15.17

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete im Hohen Haus! Seit etwas mehr als zwei Jahren bin ich Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung und damit auch für unsere Schulen verantwortlich. Das bin ich mit voller Leidenschaft, Hingabe und Engagement und mit intensivstem Arbeitseinsatz. – Wenn Sie, Frau Abgeordnete Meinl-Reisinger, es nicht sehen, dann tut es mir leid, dann müssen Sie die Augen aufmachen und sich erkundigen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Weiterentwicklung des Bildungssystems war und ist mir ein Herzensanliegen. Das Bildungssystem beginnt bereits bei den Kleinsten, unsere elementarpädagogischen Einrichtungen sind die ersten Bildungseinrichtungen. Mir ist dieser Bereich besonders wichtig (Abg. Kucharowits: ... nicht zuständig!) und deshalb haben wir in den letzten Jahren einen entsprechenden Fokus darauf gesetzt. (Abg. Kucharowits: Wo ist der?)

Wie Sie wissen, ist der Bund für die Ausbildung der Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen zuständig, und da hat sich viel getan. Wir haben in den letzten Jahren neue Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen, von einem Universitätslehrgang über das Masterstudium Elementarpädagogik bis hin zu diversen Hochschullehrgängen. Außerdem haben wir die Kollegplätze massiv ausgebaut.

Wir unterstützen natürlich auch die Bundesländer und die Gemeinden, weil wir nur gemeinsam die besten Bildungseinrichtungen für die Kleinsten schaffen können. Neben den aufgrund der Artikel-15a-Vereinbarung über Elementarpädagogik den Ländern zur Verfügung gestellten jährlichen 200 Millionen Euro hat Bundeskanzler Nehammer vor Kurzem mit 4,5 Milliarden Euro – 4,5 Milliarden Euro! – einen wirklichen Meilenstein in der Kinderbetreuung angekündigt. (Beifall bei der ÖVP.) Als Bundesregierung setzen wir den eingeschlagenen Weg des Ausbaus der Kinderbetreuung entschieden fort. Das ist wesentlich für unsere Kinder, aber natürlich auch zur Entlastung der Eltern und der Familien.

In meiner Rolle als Bildungsminister schaffe ich gemeinsam mit vielen Partnerinnen und Partnern einen Rahmen, um unsere Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu begleiten und auf eine immer komplexer werdende Welt vorzubereiten. Ich schaffe einen Rahmen mit, der es den Kindern ermöglicht, gut ausgestattete Schulen zu besuchen. Ich setze laufend Maßnahmen, um die Schulen weiterzuentwickeln und weiterhin als Orte der Sicherheit zu etablieren.

Eines ist natürlich klar: Die Schulen im Jahr 2023 sind mit denen aus 2019 absolut nicht vergleichbar, denn ja, die Gesellschaft verändert sich in einem enormen Tempo. (Abg. Scherak: ... 1980!) Die Welt wird immer komplexer und die letzten Jahre waren geprägt von Pandemie, Energiekrise, Teuerung und Krieg. Ich bin stolz darauf, dass unsere Schulen dem Tempo der heutigen Zeit durchaus standhalten. Sie bereiten auch aufgrund der exzellenten Leistungen der Lehrerinnen und Lehrer unsere Kinder auf diese immer komplexer werdende Welt vor, denn sie statten die Schülerinnen und Schüler mit den Kompetenzen aus, die heute, morgen und in Zukunft gebraucht werden. Unsere Schulen vermitteln jene Werte, die für uns alle wichtig sind: Freiheit, Solidarität und Leistung.

Seit meinem Amtsantritt bin ich zumindest an einem Tag in der Woche an Schulen im ganzen Land und erlebe dabei innovativen Unterricht. Ich erlebe Schülerinnen und Schüler, die gerne in die Schulen gehen, und habe Gelegenheit, mit ihnen über ihre Erfahrungen und Wünsche zu sprechen. Ich bin im ständigen Austausch mit Lehrkräften im ganzen Land, Schulleitungen, Verantwortlichen in den pädagogischen Hochschulen und Universitäten sowie im Bildungsmanagement.

Genau deshalb verwundert mich auch, wie so oft, der Dringliche Antrag, in dem Sie wirklich eine Geringschätzung unseres Schulsystems zum Ausdruck bringen und eine offensichtliche – ich sage: bewusste – Fehleinschätzung und Geringschätzung der Leistungen (Zwischenrufe der Abgeordneten Kucharowits und Heinisch-Hosek), die das gesamte Bildungssystem und alle hier Tätigen erbringen.

Schule ist Arbeitsplatz und Zukunftsplatz, Lehrerin und Lehrer ist ein Zukunftsjob, ja, für jede Person, die ihn ergreift, vor allem aber für die Schülerinnen und Schüler und damit für unsere Gesellschaft. Unsere Schulen sind Kompetenzzentren, sie sind Bildungsraum und Entwicklungsraum, sie sind Raum für Ideen und auch Safe Room für unsere Kinder, denn in unseren Klassenzimmern lehren wir Geschichte, aber wir schreiben auch Zukunft. In den Schulen begegnen einander nicht nur Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler, denn es ist die Begegnung des Wissens von heute mit der Gesellschaft von morgen.

Diese Begegnung ist nur dann möglich, wenn wir genügend gut ausgebildete, offene und motivierte Lehrkräfte in unseren Klassenzimmern haben. Daher ist die Bekämpfung des Lehrkräftemangels eine der obersten Prioritäten meiner Arbeit, denn nur dann, wenn wir genügend gut ausgebildete, motivierte und engagierte Lehrerinnen und Lehrer in unseren Klassen haben, die unsere Schülerinnen und Schüler fachlich anleiten und begleiten, kann Bildung gelingen.

Mit Klasse Job habe ich daher vor einem Jahr eine wirklich große Lehrkräfteoffensive gestartet. Es ist ein umfassendes Programm, das kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel beinhaltet. Eines kann ich Ihnen sagen: Dieser Maßnahmenmix wirkt. Über 4 300 Personen haben sich etwa zur Zertifizierung als Quereinsteigerin und Quereinsteiger im neuen System angemeldet, und nur vollzertifizierte Kräfte können sich anschließend auch für einen ausgeschriebenen Job im Klassenzimmer bewerben. In diesem Schuljahr konnten wir so über 650 quereinsteigende Akademikerinnen und Akademiker für einen klasse Job gewinnen.

Wir haben es trotz des umfassenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels im ganzen Land geschafft, für dieses Schuljahr insgesamt über 7 000 Stellen zu besetzen. Wir haben dafür eine eigene Plattform geschaffen. Wir haben den gesamten Prozess digitalisiert. Wir sind dadurch schneller, flexibler und effizienter geworden.

Auch bei den Lehramtsstudienanfängerinnen und -anfängern verzeichnen wir ein Plus von fast 17 Prozent. Wenn sich heuer fast 1 000 Personen zusätzlich für ein solches Studium interessieren und ein solches Studium zusätzlich inskribieren, dann kann der Beruf nicht so schlecht sein, dann kann der Job nicht so schlecht sein, das Ansehen nicht so schlecht sein. (Zwischenruf bei den NEOS.) Ich teile Ihre Meinung deshalb in keinster Weise. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich müssen wir alles tun, um die Lehrkräfte und die Schulleitungen, die jetzt schon im Dienst stehen, zu entlasten. Anstatt aber das Lehrerdienstrecht wie von Ihnen gefordert einfach abzuschaffen, erarbeiten wir gemeinsam mit der Standesvertretung laufend Entlastungsmaßnahmen für die Schulen, für die Schulleitungen und vor allem die Lehrerinnen und Lehrer. Das sind Maßnahmen, die wir gemeinsam gut durchdacht haben, die gut im System ankommen und den Lehrerinnen und Lehrern mehr Zeit für die Tätigkeit geben, für die sie ausgebildet sind, nämlich für die Tätigkeit im Unterricht. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es zeigt sich, dass das Ansehen und das Interesse, als Lehrerin oder Lehrer tätig zu sein, steigt, und ich bleibe dran, denn wir brauchen die besten Lehrkräfte. Wir brauchen sie heute, morgen, in fünf Jahren, in zehn Jahren, denn eines ist klar: Ohne gut ausgebildete und motivierte Lehrerinnen und Lehrer gibt es keine gute Bildung.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch kurz auf Pisa eingehen: Ja, die positiven Äußerungen meinerseits basieren auf meiner Überzeugung, dass unser Bildungssystem auf dem richtigen Weg ist. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber Entschuldigung! Wir sacken wieder einmal ab und Sie sagen, wir sind auf einem guten Weg? Weitere Zwischenrufe bei den NEOS.) Trotz der Herausforderungen durch die Covid-19-Pandemie ist das Ergebnis stabil. Die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, haben gewirkt. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ja Selbstaufgabe!) Das habe ich als erfreulich bezeichnet und dazu stehe ich.

Unsere Schülerinnen und Schüler befinden sich in vielen Bereichen über dem OECD-Schnitt, aber natürlich ruhen wir uns auf diesem Ergebnis nicht aus. (Abg. Meinl-Reisinger: Was heißt, wir ruhen uns aus? Sie sind schlecht, die Ergebnisse!) Natürlich nehme ich die Ergebnisse ernst und ich denke intensiv darüber nach, was wir besser machen müssen. (Abg. Meinl-Reisinger: Das gibt’s ja nicht! Zwischenruf des Abg. Scherak. Abg. Meinl-Reisinger: Ja, ich glaube auch!)

Unsere Schülerinnen und Schüler befinden sich in vielen Bereichen über dem OECD-Schnitt (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ja ein Wahnsinn!) – ich darf es noch einmal wiederholen. Schon vor Veröffentlichung der Ergebnisse haben wir Maßnahmen gesetzt, um aufgezeigten Herausforderungen künftig gut zu begegnen, sei es den Mint-Aktionsplan, durch den insbesondere Mädchen im Bereich Mint gefördert werden sollen, oder den Jahresschwerpunkt Lesen, der die Lesekompetenz von allen stärken soll.

Ganz entscheidend für mich, für unsere Schulen und ganz besonders für unsere Schülerinnen und Schüler ist, was sich laufend in den Klassenzimmern tut. So wurden etwa mit dem neuen Jahr, mit Jänner 2023, nach Jahren der Vorarbeit und Diskussion von mir neue Lehrpläne für die Volksschule, für die Mittelschule und die AHS-Unterstufe verordnet. Diese haben, rollierend mit der ersten beziehungsweise der fünften Schulstufe, zu Beginn dieses Schuljahres gestartet.

Die neuen Lehrpläne fokussieren gleichermaßen auf die Entwicklung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen. Die Fachlehrpläne wurden allesamt modernisiert. Politische Bildung, Gesundheitsförderung, Finanz- und Wirtschaftsbildung, Umweltbildung sowie Nachhaltigkeit haben damit einen höheren Stellenwert bekommen. Fächerübergreifendes kritisches Denken, Kommunikation, Kooperation und Kreativität werden durch diese umfassende Lehrplanreform gefördert. Es geht vorrangig nicht mehr darum, festzulegen, was unterrichtet wird, sondern vielmehr darum, was bei den Schülerinnen und Schülern nachhaltig ankommt.

Zudem habe ich das System flexibler gemacht. Wir sind ab jetzt in der Lage, die Lehrpläne jederzeit und kurzfristig punktuell anzupassen. Mit 13 übergreifenden Themen, von politischer Bildung bis hin zu Medienbildung, haben wir fächerübergreifendes Unterrichten in der Volksschule, der Mittelschule sowie der AHS-Unterstufe verpflichtend verankert, denn da geht es um Themen, die von vielen Seiten betrachtet werden müssen und so auch in mehreren Unterrichtsfächern bearbeitet werden können.

Sowohl Unterrichtsmittel, digitale wie analoge, als auch die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften werden aufgrund dieser großen Lehrplanreform modernisiert. Bereits mit dem Schuljahr 2022/2023 wurde zudem erstmals seit Langem ein neuer Pflichtgegenstand eingeführt, ohne andere Fächer zu kürzen, nämlich der Pflichtgegenstand digitale Grundbildung. Schülerinnen und Schüler setzen sich im Rahmen dessen mit Fakenews auseinander, lernen Programmiersprachen spielerisch kennen und erlernen einen kompetenten Umgang mit digitalen Medien. Sie lernen, wie man verantwortungsvoll mit digitalen Endgeräten umgehen soll, denn nur mit dieser Kompetenz können sie ihren beruflichen wie auch privaten Alltag meistern.

Ein zentralistisch ausgesprochenes Handyverbot gibt es in Österreich ganz bewusst nicht. Schulen können natürlich jetzt schon schulautonom im Rahmen der Schulordnung darüber entscheiden, wie mit digitalen Endgeräten am Standort umzugehen ist.

Mit dem erst kürzlich präsentierten KI-Paket haben wir einen von Expertinnen und Experten erarbeiteten Maßnahmenmix als nächsten Schritt präsentiert, der das Thema künstliche Intelligenz behandelt. Dabei werden 100 Schulen zu KI-Pilotschulen. Diese loten die Chancen, aber auch die Schwierigkeiten, die künstliche Intelligenz für den Unterricht bedeutet, für alle aus.

Es ist klar, aufgrund der raschen gesellschaftlichen Veränderungen werden wir weiterhin Innovationen im Bildungssystem brauchen, das ist überhaupt keine Frage. Wir dürfen, sollen und müssen das System ständig hinterfragen, und es ist unsere Pflicht, Gutes zu stärken, Herausforderungen zu benennen und Lösungen zu finden. Es reicht nicht, mit Schlagwörtern umherzuwerfen und jeden Trend sofort unreflektiert ins Klassenzimmer zu holen, denn die Innovationen im Bildungsbereich brauchen Evidenzen (Abg. Meinl-Reisinger: ... das österreichische Bildungssystem wirklich nicht!), nicht nur Meinungen, persönliche Empfindungen, Ideen, Trends und Ideologien. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie brauchen Bildungsforschung.

Daher habe ich letztes Jahr die Initiative Bildungsinnovation braucht Bildungsforschung ins Leben gerufen. Der Start dieser neuen Initiative ist mit 8,8 Millionen Euro dotiert. Es wurden neun Konsortien ausgewählt. (Zwischenruf der Abg. Seidl.) Forschungsteams, die von Universitäten und pädagogischen Hochschulen gemeinsam beschickt wurden, helfen uns, die richtigen Antworten zu finden, anhand derer wir die Schulen ständig weiterentwickeln.

Es sind unter anderem Fragen und Herausforderungen im Bereich Lesekompetenz. Lesekompetenz ist in diesem Jahr der Schwerpunkt für das Bildungsministerium, weil es die Grundkompetenz ist. Ein weiterer Schwerpunkt ist natürlich die Digitalisierung, insbesondere vor dem Hintergrund der künstlichen Intelligenz.

Erst letzte Woche wurden im Rahmen eines österreichweiten ersten Summit Bildungsforschung diese Forschungsprogramme gemeinschaftlich präsentiert, und die Forscherinnen und Forscher konnten sich dort mit anderen Expertinnen und Experten, mit Lehrerinnen und Lehrern und mit im Bildungsmanagement tätigen Personen austauschen. Es waren über 200 Personen dabei und es wurde gezeigt, wie essenziell Bildungsforschung ist. Ich persönlich hatte auch schon die Gelegenheit, mich mit einigen der Forscherinnen und Forscher, die in diesen Konsortien arbeiten, auszutauschen.

Sehr geehrte Abgeordnete! Eines durfte ich in den zwei Jahren als Bundesminister für Bildung sehr oft erfahren: dass unser Bildungssystem vieles leistet und voller engagierter Personen ist, allen voran Lehrerinnen und Lehrern. Ja, es gibt Herausforderungen und es gibt ständig Dinge, die man anpassen und verändern muss, aber es gibt keine einfachen Lösungen, um perfekte Schulen vorzufinden. Wir brauchen deshalb entsprechende Grundlagen und Überlegungen – und es braucht auch Verantwortung, die ich in mir trage, denn Bildung ist Chefsache, meine Chefsache, und das ist sie schon jetzt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler. – Zwischenrufe bei den NEOS.)

15.32

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Künsberg Sarre. – Bitte.