15.03

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Nicht alle schlechten Nachrichten sind gute Nachrichten, manchmal sind Bad News einfach nur Bad News. Die schlechte Nachricht ist, dass rund 50 Prozent der Bevölkerung Leitmedien nicht mehr vertrauen, speziell Nachrichten nicht mehr vertrauen. Die anderen 50 Prozent sind unentschlossen oder trauen den Inhalten einfach nicht.

Das sind schlechte Werte und schlechte Nachrichten, denn Leitmedien spielen eine sehr große Rolle in unserer Demokratie, sie stabilisieren die Demo­kratie. Je genauer man fragt, desto entmutigender werden die Zahlen auch. Nur mehr 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger halten Nachrichten für unabhängig von Unternehmen und unabhängig von kommerziellen Interessen. Fast 60 Prozent unterstellen Nachrichtenmedien, dass sie politische Eigeninteressen haben, die über dem Wohl der Gesellschaft stehen. Immer mehr Menschen finden, dass Medien Vielfalt nicht abbilden. In anderen Worten: Die Menschen fühlen sich nicht gehört – und wer sich nicht gehört fühlt, der reagiert auch mit Misstrauen.

Zuletzt: Misstrauen wird besonders dort gesteigert, wo Politik besonders pola­risierend arbeitet, wo extrem gestritten wird, wo wir auftreten, wie wir auftreten. Das werden wir dann auch sehen, wenn heute diese beiden Unter­suchungsausschüsse eingesetzt werden, bei denen es nur darum geht, zu polarisieren und mit Schmutz zu werfen.

Wenn es darum geht, die klassischen Medien abzuwerten, muss man sagen: Die Feinde sitzen auch hier im Haus – allen voran die FPÖ, knapp dahinter die ÖVP. Ihr diskreditiert Medien, ihr unterwandert das Vertrauen in Medien. Bei der FPÖ ist ganz klar, worum es geht. (Abg. Stefan: Das ist nicht notwendig!) Ihr habt ein sehr großes Angebot: FPÖ-TV, rechtsextreme Plattformen wie auf1.tv oder auch den „Attersee Report“. (Abg. Stefan: Haben Sie den schon einmal gelesen? Haben Sie den echt schon einmal gelesen?!) Ihr habt es geschafft, wirklich einen Bypass rund um klassische Medien zu legen. Ihr braucht klassische Medien nicht mehr. Das hat auch Herbert Kickl kürzlich bewiesen, als er als einziger Parteichef die Einladung zum „Bürgerforum“ von Puls 4 ausgeschlagen hat: Es sei ein linker Sender, da ginge man nicht hin. (Abg. Stefan: ... könnts ja alle hintanzen!)

Weshalb aber unterwandert die ÖVP das Vertrauen in die Medien? Ihr wollt sie ja gar nicht wirklich diskreditieren, ihr wollt sie beherrschen – und das macht den großen Unterschied. Die ÖVP möchte, dass die Medien das schreiben, was die ÖVP möchte, dass die Medien schreiben. Ihr wollt sie unterjochen und nichts anderes. Das zeigt auch ganz deutlich der Umgang mit dem Medienreformpaket. (Beifall bei den NEOS. – Ruf bei der ÖVP: Mein Gott!)

To make a tragische story short: Uns wurde keine Idee, keine Vision formuliert, wo man denn eigentlich in Österreich hinmöchte, wie man es schafft, einen pluralistischen, vielfältigen Medienmarkt zu gestalten, wie man auch Medien­freiheit sicherstellt. Stattdessen wurden hinter verschlossenen Türen die Gießkannen befüllt, damit alle Medien ein bisschen etwas bekommen, aber alle zu wenig, damit man ja auch noch weiterhin schön von den Inseraten der öffentlichen Hand abhängig ist und immer weiß, bei wem man Danke sagen muss – nämlich bei der ÖVP. (Beifall bei den NEOS.)

Über eine dieser Förderungen stimmen wir heute auch ab. Es ist die Qualitäts­journalismusförderung, die mit 20 Millionen Euro jährlich Qualität sicherstellen soll. Von Anfang an war unsere Kritik an dieser Förderung, dass Qualität an sich eigentlich gar kein Marker ist. Qualitätskriterien sind optional. Man kriegt extra Geld, wenn man Qualität sicherstellt. Man bekommt 10 Prozent extra Förde­rung, wenn man ein Redaktionsstatut hat, was eigentlich eine Selbstverständ­lichkeit sein sollte; 10 Prozent mehr, wenn man ein Fehlermanagementsystem einführt; 10 Prozent mehr, wenn man ein Qualitätssicherungssystem einführt; 10 Prozent mehr für Frauenförderungspläne. Also mir würde einfallen, dass der eine oder andere Punkt da eigentlich obligatorisch und nicht optional sein sollte.

Jetzt hat man diese Qualitätsjournalismusförderung nach Brüssel zur Notifi­zierung geschickt. Die EU-Kommission muss dieser Förderung zustimmen, denn sie greift in den Markt ein. Es ist spannend, was die Bundesregierung in ihr Ansuchen an die Kommission geschrieben hat, nämlich – ich zitiere –:

Der österreichische Medienmarkt durchläuft einen grundlegenden Struktur­wandel. Die tiefgreifendste Veränderung ist die massive Verschiebung von den Printmedien hin zu überwiegend kostenlos zugänglichen Nachrichtenportalen und/oder zum Internet im Allgemeinen. – Zitatende.

An anderer Stelle:

Ferner scheint die Bereitschaft der Menschen, für Inhalte zu bezahlen, die auf den Onlineportalen traditioneller Tages- und Wochenzeitungen angeboten werden, begrenzt zu sein. So haben 2022 nur 13,5 Prozent der Menschen, die online Nachrichten lesen, auch dafür bezahlt. – Zitatende.

Bravo! Sie haben eigentlich das Problem definiert, das Sie selber verursacht haben. Ich habe vor eineinhalb Jahren damit begonnen, zu thematisieren, was es denn bedeutet, wenn der ORF, bestens mit GIS-Gebühren ausgestattet, kostenlos Nachrichten anbietet. Das ist zwar für den einzelnen User im Augen­blick angenehm, denn wer will nicht gratis Nachrichten haben, on the long run bedeutet das aber, dass all die anderen Medien ein großes Problem bekommen, dass wir sie jetzt auf der anderen Seite mit 20 Millionen Euro pro Jahr unterstützen müssen. Das ist nicht das, was ich mir unter einer nachhaltigen Medienpolitik vorstelle. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Zorba.– Abg. Lopatka: ... schwach!)

Ich weiß noch ganz genau: Da haben Sie bei der ÖVP getobt, auch die SPÖ hat getobt, und dann steht schwarz auf weiß in einem Schreiben an die EU-Kommission: 2022 waren nur 13,5 Prozent der Menschen, die online Nach­richten lesen, bereit, dafür auch zu bezahlen. – So etwas kommt von so etwas.

Wir stimmen dieser Förderung heute zu. Wir freuen uns auch über die Erhöhung des Budgets für den Presserat, das haben wir immer gefordert. Das alles wird Sie aber nicht aus der Pflicht entlassen, damit aufzuhören, Medien an die Kandare zu nehmen, und da einmal eine Ernsthaftigkeit an den Tag zu legen. Sie wissen ja überhaupt nicht, wohin das eigentlich führt, was passiert, wenn Menschen den Medien immer weniger vertrauen – und Sie (in Richtung ÖVP) befeuern das Ganze noch. (Beifall bei den NEOS.)

15.09

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Egger. – Bitte. (Abg. Haubner: Jawohl!)