ersichtlich, dass lediglich das Einkommensniveau von 2011 erreicht worden ist. Das heißt, dass die bäuer­lichen Betriebe in den letzten Jahren trotz aller Anstrengungen, die unternommen worden sind, keine so hohen Erlöse erzielen konnten, die eigentlich aber – im Vergleich zu anderen Einkommenssituationen – mehr als gerecht gewesen wären. Der Betriebsrückgang setzte sich somit weiter fort, hat sich aber Gott sei Dank etwas verlangsamt.

Vor gut 40 Jahren, ich war damals Schüler an einer landwirtschaftlichen Fachschule, hatten wir noch 330 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe in Österreich, und jetzt, etwas mehr als 40 Jahre später, verzeichnen wir einen Rückgang von etwas über 50 Prozent in diesem Bereich.

Die österreichische Landwirtschaft ist im internationalen Vergleich immer noch sehr klein strukturiert und prägt somit unsere Kulturlandschaft, auf die wir alle so stolz sind, eben sehr positiv.

Damit die bäuerlichen Betriebe weiterhin beste regionale Lebensmittel herstellen können, brauchen die Jungen eine gute Ausbildung und auch entsprechende Perspektiven. Diese Ausbildung erhalten die Mädels und die Burschen an den 74 land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen in Österreich. Diese hatten im letzten Jahr fast 13 000 Schüler. Die Schülerzahlen blieben in den letzten Jahren in diesem Bereich eigentlich sehr konstant, und das spricht auch für das land- und forstwirtschaftliche Bildungswesen. Das ist ein Erfolgsmodell. Die Absolventinnen und Absolventen haben einen hervorragenden Ruf – in der Landwirtschaft, in der Wirtschaft und auch in der Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Die Absolventinnen und Absolventen bleiben auch in der Region und stärken auf diese Art und Weise den ländlichen Raum, auf den wir alle gemeinsam ja so stolz sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.53 19.53.54



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, den vorliegenden Bericht III-1019 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „freiheitliches Entlastungspaket für die Landwirtschaft“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt. (Abg. Lindinger: Das sind ganze sieben Blaue!)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutz der Almwirtschaft vor dem Wolf“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt. (Abg. Lindinger: Wieder sieben Freiheitliche!)

19.54.5711. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 3603/A(E) der Abgeordneten Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Kolleginnen und Kollegen


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betreffend dringliche Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie zur Wasserver­sorgung der Landwirtschaft und rasche Forschung zu Wasserentnahmen wegen der drohenden Grundwasserkrise bis zum Jahr 2050 (2266 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Elisabeth Feichtinger. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.55.33

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der vergangene Sommer hat uns gezeigt, dass die Klimakrise mitten unter uns ist. Die Starkwetterereig­nisse sind nicht mehr wegzudiskutieren. Man hat es an den Unwettern, dem Hagel, an der Trockenheit, an den Murenabgängen gesehen. In vielen Bundesländern waren das Riesenherausforderungen. Daher an dieser Stelle noch einmal ein Dankeschön an alle Einsatzorganisationen – dafür, dass ihr dort so tatkräftig die Leute unterstützt habt und man das wieder in den Griff bekommen hat! (Beifall bei der SPÖ.)

Laut Medienberichten könnte die globale Durchschnittstemperatur eines Jahres bis 2026 mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. Die entsprechende Wahrscheinlichkeit beträgt 50 Prozent. Das ist wirklich sehr ernst, und umso wichtiger ist es, dass alle fünf Parteien einvernehmlich zu diesem Thema einen Ausschussantrag beschlossen haben.

Die Basis dazu war die Initiative von der SPÖ, die diesen Entschließungs­antrag schon lange in diesem Ausschuss gehabt hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Das Thema wurde aber immer wieder auf die lange Bank geschoben und vertagt. Umso erfreulicher ist es, dass nun auch die Regierungsfraktionen die Wichtigkeit dieses Antrages erkannt haben. Es geht darum, die Erarbeitung einer Studie zur Wasserversorgung der Landwirtschaft sowie eine rasche Forschung


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zur Wasserentnahme wegen des steigenden Ausnutzungsgrades der Grundwasserressourcen bis zum Jahr 2050 umzusetzen.

Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass das im ursprünglichen Antrag enthal­tene Thema rund um die neue Gentechnik weiterhin dabei wäre; das wurde leider unter den Teppich gekehrt. Dennoch ist der Antrag in der Form, wie er jetzt ist, zu unterstützen. Es freut mich sehr, dass wir hier gut zusammen­gearbeitet haben und dieser Antrag nun von allen Parteien mitgetragen wird.

Im Hinblick auf die Klimakrise ist es unvermeidlich, sich eine zentrale Frage zum Thema Wasser zu stellen: Wie können wir langfristig unsere Landwirtschaft mit Wasser versorgen, ohne die Ernährungssicherheit zu gefährden? – Die Bereitstellung von Trinkwasser in ausreichender Menge und Qualität muss dabei natürlich oberste Priorität haben.

Sehr geehrter Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zukunft unserer Landwirtschaft und Umwelt muss gesichert werden. Gemeinsam machen wir einen wirklich notwendigen Schritt in die richtige Richtung, nämlich zu einer nachhaltigen Wasserversorgung für die Gesellschaft, für unser Ökosystem und für unsere Landwirtschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

19.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.58.20

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Ohne Wasser kein Leben! Österreich ist nicht nur eines jener Länder mit der höchsten Trinkwasserqualität, sondern auch eines der wasserreichsten Länder Europas. Dennoch sehen wir uns mit klimatischen Veränderungen, die sich negativ auf den Wasserhaushalt auswirken, konfron­tiert. Immer länger andauernde Trockenperioden mit steigender Intensität,


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Temperaturanstiege sowie Hitzetage und Extremwettersituationen häufen sich, Niederschläge verteilen sich über das Jahr immer unregelmäßiger.

All diese Faktoren führen zu einem negativen Einfluss auf die Grundwasser­stände. Jetzt schon trockene Gebiete werden in Zukunft mit noch mehr Engpässen konfrontiert sein.

Als Bäuerin weiß ich, was es heißt, wenn man Tag für Tag auf den ersehnten Regen wartet, damit die Weide nicht verdorrt, eine Kultur am Acker nicht vertrocknet oder eine Quelle, die als Viehtränke dient, nicht versiegt.

Die im Herbst 2021 vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft veröffentlichte Studie Wasserschatz Österreichs prognostiziert uns, dass die verfügbaren Grundwasserressourcen in Österreich bis zum Jahr 2050 um bis zu 23 Prozent abnehmen werden.

Generell ist festzuhalten, dass der Nutzungsdruck auf die Ressource Wasser steigt. Eine verringerte Verfügbarkeit des Grundwassers steht somit einem immer höheren Bedarf an Wasser entgegen. Wasser ist aber die wichtigste Ressource, es ist Lebensmittel Nummer eins: ohne Wasser kein Leben.

Die Sicherung einer ausreichenden Trinkwasserversorgung hat natürlich oberste Priorität und Vorrang gegenüber allen anderen Nutzungsformen, und es dürfen daraus auch absolut keine Konflikte gesellschaftspolitischer Natur entstehen. Dennoch muss uns bewusst sein, dass Wasser die unverzichtbare Grundlage unserer Produktion, nämlich unserer Lebensmittelproduktion, ist. Deshalb müssen wir uns wirklich schnellstmöglich um neue Ansätze bemühen, nicht nur im Hinblick auf die eigene Lebensmittelversorgung im Land, sondern auch im Hinblick auf die geopolitische Lage mit Verwerfungen und Verschie­bungen der globalen Märkte, wie wir sie derzeit schon haben. Es braucht daher dringend eine wissenschaftliche Erarbeitung, wie die landwirtschaftliche Bewirtschaftung in Zukunft mit möglicherweise weniger Wasser oder mit neuen effizienten Möglichkeiten der Wassernutzung weiterhin funktionieren kann.


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Einige Regionen Europas, aber auch Regionen Österreichs kämpfen bereits seit Längerem mit extremer Trockenheit und müssen auf unterschiedlichste Maßnahmen setzen, um Ernteausfälle zu vermeiden. Zum einen dienen natürlich lokale Wasserressourcen wie Flüsse und Seen mit ihren Abflüssen als Wasserquellen, zum anderen wird aber auch auf das Grundwasser zugegriffen. Und da stellt sich die Frage: Inwieweit ist dadurch eine zusätzliche Belas­tung des Ökosystems zu erwarten und welche mengenmäßigen Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel stehen in den einzelnen Regionen bevor?

Es bedarf einer umfassenden wissenschaftlichen Erarbeitung dieser Fragen und, basierend darauf, nachhaltiger und effizienter Lösungskonzepte. Ich bin sehr dankbar für den Entschließungsantrag aller Parteien, der viele Fragen benennt und diesbezüglich auch Antworten und Lösungsansätze einfordert. Nur so können wir die Versorgungssicherheit in Österreich auch zukünftig gewährleisten. Es muss in den nächsten Jahrzehnten nämlich auch möglich sein, Getreide, Mais, Erdäpfel, Obst und Gemüse in Österreich zu kultivieren, ohne dabei zu große Mengen an Ernteerträgen einbüßen zu müssen. Die Versorgung mit heimischen regionalen Lebensmitteln in Österreich ist ein hohes Gut, das es zu erhalten gilt.

Unsere kleinstrukturierte österreichische Landwirtschaft ist durch nachhaltige Bewirtschaftungsformen und höchste Qualitätsstandards gekennzeichnet.

Wir stehen langfristig vor der Herausforderung, höchst verantwortungsvoll mit der knapper werdenden Ressource Wasser umzugehen und neue Möglich­keiten auch direkt anzugehen. Das ist eine Herausforderung, die schaffbar ist, wenn wir uns basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen an innovativen und effizienten Konzepten orientieren und so langfristig nachhaltige Lösungen finden – im Sinne aller Österreicherinnen und Österreicher. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Alois Kainz. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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20.03.37

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Werte Zuseher hier und zu Hause vor den Bildschirmen! Wasser ist etwas, das wir in Österreich eigentlich zur Genüge haben, und wir denken nicht wirklich darüber nach, wenn wir Wasser trinken wollen. Wir gehen zum Wasserhahn, trinken Wasser ohne Bedenken, es ist gesund, es ist gut verträglich, es ist schmackhaft, aber wenn wir in unsere Nach­barländer schauen, dann müssen wir sagen, dort ist das oft nicht so einfach möglich. Da wird sehr oft auf Mineralwasser zurückgegriffen. Es ist nicht überall wirklich genießbar und schmeckt nicht überall so gut wie bei uns.

Die Vorstellung, dass in Österreich das Wasser knapp werden könnte, erscheint uns auch derzeit etwas abwegig, aber dieses Szenario kann bis 2050 durchaus eintreten, auch wenn es derzeit unrealistisch erscheint, wenn man sich die Fakten der erwähnten Studie Wasserschatz Österreich ansieht.

Laut den allgemeinen Wahrnehmungen in Österreich sind wir ein wasserreiches Land. Das Problem liegt vielmehr an der ungleichen Verteilung unseres Wasserreichtums, und das ist auch das, was am wahrscheinlichsten unser Problem werden kann.

Man muss unterscheiden zwischen Grundwasser und Oberflächenwasser. Grundwasser hat den klaren Vorteil, dass die Qualität relativ gleichbleibend und es beinahe überall verfügbar ist. Im Gegensatz dazu ist das Oberflächenwasser der Flüsse und der Seen nur punktuell verfügbar.

Und jetzt stellt sich die Frage, wie es in Zukunft mit den Niederschlägen weitergehen wird: Kommen mehrere und längere Trockenperioden? Wird alles so bleiben, wie es ist? Um all diese Fragen zu beantworten, brauchen wir weiterführende Daten und Fakten, wie es in dem Allparteienantrag gefordert wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 388

In einem weiteren Schritt müssen wir uns, vor allem die größten Wasser­verbraucher Landwirtschaft und Industrie, an die kommende Situation anpassen. Es gibt zahlreiche Mittel und Wege, den Wasserverbrauch zu senken, und diese Möglichkeiten müssen wir auch nützen, egal ob die Wassersituation in Österreich prekär wird oder nicht. Ein ressourcensparender Umgang mit Wasser kann niemals ein Fehler sein. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Clemens Stammler. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)


20.06.28

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Ich begrüße dich (in Richtung Bundesminister Totschnig) jetzt nicht noch einmal. (Heiterkeit des Bundesministers Totschnig und bei Abgeordneten der ÖVP.) Vor rund 23 Jahren – ich war ein junger Bauer, habe gerade einen neuen Stall gebaut und war fürchterlich stolz darauf – durfte ich eine Agrardelegation aus Ghana bei mir am Hof begrüßen. Ich habe mir gedacht, das wird von Interesse sein: die neue Melktechnik, der neue Stall, die Entmistungstechnik; aber das, was Faszination bei den Gästen ausgelöst hat, war, dass das Tränkebecken an der Trinkwasserversorgung angeschlossen war. Das war für die Gäste völlig unvorstellbar, Nutztiere mit Trinkwasser zu versorgen, das rund um die Uhr, 24/7, verfügbar ist. Da wurden Fotos gemacht – von einem Tränkebecken. Ich war ein bissel enttäuscht, weil ich eigentlich etwas anderes herzeigen wollte, aber es hat mir im Nachgang schon viel zu denken gegeben.

Im Zuge der neuen Einheitswerthauptfeststellung haben wir uns den Nieder­schlagsindex genauer angesehen und geschaut, wie sich die Regenwasser­mengen verschieben, nämlich genau dorthin, wo wir sie nicht brauchen. Im Frühjahr beim Anbau ist es trocken und im Herbst bei der Ernte, wo wir eigentlich gern ein trockenes Getreide hätten, kommt das Wasser runter. Daran sieht man ganz genau, wir bekommen ein Problem.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 389

Das Problem wird lösbar sein, wenn wir jetzt über andere Anbausysteme wie Dammkulturen nachdenken, wenn wir, wie wir es vorhin beim Forstgesetz angesprochen haben, über Agroforstmodelle nachdenken, aber auch wenn wir die Energie mitdenken. Wenn wir Bewässerungssysteme für die Landwirtschaft bauen, werden wir sehr schnell von unseren Energieversorgern eine auf den Deckel bekommen, weil die Wasserkraftwerke weniger Strom liefern werden. Deshalb reden wir Grüne ja auch von Windrädern, deshalb machen wir ja auch eine Mehrwertsteuerbefreiung für PV-Anlagen. Das heißt, das hat ja alles einen Sinn, das hängt ja alles zusammen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte mich bei Elisabeth Feichtinger für den Vorstoß bedanken. Die Machbarkeitsstudie ist sicherlich der erste Schritt dazu, sich überhaupt Gedanken dazu zu machen, Konzepte zu erstellen, Konzepte, die wir dringend brauchen, wenn wir in Zukunft ressourcenschonender arbeiten wollen beziehungsweise müssen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Johannes Schmuckenschlager. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.09.34

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ganz so entspannt sehe ich die Situation mit: Wir werden das schon schaffen!, nicht. Wir haben da eine Riesenherausforderung, und die betrifft nicht die Landwirtschaft als Solisten, sondern das ist eine volkswirtschaftliche Herausforderung.

Europäische Länder haben gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank bereits große Summen für eine Bewässerungsinfrastruktur in ihren Ländern in Bewegung gesetzt: Ungarn 123 Millionen Euro, Spanien 1 Milliarde Euro, Italien 2,8 Milliarden Euro und Frankreich 1,2 Milliarden Euro.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 390

Es geht nämlich darum, den Ertrag zu sichern. Wenn wir die sozusagen düstersten Prognosen heranziehen, können wir davon ausgehen, dass die Ertrags­fähigkeit unserer Böden bis 2050 um 45 Prozent sinkt, und das vor allem im Osten Österreichs, dort, wo unsere Kornkammer zu Hause ist.

Das bedeutet, dass wir bei Weizen, Roggen, Gerste und Zuckerrübe unter die Eigenversorgung fallen und uns somit mit den eigenen Produkten nicht mehr versorgen können.

Ich möchte Ihnen das am Beispiel des Erdäpfelanbaus näherbringen. Da haben wir die große Problematik, dass zur Erntezeit relativ trockene Phasen entstehen und es aufgrund des Klimawandels den sogenannten Drahtwurm immer häufiger gibt. Pflanzenschutzmittelseitig sind Maßnahmen da ausgeschlossen, weil die Restriktionen in der Anwendung immer größer werden – wir daher massiv Produktion verlieren –, und auf der anderen Seite aber aufgrund der Trockenheit dieser Käfer Feuchtigkeit sucht und in die Knolle geht. Das heißt, wir verlieren Produktion, wir verlieren Lagerfähigkeit und damit die Versorgung auch bei der Kartoffel.

Das mag jetzt ein Problem für die Landwirtschaft sein, in der Folge ist es aber ein gesamtvolkswirtschaftliches Problem, denn damit verlieren wir auch die Ver­arbeiter, die wir in diesen Bereichen haben. Wir haben ein wirtschaftliches Defizit von mindestens 1 Milliarde Euro in diesen Gebieten. Wir verlieren Zigtausende Arbeitsplätze und letztendlich auch unsere Versorgung.

Darum haben wir in Niederösterreich ein Kompetenzzentrum für Bewässerung geschaffen – wo wir schon erste Projekte in der Umsetzung haben –, damit wir genau das Thema der Konkurrenz, aber auch der Frage, wo wir Wasser entnehmen können, entsprechend beleuchten und auch Projekte unterstützen.

Darum ist es so wichtig, diese Machbarkeitsstudie zu haben: damit wir die Basis dafür haben, dass wir die zukünftige Nutzung von Wasser und vor allem auch die


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nachhaltige Nutzung von Donauwasser für diese Regionen sicherstellen können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.12 20.12.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Zunächst lasse ich über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 2266 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 3603/A(E) zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2266 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „dringliche Erarbeitung einer Studie zur Wasserversorgung der Landwirtschaft und rasche Forschung zu Wasserent­nahmen wegen des steigenden Ausnutzungsgrades der Grundwasserres­sourcen bis zum Jahr 2050“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (344/E)

20.13.1212. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (2204 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geändert werden (2251 d.B.)


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13. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 3535/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ASFINAG-Gesetz geändert wird (2252 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 3536/A der Abgeordneten Hermann Weratschnig, MBA MSc, Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (2253 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1079/A(E) der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bemautung von Wohn­mobilen mittels Vignette (2254 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 bis 15 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf den Herrn Bundesminister für Landwirtschaft verabschieden und die Frau Bundesministerin für Verkehr hier im Hohen Haus herzlich willkommen heißen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


20.14.31

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich mache es kurz.


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Zum Tagesordnungspunkt 12 werden wir keine Zustimmung erteilen, das werde ich gleich begründen. Zu den Punkten 13 und 14 werden wir als Sozialdemo­kratie zustimmen; und dass ihr uns unseren Antrag über die Mautgebühren ablehnt, das werden wir noch deutlich deponieren.

Frau Bundesministerin, die Bundesregierung hat in dieser Frage, nämlich beim Bundesstraßen-Mautgesetz, zwei Gesichter: Einerseits sagt man, man sollte die Mauten hoch halten, damit man zu einer Verlagerung kommt, und zum anderen geht man jetzt vor der Frächterlobby wieder zurück.

Ich habe mich als Verkehrsminister bemüht: Damals ist es nämlich gelungen, erstmals ökologische Gesichtspunkte in die Maut hineinzunehmen. Schade, dass gerade eine grüne Ministerin da jetzt zurückgeht. Ich kann nur sagen: Es wäre ein Sprung! Wenn wir die Verlagerung von der Straße auf die Schiene zustande bringen wollen, muss man bei der Maut ein wenig mehr tun.

Zum Zweiten wäre es wichtig, dass unser Bundesverkehrszielegesetz umgesetzt wird. Das haben wir schon mehrmals im Ausschuss gesagt. Es wird immer wieder vertagt. – Schade. (Beifall bei der SPÖ.)

20.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Weratschnig. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.16.08

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Abgeordnete! Wir beschließen heute, ganz wichtig, glaube ich, mehr Finanzmittel, mehr Geld für Umweltmaßnahmen für Gemeinden an den Sondermautstrecken, mehr Geld für Lärmschutz, mehr Geld für Radinfrastruktur, für die Lebensverbesserung der vom Verkehr betroffenen Anrainer. Über 20 Gemeinden sind an den Sondermaut­strecken betroffen. Wir erhöhen die Lebensverbesserungsabgabe der Asfinag von 1 Prozent auf 3 Prozent.


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Die Länder teilen das Geld den Gemeinden zu, und – ich glaube, das ist ganz wichtig – das Geld ist zweckgebunden: für Umweltmaßnahmen, Lärmschutz, Radinfrastruktur, ein ganz ein wesentlicher Bereich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Außerhalb der Sondermautstrecken gibt es ja bereits Mittel für den Ausbau des Lärmschutzes: 100 Millionen Euro. Das hatten wir hier im Hohen Haus schon. Die Frau Ministerin hat da ja die Lärmschutz-Dienstanweisung an die Asfinag für die Autobahnen und Schnellstraßen dementsprechend verändert. Das ist auch ein guter Schritt, damit alle hier in Österreich betroffenen Gemeinden zu Lärmschutz kommen.

Betreffend die Lebensverbesserungsabgabe, natürlich vor allem an den Sondermautstrecken, vielleicht noch zwei Sätze: Das betrifft besonders natürlich auch das Tiroler Wipptal und den Arlberg. Von den zusätzlichen 8 Millionen Euro wird ungefähr die Hälfte für diese belasteten Gemeinden eingesetzt.

In einem weiteren Antrag beschleunigen wir heute die Verfahren beim Fotovoltaikausbau. Das ist, glaube ich, auch ganz ein wesentlicher Punkt, dass in unmittelbarer Nähe von Autobahnen PV beschleunigt werden soll. Dort, wo wir bereits die Flächen haben, wo es Autobahnen und Schnellstraßen gibt, da beschleunigen wir Fotovoltaik, da brauchen wir Fotovoltaik. Das ist eine tolle Initiative und ich gratuliere allen, die daran arbeiten, und vor allem viel Erfolg der Asfinag! (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Ottenschläger und Pfurtscheller.)

Was die Maut betrifft, ganz wichtig, die wesentlichen Punkte: Als Antiteuerungs­maßnahme bleibt der Preis der Jahresvignette unverändert. Eingeführt wird zusätzlich eine Eintagesvignette. Das ist vor allem für die Grenzregionen in Österreich von großer Bedeutung, das hält die Mautflucht ab. Mit der Tagesvignette versuchen wir, die Verkehre auf der Autobahn zu halten, sodass sie nicht ausweichen und im untergeordneten Straßennetz vorwiegend die touristischen Verkehre unterwegs sind. Da haben wir vor allem in Kufstein


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immer wieder Probleme gehabt, da gibt es Probleme in Bregenz. Auch in anderen Bundesländern gibt es Probleme. Ich glaube, diese Eintagesvignette ist eine ganz wichtige Maßnahme. (Beifall bei den Grünen.)

Beim Lkw wird die Preisschraube angezogen, Herr Abgeordneter Stöger. Wir stellen um, wir nehmen das Thema CO2-Bepreisung dazu. Was bedeutet das? – Natürlich, dass es da zu einer Verteuerung kommt. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt in Richtung Kostenwahrheit.

Das bedeutet 2024 plus 5,5 Prozent, und in drei Jahresschritten wird da die CO2-Bepreisung durchgeführt. Wir schöpfen den Spielraum der Europäischen Union, sprich der Wegekostenrichtlinie, bis zu 70 Prozent aus, entgegen einigen Behauptungen vonseiten der Sozialdemokratie, dass da Geld auf der Straße liegen gelassen wird, dass wir Maut verbilligen. Das ist unrichtig. Wir setzen da, glaube ich, richtig an.

Was richtig ist, ist, dass wir in diesem Bereich die Valorisierung auf jeden Fall ein Jahr aussetzen.

Was die Maut betrifft, ist auch noch zu sagen – gerade was die Brennerstrecke betrifft –: Da brauchen wir Deutschland und Italien, die Partner, damit da wirklich ein Verlagerungseffekt passiert.

Letzter Punkt, für Konsument:innen noch sehr wichtig, glaube ich: Bei Fahrzeug- und Kennzeichenwechsel kann die Pkw-Vignette mitgenommen und umregistriert werden. Damit spart man sich einen erneuten Kauf, da spart man sich Kosten. Das war auch im Bereich des Konsumentenschutzes immer ein wichtiger Punkt, den wir umsetzen konnten.

Es ist ein gutes Paket, das über die Parteigrenzen strahlt, so hoffe ich. – Liebe SPÖ, gebt euch den letzten Ruck, auch dem Bundesstraßen-Mautgesetz eure Zustimmung zu erteilen! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.20



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Andreas Ottenschläger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.21.04

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Hermann Weratschnig hat ja schon ausgeführt, worum es bei diesem Tagesordnungspunkt unter anderem geht, das will ich nicht alles wiederholen.

Einerseits ist es eben das Thema der Lebensverbesserungsabgabe, wichtig für bestimmte Regionen in Österreich, damit zum Beispiel mehr Lärmschutz umgesetzt werden kann oder öffentlicher Verkehr gefördert wird.

Apropos öffentlicher Verkehr: Was uns als ÖVP-Fraktion sehr wichtig ist, ist, leistbare Mobilität in Österreich zu gewährleisten. Das tun wir in sehr vielfältiger Form, unter anderem auch dadurch, dass wir den Preis für die Jahres­vignette für die Autobahnmaut jetzt nicht erhöhen, sondern ihn sozusagen für ein Jahr einfrieren. Parallel dazu gibt es ja weiterhin das attraktive Klimaticket für alle Öffinutzer. Darüber hinaus soll es nächstes Jahr auch für alle 18-Jährigen ein Gratisklimaticket geben, damit sozusagen das Animo gefördert wird, den öffentlichen Verkehr auch zu nutzen.

Was ich damit sagen will: Uns ist wichtig, dass wir die Vielfalt der Mobilität in Österreich erhalten, und das zu möglichst leistbaren, attraktiven Preisen. Ich glaube, mit diesen Schritten gelingt uns das auch.

Zum Zweiten, zur Lkw-Maut: Jetzt kann man das natürlich von verschiedenen Seiten betrachten. Für die einen ist es viel zu viel, für die anderen ist es viel zu wenig. Ich denke, wir haben hier einen praxistauglichen, pragmatischen Weg gefunden, die notwendige Ökologisierung weiterzuführen, die EU-Wegekostenrichtlinie auch entsprechend umzusetzen, und das gelingt uns dadurch, dass wir auf der einen Seite die Infrastrukturkosten in diesem Bereich


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einfrieren und auf der anderen Seite die CO2-Bepreisung vornehmen. Das bedeutet für die Lkw-Maut, dass es eine Erhöhung gibt, eine deutliche Erhöhung, aber unter der Inflationsgrenze, womit wir da eben einen pragmatischen Mittelweg gefunden haben.

Weil Frau Kollegin Herr nach mir reden wird und wir im Ausschuss schon debattiert haben, möchte ich gleich vorwegnehmen: Die SPÖ plädiert ja, wie es Kollege Stöger eingangs auch schon getan hat, für eine noch deutlichere Erhöhung der Lkw-Maut. Man muss das halt auch zu Ende denken: Das bedeutet, dass irgendjemand das dann zahlt. Da beispielsweise auch Güter des täglichen Bedarfs so transportiert werden, landet diese Erhöhung natürlich am Ende bei den Konsumentinnen und Konsumenten. (Abg. Herr: Oder man steigt auf die Schiene um! – Abg. Stöger: 64 Prozent im Ausland!) Das muss man schon dazusagen, wenn Sie eine deutliche Erhöhung der Lkw-Maut fordern – das muss man dann auch dazusagen.

Ja, wir plädieren natürlich auch weiterhin für die Transformation im Verkehr, das heißt auch, mehr Güter auf die Schiene zu bringen, aber das ist in der Realität manchmal noch ein Schlagwort. Ich denke zum Beispiel an die europäische Ebene, wo wir noch zu viele Schranken haben und der Transport teilweise gar nicht so möglich ist, wie wir ihn brauchen. Da können wir nicht einfach hergehen und sagen: Na dann machen wir halt einmal das andere teurer!, denn dann zahlen es wie gesagt die Konsumentinnen und Konsumenten. Das wollen wir mit Sicherheit nicht.

Ich denke auch, wir sollten unsere Wertschätzung gegenüber der Branche einmal wieder kundtun. Ich tue das auf jeden Fall gerne, auch im Namen meiner Fraktion, nämlich mich bei allen Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrern zu bedanken, weil oft vergessen wird, dass wir alle von ihnen abhängig sind. Sie liefern uns das, was wir alle täglich brauchen, bei Wind und Wetter. Ich erinnere auch an die Coronazeit, in der alle Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer für uns unterwegs waren. Sie haben einen sehr schwierigen und sehr anstrengenden Job, und ich finde, ihnen gehört auch ein Danke und gebührender Respekt von


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uns ausgedrückt, was ich an dieser Stelle sehr gerne tue. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Herr.)

Abschließend – es wird ja noch der eine oder andere Tagesordnungspunkt näher behandelt – möchte ich sagen: Ich glaube - - (Abg. Erasim: Die Busfahrer ...!) – Auch die Busfahrerinnen und Busfahrer sollen sich mit eingeschlossen fühlen, sehr richtig, danke für den Hinweis, auch alle Lokführer, also all jene, die tagtäglich für uns unterwegs sind.

Insgesamt, glaube ich, legen wir hier ein sehr gutes Paket vor, und ich würde mich auch freuen, wenn wir eine möglichst breite Zustimmung erhalten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Schwarz und Weratschnig.)

20.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Julia Elisabeth Herr. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.26.08

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich knüpfe vielleicht gleich bei Kollegen Ottenschläger an: Er hat jetzt nämlich gesagt, er will seinen Dank an die Lkw-Fahrer und -Fahrerinnen aussprechen. Ich glaube, das muss man unterstreichen und sozusagen drei Rufzeichen dahinter setzen.

Ich will aber auch dazusagen: Nur unser Dank wird noch nicht reichen. Wenn wir uns wirklich die Situation der Betroffenen anschauen, sehen wir, dass diese teilweise verheerend ist. Da fehlen Klos oder Sanitäranlagen, wo man sich, wenn man da lange unterwegs ist – stundenlang, am Tag und in der Nacht –, duschen kann. – Frau Ministerin, da das Thema aufgegriffen worden ist: Ich denke, da gibt es einiges, was man noch umsetzen kann (Beifall bei der SPÖ), um die Arbeits­bedingungen der Lkw-Fahrer und -Fahrerinnen, die EU-weit wirklich unterdurch­schnittlich sind, zu verbessern.


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Ich komme aber schon zum Thema. Ganz grundsätzlich: Wir als SPÖ haben ein konkretes Ziel. Wir wollen, dass der Transport von Gütern und Waren auf der Schiene und nicht auf der Straße stattfindet – Gütertransport also per Zug und nicht per Lkw.

Gründe dafür gibt es unendlich viele. Der Lkw-Verkehr ist eine enorme Belastung in Österreich. Klimapolitisch: Wir wissen, dass 40 Prozent unserer gesamten Verkehrsemissionen allein vom Lkw-Verkehr stammen. Der Lkw-Verkehr verur­sacht Luftverschmutzung, der Lkw-Verkehr verursacht auch Lärmbelästigung für ganz viele Anrainerinnen und Anrainer quer durch Österreich. Die Lkws mit ihrem schweren Gewicht führen natürlich auch dazu, dass die Straßen besonders belastet sind, verursachen Fahrbahnschäden und so weiter, die Geld kosten. Der Lkw-Verkehr kostet uns Milliarden an Sanierungen, und da habe ich jetzt noch nicht einmal von den vielen, vielen Staus gesprochen, die verursacht werden. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Sie sehen also: Die Liste der Probleme des Lkw-Verkehrs ist sehr, sehr lange. Das Problem ist aber (Abg. Litschauer: Dass ihr die Mehrwertsteuer auf Diesel senken wollts!): Trotz all dieser Punkte, über die wir uns hoffentlich einig sind, ist der Gütertransport per Lkw nach wie vor billiger als per Schiene, denn all diese Kosten und all diese Probleme werden ja auf die Allgemeinheit abgewälzt. Diese Kosten zahlt die Allgemeinheit, die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen, und sie werden nicht dort, wo sie entstehen, auch tatsächlich beispielsweise durch eine Lkw-Maut eingepreist.

Darauf hat die EU jetzt reagiert und schlägt vor, dass man CO2-Mautaufschläge macht – erstmals –, also dass die, die wirklich besonders viel CO2 ausstoßen, wie zum Beispiel die Lkws, verursachergerecht zur Kasse gebeten werden – sprich das, was die SPÖ seit Jahren fordert.

Jetzt gibt es diese Möglichkeit für die Regierungsfraktionen, und die sagen: Hm, ja, ein bissl, aber auch nicht wirklich. – Wir schöpfen diesen Rahmen, den wir


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auskosten könnten, einfach nicht aus. 200 Euro pro Tonne CO2 könnte die Bundes­regierung beim Lkw-Verkehr verlangen. Deutschland macht das beispiels­weise, Sie nicht. Nicht einmal für die Hälfte von dem bitten wir den Lkw-Verkehr zur Kasse. Stattdessen schließen wir schon wieder irgendeinen lauwarmen Kompromiss. – Frau Ministerin, ich finde das sehr schade. Das ist ein Einknicken vor der Frächterlobby. Das muss man leider so auf den Punkt bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dadurch entgehen uns ja auch wirklich viele Einnahmen. Wenn wir das mit Deutschland vergleichen und auf Österreich umrechnen, dann lassen wir bis 2026 – die Arbeiterkammer hat das errechnet – 1,3 Milliarden Euro liegen. Und wem schenken wir das Geld – das hat auch Herr Ottenschläger angesprochen, es muss ja dann irgendjemand zahlen –? – Ja, die Antwort ist auch klar: Mehr als 60 Prozent der Lkws, die durch Österreich donnern, haben ein ausländisches Kenn­zeichen. Diejenigen, die Sie da schützen, sind zum überwiegenden Teil ausländische Unternehmen, die Sie nicht zur Kasse bitten, obwohl sie über Österreichs Straßen rollen.

Das ist ein Versäumnis, Frau Ministerin. Gerade von Ihnen als Verkehrsministerin, als Umweltministerin hätten wir uns erwartet, dass Sie alles tun, was in Ihrer Macht steht, um endlich die österreichische Bahn und den Gütertransport auf der Schiene zu unterstützen.

Sie haben im letzten Verkehrsausschuss einen Bericht vorgelegt, der zeigt, dass der Transport von Gütern auf der Schiene zurückgeht. Das ist massiv problematisch und das ist deshalb so, weil keine Kostenwahrheit herrscht, weil der Lkw-Verkehr nach wie vor billiger als der Schienentransport ist – und das obwohl er so viel klimaschädlicher ist. Es gibt dafür eigentlich keine Recht­fertigung.

Heute hätten wir alle gemeinsam die Chance gehabt, der Frächterlobby die Stirn zu bieten. Es ist sehr schade, dass wir das nicht tun, aber die SPÖ bleibt weiterhin dran. Wir brauchen eine Lkw-Maut, die tatsächlich auch steuert und


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lenkt und den Warentransport dorthin verschiebt, wo er hingehört, nämlich auf die Schiene. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Dr. Johannes Margreiter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.30.57

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher:innen, die der Sitzung noch via TVthek folgen! Es wurde bereits viel Richtiges gesagt, ich möchte aber noch einen Aspekt einbringen, der speziell die Tiroler Situation betrifft: Es ist bekannt, dass die Brennerstrecke die am häufigsten benutzte Transitstrecke innerhalb der EU ist, über die die meisten Güter – und zwar zu 75 Prozent über die Straße, vom nördlichen EU-Raum in den südlichen EU-Raum und umgekehrt – transportiert werden – mit all den schwerwiegenden Folgen, die diese Transitlawine für die Bevölkerung in Tirol hat.

Das Problem dieser Wegekostenrichtlinie besteht darin, dass wir selbst dann, wenn wir sie im vollen Umfang umsetzen würden, immer noch viel zu billig wären, um das Verhältnis wie in der Schweiz – dort funktioniert die Verlagerung, dort ist das Verhältnis genau umgekehrt, dort werden 75 Prozent des Trans­portvolumens über die Schiene abgewickelt – zu erreichen.

Wir sind derzeit gerade dabei, den Brennerbasistunnel zu errichten, und es besteht die große Gefahr, dass der Brennerbasistunnel irgendwann einmal ein sehr schönes Bauwerk sein wird, seinem Hauptzweck – der Verlagerung des Warentransits auf die Schiene zu dienen – aber nicht gerecht werden kann, weil uns die Wegekostenrichtlinie dazu zu wenig Handhabe gibt. Das heißt also, durch den EU-Beitritt haben wir innerösterreichisch die Gestaltungsmöglichkeit verloren, Transitstrecken unterschiedlich zu bemauten. Es ist ja richtig, wie Kollege Ottenschläger ausgeführt hat, dass man natürlich auch an die Distribution innerhalb Österreichs denken muss und es da kontraproduktiv wäre, mit


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überhöhten Mauten zu arbeiten. Auf den Transitstrecken aber sollten wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, und selbst die werden nicht ausreichen, um tatsächlich den Verlagerungseffekt herbeizuführen.

Aus diesem Grund verbleibt eigentlich, wenn wir uns in Österreich das ganze Problem aus österreichischer Sicht anschauen, nur die Möglichkeit, die Autobahnstrukturen so zu gestalten, dass eben Kapazitätsbeschränkungen bestehen. Wir können nicht am Mautrad drehen, aber wir können am Kapazitätsrad drehen, und da schlage ich die Brücke zu Tagesordnungs­punkt 13.

Das hat Kollege Weratschnig schon sehr schön ausgeführt: Die Bewohnerinnen und Bewohner an den Sondermautstrecken, insbesondere an der Wipptalstrecke, bekommen jetzt zusätzliche Mittel in die Hand, um Lärmschutz- und allenfalls noch weitere Maßnahmen zu treffen, die dem Umweltschutz dienen. Da ist aber ein gewisser Zynismus dahinter, wenn man sich vor Augen führt, dass die Asfinag gleichzeitig mit aller Gewalt probiert, die baufällig gewordene Luegbrücke am Ende der Brennerautobahn, im südlichsten Teil, zu erneuern, und zwar in der Form, dass die derzeit bestehende vierspurige Brücke durch zwei Brückenbauwerke ersetzt werden soll, die dann jeweils drei Spuren – also zwei Spuren für den fließenden Verkehr und jeweils einen Pannen­streifen – aufweisen werden.

Die Zentralachse dieser beiden Brücken wird sich um 8 Meter Richtung Talmitte verschieben, und das alles in einem hochsensiblen Alpengebiet. Wir sprechen da von einer Seehöhe von annähernd 1 400 Metern. Jetzt würde die Chance bestehen – weil die 60 Jahre alte Luegbrücke, die dem damaligen Planungsstil entsprochen hat, möglichst große, schöne Brückenbauwerke zu errichten, die man aber heute nie mehr errichten würde –, die Brennerautobahn zu trassieren, indem man eine Tunnellösung realisiert, die dann gleichzeitig auch eine Kapazitätsgrenze bringen würde, was zur Folge hätte, dass die Kapazität ein für alle Mal auf vier Fahrspuren eingegrenzt wäre.


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Aber leider denkt die Asfinag nicht daran, nein, mit Bestemm besteht man darauf, die Luegbrücke zu erneuern. Das verstehe ich wirklich nicht, Frau Bundesministerin, warum Sie da nicht mehr Fragen stellen. Ich weiß, die Asfinag führt als Hauptargument ins Treffen, dass wir keine Zeit mehr haben, um die Tunnellösung zu verwirklichen. Das glaube ich einfach nicht. Es gibt Gutach­ten, die bestätigen, dass die Luegbrücke durchaus noch jene Standfestig­keit hat, die es erlaubt, für die Dauer der Errichtung einer Tunnellösung den Transit­verkehr über sie abzuwickeln.

Es wurden ja immerhin unlängst von der Asfinag 20 Millionen Euro in die Sanie­rung der Brücke investiert, um die Verkehrssicherheit zu erhalten. Ich denke, man sollte schon noch einmal sehr genau darüber nachdenken, ob es nicht die Chance des Jahrhunderts wäre, das südliche Wipptal zu renaturieren – es der Natur zurückzugeben, den Brennersee, der jetzt von der Autobahn im Würgegriff gehalten wird, wieder der Natur zurückzugeben, dort ein ökologisches Projekt zu schaffen – und den Transitverkehr durch den Berg zu führen. Das würde sich anbieten, die Trassierung wäre gar nicht so schwierig. Viele Fachleute sagen, das wäre von der Geologie her sogar wesentlich unproblematischer als die Neuerrichtung der beiden Brücken, die geologisch gesehen, sehr schwierig ist, da es zu Gleitbewegungen und, und, und, kommen kann.

Ich appelliere noch einmal an Sie, Frau Bundesministerin: Machen Sie diese zusätzlichen Mauterhöhungen nicht zu einem Pflasterl für die Bevölkerung, sodass sie sich eigentlich verschaukelt vorkommen muss, wenn gleichzeitig ein ganz massives Brückenbauwerk, das über ihre Wohnhäuser hinweg errichtet wird, verwirklicht werden soll und nicht die Chance genutzt wird, wirklichen Umweltschutz, wirklichen Lärmschutz zu gewährleisten, indem man eben die Tunnellösung anstrebt und nicht dieses monströse Brückenbauwerk in diese sensible Alpenlandschaft stellt. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

20.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Leonore Gewessler. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.



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20.37.51

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe das an dieser Stelle schon öfter gesagt, ich sage es auch jetzt wieder: Wenn wir über Klimaschutz reden, ist klar, dass der Verkehrsbereich unsere Großaufgabe ist, und deswegen sind es einmal prinzipiell gute Nachrichten, dass wir in der Emissionsbilanz des Umweltbundesamtes für den Nowcast für das Jahr 2022 einen Rückgang der Verkehrsemissionen trotz gestiegener Personenverkehrskilometer sehen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Ottenschläger.)

Das zeigt, dass die Maßnahmen wirken. Das zeigt, dass uns alles, was wir in den letzten Jahren hier in diesem Haus gemeinsam beschlossen haben, auch im Verkehrsbereich Schritt für Schritt in Richtung Mobilitätswende und in Richtung Klimaschutz bringt. Wir machen mit der Novelle des Bundesstraßen-Mautgesetzes und mit der Ökologisierung der Lkw-Maut heute einen weiteren richtigen und wichtigen Schritt in diese Richtung. Wir haben uns das im Regierungsprogramm vorgenommen und wir setzen es jetzt um. Wir setzen es auf Basis der Wegekostenrichtlinie um, die jetzt schon mehrfach erwähnt worden ist.

Sie wissen, ich habe auf EU-Ebene bis zum Schluss dagegengestimmt, weil ich finde, dass sie das Grundproblem der Lkw-Maut – den Nachteil des Schienenbenützungsentgelts auf der Schiene gegenüber der Lkw-Maut – nicht löst. Man hat auf der Straße einen Deckel an Infrastrukturkosten, die man verrechnen kann, auf der Schiene wird es einfach pro gefahrenem Kilometer verrechnet. Dieses Ungleichgewicht lösen wir nicht mit der Wegekosten­richtlinie, aber sie gibt uns zum ersten Mal die Möglichkeit, die Maut um eine CO2-Komponente zu erweitern, und genau das machen wir jetzt.


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Was heißt das? – Wir haben bis jetzt bei der fahrleistungsabhängigen Maut zwei Tarifbestandteile, eben den Infrastrukturteil und die Kosten für die verkehrs­bedingte Lärmbelastung und Luftverschmutzung, und jetzt lasten wir Kosten für verkehrsbedingte CO2-Emissionen in einem weiteren Tarifelement an. Die Anlastung dieser Kosten, ja, die schleifen wir ein, die geht nicht von null auf hundert, sondern die wird in drei Stufen eingeschliffen. Für die größte Fahrzeuggruppe an Lkws heißt das: Im nächsten Jahr wird sich die Maut um 7,4 Prozent erhöhen.

Wir haben damit in dieser Frage einen Hebel zu mehr Kostenwahrheit zwischen Straße – Schiene, wir haben in dieser Frage erstmals in der Lkw-Maut einen weiteren Bestandteil zum Klimaschutz und können die Einnahmen aus dieser Maut auch für eine nachhaltige Gestaltung des Verkehrs nutzen – auch das eine Möglichkeit, die uns jetzt endlich, muss ich sagen, die Wegekosten­richtlinie gibt. (Abg. Herr: Wäre noch mehr drinnen gewesen!)

In Summe möchte ich nur auf eines hinweisen: Wenn wir Deutschland und Österreich vergleichen, dann machen wir es bitte korrekt und schauen wir uns das Gesamtbild an: 2023 beträgt in Deutschland der Kilometermauttarif für Lkw 19 Cent, in Österreich beträgt 2023 der Kilometermauttarif 44 Cent. Das heißt, wir nutzen die Steuerungsmöglichkeit der Lkw-Maut bereits jetzt. Und ich bin wahnsinnig froh, dass das die deutschen Kollegen jetzt endlich auch machen. Nur: Es führt noch immer dazu, dass es 2024 in Deutschland eine wesentlich geringere Lkw-Maut auf den Kilometer als in Österreich gibt. (Abg. Herr: Trotzdem hätte man es mehr nutzen können!)

Also bitte, wenn wir uns das anschauen, dann machen wir das Gesamtbild: 2024 in Österreich 47 Cent auf den Kilometer, in Deutschland 34 Cent auf den Kilometer. Insofern freue ich mich also, wenn Kollege Wissing jetzt die CO2-Emissionen nutzt, um den Tarif zumindest ein bisschen in unsere Richtung anzuheben.


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Steuern müsste man gerade am Brenner über eine Korridormaut – das ist etwas, was ich immer wieder in die Gespräche einbringe, und da haben sowohl Deutschland als auch Italien noch richtig Luft nach oben. Wir machen heute einen weiteren Schritt mit diesem Bundesstraßen-Mautgesetz, und ich hoffe auf Ihre breite Zustimmung dazu. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Herr: In Tirol geht man runter!) – Auch in Tirol geht die Maut nicht runter, in Tirol steigt die Maut um 5,6 Prozent.

Ein Punkt noch zu Tirol, zur Luegbrücke: Abgeordneter Margreiter ist gerade nicht im Saal, ich sage es trotzdem, auch für alle (Abgeordnete der NEOS weisen auf Abg. Margreiter, der auf seinem Sitzplatz sitzt): Die Luegbrücke hat keine Kapazitätserweiterung. Die Luegbrücke hat keine Kapazitätserweiterung, denn da stimme ich Abgeordnetem Margreiter ja zu: Wenn wir Verlagerung zustande bringen wollen, wenn wir sicherstellen wollen, dass wir umweltfreundlichen Verkehr haben, dann müssen wir eine umweltfreundliche Infrastruktur bauen, das heißt Bahn bauen, das heißt Brennerbasistunnel bauen, das heißt Verlagerungsterminals bauen und Anschlussbahnen bauen. Mehr Kapazität auf der Straße führt zu mehr Straße, deswegen gibt es auch auf dem Brenner keine Kapazitätserweiterung, sondern einen Pannenstreifen, was auf einer viel befahrenen Route, wie ich glaube, eine sinnvolle Verkehrssicherheitsmaßnahme ist.

Ich würde mir wünschen, dass wir diese Diskussion auf die Art und Weise, wie wir sie über den Brenner führen, auch über den Rest von Österreich führen, denn beim Brenner zeigt sich nämlich genau das: mehr Straße hieße mehr Straßen­verkehr, und eine weitere Spur ist nicht immer eine Lösung.

Ich sage noch ein Wort zum ASFINAG-Gesetz: Das ASFINAG-Gesetz ermöglicht es jetzt wirklich, für die Verbesserung der Umweltsituation in den betroffenen Autobahngemeinden, für die Verbesserung von Lärm- und Emissionsschutz, auch für die Verbesserung der Verkehrssicherheit Mittel zur Verfügung zu stellen. Wir haben zusätzlich letztes Jahr schon die Dienstanweisung Lärmschutz überarbeitet, die auch mehr Lärmschutz für die Gemeinden zur Verfügung stellt. In Summe


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geben wir den Gemeinden an den am stärksten befahrenen Strecken weitere Mittel in die Hand.

Und: Dass die Asfinag jetzt auch ihren Beitrag zur Energiewende leisten kann, dafür sorgt ein weiteres Gesetz, über das wir heute abstimmen, über das Sie heute abstimmen – muss ich natürlich korrekterweise sagen. Im Bundesstraßen­gesetz werden Fotovoltaikanlagen, die sich in unmittelbarer Nähe zur Fahrbahn befinden, als Bestandteil der Bundesstraße aufgenommen, und damit wird eine deutliche Verfahrensbeschleunigung und mehr Klarheit für die Asfinag zustande gebracht.

Das sind weitere wichtige Schritte für die Klimaneutralität im Verkehrsbereich, und ich hoffe auf Ihre breite Zustimmung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Franz Leonhard Eßl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.45.07

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir diskutieren mehrere Gesetzesänderungen unter diesen Tagesordnungspunkten: das Bundes­straßen-Mautgesetz, das Bundesstraßengesetz, das ASFINAG-Gesetz.

Einige wichtige Punkte sind ja schon erwähnt worden: Erstens, die Auto­bahnvignette wird 2024 gleich viel kosten wie 2023, es wird also keine Erhöhung geben. Zweiter Punkt: Es wird mehr Geld für die Länder aus den Mauteinnahmen geben. Diese können es dann für Umweltmaßnahmen in den entsprechenden Anrainergemeinden einsetzen, was, wie ich glaube, auch eine wichtige Angelegenheit ist.

Wenn wir die Asfinag-Gesetze diskutieren, dann muss ich feststellen, dass die Asfinag natürlich einen umfangreichen Aufgabenbereich hat, und ich lege Wert darauf, dass die Asfinag ihre Aufgaben auch bestmöglich erledigt.


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Frau Bundesministerin, ich habe schon in der Ausschusssitzung das dringende Ersuchen angesprochen, in Richtung Asfinag zu wirken, dass das Baustellenmanagement wesentlich verbessert wird. Ich spreche namentlich die Sanierung der Tunnelkette auf der Tauern-Autobahn, auf der A 10 an. Dort gibt es Tage, an denen die Situation unerträglich ist. Wir haben 14 Kilometer auf dieser Strecke, auf denen diese beidseitig nur einspurig befahrbar ist. Die Baustelle ist bis 2025 geplant, und es gab Tage, an denen wir 25 Kilometer Stau und bis zu 3 Stunden Wartezeit hatten.

Mit dem Wintertourismus kommen natürlich die nächsten Herausforderungen – Tagesskifahrer, Urlauber und die Ski-WM in Saalbach 2025 werden wahr­scheinlich für weitere Staus sorgen. Das Land Salzburg setzt Verkehrsleitmaß­nahmen, und die Asfinag ist aufgefordert – mit der Bitte an Sie, darauf hinzuwirken –, die Baustelle zügig abzuwickeln.

Ein Zweischichtbetrieb nur an Wochentagen ist zu wenig. Die Woche hat sieben Tage, und der Tag hat 24 Stunden, deshalb könnte man durchaus mehrere Schichten machen und durchgängig und zügig arbeiten.

Zum Schluss, Frau Bundesministerin, noch eine andere Bitte: Kleine Transport­unternehmen klagen darüber, dass die sogenannte Kabotageverordnung zu wenig kontrolliert und deshalb nicht eingehalten wird. Diese Verordnung soll verhindern, dass ausländische Unternehmen – meist aus Osteuropa oder aus den baltischen Staaten – zu Dumpingpreisen und unter Missachtung aller arbeitsrechtlichen Standards in Österreich Warenverkehr durchführen. Daher das Ersuchen, die Einhaltung dieser Verordnung besser zu überwachen, um unlauteren Wettbewerb zu unterbinden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Litschauer und Weratschnig.)

20.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Alois Schroll. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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20.48.39

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich auf TOP 14 betreffend das Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird, konzentrieren. Durch diese Bestimmung sollen Fotovoltaikanlagen unmittelbar in Fahrbahnnähe als Bestandteil der Bundesstraße aufgenommen werden, vorausgesetzt natürlich, dass diese im Eigentum der Republik Österreich und auch der Asfinag steht.

Was mich persönlich an diesem Antrag sehr freut und gefreut hat, ist, dass wir auch im Zuge der Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz-Verhandlungen 2021 bereits damals schon immer wieder auf eines aufmerksam gemacht haben: Warum nutzen wir nicht die Flächen der Hunderte oder Tausende Kilometer langen Strecken entlang unserer Bundesstraßen, unserer Autobahnen, aber auch unserer Bahn, das heißt der ÖBB-Strecken, für Fotovoltaikanlagen, die dann natürlich auch direkt in den Betrieb einspeisen?

Das heißt, ich denke da an die Tunnelbeleuchtungen, ich denke an die Überkopfwegweiser, an die elektronischen Verkehrszeichen und ans Bahnnetz selber. Es gibt also sehr, sehr viele Möglichkeiten, einzuspeisen.

Meines Erachtens handelt es sich dabei um eine Maßnahme, die im Wesentlichen der Aktivierung dieser Aufwendungen in der Bilanz der Asfinag zugutekommt. Wir unterstützen diesen Antrag, finden ihn auch sinnvoll und freuen uns natürlich, wie ich schon angesprochen habe, dass die Regierungsparteien jetzt nach zwei Jahren und drei Monaten auf diesen Zug aufspringen.

Es ist ja schon auch interessant, dass in den letzten zweieinhalb Jahren, seit wir das EAG beschlossen haben – ich glaube, es war der 7. Juli 2021 –, sehr viel Geld in private Anlagen, in Fotovoltaikanlagen investiert wurde, aber eigentlich im öffentlichen Bereich relativ wenig passiert ist beziehungsweise die Mög­lichkeiten nicht ausgeschöpft wurden.


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Wir haben ja gestern erst in der Budgetrede unseres Finanzministers gehört, dass die Verankerung des Klimaschutzes und der Ausbau erneuerbarer Energie sehr rasch und nachhaltig umgesetzt werden sollen. Frau Bundesministerin, es freut mich, dass Sie jetzt auch die ÖVP dazu motivieren konnten, diese sinnvollen und nachhaltigen raschen Lösungen auch im öffentlichen Bereich zu unterstützen. Wir unterstützen diesen Antrag. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.51.30

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, die uns eventuell auch um diese Uhrzeit noch zuschauen! Tirol erstickt im Verkehr!, ist meist eine Schlagzeile, die man auf orf.at liest, die man in der „Tiroler Tageszeitung“ liest, die man in den Social Media liest – und das sind keine Fakenews.

Durch Tirol, überhaupt auf der Transitstrecke Brenner, führt die meistbefahrene alpenquerende Transitstrecke Europas. Auch laut der Expertenmeinung Ihres Hauses ist es die am stärksten befahrene Alpentransitachse überhaupt.

Wir haben 11,2 Millionen transitierende Pkws und 4,5 Millionen transitierende Lkws. Ich glaube, es war höchst an der Zeit, dass man diese Bemautung, diese 1-Prozent-Rückvergütung dem Wipptal zurückgibt und dass man diese erhöht. Ich bedanke mich da auch bei unserem Koalitionspartner, dass wir von 1 Prozent auf 3 Prozent gegangen sind. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, dass diesen Menschen, die dort leben, die dem tagtäglich ausgesetzt sind, dieses Geld für Maßnahmen zur Verfügung gestellt wird, dass sie eine lebensverbessernde Umwelt und ein lebensverbesserndes Umfeld vorfinden.


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Meine Damen und Herren! Ich möchte aber schon noch einmal auf zwei Dinge eingehen. Erstens möchte ich gerne an meinen Kollegen Andreas Ottenschläger anknüpfen: Es wird immer ein Bashing gegen den Lkw betrieben. Es ist schon wichtig, dass wir die Verlagerung des Lkw-Verkehrs auf die Schiene vorantreiben, aber sie muss für die Güterbeförderung planbarer und leistbar werden. Es nützt nichts, wenn wir einen Brennerbasistunnel bauen, der ursprünglich für den Güterverkehr gebaut werden sollte, mit dem die Verlagerung auf die Schiene vorangetrieben werden sollte, und jetzt wird der Personenverkehr durchgeschickt und diesem wird der Vorrang gegeben.

Das ist aus meiner Sicht der falsche Weg. Da muss man sich Gedanken darüber machen, ob man das tatsächlich haben möchte, dass man Güter auf die Schiene verlagert. Wenn man das will, dann muss man das nämlich auch so machen, dass dem Güterverkehr vor dem Personenverkehr in gewissen Bereichen und zu gewissen Zeiten der Vorrang gegeben wird.

Ich bedanke mich im Namen der Wipptalerinnen und Wipptaler für dieses neue Gesetz, dafür, dass sie jetzt mehr Geld bekommen, aber bitte nicht vergessen: Wir wollen die Güter auf die Schiene verlagern, aber das muss mit Hausverstand gemacht werden. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Klaus Köchl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.54.48

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzte Frau Minister! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Tagesordnungspunkt 13 reden. Da geht es um das ASFINAG-Gesetz. Das ist eine Regelung, die durchaus viel Sinn macht, Frau Minister. Damit erfolgt die Umsetzung der Verbesserung des Lärm- und Emissionsschutzes sowie der Maßnahmen zur Stärkung des Umwelt­schutzes in den jeweiligen Regionen, und das entlastet den Verkehr, das ist sehr gut.


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Meine Bitte ist noch, dass man halbwegs genaue Richtlinien ausarbeitet, was die Erhöhung von 1 Prozent auf maximal 3 Prozent bedeutet und wann man auf 3 Prozent kommt. Ich glaube, das ist ganz wichtig.

Ich bin heute auch als Vertreter des Wahlkreises Kärnten Ost da. Der besteht aus drei Bezirken: St. Veit, Wolfsberg und Völkermarkt. Ich habe da genau vier Sachen aufgeschrieben, Frau Minister, die wir einfach zu erledigen haben. Ich weiß, Sie arbeiten mit der Kärntner Landesregierung ausgezeichnet zusammen, aber in Völkermarkt zum Beispiel gibt es jetzt eine Petition, die die Hochleistungsstrecke, den Bahnhof Kühnsdorf betrifft. Ich bitte Sie da um volle Unterstützung. Ich habe das auch mit meinem Kollegen von der ÖVP beredet: Da geht es einfach darum, dass diese Region sehr ländlich ist und dass ein ganzer Bezirk, alle Bürgermeister wollen, dass man da eine Lösung findet. Das ist, glaube ich, unbedingt notwendig. (Beifall bei der SPÖ.)

Was das nächste Problem ist, das wir haben werden, betrifft den Bezirk Sankt Veit an der Glan. In den Bezirken Sankt Veit an der Glan und Feldkirchen leben circa 100 000 Menschen – das ist ein Fünftel der Kärntner Bevölkerung –, und die haben einfach keine Chance auf einen Intercity. Wir haben mit allen 30 Bürgermeistern eine Petition eingereicht, dass man darauf nicht vergisst. Das ist schon eine grobe Benachteiligung für unseren Bezirk. Wir wollen nur einige Dinge haben, zum Beispiel, dass Sie da wirklich schauen, dass das funktio­niert.

Dann habe ich im Bezirk noch das Görtschitztal, das ist das HCB-Skandal-Tal – so wurde es bezeichnet, als das damals passiert ist. Heute ist Gott sei Dank alles bereinigt. Eine zeitnahe Elektrifizierung wäre da schon sehr, sehr notwendig. Darum möchten wir ersuchen.

Und dann habe ich noch die S 37. Wir haben also echt viele Berührungspunkte. Ich weiß, dass Sie sich da bemühen, unser Herr Landeshauptmann redet auch


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mit Ihnen, aber das sind Dinge, die verhandelt und gelöst werden müssen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hermann Gahr. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.57.31

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute das Bundes­straßen-Mautgesetz und das ASFINAG-Gesetz und stellen somit wichtige Weichen für eine Ökologisierung und für mehr Kostenwahrheit. Die Frau Bundesminister hat das ja schon ausgeführt.

Worum geht es konkret? – Wesentliches Element ist eine Neuregelung, ist eine abgestufte Maut für den Schwerverkehr, in die neben der Infrastruktur und den Lärmemissionen erstmals auch die Höhe der CO2-Emissionen einfließen wird. Es wird also eine CO2-Bepreisung geben. Das ist, glaube ich, ein mutiger Schritt, und damit wollen wir Anreize schaffen, um schadstoffärmere Lkws auf den Straßen zum Einsatz zu bringen.

Es wurde heute von meinen Vorrednern schon einige Male erwähnt: Wir haben halt in Tirol außerordentliche Belastungen durch die geografische Lage, aber natürlich auch durch die steigenden Verkehrsströme sowohl von Lkw als auch von Pkw. So, glaube ich, ist es jetzt durchaus wichtig, dass wir entlastende Maßnahmen für die Bevölkerung im Inntal, aber speziell im Tiroler Wipptal setzen.

Ich bedanke mich auch dafür, dass es möglich ist, diese Lebensverbesse­rungs­abgabe von 1 auf 3 Prozent zu erhöhen, auch mit der Zweckbindung, dass diese Mittel für die Verbesserung der Lebensqualität, für die Reduzierung von Lärm und anderen Einflüssen des Verkehrs verwendet werden. Es geht also darum, konkrete Maßnahmen umzusetzen.


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Wir sollten aber eigentlich bei der Realität bleiben: Wir müssen auch in Zukunft versuchen, die Dinge gemeinsam mit der Bevölkerung zu entwickeln. Was mir wichtig ist, ist auch, dass wir bei allen Maßnahmen die Bevölkerung einbinden und informieren und auch mit der Bevölkerung die Dinge weiter­entwickeln. Das wurde heute bereits erwähnt.

Gerade die Baustellenkoordination ist ein Thema, das immer wieder für Unmut sorgt. Aktuell haben wir ja auch wieder viele Baustellen. Es mir wichtig, dass wir diese Dinge so organisieren und Baustellen nicht nur untertags machen, sondern auch am Abend, in der Nacht. Wenn man übers Deutsche Eck fährt, sieht man, dass die Baustellenmaßnahmen sehr oft auch in der Nacht durchge­führt werden, weil es anders gar nicht möglich ist.

Unser Ziel ist es, dass wir in Tirol und natürlich auch in ganz Österreich gerade beim Thema Verkehr mit unseren Partnern, mit Bayern, aber auch mit Südtirol Maßnahmen setzen. Ich glaube, die Drohgebärden von Verkehrsminister Matteo Salvini bringen nichts, der die Maßnahmen wie Zu- und Abfahrverbote infrage stellt; ich glaube, es ist wichtig, dass wir mit den Menschen reden. Landeshaupt­mann Kompatscher hat es heute ausgeführt, wir wollen verhandeln – es gibt ja in Südtirol die gleichen Probleme, es gibt in Bayern die gleichen Probleme –, dass wir da zu Lösungen kommen, die die Verkehrsströme so regeln und so lenken, dass sie erträglich sind.

Abschließend noch ein Danke, dass es heuer möglich ist, dass der Preis der Autobahnvignette nicht erhöht wird. Das betrifft über fünf Millionen Autofahrer. Ich glaube, das ist ein kleiner Beitrag, aber ein wichtiger und fairer und ehrlicher Beitrag, um die Menschen zu entlasten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

21.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



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21.00.56

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir betreiben kein Lkw-Bashing, wie es hier schon gesagt wurde, sondern wir glauben, dass dieses Bundesstraßen-Mautgesetz nicht mit Weitblick gemacht wurde – nicht mit Weitblick in Bezug auf Klimaschutz, Frau Minister. Denn was sagen uns der VCÖ, der ÖAMTC und der Arbö? – 64 Prozent der Lkws auf dem hochrangigen Straßennetz sind ausländische Lkws. Von diesen 64 Prozent sind etwa 80 Prozent Lkws, die in der Emissionsklasse 0 bis IV drinnen sind, das heißt, in den wirklich stinkenden Emissionsklassen, weil da nichts weitergeht. Wir hätten die Möglichkeit gehabt, da in den Emissionsklassen 0 bis III beziehungsweise in der Emissions­klasse IV die kilometerabhängige Streckenmaut anzuheben, denn in der Emissionsklasse VI ist der höchste Beitrag 44 Cent und in der Emissionsklasse 0 bis III beträgt er 49 Cent. Da sind nur 5 Cent Unterschied. Das heißt, wir hätten wirklich die Möglichkeit gehabt, genau bei diesen Lkws, die sehr luftver­schmutzend sind, die Maut anzuheben und etwas zu machen.

Aber nicht nur das, Frau Minister, es gibt noch eine Problematik: Die zeit­abhän­gige Mautpflicht wird auf eine fahrleistungsabhängige Mautpflicht bei Fahrzeugen umgestellt, die eine technisch zulässige Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen haben. Das wird nach „fünf Vignettenperioden“ umgestellt, wie es so schön im Gesetz steht. Was bedeutet denn das, Frau Minister? – Das bedeutet, dass die Ducato, die Mercedes, die Ford Transit, die VW Crafter und wie sie alle heißen, auf einmal nicht mehr in der zeitabhängigen Maut drinnen sind, sondern sie sind in der fahrleistungsabhängigen Maut drinnen.

Das sind alle Kleinunternehmer, die einen Ducato haben, die einen Mercedes-Lieferwagen und sonst etwas haben, das heißt, die jetzt in der 3,5-Tonnen-Klasse drinnen sind, aber dann mit der technisch zulässigen Gesamtmasse mit mehr als 3,5 Tonnen auf einmal die fahrleistungsabhängige Mautpflicht haben. Das betrifft auch jene – jetzt komme ich zu meinem Antrag –, die sich zum Beispiel ein Wohnmobil gekauft haben, das nur 3,5 Tonnen hat – ich gehe nicht


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auf die höheren ein –, aber in der höchstzulässigen Gesamtmasse über 3,5 Tonnen haben. Das kann man sich im Fahrzeugbrief anschauen. Das trifft auch alle diese nach spätestens fünf Jahren, dass sie in die fahrleistungsab­hängige Mautpflicht fallen.

Das heißt, da wird wirklich massiv, massiv geschröpft. Ich kann es noch immer nicht verstehen, dass wir da die Fahrzeuglobby nicht angreifen, aber bei jenen, die sich mühsam Fahrzeuge absparen, wirklich draufdrücken und abkas­sieren. (Beifall bei der SPÖ.)

21.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.03.48

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Ich konzentriere mich in meinem Redebeitrag hauptsächlich auf das Bundesstraßen-Mautgesetz. Wir haben heute schon gehört, die ÖVP ist für leistbare Mobilität und darum wird der Preis der Vignette nicht erhöht. – Na ja, da sowieso fast nichts mehr gebaut wird, würde ich eigentlich vorschlagen, dass man nicht den Preis nicht erhöht, sondern dass man das Ganze überhaupt aussetzt, den Preis aussetzt und auf die Vignette verzichtet. Damit wäre den Bürgern sicher mehr geholfen.

Das Nächste zum Thema leistbare Mobilität: Ja, das Klimaticket wird jetzt auch an eine Gruppe verschenkt. Das wäre noch wesentlich einfacher gegangen, Sie kennen die Thematik mit dem gemeinwirtschaftlichen Verkehr. Da können Sie gleich alle Eisenbahntickets und Bustickets verschenken. Das trauen Sie sich wieder nicht, liebe Kollegen von der ÖVP.

Aber, und jetzt kommt es: Gestern haben wir gehört: keine neuen Steuern. Das wissen wir alle noch: ÖVP-Finanzminister: keine neuen Steuern. – Was ist heute? Wir erhöhen die CO2-Abgabe. Wir erhöhen sie nächstes Jahr auf Diesel


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und Benzin, und wir erhöhen sie hier und jetzt – nicht wir, Sie erhöhen sie – auch bei der Lkw-Maut. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Zusätzlich wird noch, wie es Kollege Keck gesagt hat, bei den Fahrzeugen über 3,5 Tonnen auf die Fahrleistung umgestellt, bei den Wohnmobilen und den Gewerbefahrzeugen. Mit welcher Begründung? Es zahlt ja eh nicht der Konsu­ment. Auch ein bisschen in Richtung SPÖ zum Mitdenken: Alles, was der Lkw draufkriegt, legt er auf die Fracht um. Und wer zahlt das? Genau: der Konsument. (Abg. Herr: Oder man steigt auf die Schiene um!) – Auf der Schiene nicht. Ja, da muss er aber auch auf der Schiene fahren können. Wenn die Trassen zu sind, wie fahren Sie dann auf der Schiene? Von Wien über die Tschechei nach München oder nach Salzburg oder nach Innsbruck? (Abg. Michael Hammer: Tschechien!) Oder fahren Sie über Italien und Ungarn oder sonst irgendwo? Wenn es durch Österreich nicht geht, ist es relativ knapp.

Aber, und jetzt wieder zur selbsternannten Wirtschaftspartei ÖVP: Das, was der Kunde nicht zahlt, betrifft nämlich genau den Punkt mit dem Standort. Ein Standort, der nicht ordentlich an die Bahn angeschlossen ist, aber gleichzeitig Strafsteuern für den Lkw zahlen muss: Ja, dann wird es den Standort nicht mehr lange geben. Was glauben Sie, wo beispielsweise BMW Standorte hat? Wenn das in Steyr nicht funktioniert, dann können die auch woanders hingehen. Kein einziger Konzern ist auf die ÖVP oder auf Österreich angewiesen. Sie erzählen uns immer, dass Sie Wirtschaftskompetenz haben. Die Wirtschaftskompetenz ist in der Zwischenzeit gegen null gegangen und das Mitfühlen und das Mitdenken mit den Konsumenten ist schon unter null.

Ich mache den Grünen keinen Vorwurf. Die haben immer gesagt, dass sie so sind, und das wird jetzt durchgezogen, auch von Ihnen, Frau Minister. Kein Vorwurf! Aber dass die ÖVP Ihnen die Räuberleiter macht, diesen Vorwurf mache ich der ÖVP sehr wohl den. Und das ist schändlich. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.07 21.07.02



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht die Berichterstattung ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz und das ASFINAG-Gesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 2204 der Beilagen.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen gleich zur dritten Lesung.

Wer dies auch in dritter Lesung tut, wird um ein Zeichen der Zustimmung gebeten. – Das ist auch in dritter Lesung die Mehrheit.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ASFINAG-Gesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 2252 der Beilagen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer tut das auch in dritter Lesung? – Das ist auch in dritter Lesung einstimmig.

Tagesordnungspunkt 14: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 2253 der Beilagen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig.


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Wir kommen zur dritten Lesung.

Auch in dritter Lesung das gleiche Stimmverhalten. – Das ist einstimmig angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht 2254 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer das tut, wird um ein dementsprechendes Zeichen gebeten. – Das ist die Mehrheit. Damit ist er angenommen.

21.08.47 16. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 2628/A(E) der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Führen von Hunden von Fahrrädern aus (2255 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 16.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Deimek. Bei ihm steht das Wort. – Herr Abgeordneter, bitte sehr.


21.09.09

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Ja, das ist der nächste Tagesordnungspunkt zum Thema Verkehr. Sie wissen wahrscheinlich, wenn man in Deutschland mit dem Fahrrad fährt, ist es durchaus erlaubt, seinen Hund an der Leine mitzuführen. In Österreich ist das nicht möglich. Darum haben wir diesen Antrag für etliche Bürger, die sich an uns gewandt haben, eingebracht. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Er wurde zuerst zweimal vertagt, weil man gesagt hat: Nein, da ist eine Lösung im Werden, das werden wir angehen! – Dann konnten wir sehen, ja, die Lösung schon, aber die Lösung heißt jetzt: Nein, das lehnen wir wegen der Unfälle ab!


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Das heißt, ein Bürger – und gehen wir einmal davon aus, es ist nicht mitten im urbanen Gebiet, sondern am Land – kann nicht am öffentlichen Gut auf einer Straße fahren und den Hund mitnehmen, denn dann kassiert die Behörde 700 Euro Verwaltungsstrafe – 700 Euro! Ich meine, in Deutschland zahlt er null, dort ist es erlaubt – in Österreich wird wieder einmal abkassiert. Keine neuen Steuern, liebe ÖVP (Abg. Haubner: Ist eh nicht neu!), nur Strafen!

Das Problem oder die Begründung ist die Unfallgefahr. (Abg. Weratschnig: Verkehrssicherheit!) Wenn es dazu aus Österreich und aus Deutschland nicht entsprechende Studien gäbe, was wirklich das Problem mit den Fahrradfahrern ist: Das sind nicht die Unfälle, weil der Hund an der Leine mitgeführt wird, sondern das sind Unfälle mit Fußgehern. Und: 25 Prozent dieser Fahrradfahrer bei Unfällen mit Fußgängern begehen Fahrerflucht.

Also dort sind die Probleme, das sollten wir beheben – aber den Leuten, die mit dem Fahrrad fahren und ihren Hund mitführen wollen, kann man das durchaus erlauben. Eine Verwaltungsstrafe in Höhe von 700 Euro ist auf jeden Fall weit überzogen. Kommen Sie einmal in die konstruktiven Gänge! Vor allem, liebe ÖVP: Macht ihr einmal eine konstruktive Lösung und nicht immer nur Bürgerabzocke und Bestrafung! (Beifall bei der FPÖ.)

21.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Singer. – Bitte.


21.11.25

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzter Kollege Deimek, bei der Bewertung dieser Frage, dieses Antrages sind aus meiner Sicht zwei Aspekte wichtig, nämlich zum einen die Frage der Verkehrssicherheit und zum anderen die Frage des Tierschutzes.


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Aus der Sicht des Tierschutzes wird diese Forderung sehr kritisch gesehen. (Abg. Matznetter: Warum?) So meint die Wiener Tierschutzombudsfrau Eva Persy – ich zitiere –: „Aus Tierschutzsicht ist das Mitlaufen am Rad extrem heikel“, „Für die meisten Hunde ist diese Art der Bewegung ungeeignet oder sogar schädlich“, „Durch die schnelle Fortbewegung ,fliegt‘ die Landschaft und alles, was sich sonst noch bewegt, am Hund vorbei“, „Da der Hund keine Möglichkeit hat, sich in Ruhe mit den Reizen auseinanderzusetzen, kommt es zu Reizüber­flutung, geistiger Überforderung und Stress.“ (Abg. Matznetter: Was ist mit dem Hausverstand?)

Ähnlich, sehr geehrte Damen und Herren, sehe ich die Frage der Verkehrssicher­heit. Auch da sind Expertinnen und Experten nämlich der Meinung, dass das Führen von Hunden vom Fahrrad aus ein Gefahrenpotenzial für die Fahrer, für den Hund und natürlich für andere Personen bedeutet. Man kann sich, aus welchem Grund auch immer, auf das Verhalten von Hunden nicht verlassen. Das liegt in der Natur von Tieren. Reizüberflutung und Stress, wie wir gehört haben, können Ursache sein. Leider kennen wir aus der Vergangenheit auch sehr tragische Beispiele dazu.

Zusammenfassend gibt es aus dem Gesagten heraus keinen Grund, das bestehende Verbot aufzuheben. Die ÖVP stimmt daher dem Antrag der FPÖ nicht zu und wird dementsprechend dem negativen Ausschussbericht des Verkehrsausschusses ihre Zustimmung geben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Werner. – Bitte.


21.13.49

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Vorausgeschickt: Ich mag Hunde. Ich mag Radfahrer. Ich bin auch dafür, dass die Radwege ordentlich


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ausgebaut werden. Und ja, ich verstehe auch den Wunsch, der artikuliert worden ist, dass man die Hunde mit dem Fahrrad mitnehmen möchte.

Wir können aber trotzdem nicht zustimmen. Die Gründe wurden zum Teil auch von der ÖVP schon ausgeführt. Wir haben halt die Aufgabe, die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer sicherzustellen. Ich glaube nicht, dass die Fußgeher das Problem im Straßenverkehr sind, sondern es ist das Zusammenspiel.

Der Kollege von der ÖVP hat es schon ausgeführt: Die Tiere reagieren instinkt­getrieben. Das heißt, dass sie eben durch Geräusche, durch Gerüche, durch andere Verkehrsteilnehmer abgelenkt werden können, was einfach zu einer Unfallwahrscheinlichkeit führt. Das ist gefährlich für das Tier, das ist gefährlich für den Radfahrer, und es ist auch gefährlich für alle anderen Verkehrsteilnehmer.

Der zweite Grund ist: Vom Rad aus hat man auch das Tier nicht so unter Kontrolle, wie wenn es quasi zu Fuß mitgeführt wird. Man kann einfach nicht so gut darauf einwirken und schauen, dass der Hund bei einem bleibt, was auch wieder ein Sicherheitsrisiko ist. Auch die Bedenken der Tierschutzombudsfrau aus Wien wurden angeführt.

Aber, ja, wir haben auch durch die Ereignisse in den letzten Wochen gesehen, dass wir im Bereich Hundehaltung und -ausbildung und dort, wo es um die Frage geht: Wie gehe ich ordentlich mit einem Hund um?, ein Problem haben. Aus diesem Grund haben wir auch gestern ein Paket zur sicheren Hundehaltung eingebracht. Das wird nicht im Verkehrsausschuss diskutiert, sondern im Gesundheitsausschuss, wo die Tierschutzagenden hingehören. Ich freue mich schon auf eine konstruktive Diskussion dort, und ich würde natürlich alle Parteien einladen, dass wir in diesem Zusammenhang auch die Probleme, die wir in der Hundehaltung sehen, in den Griff bekommen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.16



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 423

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brandweiner. – Bitte sehr.


21.16.09

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, meine Kollegen haben bereits etliches erörtert. Aus meiner Sicht ist das Halten eines Hundes eine große Verantwortung gegenüber dem Tier selbst, aber auch gegenüber den Mitmenschen und der Gesellschaft. Dieser Verantwortung sind sich leider nicht alle Hundebesitzerinnen und Hundebesitzer bewusst, wie man leider auch immer wieder den Schlagzeilen entnehmen muss oder wie man auch in so manchen Tierheimen schmerzlich sehen muss.

Das Gefahrenpotenzial, das damit verbunden ist, während des Fahrens mit dem Fahrrad einen oder gar mehrere Hunde an der Leine zu führen, haben meine Vorredner bereits ausgeführt. Ein unachtsamer Moment genügt: Der Hund zieht an, und man baut einen Unfall. Gerade als Fahrradfahrer ist man natürlich einer der schwächsten Verkehrsteilnehmer, das gilt aber ebenso für den Hund selbst. Es gibt ja für kleinere Hunde auch Tiertransportkörbe oder einfach einen Fahrradanhänger, auf dem man sein geliebtes Tier mitnehmen kann.

Man sagt ja, der Hund ist der beste Freund des Menschen, nur leider Gottes ist das umgekehrt nicht immer so. Daher, geschätzte Hundebesitzerinnen und Hundebesitzer, achten Sie auf Ihre geliebten Tiere, achten Sie auf Ihre Mitmen­schen und kommen Sie sicher durch den Verkehr! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

21.17 21.17.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 424

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht 2255 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut – den Bericht des Verkehrsausschusses zur Kenntnis zu nehmen –, möge das mit einem dementsprechenden Stimmverhalten zum Ausdruck bringen. – Das ist die Mehrheit. Daher ist er angenommen.

21.18.2917. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3531/A der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011), das Erdölbevorratungsgesetz 2012 und das Elektrizitätswirt­schafts- und ‑organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) geändert werden (2239 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kassegger. Bei Ihm steht das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.18.59

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Es geht hier um gaswirt­schaftliche Angelegenheiten, einen Bereich von Relevanz. Zum einen ist ein Teil dieses Gesetzentwurfes die Transparenz, also die Verpflichtung, Transparenz in der Branche zu steigern. Wir haben ein ähnliches Gesetz im Strommarkt gehabt, durch das eben Anbieter verpflichtet werden, ihren Kunden bestimmte Informationen zur Verfügung zu stellen. Wir haben damals beim Strommarkt schon zugestimmt und würden auch jetzt beim Gasmarkt zustimmen, weil das aus unserer Sicht sinnvoll ist.

Es sind aber noch zwei weitere Bereiche in diesem Paket. Zum einen geht es um die Verlängerung der Geltungsdauer der strategischen Gasreserve. Sie erinnern


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 425

sich: Wir haben – beziehungsweise nicht wir, sondern die Bundesregierung hat – im Sommer sehr, sehr günstig – Ironie: off – 20 Terawattstunden Gas gekauft, und zwar zu einem Zeitpunkt, als der Gaspreis exorbitant hoch war, nämlich um einen Betrag von 4 Milliarden Euro. Das hätte man deutlich günstiger machen können. Derzeit ist der Gaspreis ungefähr bei einem Drittel, das heißt, die 20 Terawattstunden, die in den Lagern liegen, haben zwei Drittel an Wert verloren.

Das war also eine Vermögensvernichtung im ganz großen Stil, resultierend aus der Sanktionspolitik, die ja in Wahrheit auch an der Grenze des Schildbürger­haften ist, und zwar insofern, als nicht wir, aber die Bundesregierung und auch die Europäische Union Russland insbesondere im Gasbereich mit Sanktionen belegt haben, aber dann wieder doch nicht. Wir beziehen natürlich nach wie vor sehr viel Gas aus Russland. Da ist also eine Divergenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zwischen Wunschdenken, Wunschkonzert und Wirklichkeit. Wenn das Wunschdenken in der Wirklichkeit keine Widerspiegelung findet, dann ist es nirgendwo, dann ist es ein Utopos, eine Utopie, Herr Prof. Taschner, und das haben wir hier auch.

Der nächste, der dritte Schildbürgerstreich, der uns dazu veranlasst, diesem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen, ist jener, dass im Bereich der Erhöhung der Versorgungssicherheit in diesem Gesetzentwurf eine Bestimmung drinnen ist, die besagt, dass für die Unternehmen die Verpflichtung besteht, Gasreserven nicht nur in der Höhe von 30, sondern von 45 Versorgungstagen zu haben. Das ist gut für geschützte Kunden, das sind Haushalte beziehungsweise kritische Infrastruktur, Krankenhäuser, Rettung und so weiter und so fort.

Dann kommt wieder die Ideologie, der Utopos, nämlich insofern, als diese Verpflichtung wieder auf 30 Tage eingeschränkt werden kann – was im eklatanten Widerspruch zu dem Ziel, das wir unterstützen würden, nämlich der Erhöhung der Versorgungssicherheit, steht–, wenn dieses Gas eben kein böses Gas, sondern gutes Gas ist, das nicht aus Russland, sondern aus Norwegen oder sonst woher kommt. Wir könnten jetzt eine Diskussion über Gas aus Katar oder aus


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 426

Aserbaidschan anfangen: Wir haben heute den ganzen Tag diesen schrecklichen Krieg in Israel diskutiert, und es ist erwähnt worden, dass Katar die Hamas unterstützt – also ist das jetzt gutes Gas oder böses Gas?

Abgesehen davon kann man physisch überhaupt nicht feststellen, woher das Gas kommt. Es ist also ein Schildbürgerstreich zulasten der Versorgungssicherheit, bei dem wir nicht mitgehen können und auch nicht mitgehen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

21.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Haubner. – Bitte.


21.22.47

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wundert mich nicht, dass Kollege Kassegger nicht dabei ist und dass wir da natürlich unterschied­liche Ansichten haben. Ich glaube trotzdem, dass uns die Diversifizie­rung etwas bringt (Abg. Kassegger: Glaub’ ich nicht!), weil es ja auch eine Frage des Risikomanagements ist. Wir haben im letzten Winter erlebt, was es bedeutet, wenn kein Gas aus einer gewissen Region kommt. Deshalb denke ich, dass wir da auf dem richtigen Weg sind, denn eine der größten Herausforderungen sind die sichere Energieversorgung und damit verbunden auch eine gewisse Transparenz, und das bilden wir mit diesem Gesetzentwurf ab.

Wie ich in der Vorbereitung gesehen habe, gehen wir eben nicht den deutschen Weg des – wie es zuletzt Ifo-Chef Clemens Fuest genannt hat – Hoch­risiko pro­jektes Energiewende, indem wir wichtige Infrastruktur abbauen und eine neue errichten, ohne zu wissen, ob es funktioniert. Wir setzen stattdessen auf eine praxisorientierte Energiewende. Darum haben wir auch bei diesem Antrag die Themen Versorgungssicherheit, Verlängerung der strategischen Gasreserve und mehr Transparenz für den Kunden im Fokus.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 427

Wie sieht das ganz konkret aus? – Erstens soll zunächst der schon bisher gültige Versorgungsstandard für den geschützten Kundenbereich – Kollege Kassegger hat es ja schon erwähnt: das sind die Haushalte, die öffentlichen Einrichtungen, die Spitäler – ausgeweitet werden. (Abg. Kassegger: Na eben nicht! Wenn es gutes Gas ist, dann wird es nicht ausgeweitet!) Die Gasversorger sollen also verpflichtet werden, die Versorgung dieser geschützten Kunden auf 45 Tage abzusichern – bisher waren es 30 Tage. Der Zeitraum von 30 Tagen gilt allerdings nicht für diejenigen Versorger, die nachweisen können, dass ausschließlich nicht russisches Gas vorgehalten wird. (Abg. Kassegger – erheitert –: Da müssen Sie selber lachen!)

Zweitens verlängern wir die von der Bundesregierung geschaffene strategische Gasreserve von 20 Terawattstunden bis April 2026.

Drittens gibt es mehr Transparenz für den Kunden, und ich glaube, das ist auch ein ganz wichtiger Punkt: Zukünftig müssen die Versorger die Kunden darüber informieren, dass es einen Tarifkalkulator bei der E-Control gibt, welche Wechselmöglichkeiten es gibt, und die Rabatte und möglichen Vorteile sollen sofort und nicht erst bei der Jahresabrechnung ersichtlich sein.

Viertens bereiten wir parallel zum Gaswirtschaftsgesetz auch eine Änderung im ElWOG vor, nämlich die Einführung einer Verpflichtung zur Vorhaltung von Gasmengen für Stromerzeugungsanlagen, sogenannten KWK-Anlagen, ebenfalls mit 45 Tagen. (Abg. Kassegger: Außer es ist gutes Gas!) Ich will das gar nicht lang ausführen, es bedeutet kurzum, dass die Kraftwerke, die Strom aus Erdgas erzeugen und die bis dato ausgenommen waren, in Zukunft ebenfalls Gasmengen vorhalten müssen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) – Das war zu früh, danke.

Meine Damen und Herren, Sie sehen also, wir tun etwas für die Versor­gungssicherheit und Transparenz, damit unser Standort auch weiterhin sichere Energieversorgung hat. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.26



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 428

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


21.26.11

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Sie wissen, dass wir normalerweise gerade bei den Energiematerien immer versuchen, ein gemeinsames Bild und eine gemeinsame Entscheidung hervorzubringen. Diesmal sehen wir es tatsächlich ein bisschen kritischer und ich werde Ihnen auch erklären, warum – nicht weil der Gesetzentwurf per se schlecht wäre.

Lassen Sie mich vielleicht mit dem Positiven beginnen: Natürlich finden wir es auch gut, dass mehr Transparenz gefordert wird und tatsächlich auch kommen wird. Warum wir diesmal aber nicht mitgehen, hat den Grund, dass wir einfach sehen, dass zu wenig getan wird, um aus der Abhängigkeit von russischem Gas herauszukommen. Wir wissen, dass in der strategischen Gas­reserve ein Großteil russisches Gas enthalten ist: 12,5 Terawattstunden, für die 4 Milliarden Euro ausgegeben worden sind. Zuletzt hat Österreich immer noch 66 Prozent des Gases, das hier verbraucht wird, aus Russland importiert.

Jetzt gibt es eben diese Maßnahme, mit der zuerst die Gasbevorratung auf 45 Tage ausgeweitet wird, und dann sagen Sie: Wenn es nicht russisches Gas ist, dann muss man das nicht machen. – Es tut mir furchtbar leid, mir reicht das nicht mehr. Es sind einfach diese ganz, ganz kleinen Schritte. Ich weiß, es ist unglaublich schwierig, in dieser Thematik etwas weiterzubringen, aber das sind nicht die Schritte, die wir jetzt brauchen. Es ist jetzt an der Zeit, die Abhängigkeit von russischem Gas endlich ernsthaft anzugehen.

Aus diesem Grund werden Sie unsere Zustimmung heute nicht kriegen: weil wir uns ein wirklich ambitioniertes Paket wünschen, um endlich und so schnell wie möglich die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren bezie­hungsweise auf null zu senken.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 429

Der zweite Punkt, der für uns auch nicht ganz schlüssig war, ist: Wer wird die Kosten tragen? Wir haben das auch mehrmals nachgefragt. Aus unserer Sicht wäre es ja schon gut, wenn die Importeure die Kosten für die Lagerhaltung tragen würden, damit sie dann halt wirklich nicht auf die Kunden abgewälzt oder umgewälzt werden. (Abg. Schwarz – in Richtung Abg. Kassegger –: Axel, sie ist ja extremer als wir! – Abg. Kassegger: Eh!)

Deswegen noch ein weiteres Anliegen, das wir auch schon im Ausschuss besprochen haben, noch einmal: Das große Ziel muss sein, die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren – zumindest aus unserer Sicht. (Abg. Kassegger: Aber vernünftig, nicht lächerlich! Vernünftig!) – Ich glaube, die FPÖ sieht es anders, wie ich an der Mimik bemerke.

Ein ganz wichtiger Schritt, um die Diversifizierung schnell in die Gänge zu bringen, den wir gehen könnten, für den Sie sich einsetzen könnten, wäre – Sie wissen genau, worum es geht – der Ausbau der Gasleitungen im Mühlviertel, der berühmte WAG-Loop. Was ist passiert? – Es ist ein sehr strategisches Infrastrukturprojekt, das von der E-Control priorisiert worden ist, für das alle Genehmigungen da sind und das die Gas Connect auch bauen will.

Warum ist diese Infrastrukturanlage so wichtig? – Weil das der Weg ist, über den dann Gas aus Norwegen nach Österreich geschickt und zum Beispiel auch nach Slowenien weitergeschickt werden kann. Im Augenblick ist es aber ein Bottleneck, weil die Gasleitung zu klein ist. Das heißt, da müsste raschest ausgebaut werden. Wer stellt sich dagegen? – Der Verbund. Herr Strugl sagt nämlich: Das ganze Ding ist nicht so wichtig, warten wir bis 2027! – Das ist aus unserer Sicht wirklich verantwortungslos, wissend, dass die Transitver­träge von russischem Gas durch die Ukraine nächstes Jahr auslaufen werden. Das wäre ein extrem wichtiges Infrastrukturprojekt, bei dem wir Sie bitten würden, dass Sie sich sehr dafür einsetzen, dass das schnell umgesetzt wird. Da hätten Sie dann unsere Zustimmung. (Beifall bei den NEOS.)

21.29



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 430

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schroll. – Bitte sehr.


21.29.58

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Meine Vorrednerin und auch mein Vorredner haben schon einige Punkte angesprochen, die auch wir in den Diskus­sionen bekrittelt haben, aber aus unserer Sicht beinhaltet der vorliegende Text durchaus auch sinnvolle Maßnahmen, bis auf einige wenige Details, die bereits angesprochen wurden. Dazu zählt auch der Nachweis von nicht russischem Gas bei der Bevorratung, weil das natürlich – das haben auch die Expertinnen und Experten in den Verhandlungsrunden gesagt – wirklich schwer nachzuverfolgen ist und da ein Problem besteht.

Zentral sind für mich dagegen die Vorteile für die Kundinnen und Kunden, die wir als SPÖ auch damals schon bei den Verhandlungen im Strombereich eingefordert haben. Im Gaswirtschaftsgesetz werden nun jene Regeln nach­gezogen, die wir damals schon hineinverhandelt haben. Es geht dabei um mehr Transparenz, um erleichterten Anbieterwechsel. Das sind Regelungen, von denen wir als SPÖ schon damals gesagt haben, dass sie auch für den Gasbereich wichtig wären.

Die diesem Antrag zugrunde liegenden Themen sind gut und richtig, aber ich möchte hier an dieser Stelle auch eines ganz, ganz eindeutig sagen: Diese Regelung senkt keinen einzigen Preis. Das ist kein Beitrag zur Inflationsbekämp­fung.

In den letzten Wochen und Monaten wurde deutlich, dass die fehlenden Maßnahmen der Regierung bei der Bekämpfung der hohen Gas- und Wärme­preise ein wesentlicher Treiber der Inflation waren. Da kann die Regierung in noch so vielen Pressekonferenzen betonen, wie sie geholfen hat und, und, und.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 431

Wir reden da von Einmalzahlungen, und es ist schon so, wie wir immer wieder sagen: Eine Einmalzahlung ist eine Einmalzahlung, und damit wird nicht das Problem an der Wurzel gelöst.

Andere Staaten – Sie wissen es –, wie Deutschland und, und, und, haben rechtzeitig erkannt, dass Nichtstun da nichts bringt. (Abg. Höfinger: Ein tolles deutsches Wort!)

Geschätzte Frau Bundesministerin, aber auch geschätzte Regierungspartner von der ÖVP und von den Grünen, ich kann Ihnen nur das eine zeigen (eine Tafel mit einem Kurvendiagramm unter der Überschrift „Gaspreise Börse (Euro pro MWh)“ auf das Redner:innenpult stellend): Wenn Sie sich die Preise anschauen, die von der E-Control ausgegeben werden – und das sind aktuell die Gaspreise von dieser Woche –, dann sehen Sie, wo die sich wieder hinbe­wegen.

Geschätzte Damen und Herren, Frau Kollegin Doppelbauer hat es bereits angesprochen: Wir steuern wieder genau auf jenen Punkt zu, an dem wir voriges Jahr waren, als KMU-Betriebe, die Industrie, aber natürlich auch alle Haushalte massive Probleme bekommen haben.

Ich kann Ihnen nur heute und hier einmal mehr sagen, was schon in unseren zig, zig Anträgen zu Gaspreisdeckel, Strompreisdeckel, aber auch zum befristeten Aussetzen von Meritorder gesagt wurde: dass schleunigst reagiert werden muss.

Weil auch immer im Raum steht, die Unabhängigkeit von Gas aus Russland anzusprechen, möchte ich heute auch noch eines ansprechen, weil wir es heute auch schon als ganz großes Thema gehabt haben: Ob das LNG – Sie können sich vielleicht noch an das Schiff aus Katar erinnern – das – unter Anführungszeichen – „moralisch gute Gas“ ist, möchte ich infrage stellen.

Ich möchte auch noch sagen, dass wir diesem Antrag heute zustimmen werden, weil wir finden, dass er ein kleiner Beitrag ist. Er ist nicht der große Wurf, aber er


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 432

ist eine Verbesserung für die Kundinnen und Kunden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hammer. – Bitte. (Abg. Matznetter: Lukas Hammer erklärt uns jetzt, warum Katar ein guter Lieferant ist!)


21.33.48

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der vorliegenden Novelle geht es in erster Linie um Versorgungssicherheit und auch um Transparenz, das wurde schon angesprochen.

Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen: Nach dem Kriegsausbruch sind die Preise enorm gestiegen, aber wir hatten auch eine extrem angespannte Situation, in der es darum ging, dass wir nicht wussten, ob wir ein paar Monate später überhaupt noch Gas haben würden. Wir hatten eine Situation, in der die Gasspeicher ziemlich leer waren und sich die Gazprom geweigert hat, den zweitgrößten Gasspeicher auf österreichischem Boden in Haidach überhaupt zu befüllen. Das war eine unglaublich dramatische Situation, und wir haben gehandelt: als Koalition, aber auch wir gemeinsam hier im Parlament, mit der Opposition – das möchte ich wirklich dazusagen.

Erinnern Sie sich: Wir haben die Gazprom de facto enteignet, weil sie sich geweigert hat, ihren Gasspeicher zu befüllen. Wir haben uns gemeinsam entschieden, dass wir als Republik eine strategische Gasreserve anlegen. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Hörl.)

1973 hatten wir eine Ölkrise, und danach wurde entschieden, dass wir eine strategische Ölreserve anlegen. Im Gasbereich wurde das nie gemacht. Wir haben das gemacht, und ich glaube, es war eine richtige Entscheidung. Und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 433

heute verlängern wir diese Gasreserve. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Wir haben die Energieversorgungsunternehmen in die Pflicht genommen. Die Energieversorgungsunternehmen hatten eigentlich schon früher die Pflicht, Gas einzulagern, vorzuhalten, aber früher hat es eigentlich gereicht – und das war de facto so –, wenn die Energieversorgungsunternehmen einen Zettel hatten, auf dem stand, dass sie einen Liefervertrag hatten. Das nützt uns bei einem Versor­gungs­stopp nichts.

Es ist schon vorher so gewesen, dass auch physisch eingelagert werden musste. Was wir heute machen, ist, dass wir die Verpflichtung der Energieversor­gungsunternehmen noch erweitern, weil einerseits Energieversorgungsunter­nehmen jetzt für 45 Tage Gas vorhalten müssen und – was ich für besonders wichtig halte – andererseits auch jene Unternehmen, die Gas verstromen, also zum Beispiel auch KWK-Anlagen. Das ist ein weiterer wichtiger Schritt für die Versorgungssicherheit in Österreich. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Kassegger, wir haben das auch in den Verhandlungen diskutiert: Wir reduzieren diese Verpflichtung von 45 auf 30 Tage, wenn ausschließlich nicht russisches Gas eingelagert wird. Damit setzen wir einen Anreiz, dass nicht russische Gasquellen erschlossen werden, nicht russisches Gas genützt wird und wir so die Gasversorgung diversifizieren.

Ich glaube, beides – das Einlagern, aber auch das Diversifizieren – trägt zur Versorgungssicherheit bei, weil, Herr Kassegger, es nicht ideologisch motiviert ist, dass wir nicht russisches Gas beschaffen wollen. Es ist das russische Gas, das nicht sicher ist, weil die Gasleitung durch die Ukraine, durch ein Kriegsland, gelegt ist und wir nicht wissen, ob es nicht doch irgendwann so weit sein wird, dass es keine Durchleitungsrechte gibt oder dass die Gasleitung beschädigt wird und wir überhaupt kein Gas bekommen oder dass sich Russland entscheidet, einfach den Gashahn zuzudrehen.


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Das heißt, es ist in unserem strategischen energiepolitischen Interesse, nicht russisches Gas zu erschließen und so bald wie möglich aus russischem Gas auszusteigen. Das hat nichts mit Ideologie zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Bevor die Redezeit ganz zu Ende ist, bringe ich noch einen Abänderungsantrag ein. Es sind vor allem redaktionelle Änderungen. Der Abänderungsantrag wurde verteilt, aber ich bringe ihn auch so ein und erläutere ihn in den Grundzügen.

Es ist der Abänderungsantrag der Kolleg:innen Hammer, Graf, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3531/A.

Was steht da drinnen? – Wir stellen im Gaswirtschaftsgesetz und im ElWOG vor allem sicher, dass alle Tarife angeboten werden, die sich aktuell im Tarifkal­ku­lator befinden, und wir stellen klar, dass bei den Floatertarifen bei Gas und Strom keine Bindungsfristen vereinbart werden dürfen.

Lassen Sie mich noch einmal sagen: Ich bedanke mich für die konstruktiven Gespräche. Die gab es auch mit den beiden Parteien, die heute nicht zustimmen, muss ich sagen. Ich habe das Gefühl, dass die Gespräche hier im Parlament viel konstruktiver sind, wenn wir über Versorgungssicherheit mit Energie diskutieren, als wenn wir zum Beispiel über Klimaschutz diskutieren. (Heiterkeit des Abg. Kassegger.)

Bei der Versorgungssicherheit ist dieses Gefühl da, dass wir gemeinsam an etwas arbeiten, das extrem wichtig und dringend ist und bei dem wir alle gemeinsam in einem Boot sitzen. Ich finde, dass das gerade beim Klimaschutz auch so sein sollte. Wir kämpfen weiter dafür, dass wir hier im Parlament auch beim Klima­schutz so konstruktiv zusammenarbeiten, wie das bei der Versorgungs­­sicherheit der Fall ist. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.39


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 435

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf,

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3531/A der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011), das Erdölbevorratungsgesetz 2012 und das Elektrizitätswirtschafts- und -organisa­tionsgesetz 2010 (ElWOG 2010) geändert wird (2239 d.B.) – TOP 18

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben zitierte Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichts 2239 d.B. wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 1 Z 5 wird in § 123a Abs. 3 nach der Wortfolge „des letzten Vertragsjahres“ das Wort „aktuell“ eingefügt.

2. In Artikel 1 Z 6 lautet § 125 Abs. 4a:

„(4a) Bietet ein Versorger Lieferverträge an, welche die Preisschwankungen der Großhandelspreise widerspiegeln (Spotmarkt-Produkte oder andere Produkte mit automatischer Preisänderung), muss er Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmer nachweislich vor Abschluss des Vertrags über Chancen sowie Kosten und Risiken von diesen Produkten informieren. Der Abschluss eines solchen Liefervertrags ist nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Verbraucher und Kleinunternehmen zulässig. Während der Vertragslaufzeit hat der Versorger den Kunden laufend in geeigneter Weise über die Preisentwicklungen und über auftre­tende Risiken rechtzeitig und auf verständliche Weise zu informieren. Verträge nach dieser Bestimmung dürfen jederzeit unter Einhaltung der Fristen gemäß § 123 Abs. 1 erster und zweiter Satz gekündigt werden.“


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3. In Artikel 3 Z 3a wird in § 76a Abs. 3 nach der Wortfolge „des letzten Vertragsjahres“ das Wort „aktuell“ eingefügt.

4. In Artikel 3 wird nach Z 3a folgende Z 3b eingefügt:

„3b. § 80 Abs. 4a lautet:

„(4a) Bietet ein Lieferant Lieferverträge an, welche die Preisschwankungen der Großhandelspreise widerspiegeln (Spotmarkt-Produkt oder andere Produkte mit automatischer Preisänderung), muss er Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmer nachweislich vor Abschluss des Vertrags über Chancen sowie Kosten und Risiken von diesen Produkten informieren. Der Abschluss eines solchen Liefervertrags ist nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Verbraucher und Kleinunternehmen zulässig. Während der Vertragslaufzeit hat der Lieferant den Kunden laufend in geeigneter Weise über die Preisentwicklungen und über auftretende Risiken rechtzeitig und auf verständliche Weise zu informieren. Verträge nach dieser Bestimmung dürfen jederzeit unter Einhaltung der Frist gemäß § 76 Abs. 1 erster und zweiter Satz gekündigt werden.““

Begründung

Zu den Z 1 und 3 (§ 123a Abs. 3 GWG 2011 sowie § 76a Abs. 3 ElWOG 2010):

Durch diese redaktionelle Änderung wird klargestellt, dass es beim Angebot des Umstiegs auf ein günstigeres Standardprodukt darauf ankommt, dass dieses günstigere Standardprodukt für neue Kunden aktuell im Tarifkalkulator der Regulierungsbehörde ausgewiesen ist. Ob ein Standardprodukt günstiger als das bisherige Produkt ist, muss vom Versorger bzw. vom Lieferanten anhand des Energieverbrauchs des Kunden innerhalb des letzten Vertragsjahres ermittelt werden. Es ist dabei auf den Energieverbrauch eines gesamten Jahres abzustellen, um zu gewährleisten, dass beim Vergleich auch etwaige Rabatte, die auf den Arbeitspreis gewährt werden und im Tarifkalkulator vereinfacht über einen Verbrauchszeitraum von 12 Monaten dargestellt werden, berücksichtigt werden können. Sind


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 437

Bindungsfristen vereinbart, so sollten Versorger bzw. Lieferanten das Informations­schreiben noch vor Ablauf der Bindungsfrist zu übermitteln.

Zu den Z 2 und 4 (§ 125 Abs. 4a GWG 2011 sowie § 80 Abs. 4a ElWOG 2010):

Neben redaktionellen Anpassungen wird jeweils im letzten Satz klargestellt, dass Lieferverträge, welche die Preisschwankungen der Großhandelspreise widerspiegeln, unter Einhaltung der entsprechenden Fristen der § 123 Abs. 1 erster und zweiter Satz GWG 2011 sowie § 76 Abs. 1 erster und zweiter Satz ElWOG 2010 sowohl von Kunden als auch von Versorgern bzw. Lieferanten gekündigt werden können. Die Vereinbarung einer Bindungsfrist ist damit bei solchen Verträgen nicht zulässig.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Frau Bundesministerin, Sie haben das Wort.


21.39.34

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Wir haben – und das ist jetzt schon vielfach angeklungen – seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine vieles getan, dass österreichische Kun­dinnen und Kunden sicher und zuverlässig mit Gas versorgt werden können.

Die österreichischen Gasspeicher sind auch dieses Jahr sehr gut gefüllt. Wir haben einen absoluten Rekordstand – also wir haben noch nie so viel Gas in unseren Speichern gehabt wie dieses Jahr –, und es sind für diesen Winter keine Versorgungsengpässe zu erwarten. Aufgrund all unserer Bemühungen seit Ende Februar 2022 konnte auch eine Energielenkung in der Gaswirtschaft bislang unterbleiben. (Die Rednerin hustet.) – Entschuldigung! (Die Rednerin trinkt aus ihrem Glas.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 438

Jetzt stehen wir vor dem nächsten Schritt: Wir wollen die Versorgungssicherheit noch weiter absichern. Wir haben nun eine weitere Novelle des Gaswirtschafts­gesetzes 2011 ausgearbeitet. Das ist bereits die fünfte Novelle seit Beginn des Krieges, und ich möchte an dieser Stelle wirklich ein ganz herzliches Danke sagen, und zwar nicht nur an alle hier im Plenum, die gemeinsam konstruktiv an diesem Thema arbeiten, sondern vor allem auch an die Kolleginnen und Kollegen im BMK, die letztes Jahr wirklich ganz, ganz Außerordentliches geleistet haben und jetzt eine neue Novelle auf den Weg bringen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Graf. – Die Rednerin hustet neuerlich.)

Was machen wir, um die Versorgungssicherheit noch weiter abzusichern? – Im Mittelpunkt dieses Initiativantrages steht eben einerseits die Ausweitung des bestehenden Versorgungsstandards für geschützte Kund:innen und andererseits eine Neueinführung einer Pflicht zur Vorhaltung von Gasmengen für Gaskraftwerke im EIWOG.

Frau Abgeordnete Doppelbauer, das sind beides Vorschläge, die Walter Boltz und Gerhard Roiss gemacht haben als wichtige Bausteine, um unsere Abhängigkeit zu reduzieren. Da gibt es keine Silverbullet (Abg. Loacker legt der Rednerin ein Bonbon auf die Regierungsbank) – danke (das Bonbon herzeigend) für die Versorgung! –, da gibt es eine Vielzahl von Schritten, die man setzen kann, und diese zwei heute sind zwei, die dafür ganz, ganz wichtig sind, und deswegen darf ich an dieser Stelle vielleicht noch einmal appellieren, das zu überdenken. Ich glaube, es sind weitere wichtige Bausteine zur Reduktion unserer Abhängigkeit von Russland. (Die Rednerin hustet.)

Den damit einhergehenden starken Anreiz zur Diversifizierung haben sowohl Abgeordneter Hammer als auch Abgeordneter Haubner bereits erwähnt. Jetzt kann man wie ich der Meinung sein, die starke Abhängigkeit von Russland ist ein Sicherheitsrisiko, aber Herr Abgeordneter Kassegger sieht das offensichtlich anders. Ich kann nur sagen, Risikostreuung ist immer gescheiter als einseitiges Klumpenrisiko, und ich glaube, da werde ich auch mit Herrn


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Abgeordneten Matznetter einig sein. (Abg. Matznetter: ... Katar! ... finanziert die Hamas!)

Worin wir uns, glaube ich, auch einig sind, ist, dass fossiles Gas generell das Gas ist, von dem wir wegkommen müssen; erneuerbares Gas ist der Weg, wo wir hinmüssen. Diversifizierung ist jetzt auf jeden Fall ein Gebot der Stunde. (Abg. Schallmeiner legt der Rednerin etwas auf die Regierungsbank.)

Der zweite Punkt ist die Transparenz für Endkund:innen, auch das ist schon angesprochen worden. Gasversorger sollen der Regulierungsbehörde Informationen zu ihren geläufigen Standardprodukten melden, wodurch der von der E-Control durchgeführte Tarifkalkulator mit aktuellen, mit gut verständlichen Informationen aktualisiert werden kann. Außerdem müssen Kund:innen jährlich über Wechselmöglichkeiten informiert werden. Sie haben gerade heute wieder den Medienberichten entnommen, dass sich das wirklich auszahlen kann. Wir haben einen ordentlichen Preisspread zwischen Anbietern, insbesondere zwischen den Landes-EVUs und anderen. Also insofern: Es zahlt sich aus, schauen Sie sich den Tarifkalkulator an!

Wichtig ist, nach dem Höhepunkt der Energiekrise auch den Wettbewerb wiederzubeleben, damit auch möglichst viele Kundinnen und Kunden von den derzeit fallenden und deutlich günstigeren Neuverträgen profitieren können.

Dazu noch ein Wort an Abgeordneten Schroll – ich weiß jetzt gerade nicht, wo er ist (die Rednerin hustet) –: Ja, wir sehen, der Gasmarkt ist nach wie vor nervös – extrem nervös! – und reagiert natürlich auf das, was gerade in Israel Schreckliches passiert, aber wir sind weit weg – weit weg! – von der Situation des letzten Jahres, einerseits was die Preisentwicklung betrifft, was die Dynamik betrifft, aber auch was die Erwartungen der Experten und Expertinnen betrifft. Ich würde wirklich bitten und ersuchen, dass wir mit dieser Nervosität verantwortungsvoll umgehen und sie nicht weiter anheizen, wenn auch die Experten und Expertinnen – zuletzt Walter Boltz – gerade auch in den Medien wieder erwarten, dass sich kleine Preisausschläge aufgrund solcher Anlässe


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ergeben, weil die Märkte nervös sind. Wir sind aber weit entfernt von der Entwicklung, bei der wir letztes Jahr waren, und das bitte ich auch einfach wirklich verantwortungsvoll zu kommunizieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der letzte Punkt – damit lasse ich es dann für heute mit dem Reden – ist die Rechtsgrundlage für die strategische Gasreserve. Jetzt kann man natürlich sagen: In Zeiten höchster Not – als wir keine Reserve hatten – macht man erst recht keine – das war sozusagen der Weg, den Herr Kassegger gerade vorgeschlagen hat –, also wenn man in einer Situation ist, in der man sieht, dass Russland den Gashahn abdreht, schaut man zu. – Wir haben uns für das Gegenteil entschieden. Wir haben gesagt, wir machen gerade in der Situation der höchsten Not eine Versicherungspolizze, nämlich für die Versorgung der österreichischen Bevölkerung eine strategische Gasreserve anzuschaffen. (Abg. Kassegger: Das hätte man schon vor Jahren ...! – Abg. Lukas Hammer – in Richtung Abg. Kassegger –: Stimmt! Das hättet ihr machen können!) Die soll jetzt bis zum April 2026 verlängert werden.

Das trägt zur Versorgungssicherheit bei, dient aber auch dazu, die Speicherung so kostengünstig wie möglich zu realisieren, indem man jetzt schon entsprechende Verträge machen und Anpassungen vornehmen kann. Auch die neue Möglichkeit, das Abschmelzen der Gasreserve mit Verordnung flexibler zu regeln, wird dazu beitragen, die Kosten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler möglichst gering zu halten. Das müsste also ganz (in Richtung Abg. Kassegger) in Ihrem Sinne sein (Abg. Kassegger: Das war ja nicht das Thema!), und ich darf auch in diese Richtung noch einmal ersuchen: Vielleicht überlegen Sie sich ja doch noch, mitzustimmen.

Ich möchte wirklich allen Beteiligten für die konstruktive Arbeit an diesen Anträgen herzlich danken und darf Sie um Unterstützung ersuchen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Bogner-Strauß und Michael Hammer.)

21.46



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf mich für die parteiübergreifende Unterstützung der Ministerin bedanken. So sehen Sie, wie das Parlament mit Ministern umgeht, nicht? (Abg. Hörl: Viel zu gut! – Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Weratschnig: Franzi, du kriegst auch ein Zuckerl!)

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Graf. – Bitte.


21.46.39

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Geschätzte Staatssekretärin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer, die noch vor dem Fernseher sitzen oder sich noch auf der Galerie befinden! Über den Inhalt des Antrages wurde eigentlich schon einiges erzählt und auch berichtet, ich möchte aber trotzdem noch einmal den Fokus auf die Versorgungs­sicherheit legen, weil das eigentlich das höchste Gut ist, das wir unseren Bürgerinnen und Bürgern gewährleisten können, indem wir sagen: Wir wollen hier in Österreich Versorgungssicherheit haben.

Ich möchte diesbezüglich auch sagen, dass wir schon einiges gemacht haben – ich darf an das Gasdiversifizierungsgesetz erinnern, das wir beschlossen haben –, und aufgrund dessen, was wir in Österreich schon alles gemacht haben, hat uns die Agentur Fitch neu beurteilt und Österreich ein neues Ranking ausgestellt. Das zeigt schon, dass unsere Maßnahmen, die wir gemeinsam mit der Ministerin und mit dem Bundeskanzler gesetzt haben, wichtig und richtig waren.

Kollegin Doppelbauer hat einiges gesagt, was Importe und dergleichen betrifft. – Ja, es gibt Importe aus Russland, da stimme ich dir auch zu, die liegen jetzt laut E-Control aber eher bei 50 Prozent. Es ist halt so: Sie schwanken, wir haben einmal mehr gehabt, einmal weniger. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir den Fokus darauf gelegt haben, dass wir diversifizieren.

Das werden wir damit auch machen – Lukas Hammer hat es gesagt –, aber ich teile auch die Meinung, die du geäußert hast, nämlich wie wichtig es ist, die Infrastruktur aufrechtzuhalten. Lukas Hammer hat kurz erwähnt, dass die Leitung


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eigentlich über die Ukraine geht. Da muss ich Frau Doppelbauer jetzt auch dahin gehend zustimmen, wie wichtig es ist, einen WAG-Loop zu bauen, denn wenn es mit der Leitung der Ukraine ein Problem gibt, sollten wir vorbereitet sein, also ich unterstütze auch, dass wir sagen: Geben wir wirklich einmal Gas beim WAG-Loop, um den voranzutreiben! (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abgeordneten Bernhard und Doppelbauer.)

Was Kollegen Schroll betrifft – das haben die E-Control und auch das Wifo bestätigt –: Der Haupttreiber beziehungsweise einer der Haupttreiber ist die Fernwärme gewesen, und das muss man vielleicht auch sagen. Die nutzt natürlich auch Gas, aber die Fernwärme war einer der Inflationstreiber. Vielleicht schaffen wir in diese Richtung – wir haben es auch im Ausschuss besprochen – eine Supertransparenz, indem wir da auch den Weg gehen, dass die E-Control das mitkontrolliert. Es würde mich freuen, wenn wir in diese Richtung gehen.

Worauf wir den Fokus bestenfalls legen können, ist eigentlich der Ausbau der Erneuerbaren, denn so schaffen wir auch Unabhängigkeit und kommen weg vom Gas. Das müssen wir halt auch vorantreiben! Da sind wir wieder beim Thema der Infrastruktur: Wir brauchen die entsprechenden Netze, damit die erneuerbaren Energien auch in die Netze kommen.

In Richtung FPÖ: Ja, also ich teile jetzt nicht das Thema, dass wir nichts für die Versorgungssicherheit machen sollten, denn dafür haben wir in Österreich schon sehr viel gemacht, Herr Kollege Kassegger, aber vielleicht schaffen wir doch etwas wie beim Thema EIWOG – du hast das erwähnt –: Wir waren uns da einig, dass Transparenz wichtig ist, dass die Versorgungssicherheit wichtig ist. Was wäre, wenn die FPÖ – ich gehe davon aus, dass die FPÖ draußen immer damit geprahlt hat, dass sie für Versorgungssicherheit ist (Abg. Schrangl: Prahlerei ist eure Sache! Die Prahlerei ist eure Sache!) – auch da mitgeht und sagt: Die Versor­gungs­sicherheit steht im Vordergrund (Abg. Kassegger: Ja, richtig! Deswegen ist ...! 45 Tage, ohne Differenzierung!), und lassen wir die Frage: Woher kommt das Gas?, weil wir differenzieren werden und das wichtig und richtig für unser Land Österreich ist.


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Es würde mich freuen, wenn wir es doch schaffen, das hier in einem gemeinsamen Schulterschluss zu beschließen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Oberrauner. – Bitte.


21.50.10

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren, die noch anwesend sind! Wir haben schon gesagt: Als SPÖ werden wir der Novelle zustimmen. Wir schätzen einige Punkte, die darin geregelt werden, vor allem die Transparenz und auch die Verpflichtung der Energieversorger, die Kunden darauf hinzuweisen, dass sie wechseln können, und zwar zu günstigeren Kondi­tionen und zu günstigeren Preisen.

Für uns ist außerdem wichtig, dass die Novelle Anreize für Gasanbieter setzt, ihre Gasquellen zu diversifizieren. Das ist so wichtig, weil es vielleicht auch ein bisschen die Unabhängigkeit stärkt und die Lieferquellen, wenn sie aufgeteilt sind, mehr Versorgungssicherheit und weniger Abhängigkeit bringen.

Die Preisexplosionen bei Energiepreisen sind für die Menschen, die sie betreffen, nicht in den Griff zu bekommen. Es gibt aber auch noch keine wirklich wirksamen Maßnahmen, um eine Veränderung herbeizuführen. Da wäre die Regierung dringend gefragt, für Versorgungssicherheit und für Preise, die akzep­tabel sind, zu sorgen.

Was die Speichergeschichten betrifft, sollten wir nicht noch einmal in die Situation kommen, dass die Speicher voll sind, aber Österreich aus diesen Speichern nicht einmal ein Drittel selbst besitzt und alles von anderswo eingelagert ist, sodass wir es nicht benutzen können. (Abg. Hörl: Es gibt ja keine


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Diskussion!) Das wäre wichtig, weil man ja damals die Italiener verdächtigt hat, sie würden österreichisches Gas abholen. Es waren aber Italiener, die dort eingebunkert haben, und es war ihr Gas, das sie geholt haben. (Abg. Haubner: Bella Italia!)

Was mir ganz wichtig ist – und das sind die kritischen Punkte –, wäre, auch konsumentenseitig etwas zu tun und die Konzerne, die anbieten, dazu aufzufordern, ihre Botschaften niederschwellig zu schicken, sodass die Menschen auch verstehen, was sich jetzt verändert. Viele ältere Menschen haben weder einen Computer, noch können sie lesen, was da kommt, mit allen Beilagen, die zur Absicherung des Risikos für die Konzerne dienen. Da muss man nieder­schwellig vorgehen und den Menschen die Möglichkeit geben, zu verstehen, was los ist. – Das ist das Erste.

Der Einjahresvertrag ist eigentlich eine Risikoumverteilung auf die Konsu­menten, denn dieser gilt ein Jahr lang, weil die Anbieter nicht wissen, wie sie am Weltmarkt einkaufen. Das heißt, ich als Konsument muss nach einem Jahr meinen Vertrag neu verhandeln, und wenn die Preise eben nicht so sind, wie sich die Konzerne das vorstellen, dann zahle ich wieder und bin wieder derjenige, der dieses Risiko zu tragen hat. Das ist eigentlich eine Frechheit.

Bei diesen Preisen, bei diesem Risiko und bei diesem komplizierten Verfahren, bei dem man jedes Jahr etwas Neues machen muss, ist es für alle Menschen und besonders für die ältere Generation und für jene, die das niederschwellig brauchen und so nicht lesen können – ich selbst muss auch 10 Stunden überlegen, was da los ist! –, ein Hohn, wenn dann die Energieanbieter hinausgehen und Milliardengewinne präsentieren, während sich die Menschen den Strom, den sie gekauft, und die Gewinne, die sie finanziert haben, nicht einmal leisten können. (Abg. Eßl: Noch nie etwas von Strompreisbremse gehört?)

Da gibt es dringenden Handlungsbedarf vonseiten der Politik, und das muss, glaube ich, ein gemeinsames Ansinnen von uns sein. Wenigstens auf die Grünen würde ich in dieser Situation – neben der Sozialdemokratie, die sich dafür


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einsetzt – zählen. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Bereich, der dringend geregelt gehört – zum Beispiel mit 10 Prozent Abschöpfung, die man dann sozialverträglich den Leuten gibt, die sich die Energiepreise nicht leisten können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Höfinger. – Bitte.


21.53.49

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Versorgungssicherheit – das Schlagwort ist jetzt durch meine Vorredner schon sehr, sehr oft gefallen. Versorgungssicherheit ist in diesem Gesetzespaket auf drei Stufen aufgebaut, nämlich was die Bevorratungsmenge betrifft, was die Bevorratungsdauer betrifft, aber auch was die Transparenz dahinter betrifft.

All das ist hineinverpackt und ich denke, wir stehen in der großen Verantwor­tung, den Menschen, was die einzelnen Haushalte betrifft, die Sicherheit zu geben, über einen längeren Zeitraum abgesichert zu sein, zu wissen, dass man gut versorgt ist. Es ist aber natürlich auch eine Standortfrage: Wir haben Verantwortung für die produzierende Industrie, für das produzierende Gewerbe, denn daran hängt nicht nur die Wertschöpfung, sondern daran hängen ja auch Arbeitsplätze.

Wir haben jetzt erlebt, dass von zwei Fraktionen Kontraredner hier waren, aber wer die Ausführungen dieser beiden Redner verfolgt hat, der hat gemerkt: Die haben ja komplett diametrale Ansichten. Die widersprechen einander ja in Wirklichkeit und begründen mit den unterschiedlichsten Argumenten, warum sie diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Das ist in Wirklichkeit schade, denn es wäre unsere gemeinsame Verantwortung, für diese Versorgungssicherheit zu sorgen.


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Die NEOS sagen, es kann nicht schnell genug gehen, aus der Abhängigkeit von russischem Gas herauszukommen. – Ja, dieser Meinung sind wir auch, aber wir haben es mit der tagtäglichen Realität zu tun. Es wird mit allen Mög­lichkeiten daran geschraubt und gearbeitet, dass wir die Versorgung umbauen, diversifizieren, wie es genannt wird, nämlich Energie aus anderen Quellen zu organisieren, bereitzustellen, um eben auch in Zukunft bestens abgesichert zu sein. Es geht Step by Step. Jetzt diesem Gesetzentwurf mit dem Argument, es gehe nicht schnell genug, nicht zuzustimmen finde ich etwas seltsam.

Seltsam sind auch die Ansichten der Freiheitlichen in dieser Frage – seit vielen, vielen Jahren. Wir wissen nicht erst, seitdem der Ukrainekrieg tobt, dass wir gefährdet sind, was die Versorgungssicherheit mit russischem Gas betrifft, sondern es gab vor ungefähr elf, zwölf Jahren schon einmal die Situation, dass bei den russischen Pipelines willkürlich die Gasversorgung abgedreht wurde. Ich war Energiesprecher, ich war Umweltsprecher von 2013 bis 2017. Ich habe in vielen Reden und in vielen Diskussionen dieses Thema immer wieder ins Spiel gebracht. Es war kalt in manchen Haushalten, es war still in manchen Betrieben, weil die Versorgungsmenge nicht da war – ohne die Voraussetzungen, die wir jetzt haben. Das heißt, das kommt noch als zusätzliches Argument hinzu.

Darum verstehe ich diese Haltung nicht, das wird auf die leichte Schulter genommen. Das können wir uns als Regierungsparteien nicht leisten. Daher kann ich Sie wirklich nur bitten, eben diesem Gesamtpaket zuzustimmen, um den österreichischen Unternehmen eine Standortgarantie zu geben, um den österreichi­schen Haushalten eine Versorgungssicherheit zu geben. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.56 21.56.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 2239 der Beilagen.


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Hierzu haben die Abgeordneten Hammer, Graf, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht. Wir stimmen zuerst über den Zusatz- und Abänderungsantrag ab und dann über die noch nicht betroffenen Teile des Gesetzentwurfes.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest. – Diese ist gegeben.

Die Abgeordneten Hammer, Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 und 3 gestellt.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Wer dafür ist, wird ebenfalls um ein Zeichen gebeten. – Das ist das gleiche Stimmverhalten. Ich stelle daher mehrheitlich angenommen und ausdrücklich auch zusätzlich fest, dass die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit gegeben ist.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf die Damen und Herren, die auch in dritter Lesung diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen ersuchen. – Das ist das gleiche Stimmverhalten.

Ich stelle wiederum ausdrücklich fest, dass die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit gegeben ist.


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21.58.3318. Punkt

Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 3607/A(E) der Abge­ordneten Franz Hörl, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Weiterentwicklung der Erfolgsmessung im Tourismus durch langfristige und zielgerichtete Erhebungen zur Tourismusakzeptanz in der Bevölkerung (2223 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 3201/A(E) der Abge­ordneten Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Guide Michelin in Österreich (2224 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 18 und 19, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Erasim. Bei ihr steht das Wort. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


21.59.18

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute zwei Punkte, die im Tourismusausschuss verhandelt wurden und die auch hier unter einem diskutiert werden. Beiden Punkten werden wir als sozialdemo­kratische Parlamentsfraktion unsere Zustimmung erteilen und ich darf diese kurz erörtern.

Als Erstes gilt es, den Antrag zur Weiterentwicklung der Erfolgsmessung in Bezug auf die Tourismusakzeptanz auszuführen. Wir sehen da die Einstellung der Bevölkerung vor allem in Tourismushotspots als einen wesentlichen Erfolgsfaktor, und deshalb finden wir es auch gut und richtig, wenn im Bereich


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der Tourismusakzeptanz auch in Zukunft eine qualifizierte Messung durchgeführt wird.

Beim zweiten wichtigen Punkt, bei dem es von Beginn an einen breiten überparteilichen Schulterschluss gegeben hat, geht es darum, dass wir gemein­sam relevante Weichen stellen konnten, um den Guide Michelin als eigenständige Österreichausgabe wieder einzuführen. Da gab es von Beginn an diese überparteiliche Übereinstimmung und auch da werden wir zustimmen.

Auf den ersten Blick wirkt es vielleicht etwas seltsam oder wirft zumindest Fragen auf, warum wir als Sozialdemokratie uns für Sternebetriebe starkmachen, aber das kann ich sehr einfach erklären. Dazu muss man sich vielleicht kurz die Geschichte des Guide Michelin ansehen. Der Guide hat sich ja 2009 aufgrund der weltweiten Finanzkrise und der hohen Druck­kosten aus Österreich zurückgezogen, ausgenommen die beiden Städte Wien und Salzburg, die im Städte-Guide-Michelin Platz gefunden haben. Genau deshalb gab es ja außerhalb dieser beiden Städte keinerlei Sternebetriebe mehr. Der Knackpunkt lag damals und liegt auch jetzt bei der Finanzierung, betreffend die wir Sie, Frau Staatssekretärin, seitens des Parlaments ersuchen, diesbezüglich die Gespräche zu intensivieren, um eine Lösung zu finden, um eben auch als Tourismus- und Gastronomieland wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Wertschöpfungskette reicht, wenn man sich die Zahlen genauer ansieht, weit über die Sternelokale hinaus und stärkt die gesamte Umgebung. Wir müssen – und das ist ja mein Herzensthema – zur Bekämpfung des Fach- und Arbeitskräftemangels wirklich alles tun, um genau diese Berufsbilder in Hotellerie und Gastronomie zu attraktivieren, und auch das hier leistet einen kleinen Beitrag dazu.

Bei aller Einhelligkeit bei diesen beiden Punkten muss ich erneut wichtige ausstehende Maßnahmen in genau jenem Kampf gegen den Fach- und Arbeitskräftemangel, den ich gerade besprochen habe, einmahnen. (Abg. Michael


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Hammer: Jetzt sollen wohl alle weniger arbeiten!) – Zuhören und lernen! – So verstehe ich nicht, dass unser wichtiger Antrag in Bezug auf die Maßnahmen für Lehrlinge erneut vertagt wurde. Hier brauchen wir dringend neue Ausbil­dungspläne, neue Fristen oder überhaupt Fristen bei Feststellungsbescheiden, wir müssen da wirklich etwas tun! (Beifall bei der SPÖ.)

Ebenso verschließen Sie die Augen vor dem Anwachsen der Schwarzarbeit in diesem Bereich komplett. Wir als Sozialdemokratie schützen mit unseren Forderungen einerseits die Mitarbeitenden vor Ausbeutung und auf der anderen Seite die Unternehmen – nämlich die vielen, vielen fleißigen und ehrlichen Unternehmen – vor Wettbewerbsverzerrung. Ich habe genau zu diesem Thema heute sieben parlamentarische Anfragen eingebracht. Ich bin sehr auf die Antworten der Regierung gespannt; noch mehr bin ich auf die Maßnahmen, die Sie aus den Beantwortungen ableiten werden, gespannt.

Wir als sozialdemokratische Parlamentsfraktion sind bereit, die bestehenden Probleme im Tourismus und in der Gastronomie anzugehen. Ich hoffe, Sie als Verbündete mit an Bord zu haben und freue mich auf alle weiteren gemein­samen Aktivitäten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hörl. – Bitte.


22.04.10

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! (Der Redner versucht erfolglos, das Buch „Guide Michelin Österreich 2009“ auf das Redner:innenpult zu stellen, legt es schlussendlich hin. – Abg. Stögmüller: Hat er ein Buch mit? – Heiterkeit bei Grünen und SPÖ. – Zwischenrufe bei Grünen, SPÖ und ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Ein Reiseführer?) Die öster­reichische Gastfreundschaft hat zu Recht einen hervorragenden Ruf, die österreichische Küche genießt Weltruhm. Einheimische und Touristen aller


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Herren Ländern lassen sich gerne in unseren Lokalen kulinarisch verwöhnen. Als Orientierung dient der Gastronomieführer.

Leider fehlt der einzige internationale Gastronomieführer, nämlich der Guide Michelin, der durch Profigastronomen eine objektive Bewertung der Einzelleis­tungen garantiert. Das ist ein echter Standortnachteil, da die inter­nationale Vergleichbarkeit nicht gegeben ist, denn (das genannte Buch in die Höhe haltend) seit 2009 gibt es erschreckenderweise keinen Guide Michelin für Gesamt­österreich mehr. Seit damals werden nur mehr Wien und Salzburg in der Ausgabe „Main Cities of Europe“ berücksichtigt.

Die Verleihung eines oder mehrerer Michelin-Sterne ist die höchste Auszeichnung – ich war selber vor langer Zeit in einem solchen Restaurant als Kochlehrling beschäftigt –, die einem Koch, einem Restaurant zuteilwerden kann. Sterne sind Goldstandard, die härteste und weltweit anerkannt Währung für Restaurants und Küchen der Spitzenklasse. Ich zitiere einen unserer Spitzenköche: Gabeln gehören in die Schublade und Hauben auf den Kopf der Köche. – Die Sterne sind also Auszeichnungen, internationales Qualitäts­merkmal und regelrechte Reiseempfehlung.

Ein Stern heißt: „Eine Küche voller Finesse – einen Stopp wert!“ (Beifall des Abg. Schmuckenschlager.) Zwei Sterne stehen für: „Eine Spitzenküche – einen Umweg wert!“ – und drei Sterne bedeuten: „Eine einzigartige Küche – eine Reise wert!“

Österreich hat derzeit acht Einsternrestaurants, sechs Zweisterne- und nur ein Dreisternerestaurant. 2009, als dieser Guide Michelin das letzte Mal in Österreich erschienen ist, hatten wir insgesamt 54 Michelin-Sterne-Restaurants, heute nur mehr 23.

Rund um uns herum in Europa verfügen 16 Länder über Michelin-Länderguides, alle alpinen Grenzländer haben einen – Österreich ist also davon umgeben. Tirol, mein Heimatland, geht bei der Spitzengastronomie völlig leer aus, Südtirol


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hingegen rühmt sich heute noch, 26 Sternerestaurants zu haben. Was könnte den Standortnachteil noch deutlicher machen? Andreas Hofer, Tiroler Gastwirt wie ich, würde sich im Grab umdrehen.

Die großartige Kochleistung unserer zahlreichen jungen Talente auf dem Land – die Liste wäre zu lang, um sie hier vorzutragen – wird von dem renommiertesten Kulinarikführer der Welt nicht berücksichtig. Für das Ausland entsteht der Eindruck, es gäbe außerhalb der Stadt Salzburg und Wiens in Österreich keine Hochgastronomie – das Gegenteil ist wahr! Ich bin für Gerechtigkeit und Chancengleichheit, für fairen Wettbewerb und internationale Vergleichbarkeit, und deshalb müssen wir den Vergleich sicher nicht scheuen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein grundsätzliches Missverständnis gilt es aufzuklären. Für die Wiederein­führung des Guide Michelin muss Geld aufgetrieben werden – natürlich. Ja, das stimmt, aber dafür für Leistung. Für welche Leistung? – Objektive Bewertung der Küchen durch Profis, Koch als erstrebenswerter Beruf für Junge durch die Vorbildwirkung unserer Spitzengastronomen, internationale Beachtung in Spitzenrestaurants als Leuchtturm des rot-weiß-roten Tourismus. Der Guide Michelin listet nicht nur Sternelokale auf, sondern alle Betriebe, deren Leistung ihm anerkennenswert erscheint. Diese Listung allein stellt einen Gegenwert von mehreren Hunderttausend Euro dar. Da der Guide Michelin keine Inserate lukriert wie die anderen, braucht er natürlich eine Finanzierung oder Förderung. (Abg. Seidl: Das ist keine Förderung!) Das Geld kommt ja dann auch über die Restaurantrechnung der anonymen Tester wieder in die Restaurants zurück.

2009 wurden in der Österreichausgabe des Guide Michelin 1 200 Hotels, 450 Restaurants, Seilbahnen und Tourismuseinrichtungen berücksichtigt. Als Beispiel sei Saalbach-Hinterglemm genannt, wo 2025 die Ski-WM ausgetragen wird: Da fand man im Michelin neben der Ortsbeschreibung, der Entfernung zu den Großstädten, Veranstaltungen, Skibergen und Liften 17 Hotelbewertungen. Von der Rückkehr des Guide Michelin werden also rund 2 000 Betriebe in Österreich profitieren.


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In Österreich gibt es ärgerlicherweise Widerstand gegen die Wiedereinführung des Guide Michelin. Warum sollte es nicht mehrere Gastronomieführer in diesem Land geben? – einen Gault&Millau, einen Falstaff, einen Guide Michelin, so wie in der Schweiz und auch in Deutschland, wo diese eben auch problemlos nebeneinander existieren?

Gerade der (den Namen „Falschtaff“ aussprechend) Falstaff (Abg. Stögmüller: Fals-taff!) ist auch keine Gratiszeitschrift, wie immer behauptet wird, sondern finanziert sich durch Inserate und Werbung von Tourismusverbänden. Die bewerteten Gastronomiebetriebe, diese Spitzenrestaurants sind ihm aber bei der Bewertung auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Das gibt ein ungustiöses Verhältnis von Macht und Abhängigkeit. (Abg. Stögmüller: Das ist der ÖVP-Spender!)

Im Übrigen erscheint Falstaff – welch Zufall! – bei Shakespeare – ich zitiere Wikipedia – als trink- und raufsüchtiger Soldat, der zur Selbstüberschätzung neigt. Ein Zufall? – Wer sich auskennt. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller. – Zwischenruf bei der SPÖ. – Heiterkeit des Abg. Stögmüller.)

Wie dem auch sei, mir geht es nur darum, Österreich auch international als Genuss- und Kulinarik-Topdestination sichtbar zu machen. Jeder Cent, der da investiert wird, ist für den Tourismus Goldes wert, und ich danke dir, Frau Staatssekretärin, dass du dich hier so mutig und aufopfernd engagierst.

Der Guide ist sowohl für die Gastronomen als auch für den Gast ein Gewinn. So soll es im Idealfall im Tourismus auch sein: Eine Win-win-Situation für Gast­geber, Mitarbeiter, den Gast und unseren Finanzminister. Das stärkt unseren Tourismusstandort und erhöht die Tourismusakzeptanz der Bevölkerung.

Ich danke dir, Frau Staatssekretärin, dass wir das jetzt statistisch erheben und dann auch begleiten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Liebe Genossinnen und Genossen (Abg. Stögmüller – erheitert –: Genoss:innen!) der Sozialdemokratie, die ihr das alles dankenswerterweise unterstützt: Der


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Guide Michelin ist eine rote Bibel, auf die auch ich schwöre (allgemeine Heiter­keit) – Freundschaft (Beifall des Abg. Berlakovich) über alle Berge und Dörfer Tirols und Österreichs (Zwischenrufe bei Grünen und ÖVP), damit mit dieser Bibel auch dort der Wohlstand noch besser gedeihen kann! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

22.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hauser. – Bitte.


22.10.42

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen, zu später Tageszeit! (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Franz Hörl hat uns alle jetzt mit seiner Parodie doch noch etwas aufgeweckt. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Deine Brandrede, lieber Franz Hörl (Ruf bei der ÖVP: Der hat keinen Brand ...!), zum Gastronomieführer: Der ist durchaus notwendig und wichtig, da stimme ich dir schon zu, aber so etwas hätte ich mir eigentlich auch für viele wichtige Initiativen erwartet, die leider Gottes nicht nur im letzten Tourismusausschuss, sondern auch in vielen Tourismus­aus­schüssen zuvor vertagt wurden.

Ich denke zum Beispiel an den Antrag, das Eigenkapital endlich einmal zu stärken. Wenn ich jetzt die Budgetrede des Herrn Finanzministers hernehme, Seite 5 – was sagt denn der Herr Finanzminister? (Abg. Stögmüller: Na Eigenkapital!) –: „Für einen starken Standort und nachhaltige Wettbewerbs­fähigkeit müssen wir daher Anreize für Investitionen setzen und damit die Wirtschaft beim Wirtschaften unterstützen.“ – Das wäre der Weg, geschätzte Kolleginnen und Kollegen.

Wir müssen endlich einmal die Rahmenbedingungen für die Tourismusbetriebe so schaffen, dass sie von sich heraus Investitionen setzen können, von sich heraus, ohne Unterstützungen et cetera, überleben können und gut wirtschaften können. Da war eben dieser Antrag notwendig, wichtig und richtig, und der wird


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seit drei Jahren, bitte, vertagt und hier im Parlament abgelehnt. Das verstehe ich überhaupt nicht. Man muss ja endlich auch einmal ins Tun kommen, statt wichtige Sachen im Ausschuss zu vertagen.

Jenseits dieses Antrages zur Stärkung des Eigenkapitals – indem man die stillen Reserven aufwertet und eingebrachtes Eigenkapital auch abschreiben kann – wäre es zum Beispiel notwendig, die Mitarbeitersituation endlich zu verbessern. Gott sei Dank läuft der Tourismus gut, aber hinten und vorne fehlen Mitarbeiter. Wir müssen da wirklich die Rahmenbedingungen verbessern, damit die Betriebe endlich auch die Mitarbeiter, die wichtig und notwendig sind, bekommen. Auch da passiert leider Gottes viel zu wenig.

Oder – mein Lieblingsthema seit Jahren – Privatvermieter: endlich ein­mal die Rahmenbedingungen für die kleinen Betriebe bis zehn Betten verbessern! Das sind 40 000 an der Zahl, die im Zuge des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs auch eine gute Existenz haben und sehr viel zur Akzeptanz im Tourismus beitragen. Da gelingt es uns nicht, etwas weiterzubringen. Ich werde laufend vertröstet, meine Initiativen zur Unterstützung der kleinen privaten Vermieter werden vertagt, hier im Hohen Haus abgelehnt.

Abschließend zur Tourismusakzeptanz: Ich bringe heute keinen Antrag mehr ein, ich möchte aber im nächsten Tourismusausschuss schon auch über die Leist­barkeit des Skifahrens sprechen. Skifahren war irgendwann einmal ein Volkssport, mittlerweile kosten Skipässe über 70 Euro am Tag. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist für viele Familien nicht mehr leistbar. Über diese Thematik müssen wir im nächsten Tourismusausschuss reden. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ.)

22.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Neßler. – Bitte sehr.



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22.14.01

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Kollege Hauser, es ist schon fein, wenn man sich für die Rede quasi nichts Neues überlegen muss, seit zwei Jahren die gleiche Rede bringt. Das hat natürlich auch etwas (Beifall bei den Grünen – Abg. Hauser: Weil ihr nichts weiterbringts!) – aber zur Sache.

Der Tourismussektor in Österreich ist unbestritten groß, wir hören immer wieder von Nächtigungsrekorden. Da sind wir beim Punkt: Wie lässt sich der Erfolg von Tourismus an den Nächtigungszahlen messen? Diese Zahlen sagen uns nichts darüber aus, wie viel Wertschöpfung in der Region bleibt, wie zufrieden die Gäste sind, wie zufrieden beispielsweise die einheimische Bevölkerung ist.

Die Tourismusakzeptanz ist ein wesentlicher Faktor und oft auch ein unterschätzter Faktor für einen erfolgreichen Tourismus. Wir kennen Beispiele, bei denen sich der Tourismus zum Gegenpol der Bevölkerung entwickelt hat, beispielsweise in Hallstatt. Verkehrs- und Umweltbelastungen, der Mangel an leistbarem Wohnraum können Auswirkungen sein, wenn man sich nicht frühzeitig Konzepte überlegt, die da gegenwirken. Diese Sorge der Bevölkerung müssen wir ernst nehmen, denn wir wissen: Tourismus kann nur dann funktionieren, wenn die Bevölkerung davon profitiert, wenn die Natur nicht darunter leidet und wenn Wertschöpfung im Sinne von Qualität statt Quantität generiert wird.

Damit wir aber erfahren, wie es der Bevölkerung vor allem in touristischen Hotspots wirklich geht, brauchen wir aussagekräftige Daten, und dafür sorgen wir heute mit diesem Beschluss. Vielleicht gleich vorweg zu den NEOS: Nein, das können natürlich nicht die TVBs übernehmen, denn wir brauchen einheitliche statistische Erhebungen. Das ist ein wichtiger Schritt zur neuen Erfolgsmessung im Tourismus.

Ich sage es noch einmal: Der Tourismus darf sich nicht zum Gegenpol der einheimischen Bevölkerung entwickeln. Wir sehen gerade auch die Proteste


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rund um den Skiweltcupauftakt in Sölden. Kollege Hörl – er wird jetzt vielleicht Schnappatmung bekommen –, wir müssen gerade in diesem Bereich Unangenehmes ansprechen, denn mit den vielen Gutparolen lösen wir einfach keine Probleme. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich verstehe nämlich wie viele andere auch nicht, warum ein Weltcuprennen Ende Oktober stattfinden muss. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die Gletscher schmelzen ohnehin unter unseren Füßen dahin, da müssen wir nicht noch mithelfen – und das sehen auch Stimmen aus dem Skisport so. Felix Neureuther schreibt zum Beispiel: „Ich war sprachlos aufgrund der Bilder. Die sind sehr verstörend und einfach nicht mehr zeitgemäß“, und die derzeit beste Skirenn­läuferin, Mikaela Shiffrin, fragt sich völlig zu Recht: „Bis zu welchem Grad sollen wir unsere Umwelt an einen Zeitplan anpassen, den wir haben wollen? Oder sollten wir unsere Zeitpläne an die Umwelt anpassen?“

Ich verstehe nicht, wie man mit Zwang an so etwas festhalten kann. Das ist im Grunde auch keine gute Werbung – anders als oft behauptet. Ich glaube nicht, dass diese Bilder dazu führen, dass man mehr Lust auf Skifahren hat, und ich glaube auch nicht, dass unsere internationalen Gäste das so sehen. Ich denke, wir müssen gerade da dringend von diesem alten Denken wegkommen, dem: Das haben wir immer schon so gemacht! – Diese Zeiten sind vorbei. Das geht sich nicht mehr aus. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Erasim.)

Wenn das so weitergeht, dann werden wir in 50 Jahren keine Gletscher mehr haben (Zwischenruf bei der ÖVP) beziehungsweise werden die Gletscher in 50 Jahren eisfrei sein. Wenn sie einmal weg sind, dann sind sie weg, dann kann man das auch nicht mehr umdrehen. Das heißt, ändern wir nichts, ändert sich alles. Das heißt, was wir brauchen, ist ein aktiver Gletscherschutz. Den brauchen wir auch, weil wir sonst unsere eigene Geschäftsgrundlage gefährden, und das sollte beispielsweise auch Kollegen Hörl nicht wurscht sein.

Abschließend noch zum zweiten Antrag: Betreffend diesen Antrag darf ich mich wirklich hauptsächlich bei der Opposition bedanken. (Zwischenruf des Abg.


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Hörl.) Ich darf mich ausnahmsweise auch bei Kollegen Hörl bedanken, der einen großen Einsatz gegen viel Gegenwind aufgebracht hat (Heiterkeit einer Abge­ordneten der SPÖ), und natürlich bei unserer Staatssekretärin, denn so können wir unsere Köche und Köchinnen bei uns behalten, womit wir die Gastronomie fördern. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Wöginger.)

22.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köllner. – Bitte.


22.18.55

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Neßler, Kollege Hörl, ich stimme grundsätzlich dem zu, was ihr gesagt habt. Was den Regierungs­par­teien­antrag von euch generell betrifft, muss ich schon sagen, es ist, um ehrlich zu sein, trotzdem eher eine klassische Variante, viel Wischiwaschi, wenig konkret nach dem Motto: Wir sollten irgendetwas machen und uns selber dazu auffordern, aber was genau, schauen wir uns noch an!

Einig sind wir uns aber darin, dass der Erfolg im Tourismus sicherlich nicht nur anhand der Faktoren Nächtigungen und Ankünfte gemessen und bewertet werden sollte, sondern eben auch anhand der Akzeptanz des Tourismus, was sicher ein wesentlicher Baustein für den Erfolg im Tourismus ist.

Die Akzeptanz für den Fremdenverkehr wird etwas sinken, wenn der Umwelt geschadet wird, wenn das Leben für die Einheimischen teurer wird oder wenn es etwa – und das ist, glaube ich, das Paradebeispiel und von Barbara ja auch genannt worden – Massenanstürme wie in Hallstatt gibt.

Wenn Sie Gäste aus dem asiatischen Raum fragen, was sie in Österreich besuchen werden und wollen, dann kommt nach Wien und Salzburg schon Parndorf im Burgenland (Abg. Shetty – erheitert –: Ja genau!), weil dort das Outletcenter ist, eines der größten Outletcenter in Europa – das ist leider die


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Wahrheit, lieber Yannick Shetty –, und dann kommt auch schon Hallstatt. (Abg. Obernosterer: ... in Parndorf ...!) Hallstatt zählt nur 800 Einwohner, muss aber eine Million Besucher pro Jahr durch die Stadt lenken.

Umgekehrt wissen wir aber auch, dass die Tourismusakzeptanz steigt, wenn der Tourismus die Wirtschaft, die Kaufkraft in den Regionen stärkt, wenn Nachhaltigkeit und Naturschutz gefördert sowie Infrastruktur und Arbeitsplätze geschaffen werden. Und genau da, glaube ich, müssen wir ansetzen, wenn wir Österreich auch in Zukunft als attraktiven und innovativen, vielfältigen Urlaubsstandort im Herzen Europas positionieren wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Womit wir als Tourismusdestination Österreich aber definitiv noch ein großes Thema haben, ist, eine positive Tourismusgesinnung zu schaffen. Das Burgenland, mein Heimatbundesland, geht da mit dem Masterplan 2030, der neuen Tourismusstrategie, voran, um der Branche auch ein besseres Image zu geben; und das brauchen wir auch, wenn wir österreichweit sowohl im Wintertourismus als auch im Sommertourismus den Fachkräftemangel beheben wollen. Erst vor wenigen Wochen haben wir medial erfahren, dass die Lehrlingszahlen wieder leicht im Steigen sind, außer im Tourismus, in den touristischen Berufen. Das ist der Jammer und die Situation, in der wir uns befinden.

Und dem nicht genug: Was wir im Tourismus auch haben, ist eine sehr hohe Drop-out-Quote. Das heißt, bevor die Lehrlinge ihre Lehre überhaupt abschließen, scheiden sie bereits aus.

Das heißt, Frau Staatssekretärin: Unsere Aufgabe ist es, nicht nur Positiv­kampagnen zu machen – das hat auch bereits Ministerin Köstinger versucht, aber das ist sicher nicht das Allheilmittel – und so die touristischen Berufe attraktiver darzustellen, sondern sie auch tatsächlich attraktiver zu machen.

Genau darum wird es in Zukunft gehen. Was wir brauchen, ist ein Gamechanger. Wir brauchen wieder die Begeisterung junger Menschen für die


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Branche, und dazu braucht es wiederum innovative Arbeitszeitmodelle, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Obernosterer: ... höhere Löhne! Oje, oje, oje! Alleweil der gleiche Sud!)

22.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Seidl. – Bitte sehr.


22.22.53

Abgeordnete Mag. Julia Seidl (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fasse es einmal so zusammen: Was lange währt – oder: Die Sterne stehen gerade ganz gut dafür, dass der Guide Michelin vielleicht wieder nach Österreich zurückkehren wird.

Ich freue mich sehr, dass der zweite Antrag, den wir mit den Kolleginnen und Kollegen von der Opposition eingebracht haben, schlussendlich Zustimmung gefunden hat, dass man Verhandlungen führt, wie wir diesen Guide Michelin wieder nach Österreich zurückbekommen. Aus meiner Sicht ist das nämlich wirklich ein sehr wichtiger Schritt für unseren Standort, für den Kulinarik­standort, für den Tourismusstandort insgesamt.

Es geht darum, dass wir international momentan auf der Landkarte der Sterne nicht sichtbar sind. Wir sind in Europa von Ländern umgeben, die sich fast alle in dieser Sterneküche messen. In Österreich sind nur zwei Städte übriggeblieben – die Kollegin hat es vorhin eh schon erwähnt. Ich halte es sogar für sehr problematisch, dass bisher nur Salzburg und Wien bewertet wurden, weil natürlich der Anschein entsteht, dass es in anderen Regionen, und da spreche ich jetzt auch speziell von Tirol, keine Sterneküche gibt oder keine Küche, die Sterne verdient hätte; und das glaube ich nicht.

Wir haben zudem mit Südtirol natürlich einen großen Konkurrenten bei uns in der Nachbarschaft. Dort gibt es viele Sternerestaurants, die zahlungskräftige


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Kundenschichten anziehen, internationale Kunden anziehen und Gäste anziehen, die ganzjährig verreisen. Und genau das ist für den österreichischen Tourismus und für seine Qualität langfristig wichtig: dass wir in diese Ganzjährigkeit kommen. Da kann der Guide Michelin einen wertvollen Beitrag leisten.

Es ist auch schon gesagt worden, aber ich möchte es noch einmal betonen, weil es mir wirklich ein Herzensanliegen ist: Wir haben in den Küchen, in den Ausbildungen, in diversen Berufen, die wir in der Küche brauchen, um zu Höchst­leistungen zu kommen, ausgezeichnete Menschen, die dort arbeiten und mit Kreativität, mit viel Witz und Fantasie in der Küche manchmal sogar zaubern.

Und wenn diese High Potentials in Österreich keine Sterne erkochen können, verlassen sie einfach das Land. Ich kenne selber zwei, die mittlerweile in Portugal kochen, weil sie sagen, sie möchten einen Stern erkochen und das können sie bei uns nicht; und deswegen gehen sie, und wenn wir Pech haben, kommen sie nicht mehr zurück. Das bedeutet, dass es einen schleichenden Qualitätsverlust gibt, wenn es so weitergeht, und das halte ich für unseren Standort für sehr nachteilig.

Ich glaube nämlich, dass es viel gescheiter ist, in diesen Guide Michelin, der ja eine internationale Werbemaßnahme ist, Geld zu investieren – anstelle der Millionen, die wir in den letzten fünf oder sechs Jahren in ein Kulinariknetzwerk gesteckt und für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgegeben haben, die Kulinarikwerbung innerhalb Österreichs machen. Ich glaube, dass sich innerhalb Österreichs unsere Tourismusverbände sehr gut gegenseitig bewerben können. Wir brauchen aber die Kulinarikkompetenz, die wir nach außen ausstrahlen, um damit internationale Gäste das ganze Jahr nach Österreich zu holen.

Deswegen glaube ich wirklich, und ich bin wirklich überzeugt davon, dass die Abwesenheit des Guide Michelin ein Wettbewerbsnachteil ist und dass, wenn er jetzt wieder nach Österreich zurückkommt, das den Standort absichert


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und die Wettbewerbsfähigkeit steigert. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Neßler.)

22.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler. – Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.


22.26.54

Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft Mag. Susanne Kraus-Winkler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren, die noch zusehen! Vielleicht zuerst ganz kurz zur Tourismusakzeptanzmessung: Ich darf mich da zuerst einmal bei allen, die im Tourismusausschuss daran mitgearbeitet haben, bedanken. Die Messung der Tourismusakzeptanz ist eine unserer vier wichtigen Säulen im Bereich der Nachhaltigkeit und ist besonders wichtig, weil Tourismus immer auch die Bevölkerung betrifft, und nur in einer Balance mit den Menschen vor Ort kann man Tourismus machen.

Es gibt von 2020 bis 2023 ein Pilotprojekt, das jetzt ausläuft. Bei diesem Pilotprojekt wurde durch Befragungen ein Tourismusindikator entwickelt oder erhoben. Wir sind zum Schluss bei 76 von 100 erreichbaren Punkten gestanden. Das Pilotprojekt war auch sehr wichtig, weil es gezeigt hat, dass die Datenqualität und die -erhebungen auch noch weiterentwickelt werden können. Es geht ja da auch um das Lebensraummanagement der Menschen vor Ort, sowohl der Menschen, die dort leben, als auch der Menschen, die dort arbeiten.

Es hat sich gezeigt, dass das der richtige und ein wichtiger Weg ist. Damit wir nach dem Jahr 2023 da die nächsten Schritte machen können, wollen wir ein größeres Sample befragen, um noch bessere regionale Rückschlüsse zu ziehen. Das heißt, das Sample soll von derzeit 2 000 auf 10 000 Befragungen erhöht werden. Die Fragestellungen sollen noch zielgerichteter werden und sollen auch in Einklang mit den europäischen Initiativen ausgestaltet sein.


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Was ist da jetzt konkret zu tun? – Weil das vorhin angesprochen wurde: Damit das gelingt, wollen wir mit der Novelle der Tourismus-Nachfragestatistik Verordnung, die künftig Tourismus-Nachfrage- und ‑akzeptanzstatistik Verord­nung heißen soll, die Erhebungen dauerhaft in den Aufgabenbereich der Statistik Austria überführen, um dadurch auch noch zusätzliche Synergiepoten­ziale mit den anderen tourismuspolitischen Erhebungen der Statistik Austria nutzen zu können. Die Sektion Tourismus des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft wird daher einen Verordnungsentwurf fertig erarbeiten und dieses Jahr noch finalisieren lassen. – Das zur Tourismusakzeptanz.

Zum Kulinarikthema vielleicht noch abschließend ganz kurz in Ergänzung: Ein Drittel unserer Gäste hat Kulinarik als wesentliches Reisemotiv.

Kulinarik ist auch eine zentrale Stärke der heimischen Tourismusland­schaft, weil wir einerseits ein sehr vielfältiges Angebot haben, von Hausmannskost bis zur Spitzengastronomie, aber auch, weil wir sehr viele regionale, hochwertige Zutaten haben, die in Österreich produziert und in der Gastronomie veredelt werden, und weil wir bei der Kulinarik in Österreich noch immer ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis haben.

Im Masterplan Tourismus steht, dass die internationale Sichtbarkeit der öster­reichi­schen Kulinarik zu steigern ist. Was brauchen wir dazu? – Wir brauchen dazu Fortschritte auf vielen unterschiedlichen Ebenen, und das wird nächstes Jahr durch mehrere Dinge auch passieren. Wir werden einerseits Kampagnen der Tourismusmarketingorganisationen, verstärkt durch eine Grand Culinary Tour, in Zusammenarbeit mit der Österreich-Werbung und den Ländern machen. Wir werden den Österreichischen Innovationspreis für Tourismus nächstes Jahr den kulinarischen Konzepten widmen. Und natürlich sind Kulinarikratgeber auch ein wertvoller Beitrag in diesem Zusammenhang.

Mir ist noch wichtig, zu sagen, dass das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft grundsätzlich alle Aktivitäten, die die Kulinarik in Österreich und die Sichtbarkeit der Kulinarikdestination Österreich verstärken, begrüßt.


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Zum Guide Michelin darf ich vielleicht noch sagen, dass aktuell Gespräche in der Tourismusbranche auf unterschiedlichsten Ebenen laufen, dass wir aber als Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft selber keine Gespräche führen und das auch nicht fördern oder finanzieren, weil es gar keine Fördermöglichkeit gibt. Wenn die Rückkehr des Guide Michelin gelingt, dann, weil zahlreiche Touris­mus­stakeholder erfolgreich zusammengearbeitet haben.

Abschließend möchte ich die Lehrlinge betreffend noch Folgendes erwähnen, weil das vorhin angesprochen wurde: Es ist nicht so, dass die Lehr­lingszahlen gesunken sind, sondern 2022 sind sie endlich wieder gestiegen. Wir sind schon fast wieder auf dem Niveau von 2019, was zeigt, dass sich die Jugend sehr wohl für die Lehrberufe im Tourismus interessiert. Die Drop-out-Quote ist während der zwei Pandemiejahre deswegen sehr hoch gewesen, weil in den Betrieben die Ausbildung nicht mehr stattfinden konnte, sondern simuliert werden musste, teilweise über Onlineaktionen, teilweise über Sonderaktionen. Das hat natürlich viele junge Menschen verschreckt. Wir sehen aber, dass die Drop-out-Quote wieder hinuntergeht.

Und ja, das Thema innovative Arbeitszeitmodelle und bessere Arbeits­bedingungen ist etwas, an dem sehr, sehr viele Betriebe gerade in den letzten drei, vier Jahren intensiv gearbeitet haben, rund um Employerbranding, weil allen bewusst ist, dass sowohl die Fachkräfte als auch die Arbeitskräfte generell im Tourismus der Schlüssel zum Erfolg sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Spalt. – Bitte sehr.


22.33.01

Abgeordneter Thomas Spalt (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staats­sekretärin! Geschätzte Kollegen im Plenum! Hohes Haus! Grundsätzlich hätte man meinen können, bei diesen zwei Tagesordnungspunkten wird es, da sie


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einstimmige Materie sind, eine konstruktive Diskussion geben. Ich darf eingangs schon ganz kurz noch auf das Statement von Frau Abgeordneter Neßler eingehen, die gemeint hat, Kollege Hauser hält seit drei Jahren die gleiche Rede und predigt immer das Gleiche. (Abg. Stögmüller: Das tut er auch!)

Frau Kollegin Neßler! Ja natürlich, es ist so, wir predigen nicht nur im Tourismus- und im Wirtschaftsbereich, sondern auch in der Sicherheitspolitik, in der Energiepolitik, in der Migrationspolitik seit Jahren genau das Gleiche. Vielleicht wäre es einmal ein Ansatz, nicht immer die anderen Meinungen zu ignorieren und ideologisch drüberzufahren, sondern die anderen Meinungen einmal zu hören, und dann würden Sie vielleicht auch einmal ins Nach­denken kommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber um zum Thema zurückzukommen: Im Wesentlichen geht es bei diesen Tagesordnungspunkten um zwei Punkte.

Punkt eins: die langfristige Erhebung der Tourismusakzeptanz in der Bevölkerung. Ja, dieses Thema ist absolut wichtig, vor allem in der aktuellen Situation, in der wir uns befinden. Ich glaube, es steht hier herinnen außer Diskussion, wie wichtig der Tourismus als wirtschaftliches Aushängeschild in Österreich ist. Leider haben wir aktuell die Situation, dass sich diejenigen, die hier in Österreich leben und die auch einen sehr wichtigen Beitrag dazu leisten, dass der Tourismus überhaupt funktionieren kann, das touristische Angebot oft nur sehr wenig oder gar nicht leisten können – deshalb ein klares Ja zur Akzeptanz­erhebung. Ich bin schon sehr gespannt auf die Ergebnisse und hoffe auch darauf, dass diese Ergebnisse dann wirklich ernst genommen werden und Maßnahmen gesetzt werden, die zur Erhöhung der Akzeptanz beitragen werden.

Beim zweiten Tagesordnungspunkt geht es um den Guide Michelin. Grund­sätzlich haben wir das Ganze intern schon sehr kritisch hinterfragt und auch sehr kritisch diskutiert, denn auch da stellt sich die Frage, ob es in Zeiten des Gasthaussterbens, in Zeiten der Teuerung und bei all den aktuellen Themen, mit denen sich die österreichische Bevölkerung leider beschäftigen muss,


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wichtig ist, Gasthäuser mit Sternchen auszuzeichnen. Der Österreicher wird sich nämlich fragen: Was bringt mir die Auszeichnung von Sternelokalen, wenn ich mir nicht einmal den normalen Alltag leisten kann? – Da haben wir genau das gleiche Thema wie bei der Akzeptanzstudie.

Im Wesentlichen sind es aber zwei Punkte, weshalb wir diesem Guide-Michelin-Antrag zustimmen. Punkt eins: Uns wurde auf mehrfache Anfrage im Tourismusausschuss versichert, dass außer dem Geld der Österreich-Werbung keine zusätzlichen Budgetmittel, kein zusätzliches Steuergeld dafür aufgewendet werden. Punkt zwei: Ja, der Guide Michelin kann und, ich hoffe, wird ein weiterer Baustein sein, den Tourismus und die Gastronomie in Österreich als wichtigen Bestandteil unserer Wirtschaft und Kultur weiter auszubauen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

22.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Obernosterer. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr.


22.36.18

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf der Galerie sehe ich nicht mehr viele, aber trotzdem ein herzliches Grüßgott denen, die noch hier sind oder zu Hause via Fernsehen zuschauen! Frau Staatssekretärin, Sie haben das ja in der Tiefe erklärt, und ich möchte das jetzt nicht wiederholen. Es geht um die Weiterentwicklung der Erfolgsmessung im Tourismus, um die Nachhaltigkeit. Ich möchte jetzt aber generell über den Tourismus sprechen.

Kollege Spalt sagt, Essengehen können wir uns nicht mehr leisten und Urlaub können wir uns auch nicht mehr leisten. Der Herr Kollege von der SPÖ sagt, es ist alles so teuer. – Ihr müsst endlich im Tourismus einmal ein bisschen mehr zahlen, die Leute besser behandeln. Geht hinaus und schaut, was die Betriebe in Mitarbeiterwohnungen investieren! Schaut euch an, was im Tourismus


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inzwischen verdient wird! Verschließen Sie nicht die Augen davor, warum es im Dienstleistungsbereich gerade so schwer ist, Menschen zu finden, die dort arbeiten wollen!

Das ist deshalb so, weil die dann arbeiten müssen, wenn die anderen Urlaub machen, weil die dann arbeiten müssen, wenn andere freihaben. Es ist halt nicht mehr so attraktiv, am Samstag zu arbeiten, am Sonntag zu arbeiten, zu Weihnachten zu arbeiten, über die Osterferien zu arbeiten. Gegen das kämpfen wir auch an.

Als praktizierender Touristiker, wenn ich auch der Alte in unseren Hotels bin, sage ich Ihnen auch: Wissen Sie, worin auch ein großes Problem liegt? – In der Dienstleistung. Wenn die Servicekraft, ob Mann oder Frau, beim Gast ist, muss sie eigentlich alles abfangen: wenn er Sorgen hat oder wenn er grantig ins Gasthaus kommt. Die Bedienung kann nichts dafür, wenn eventuell in der Küche einmal etwas danebengegangen ist. Die Bedienung oder die Rezeptio­nistin kann nichts dafür, wenn eventuell im Zimmer einmal ein Wasserhahn tropft oder sonst irgendetwas kaputt ist. Wer all diesen Unmut wirklich abkriegt, das sind genau diejenigen Menschen, die direkt beim Gast sind.

Bei den ÖBB hat man einmal gesagt, man kriegt keine Leute mehr, die kontrollieren, ob die Fahrgäste eine Karte haben, weil die Kontrollore sagen: Ich gehe gar nicht mehr kontrollieren, weil ich mich von den Leuten nicht immer anschreien lassen will. Bei den ÖBB ist das so. Im Dienstleistungsberuf, sage ich euch ganz ehrlich, sind wir immer an der Front. Wir sind immer am Gast, ob der Gast gut aufgelegt ist oder schlecht aufgelegt ist. Und ich sage euch ganz ehrlich: Vor den Menschen, die im Dienstleistungsbereich arbeiten, ist der Hut zu ziehen. Vor diesen Menschen ist der Hut zu ziehen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Tourismus allgemein noch: Viele Landregionen hätten keine Wirtschaft, wenn nicht der Tourismus wäre. Wenn dort nicht der Tourismus investieren würde, gäbe es auch das Kleingewerbe nicht. Die Akzeptanz ist noch relativ


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groß, sie liegt, glaube ich, bei nicht ganz 80 Prozent. Vieles von der Infra­struktur im ländlichen Bereich gäbe es dort nicht, wenn sie nicht vom Gast mitfinanziert werden würde. Ohne Tourismus im ländlichen Bereich gibt es auch keinen Freizeittourismus, weil einfach nichts mehr da wäre. Seien wir uns dessen bewusst!

Eine Bitte an euch alle: Ihr könnt uns glauben, wir Touristiker schauen auf unsere Leute. Wir zahlen die Leute gut, und es muss ein gutes Arbeitsklima sein. Wer das nicht einhält, der kriegt sowieso keine Leute mehr und kann das Lokal zusperren. Es funktioniert nur so, uns ist das bewusst, und auf unsere Leute wird mehr geschaut, als manchmal da von dieser (in Richtung SPÖ deutend) oder dieser (in Richtung FPÖ deutend) Seite gesagt wird.

Und wenn Klausuren oder sonst irgendetwas sind und die Bedienung um eins sagt: Wir müssen Sperrstunde machen, denn heute ist es einmal genug!, wisst ihr, was wir da schon gehört haben? Wir haben zu Hause auch solche Veranstaltungen von Vereinen, ich will jetzt gar nicht aufzählen, von wem aller, von Leuten, die manchmal genau hier herinnen das predigen, was ich jetzt sage: Schaut ein bisschen mehr auf die Leute! – In das Gasthaus gehen wir nicht mehr hinein, denn da hat die Bedienung, der Kellner schon um eins zugesperrt, und wir haben nicht bis drei sitzen können!

Wir brauchen gegenseitig mehr Verständnis, dann brauchen wir uns um den Tourismus keine Sorgen zu machen.

Frau Staatssekretärin, Sie haben den Tourismus immer gelebt und er ist bei Ihnen in guten Händen. Dafür danke ich Ihnen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kirchbaumer. – Bitte sehr.



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22.41.15

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen sowie liebe Zuseherinnen und Zuseher zu später Stunde! Tourismus ist in letzter Zeit gerne etwas negativ behaftet. Eigentlich waren es Pioniere, die vor vielen, vielen, vielen Jahren, vorwiegend in Tirol, mit dem Tourismus angefangen haben. Da sind Zimmer vermietet worden, man hat sich sozusagen ein Zubrot verdient.

Der Tourismus ist dann immer ein bisschen größer geworden, und irgendwann einmal sind die Autos Stoßstange an Stoßstange gefahren und die Menschen sind einfach gerne zu uns ins Land gekommen, um Urlaub zu machen, um Sommerfrische zu machen – früher hat man das so genannt – oder in die Berge wandern zu gehen.

Natürlich ist es jetzt so, oder in der Vergangenheit war es so, dass es vielleicht dort und da schon etwas zu viel geworden ist, dass es für die Bevölkerung zu viel geworden ist. Eines möchte ich an dieser Stelle aber schon sagen: 32,7 Prozent der Nächtigungen in Österreich fallen auf Tirol, und diese Nächtigungen bedeuten für uns Wohlstand; Wohlstand, dass wir nachhaltige Arbeitsplätze haben, dass wir keine Landflucht haben, dass die Menschen bei uns in der Region Arbeitsplätze finden. Auch die nachgelagerten Betriebe, vom Tischler angefangen bis zum Installateur, haben alle dadurch einen Job und finden Arbeit.

Da kann man dieser Branche eigentlich nur Danke sagen, dass sie diese Wertschöpfung bei uns im Land so hochleben lässt und dass die Menschen bei uns Urlaub machen. Ja, es ist natürlich oft schwierig, das in Einklang zu bringen. Die neue Generation – es gibt ja jetzt schon viele Betriebsübergaben, viele junge Menschen haben die Betriebe von ihren Eltern oder Großeltern jetzt schon übernommen – geht jetzt von der Quantität hin zur Qualität. Nachhal­tigkeit ist das Schlagwort. Sie schauen, dass sie in der Region die Lebensmittel einkaufen, diese auch vermarkten, diese auf den Tisch, auf den Teller bringen,


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und versuchen auch, einen hochwertigen, qualitativen Hotel- und Gastrono­mie­betrieb zu forcieren.

Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist wertschätzend gegenüber unserem Land, unseren Menschen und auch unseren Gästen. Ich hoffe, dass wir das trotz alledem, auch wenn es dort und da hakt und wenn es ab und zu Probleme gibt, gemeinsam schaffen. Dieser Tourismusbericht hat die Akzeptanz auch gezeigt, und es ist auch wichtig, dass wir diese Akzeptanz für den Tourismus sehen. Ich glaube, dass es für unser Land auch weiterhin wichtig ist, dass wir diese Branche unterstützen. – Vielen herzlichen Dank, und ich wünsche allen eine gute Nacht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zopf. – Bitte.


22.44.28

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staats­sekre­tärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu so später Stunde noch! Als Abgeordnete aus dem Salzkammergut darf ich eine der wichtigsten Tourismusregionen Österreichs hier im Parlament vertreten.

Ich selbst bin keine Touristikerin, ich betreibe kein Hotel und ich bin auch keine Wirtin. Deshalb bin ich dankbar, dass wir mit unserer Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler und unserem Tourismussprecher Franz Hörl absolute Experten haben, was den Tourismus angeht. Sie unterstützen mich bei der Vertretung meiner Region.

Letztes Jahr im November kam Franz Hörl zu einer Aussprache mit einigen Gastronomievertretern der Traunseewirte in meine Region nach Traunkirchen. Das war bei Wolfgang Gröller im Betrieb, der nicht nur Hotelier, sondern auch Gastronom ist.


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Wolfgang Gröller geht auch gerne auf kulinarische Reisen. Meistens ist er dann vier bis sechs Tage in der Region unterwegs. Aus dieser Leidenschaft heraus hat er seinem Betrieb einen kulinarischen Schwerpunkt gegeben. Im Restaurant, dem Bootshaus, kocht Lukas Nagl, der österreichische Koch des Jahres 2023.

Wir haben beim Treffen über alle Herausforderungen und auch Anregungen für die politische Arbeit in Wien geredet. Wolfgang Gröller hat uns damals einen Wunsch mitgegeben, den viele Gastronomen im ganzen Land teilen, heute wird diese Forderung auch über alle politischen Parteien geteilt: Der Guide Michelin, der berühmteste Restaurantführer der Welt, soll wieder nach Österreich kommen.

Kollege Hörl und ich haben uns dieses Themas angenommen. Es freut mich, dass wir heute, weniger als ein Jahr später, einen Entschließungsantrag mit den Stimmen aller Parteien auf den Weg bringen, um den Guide Michelin wieder zu uns zu holen. Danke an dieser Stelle auch an unsere Staatssekretärin für Tourismus und an die Österreich-Werbung, die den Weg begleiten werden. Auch mein Tourismuslandesrat, Markus Achleitner, unterstützt diesen Weg.

Warum ist das Thema wichtig? Warum wollen wir einen bestimmten Restaurantführer nach 14 Jahren wieder nach Österreich zurückholen? – Wir brauchen mehr Klasse statt Masse. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Hallstatt zeigt uns doch auf, was Massentourismus für einen Ort bedeutet. Es muss unsere Aufgabe sein, da gegenzusteuern.

Kulinarik war und ist ein Grund, der die Menschen auf Reisen gehen lässt, Unbekanntes und Neues zu entdecken und auszuprobieren, und das nicht nur saisonal, sondern das ganze Jahr über. Das macht den Tourismus verträglicher und wirkt sich wiederum auf die Akzeptanz in der Bevölkerung aus.

Unsere heimischen Köche kochen auf Weltniveau, nur ist Österreich für die Welt ein weißer Fleck. Das sagen mir viele Gastronomen. Ohne einen


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Restaurantführer von Weltrang wird uns die Welt kulinarisch nicht wahrnehmen. Wir haben ausgezeichnete Restaurantführer wie Falstaff oder Gault&Millau, die in Österreich anerkannte Institutionen sind. Außerhalb Österreichs aber haben diese beiden Institutionen leider keine Strahlkraft. Das hat nur der Guide Michelin. Die österreichischen Tourismusbetriebe haben es sich verdient, auch auf der internationalen Landkarte vorzukommen. Das sind wir nicht nur den Tourismusbetrieben, sondern auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schuldig, weil wir dadurch hochwertige Arbeitsplätze fördern und den Arbeitsplatz Tourismus attraktiver machen. Wieder gilt: Klasse statt Masse, und das geht dann in Richtung ganzjährige Beschäftigung.

Was mich auch als Bezirksbäuerin zusätzlich freut, ist, dass in den letzten Jahrzehnten der Fokus immer mehr auf regionale und saisonale Produkte gelegt wird: heimische Süßwasserfische, Fleisch von unseren Weiden und Almen, Obst und Gemüse, das nicht Tausende Kilometer entfernt, sondern in der eigenen Region wächst – eine Wertschätzung für die Arbeit unserer Landwirte und Produzenten von hochwertigen Produkten. (Beifall bei der ÖVP.) Qualität, die ausgezeichnet schmeckt, kommt unserer Region mit ihren kleinen Betrieben, den Tieren und der Natur zugute. Das ist die moderne österreichische Küche, und diese verdient es auch, eine angemessene internationale Bühne zu bekommen.

Österreichs Koch des Jahres, Lukas Nagl, hat mir noch einen Satz mitgegeben, was Kochen für ihn ist. Ich darf ihn zitieren: Zwischen Zufriedenheit und Begeisterung liegt die Überraschung. – In diesem Sinne hoffe ich, dass er künftig mit seiner Kochkunst noch viele und vor allem auch internationale Gäste überraschen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

22.49 22.49.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte geschlossen.

Die Berichterstattung wünscht kein Schlusswort.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll235. Sitzung, 235. Sitzung des Nationalrats vom 19. Oktober 2023 / Seite 473

Wir kommen zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 18, die dem Ausschussbericht 2223 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „die Weiterentwicklung der Erfolgsmessung im Tourismus durch langfristige und zielgerichtete Erhebungen zur Tourismusakzeptanz in der Bevölkerung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (345/E)

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 19: Abstimmung über den Antrag des Tourismusausschusses, seinen Bericht 2224 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 3201/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, möge das mit einem entsprechenden Zeichen bekunden. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2224 der Beilagen angeschlossene Entschließung in der Anlage 1 betreffend „Maßnahmen zur Steige­rung der internationalen Sichtbarkeit des kulinarischen Angebots Österreichs“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (346/E)

Wir kommen schließlich zur dem Ausschussbericht 2224 der Beilagen angeschlossenen Entschließung in der Anlage 2 betreffend „Einführung des Guide Michelin in Österreich“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig. (347/E)

22.51.09Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Scherak, dem Verfassungsausschuss zur


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Berichterstattung über den Antrag 2897/A eine Frist bis zum 24. November 2023 zu setzen.

Wer dafür ist, wird um ein Zeichen gebeten. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

22.51.28Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 3645/A(E) bis 3666/A(E) eingebracht worden sind.

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Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 22.51 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

22.51.58Schluss der Sitzung: 22.51 Uhr

 

 

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