16.26

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Statt „täglich grüßt das Murmeltier“ könnte man in Österreich sagen: alle drei Jahre der Pisa-Schock. So auch dieses Jahr wieder, und ich muss schon sagen: Ja, das Ergebnis ist ernüchternd. Man muss nicht von einer Katastrophe sprechen, aber man sollte es natürlich auch nicht schönreden.

Eines muss gesagt werden, und ich glaube, das ist wesentlicher: Man erntet, was man sät, und bildungspolitische Maßnahmen haben eine extrem lange Keimzeit. Bildungsexpertin Spiel meinte etwa: „Es gibt kaum ein Feld in der Politik, in dem man länger auf Resultate wartet als in der Bildung.“ – Und das stimmt auch.

Jahrzehntelang stand genau eines im Wege: Das waren ideologische und parteipolitische Debatten in der Bildungspolitik, und so sind grundlegende Reformen von Verfechtern des alten Denkens verhindert worden. Das hat vor allem eines zur Folge, und zwar seit Jahrzehnten schon: dass Bildung bei uns in Österreich vererbt wird. 60 Prozent der Kinder aus Akademikerhaushalten erlangen einen Hochschulabschluss, dagegen nur 6,6 Prozent der Kinder, deren Eltern höchstens einen Pflichtschulabschluss haben.

Die Kollegin von der FPÖ vorhin hat davon gesprochen – und es ist schon einigermaßen paradox, wenn sich die FPÖ darüber aufregt –, dass Kinder kein gescheites Deutsch sprechen können. Sie selbst aber hat die separierten Deutschklassen eingeführt, obwohl wir wissen, und unzählige DAF/DAZ-Studien haben das auch belegt, dass Kinder am besten von Kindern lernen. Sich also über etwas aufzuregen, das man selber vermasselt hat, ist schon einigermaßen absurd. (Beifall bei den Grünen.)

Damit sind wir beim Punkt: Ziel muss es sein, jedem Kind eine Chance zu geben. Das fängt beim ersten Bildungsweg an, und das ist der Elementarbereich, das haben wir schon gehört. Seit Jahrzehnten hören wir jetzt schon, dass der Kinderbildungsbereich ausgebaut wird, dass die Kinderbetreuung ausgebaut werden soll – und seit Jahrzehnten sind wir nicht vom Fleck gekommen. Wir haben uns auch viel zu lange auf das alte Denken verlassen: Die Mama bleibt eh daheim! Es gibt nach wie vor Öffnungszeiten mit 3 Stunden am Vormittag, 3 Stunden am Nachmittag, bei denen man sich fragt, wem das etwas bringen soll. (Abg. Belakowitsch: Vielleicht den Kindern?) Zu wenig Kinderbetreuung, zu wenig Kinderbildung ist nicht nur Chancenraub an Frauen, das ist auch Chancenraub an Kindern.

Für die Gemeinden gibt es jetzt aber keine Ausreden mehr, warum sie keinen Ausbauturbo zünden können, denn wir haben das Geld mit dem Zukunftsfonds und dem Finanzausgleich jetzt gesichert – das ist jetzt da! (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Ach so?)

Zum Personal noch ganz kurz: Es werden genug Pädagogen und Pädagoginnen ausgebildet, aber viele verlassen nach kürzester Zeit wegen den Arbeitsbedingungen das Berufsfeld wieder (Abg. Belakowitsch: Wegen der! Verwenden Sie den Genitiv, wenn Sie schon in der Bildungsdebatte mitreden!): zu große Gruppen, zu wenig Bezahlung. Wir dürfen nicht vergessen – das haben wir heute auch schon mehrfach gehört –: Der elementarpädagogische Bereich ist die erste Bildungseinrichtung, also brauchen wir da auch die besten Leute.

Das ist auch kein Henne-Ei-Problem, denn der Bund bildet genug Pädagogen und Pädagoginnen und anderes Personal aus. Solange es aber keine Verbesserungen der Arbeitsbedingungen gibt, werden wir nicht genug Personal haben. Allein in Wien fehlen derzeit über 1 000 Personen für die Kinderbildung.

Das heißt, die Gemeinden, die Länder müssen für bessere Arbeitsbedingungen sorgen, und gleichzeitig muss der Ausbauturbo gezündet werden, damit wir Familien – vorrangig Frauen – nicht länger im Stich lassen, aber auch, damit wir sozioökonomische Unterschiede von Anfang an minimieren und wirklich für Chancengerechtigkeit für jedes Kind sorgen können. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Bogner-Strauß und Salzmann.)

16.30

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fiedler. – Bitte sehr.