16.42

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Bundesminister, ich habe tatsächlich geglaubt, ich traue meinen Ohren nicht, als ich die Ergebnisse der Pisa-Studie und Ihre Reaktion darauf gehört habe, die doch tatsächlich war, dass das ein erfreuliches Ergebnis sei.

Was war eines der aus unserer Sicht ganz zentralen Teilergebnisse dieser Pisa-Studie? – Dass in Österreich die Bildungsschere immer weiter auseinandergeht, dass wir es nicht schaffen, die Bildungschancen der Kinder anzugleichen, sondern dass sich die Bildungschancen der Kinder immer weiter auseinanderentwickeln, je nachdem, wie sehr das Elternhaus da unterstützen kann, ökonomisch ausgestattet ist und so weiter.

Ich habe mir gedacht, vielleicht werden Sie das heute hier nachholen, relativieren, aber nein, Sie haben heute Herausforderungen aufgezählt – davon sind einige durchaus richtig –, aber Sie haben kein Wort zu diesem ganz zentralen, dramatischen Ergebnis gesagt, dass die Chancen unserer Kinder je nach ökonomischem Hintergrund, je nach ökonomischer Herkunft der Kinder in derartigem Ausmaß unterschiedlich sind.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, die jetzige Phase der Bildungspolitik – und ich blicke ja schon auf einige Jährchen zurück – erinnert mich sehr an die Phase von Frau Bundesministerin Gehrer. Ich weiß nicht, ob Sie sich an Ihre Vorvorvorgängerin und an die damalige Phase der Bildungspolitik erinnern können. Das war eine Phase, die von Stillstand, und zwar von selbstzufriedenem Stillstand in der Bildungspolitik, von zermürbendem, selbstzufriedenem Stillstand in der Bildungspolitik auf Kosten der Kinder und Jugendlichen in unserem Land, geprägt war.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, ich muss Ihnen sagen, dass die Ergebnisse, die wir immer wieder durch die Pisa-Studie als Spiegel vorgehalten bekommen, auch in ganz wesentlichem Ausmaß ein schlechtes Zeugnis für die ideologische Verbohrtheit der ÖVP in der Bildungspolitik sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Die ÖVP schafft es seit vielen Jahren – um nicht zu sagen: Jahrzehnten! –, wichtige, notwendige Reformen in der Bildungspolitik zu verhindern, zu blockieren, entweder indem sie den Bildungsminister oder die Bildungsministerin stellt oder indem sie als Koalitionspartner nicht zulässt, dass die Koalitionspartnerin als Bildungsministerin wichtige Reformen – die Vorschläge liegen am Tisch, die Experten und Expertinnen sind sich einig! – angreifen und umsetzen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wäre wichtig, um das Thema der Chancengerechtigkeit wirklich an der Wurzel zu packen? – Es wäre wichtig, zum Beispiel in einem erheblich höheren Ausmaß Ganztagsschulen in Österreich anzubieten, und zwar verschränkte Ganztagsschulen, keine Nachmittagsbetreuung.

Wenn wir hören, dass Kinder mittlerweile sogar in der Volksschule Nachhilfe brauchen, sind wir ja wieder beim Thema des ökonomischen Hintergrunds der Eltern: Wer kann sich das leisten, Kindern schon in der Volksschule Nachhilfe zu zahlen, und wer nicht? Das ist ja ein Wahnsinn, dass das notwendig ist! Mit einer entsprechenden Unterstützung individuell über den ganzen Tag hinweg in der Ganztagsschule (Abg. Brückl: Zwangstagsschule!) sollte das nicht notwendig sein.

Der Chancenindex, der nicht von den NEOS erfunden worden ist, wurde von der Arbeiterkammer vor vielen Jahren entwickelt (Abg. Loacker: Wir machen alles mit der Arbeiterkammer, das weißt du doch!) und wird von Experten aufgegriffen und unterstützt. So eine wichtige Ressourcenverteilung nach Bedarf wäre, was wir so dringend brauchen.

Es gäbe noch vieles mehr, aber ich muss zum Schluss kommen. Um zu Frau Ministerin Gehrer zurückzukommen: Die Regierung, die ÖVP ist damals übrigens abgewählt worden, nicht zuletzt in großem Ausmaß deshalb, weil die Eltern diesen zermürbenden Stillstand in der Bildungspolitik für ihre Kinder nicht wollten. (Beifall bei der SPÖ.)

16.47

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fürst. – Bitte.