10.02

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es wurde jetzt so viel gesagt, ich bräuchte wahrscheinlich eine halbe Stunde Redezeit, aber das wird sich nicht ausgehen.

Kollege Smolle, Kollege Kaniak und Kollege Schallmeiner haben in ihren Reden wieder einmal Wienbashing betrieben, wie schlimm nicht alles in Wien ist. (Abg. Belakowitsch: Das ist auch so! – Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) Ich bin aus Niederösterreich, und ich könnte euch Sachen erzählen: Zum Beispiel steht in Mistelbach das Spital vor dem Kollaps. Es gibt in ganz Mistelbach keinen Kassenkinderarzt. Kollegin Erasim kämpft gerade dagegen an, damit da Verbesserungen stattfinden. Es ist in jedem Bundesland eine Katastrophe, egal wo man hinschaut. (Beifall bei der SPÖ.)

Nur eine Anmerkung – ein Fall von vielen Tausenden, wie wir sie alle kennen –: Ein 45-jähriger Sägewerksarbeiter geht brav zur Vorsorgeuntersuchung, Kollegin Bogner-Strauß. Im Zuge dieser Vorsorgeuntersuchung wird ein Muttermal festgestellt, und die Ärztin rät ihm, dass er sich bei einem Facharzt melden soll, einen Termin ausmachen soll. Das macht er natürlich, fragt bei verschiedenen Fachärzten, Kassenärzten an: Innerhalb von fünf Monaten ist kein Termin zu bekommen. Was macht er? – Er geht natürlich zu einem Wahlarzt. Dort bekommt er innerhalb von 14 Tagen einen Termin, wird untersucht, das Muttermal wird entfernt, ins Labor geschickt: bösartig, 480 Euro Rechnung. – Dieser Mann geht seit seinem 15. Lebensjahr arbeiten, zahlt seit seinem 15. Lebensjahr Sozialversicherungsbeiträge, zahlt Lohnsteuer. Ich denke, diese Menschen haben ein Recht auf eine optimale Versorgung und sollten nicht fünf Monate oder mehr auf irgendeine Untersuchung warten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich finde es ja immer interessant, wenn freiheitliche Kolleginnen und Kollegen hier herauskommen und sagen, wie schlecht nicht alles unter sozialdemokratischen Gesundheitsministern war. Ich glaube, ihr habt ein bisschen ein Erinnerungsproblem. Ich darf nur daran erinnern, warum dieses System momentan so desolat ist. Das ist ja nicht von heute auf morgen gegangen, das hat ja eine Geschichte. Es hat in Wirklichkeit eine schwarz-blaue oder türkis-blaue Geschichte: Jedes Mal, wenn Schwarz und Blau in der Regierung waren, sind Verschlechterungen eingetreten, ist dem System Geld entzogen worden.

Ich erinnere nur an den 2002 gegründeten Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds, Prikraf genannt. Dort fließen 160 Millionen Euro an Sozialversicherungsbeiträgen hinein, um private Krankenanstalten zu finanzieren – 160 Millionen Euro an Sozialversicherungsbeiträgen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jeden Monat bezahlen, und die haben nichts davon! Das, was ihr da betreibt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine Verschärfung der Zweiklassenmedizin. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Bravo, FPÖ!)

Das war unter Schüssel/Riess-Passer bei Herbert Haupt oder bei der viel zitierten Hartinger-Klein so. Die 160 Millionen Euro, die in diesen Fonds gehen, könnte die ÖGK für all ihre Vorhaben relativ gut gebrauchen. Die 300 Millionen Euro, die sie jetzt pro Jahr bekommt, sind eindeutig zu wenig, denn die ÖGK macht 386 Millionen Euro minus pro Jahr. Wir also sind weit entfernt von der Patientenmilliarde, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Dieser Prikraf, dieser Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds, ist mit der Cofag vergleichbar: Niemand weiß genau, was mit dem Geld passiert. Es gibt irgendwelche Krankenanstalten, die davon profitieren, hauptsächlich Tochterfirmen der Versicherung Uniqa.

Was noch dazu unter Schwarz-Blau passiert ist: Zweimal wurden die Dienstgeberbeiträge zur Unfallversicherung gesenkt, das bedeutet 300 Millionen Euro pro Jahr weniger im Gesundheitssystem. Die Unfallversicherung ist ein wichtiger Player im österreichischen Gesundheitssystem. 300 Millionen Euro weniger, plus die 160 Millionen Euro für den Prikraf – da sind wir schon fast bei einer halben Milliarde Euro, die dem Gesundheitssystem unter Schwarz-Blau entzogen wurde.

Das ist eure Gesundheitspolitik, und wenn ihr dann sagt, es gibt diese Patientenmilliarde, die schon hundertmal ausgegeben wurde (Abg. Bogner-Strauß: Nein!) – oder, ich weiß nicht, Frau Kollegin Bogner-Strauß, wie oft die jetzt schon ausgegeben wurde –: Der Rechnungshof hat eindeutig gesagt, es gibt sie nicht. Die Patientenmilliarde gibt es nicht. (Abg. Bogner-Strauß: Weil sie ausgegeben wurde!)

Ich zitiere nur. Herr Sebastian Kurz: „Bis 2023 wird es eine Patientenmilliarde geben. Wir sparen in der Verwaltung, wir sparen bei den Funktionären, wir sparen im System und schaffen es so, eine Milliarde bis 2023 zu lukrieren, die wir unmittelbar für die Patientinnen und Patienten investieren wollen.“ – Am 14.9.2018 hat er das gesagt. Kollegin Belakowitsch hat gesagt: „Der Patient steht bei der Kassenreform im Mittelpunkt – aus der Verwaltungsmilliarde wird eine Patientenmilliarde.“ – Weit gefehlt. Es ist ein sehr desolates Gesundheitssystem, und das ist nur auf schwarz-blaue Politik zurückzuführen.

Herr Finanzminister, Sie haben gesagt, Sie haben so viel investiert, und Sie haben uns jetzt gerade vorgeworfen, wir hätten zu wenig investiert. – Nur: Aus unserer Sicht wird es falsch investiert, etwa wenn man Konzernen mit der Senkung der Körperschaftsteuer ein Steuergeschenk von über 1 Milliarde Euro macht. Konzernen, die in den letzten vier Jahren Megageschäfte gemacht haben und Sonderdividenden ausgezahlt haben, jetzt noch mit der Senkung der Körperschaftsteuer 1 Milliarde Euro nachzuschießen, empfinde ich als Hohn. In Wirklichkeit wäre dieses Geld im Gesundheitssystem wesentlich besser aufgehoben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.07

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte sehr.