18.52

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute ja vor Behandlung der Tagesordnung schon sehr ausführlich über die Zweiklassenmedizin in Österreich gesprochen, über den Finanzausgleich, wobei auch gesagt worden ist, dass da einiges gelungen ist, aber dass die Herausforderungen so groß sind, dass zu wenig nicht reichen wird, um unser Gesundheitssystem zu retten. Das ist vielleicht etwas unorthodox, aber das ist mir jetzt im Nachhinein einfach wichtig, dass ich heute nicht nur über die ÖVP und die Grünen diskutieren möchte, sondern vor allem auch die Beiträge der Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei und der NEOS zum Thema nehmen möchte, weil es eine derart zentrale Debatte ist: Kämpfen wir über alle Parteigrenzen hinweg dafür, dass alle Menschen eine gleich gute Versorgung haben und dass wir in Österreich garantieren, dass die Wartezeiten reduziert werden und unser Gesundheitssystem wieder zu den besten der Welt gehört!

Es hat da zwei Reden gegeben, die man einfach nicht so stehen lassen kann. Die eine Erzählung kommt von den NEOS, die sich allen Ernstes hierherstellen und auch medial behaupten, dass wir eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt haben und wie viel Geld Österreich denn nicht dafür ausgeben würde. Sie beschweren sich sozusagen sehr stark darüber, dass das Gesundheitssystem ein Fass ohne Boden wäre.

In allen politischen Sonntagsreden wird jeder von uns sagen: Da gibt es hunderttausend Baustellen und Schrauben, an denen man arbeiten und drehen kann, Reformen, Effizienzpotenziale. Das wird jeder unterschreiben.

Nur die Erzählung der NEOS ist natürlich nicht wahr. Wenn wir uns die öffentlichen Gesundheitsausgaben im europäischen Vergleich anschauen, dann sind wir weltweit und auch in Europa nicht an der Spitze, sondern wir sind in dem Bereich, bei den öffentlichen Zahlungen bestenfalls im Durchschnittsbereich. Wir liegen hinter Estland, sind da sozusagen im europäischen Mittelfeld. Das Einzige, was uns in dem Bereich noch rettet, sind die privaten Zuzahlungen. Da reden wir von 11 Milliarden Euro pro Jahr, die die Menschen in Österreich inzwischen Tag für Tag aus der eigenen Brieftasche zahlen müssen, um unser Gesundheitssystem zu finanzieren. Das sind 1 000 Euro zusätzliche private Zahlungen pro Person in Österreich, und die Frage ist, ob wir uns damit abfinden wollen.

Die NEOS wollen ein privates Gesundheitssystem haben, die wollen das öffentliche Gesundheitssystem schwächen, und deswegen kommt immer wieder dieselbe Leier: viel zu viele Ausgaben. Sie vergessen aber, mit zu erzählen, dass unser Gesundheitssystem in Wahrheit durch private Zuzahlungen unterstützt wird. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Die zweite Erzählung ist von den Freiheitlichen gekommen, und die haben es uns schwerer gemacht. Man kann es sagen, wie es die Regierung erzählt: Das ist alles Weltklasse, es ist ein supertolles Budget und alles wird besser werden! – Man kann auch die Erzählung von Freiheitlichen und NEOS wählen und sagen: Es ist alles eine Katastrophe!

Gerhard Kaniak, ihr redet immer davon, dass ihr die Partei des kleinen Mannes seid, und in Wahrheit seid ihr in der Frage der Gesundheitsreform die Feigsten von allen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sagt mir einen einzigen Reformvorschlag, den ihr gebracht habt! Einen einzigen Reformvorschlag! – Und das tut mir deswegen so weh, weil mir heute so viele Menschen aus den Gesundheitsberufen geschrieben haben, die wirklich am Limit sind und nicht mehr weiterkönnen; Leute, die seit Monaten verzweifelt auf Arzttermine warten und keine Termine bekommen. Das sind ganz reale Schicksale von Menschen. Ihr sagt darauf als Antwort zu diesen Menschen: In Wahrheit tun wir gar nichts! – Ist das allen Ernstes euer Zugang?

Ihr seid ja verantwortlich gewesen, ihr seid mit Hartinger-Klein verantwortlich gewesen. Wir haben heute die Zahlen gehört. Im Jänner wird es einen vernichtenden Rechnungshofbericht geben, der hoffentlich auch breit diskutiert werden wird, in dem man schwarz auf weiß nachlesen kann, dass die Kassenzerschlagung, die ihr als Blaue federführend verantwortet habt, dazu geführt hat, dass Eltern jetzt keine Kassenärzte mehr für ihre Kinder finden. Das sind Zahlen, die nachzulesen sind.

Die 200 Millionen Euro, die jedes Jahr fehlen, die ihr sozusagen an die Großspender der ÖVP weitergegeben habt – Steuerzuckerl für Konzerne, mehr Geld für Privatkliniken –, das war die Realität; ihr seid da ganz vorne mit dabei gewesen. Sie stellen sich dann heute hierher und sagen: Es ist völlig egal, dass wir die Sozialversicherung ausgeräumt haben! – Die Menschen spüren es tagtäglich, die Leute, die im Gesundheitsbereich arbeiten, und die Leute, die dringend einen Arzttermin brauchen. Das war die blaue Politik. Und du hast nicht einmal die Größe, dich heute hierherzustellen und dafür zu entschuldigen, was für einen Schaden für die Gesundheitsversorgung Hartinger-Klein, die damals mit Kickl und Strache da vorne gesessen ist, in Wahrheit verursacht hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen darf ich noch einmal klar sagen: Ein Finanzausgleich ist besser als kein Finanzausgleich. Wir bekennen uns ganz klar dazu, dass wir gegen die Zweiklassenmedizin ankämpfen müssen, dass wir mehr Ärztinnen und Ärzte ausbilden müssen, dass es eine echte Pflegeoffensive braucht und dafür natürlich auch deutlich mehr Geld.

Noch einmal und zum letzten Mal noch eine Zahl: Wenn wir von einer Stärkung des niedergelassenen Bereiches reden, aber wissen, dass die Österreichische Gesundheitskasse in diesem Jahr ein Minus von 386 Millionen Euro budgetiert – minus 386 Millionen Euro! –, ist es dann ehrlich, zu sagen, dass alles besser wird, wenn sie ab nächstem Jahr 200 Millionen Euro dazubekommt?! Das wird sich einfach nicht ausgehen, und Ehrlichkeit ist in der Politik nicht das Schlechteste. Deswegen darf ich noch einmal bitten: Versuchen wir miteinander, die Patientenmilliarde, die damals von ÖVP und FPÖ versprochen worden ist, auch zu beschließen und in die Wege zu leiten! (Beifall bei der SPÖ.)

18.57

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung: Herr Mag. Gerhard Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie kennen natürlich die Bestimmungen der Geschäftsordnung auf das Genaueste.