15.57

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Herr Bundesminister! Ja, wo beginnen wir? – Beginnen wir bei der ÖVP. Frau Jeitler-Cincelli, Sie haben von einem Angstvirus gesprochen und versucht, der Wirt­schaft Mut zu machen. Sie haben die Unternehmen in den letzten fünf, sechs Wochen zwangsweise geschlossen. Da muss man Sie also schon um ein deutliches Zeichen ersuchen. Ich bitte darum: Hören Sie auf mit diesen Ankündigungen und gehen Sie in die Umsetzung! Geben Sie den Menschen, den Unternehmen eine Perspektive, um wieder wirtschaften zu können! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben in den letzten Wochen einen bürokratischen Hürdenlauf aufgebaut, der seinesgleichen sucht. Warum sage ich das? – Im Endeffekt kennt sich mittlerweile fast niemand in dieser Republik mehr aus. Steuerberater sind überlastet, sie wissen nicht mehr, wie sie mit diesen Ankündigungen und mit den täglich neuen Maßnahmen um­gehen sollen. Es geht vor allem um eine Perspektive für die Unternehmer, die keine Chance haben, sich irgendwohin zu wenden, sich zu wehren oder Position zu beziehen. Beim Ministerium oder auch bei der Wirtschaftskammer steht man vor ver­schlossenen Türen. Ich würde mir schon erwarten, dass Sie irgendwann einmal endlich beginnen, auch umzusetzen und zu handeln.

Was schreibt die Kammer der Steuerberater? – „Bestehende Plattformen wie das Unternehmerserviceportal und FinanzOnline müssen genutzt werden, anstatt immer neue Antragsstellen und Prozesse für jede Maßnahme zu erfinden.“ Das sagt die Kammer der Steuerberater. Um sich durch den Antragsdschungel zu kämpfen, brauchen deshalb viele die Hilfe eines Steuerberaters. Ein Steuerberater aus Wien, Josef Horvath, sagt: „Viel komplizierter hätte man das nicht machen können“.

Die nächste Aussage kommt von einem von Ihrer Seite (in Richtung ÖVP), von einem, der in Ihrem Sektor wohl nicht ganz unbekannt ist. Der ehemalige Staatssekretär Stummvoll sagt: „durch die Vielfalt an Hilfspaketen des Bundes, der Länder und der Wirtschaftskammer hätten viele Betriebe die Übersicht verloren, an wen sie sich wenden sollen.“ – Das sagt Ihr eigener Fraktionskollege! (Präsident Sobotka über­nimmt den Vorsitz.)

Ich bringe in diesem Zusammenhang folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rettung der EPUs durch sofortige und vollständige Entschädigung für den durch erzwungene Schließungen entstandenen finanziellen Schaden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die erforderlichen Schritte zu setzen, die geeignet sind, insbesondere den Kleinstunternehmen und EPUs, die von der COVID-19-Krise massiv bzw. existentiell betroffen sind, unmittelbar, sofort und in ausreichen­dem Ausmaß zu helfen.

Dabei ist die Umsetzung nachstehender Maßnahmen – unter der Zielsetzung der Über­nahme einer ökonomischen Generalhaftung des Staates – sicherzustellen:

- Voller Entschädigungsanspruch für alle Betriebe, die durch das Betretungsverbot betroffen sind oder waren, in jener Höhe, den diese erhalten hätten, wenn ihr Betrieb auf Grundlage des EpidemieG geschlossen worden wäre

- Abwicklung sämtlicher Fonds über die Finanzämter

- Sofortige antragslose Akontozahlung durch die Finanzämter an alle Unternehmer, die sämtliche in Folge der COVID-19 Maßnahmen entstandene Kosten, die laufenden Fixkosten sowie die Einnahmenentfälle und einen entsprechenden Unternehmerlohn für die nächsten drei Monate abdeckt.“

*****

Frau Bundesminister, retten Sie unsere Leistungsträger und nicht Ihre Geldgeber von Industrie und Großunternehmen! (Beifall bei der FPÖ.)

16.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Walter Rauch

und weiterer Abgeordneter

betreffend Rettung der EPUs durch sofortige und vollständige Entschädigung für den durch erzwungene Schließungen entstandenen finanziellen Schaden

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 12: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Bericht über die Situation und Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen der österreichischen Wirtschaft ("KMU im Fokus 2019"), vorgelegt von der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (III-102/99 d.B.)

in der 24. Sitzung des Nationalrates am 22. April 2020

„Koste es, was es wolle“, so die vollmundige Ankündigung von Bundeskanzler Kurz in Zusammenhang mit der Rettung der heimischen Unternehmen, die seit Wochen durch die verordneten Betretungsverbote und Schließungen aufgrund von Covid19 massive Probleme haben und insbesondere Kleinstunternehmen und EPUs um ihre Existenz bangen müssen.

In der Realität hat sich an diesem Umstand nichts geändert.

Die Unternehmen sind mit einer Vielzahl an Fonds und unterschiedlichsten Förder­stellen konfrontiert.

Die Antragstellung für Mittel aus dem sogenannten Härtefallfonds erfolgt über die WKO. Für Privatvermieter wiederum ist die Antragstellung nur über die AMA möglich.

Die Abwicklung des Corona-Hilfsfonds erfolgt über die COVID-19 Finanzierungs­agentur (COFAG). Für Garantien muss man aber immer zuerst zur Hausbank.

Je nach Unternehmen gibt es dann wiederum unterschiedliche Zuständigkeiten für die weitere Bearbeitung eines entsprechenden Antrages.

Dieser Antrag geht dann

• an die Oesterreichische Kontrollbank (Großunternehmen ab 250 Mitarbeiter),

• an die Austria Wirtschaftsservice GmbH (Klein- und Mittelbetriebe) oder

• an die Österreichische Hotel- und Tourismusbank GmbH (Tourismusunternehmen)

Die ÖHT wickelt grundsätzlich Anträge von Betrieben der Tourismus- und Freizeit­wirtschaft ab. Dazu zählen insbesondere Gastronomie, Hotellerie, Gesundheits­betrie­be, Reisebüros, Kino-, Kultur- und Vergnügungsbetriebe sowie die Freizeit- und Sport­betriebe. Wer meint, hier würden grundsätzlich alle Tourismusbetriebe abgewickelt, der irrt.

Denn die Zuständigkeit der ÖHT endet bei einem Finanzierungsbedarf bis zu maximal 1,5 Mio Euro. Für höhere Kredit ist wieder je nach Größe die aws bzw. Kontrollbank (OeKB) zuständig. Anders ist es wieder bei Unternehmen mit unterschiedlichen Ge­schäftsbereichen:

„Die Zuständigkeit liegt dort wo die größeren Umsätze erzielt werden. Je nach Hauptumsatz liegt dann die Zuständigkeit bei der ÖHT oder bei der aws.“

Bei gänzlich unabhängigen Betrieben (z. B. andere Standorte, getrennte Buchhaltung) kann es auch sinnvoll sein, dass jeder Geschäftsbereich separat einen Antrag stellt.“

Quelle: https://www.aws.at/aws-ueberbrueckungsgarantien-faq/

Gerade für EPUs ist dieses Tohuwabohu an Förderstellen und überbordender Bürokratie eine enorme Hürde.

Der Härtefallfonds, der eigentlich dazu da ist, den unmittelbar entstandenen Netto­einkommensentgang für EPUs und Kleinstunternehmen bis zu 9 Mitarbeiter auszu­gleichen, zeichnet sich dadurch aus, dass in der ersten Phase überhaupt viele von der Antragstellung ausgeschlossen waren.

Jeder Unternehmer muss bis zu vier Anträge – nämlich Monat für Monat neuerlich - stellen, um theoretisch in den Genuss eines Zuschusses zu kommen, der in Summe mit 6.000 Euro gedeckelt ist und jedenfalls maximal 80 % des erlittenen Einkom­mensverlustes abdecken soll. 

Als große Ausweitung der Kriterien für den Härtefallfonds hatte man unter anderem die nunmehr bestehende Möglichkeit von Nebeneinkünften gefeiert.

Diese Nebeneinkünfte werden jedoch bei der Ermittlung des Förderzuschusses ange­rechnet und reduzieren somit die ohnehin nicht den vollen Verlust abdeckende Förderhöhe entsprechend.

Vor diesem Hintergrund klingt es geradezu zynisch, wenn die WKO darauf hinweist, dass Nebeneinkünfte nunmehr möglich sind:

„Neben Einkünften aus selbstständiger Arbeit und/oder Gewerbebetrieb dürfen weitere Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG zB. aus unselbständiger Arbeit, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Einkünfte aus Kapitalvermögen, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und sonstige Einkünfte vorliegen.“

Daher ist damit zu rechnen, dass gerade sehr viele EPUs, die neben der selbständigen Tätigkeit bspw. eine unselbständige Teilzeitbeschäftigung haben, auf ihren entstan­denen Verlusten sitzen bleiben und bestenfalls mit Almosen abgespeist werden.

Dazu kommt, dass die den Auszahlungen zugrundeliegenden Berechnungen äußerst kompliziert sind. „Um sich durch den Antragsdschungel zu kämpfen, brauchen viele deshalb die Hilfe eines Steuerberaters. "Viel komplizierter hätte man das nicht machen können", sagt der Wiener Steuerberater Josef Horvath, der viele EPU betreut. (Wiener Zeitung vom 16. April 2020)

Darüber hinaus geht das Abstellen auf einmonatige Beobachtungszeiträume völlig an der Realität gerade vieler EPUs vorbeigehen. Der verständliche Unmut wird daher immer lauter. Kritik kommt von Unternehmen und Steuerberatern, wie unter anderem in der Wiener Zeitung vom 16. April 2020 nachzulesen:

„Das Feld der Ein-Personen-Unternehmen ist breit gefächert. Von Friseuren über Fotografinnen bis hin zu Physiotherapeuten und Vortragenden. Geld fließt meist nicht regelmäßig, sondern in Wellen.

Es gibt Monate mit Umsatzspitzen und Monate, in denen sie streng haushalten müs­sen. Viele arbeiten projektbezogen.

Daher ist die Eingrenzung auf die Monate wohl wenig sinnvoll, wie u.a. folgendes Beispiel zeigt:

"Ich bin bis nächstes Jahr ohne Job", sagt Maskenbildnerin Regina Tichy aus Wien. ©

Als das Coronavirus die Wirtschaft Mitte März lahmlegte, saß Maskenbildnerin Regina Tichy in ihrem Atelier in Wien-Simmering. Sie arbeitete an Perücken für eine große Produktion. Hunderte Statisten stattet sie mit passenden Kopfbedeckungen aus. Tichy knüpft sie noch mit der Hand. Eine mühselige Arbeit: Bis zu 45 Stunden sitzt sie an einer Perücke. Woanders auf der Welt werden sie längst maschinell gefertigt. Ab Mitte Juni wäre Tichy voll im Einsatz gewesen: Oper im Steinbruch St. Margarethen, Seefestspiele Mörbisch, Haydn-Festspiele. Nun ist alles auf Eis gelegt, Vorstellungen sind auf 2021 verschoben. "Ich bin bis nächstes Jahr ohne Job. Alle Theater- und Filmproduktionen sind abgesagt", sagt Tichy der "Wiener Zeitung".

Tichy ist seit 2006 selbständig, davor arbeitete sie mehrere Jahre an der Wiener Staatsoper. Sie bereitet sich monatelang auf die Produktionen vor. Im Herbst beginnt sie für den kommenden Sommer zu planen. Bezahlt wird sie nicht nach jeder Vorstellung, sondern erst am Ende der Saison. "Ich habe kein Monatseinkommen im traditionellen Sinn. Die Regierung hat keine Ahnung von unserem Beruf", sagt Tichy. Das Geld muss sie sich einteilen. Weil sie zwischen Mitte März und Mitte April keinen Verdienstentgang vorweisen kann, hat sie keinen Anspruch auf die Gelder aus dem Härtefallfonds, den die Regierung für Ein-Personen-Unternehmen und Selbständige aufgelegt hat. (Wiener Zeitung / 16.04.2020)

Dass die Kriterien für den Härtefallfonds aber positive Einkünfte aus selbständiger Arbeit und/oder Gewerbebetrieb verlangen, wird weiters eine Vielzahl an Unternehmen von Mitteln aus dem Härtefallfonds ausschließen.

„Hier wurde an der Realität vorbeigeregelt", so Steuerberater Horvath.

Erschreckend ist zudem die Ignoranz seitens des Finanzministeriums, wenn es zu den genannten Kritikpunkten lapidar heißt: „(...)man nehme Feedback jederzeit auf. "Wir schauen uns an, wie groß der Bedarf an Nachbesserungen ist. Aktuell sehen wir keinen Bedarf.“ Wiener Zeitung / 16.04.2020

Der Fixkostenzuschuss, der im Rahmen des Corona.Hilfsfonds ausgezahlt werden soll, wird vermutlich – wie auf der Seite des BMF nachzulesen – ab Anfang Mai 2020 gestellt werden können. Abgesehen davon, dass auch hier jeder Rechtsanspruch fehlt, erfolgen die Auszahlungen absurderweise erst im nächsten Jahr.

Richtlinien gibt es bis dato noch keine. Auf der AWS-homepage ist dazu zu lesen:

„Die neu geschaffene COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH, kurz COFAG, gewährt diese Zuschüsse. Die Richtlinien für den Fixkostenzuschuss des Corona-Hilfsfonds sind durch den Bund noch in Ausarbeitung und werden derzeit finalisiert. Eine Registrierung wird ab Anfang Mai möglich sein.“

Während die Unternehmer nicht wissen, wie sie in Folge des Einnahmenentfalls ihre jetzt anfallenden Fixkosten decken sollen, beschränkt sich die Bundesregierung darauf, eine eigene Finanzierungsagentur zu gründen, anstatt unmittelbar zu helfen und Gel­der sofort auszuzahlen.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der dargelegten Fakten und damit im Sinne der dringend notwendigen Unterstützung der massiv belasteten heimischen Unternehmen und dabei gerade der EPUs stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nach­ste­hen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die erforderlichen Schritte zu setzen, die ge­eignet sind, insbesondere den Kleinstunternehmen und EPUs, die von der COVID-19-Krise massiv bzw. existentiell betroffen sind, unmittelbar, sofort und in ausreichendem Ausmaß zu helfen.

Dabei ist die Umsetzung nachstehender Maßnahmen - unter der Zielsetzung der Übernahme einer ökonomischen Generalhaftung des Staates - sicherzustellen:

• Voller Entschädigungsanspruch für alle Betriebe, die durch das Betretungsverbot betroffen sind oder waren, in jener Höhe, den diese erhalten hätten, wenn ihr Betrieb auf Grundlage des EpidemieG geschlossen worden wäre

• Abwicklung sämtlicher Fonds über die Finanzämter

• Sofortige antragslose Akontozahlung durch die Finanzämter an alle Unternehmer, die sämtliche in Folge der COVID-19 Maßnahmen entstandene Kosten, die laufenden Fix­kosten sowie die Einnahmenentfälle und einen entsprechenden Unternehmerlohn für die nächsten drei Monate abdeckt.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Oberrauner. – Bitte.