16.50

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Es wurde schon mehrfach erwähnt, dass es diese Regierungsvorlage, die wir nun besprechen, betreffend Arbeitsunfähigkeit schafft, eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Istzustand zu erreichen – deswegen haben wir im Ausschuss auch zugestimmt.

Bisher war es so, dass Menschen mit Behinderungen nach der Pflichtschule meistens von der PVA auf Arbeitsunfähigkeit überprüft worden sind. So eine Arbeitsunfähigkeitsfeststellung macht es für diese Menschen nahezu unmöglich, am Ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Der Weg führt dann in eine Tagesstruktur, wo man mit einem Taschengeld abgespeist wird, keinen Urlaubsanspruch hat und auch sozialversicherungsrechtlich nicht abgesichert ist.

Dass diese Prüfung auf Arbeitsunfähigkeit jetzt erst mit 25 erfolgen soll, begrüßen wir ausdrücklich, das möchte ich festhalten. Allerdings hat Kollege Koza von einer Abschaffung und von einem Paradigmenwechsel gesprochen. Soweit wir das in dieser Vorlage gesehen haben, ist das nur ein Verschieben bis zum 25. Lebensjahr, dann läuft alles wieder wie gehabt.

In den Abschlussbemerkungen der Vereinten Nationen im Zuge der Staatenprüfung wurde auch angemerkt, dass man vom medizinischen Modell hin zum menschenrechtlichen Modell kommen muss, was diese Einschätzungen betrifft. Ein Paradigmenwechsel in dieser Angelegenheit wäre die komplette Abschaffung der Arbeitsfähigkeitsbeurteilung, einfach zu schauen, wo die Talente der Menschen liegen, zu schauen, was sie können – glauben Sie mir, jeder Mensch hat Talente –, und sie danach einer Arbeit zuzuweisen.

Es gibt aber auch noch einen zweiten Kritikpunkt an dieser Novellierung. Es hat sich ein Bürger bei uns gemeldet. Er hat uns freundlicherweise erlaubt, sein Beispiel hier zu bringen. Es geht um den 19-jährigen Sohn dieses Bürgers, der fatalerweise vor dem 1.1.2023 seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bekommen hat. Und da stellt man sich die Frage: Warum fällt jemand, der am 31.12.2022 diese Bescheinigung bekommen hat, raus, wenn der, der sie am 1.1.2023 bekommen hat, drinnen ist?

Ihre Antwort war, beim neuen Gesetz handle es sich um eine grundlegende Systemumstellung, die leider eine Stichtagsregelung unumgänglich macht. Sie haben davon gesprochen, dass das noch nicht der letzte Schritt war. Ich nehme Sie da wirklich beim Wort. Wir sehen das aber trotzdem anders, das muss besser gehen, und deshalb bringen wir auch folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stichtagsregelung bei Arbeitsunfähigkeit“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, wird aufgefordert, ein Konzept zu erarbeiten und dem Nationalrat vorzulegen, das auch jene Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 von der vorgelegten Novellierung der Arbeitsunfähigkeitsprüfung profitieren lässt, die ihren Bescheid vor dem Stichtag 1.1.2023 ausgestellt bekommen haben.“

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Es ist absolut notwendig, dass wir diesen Antrag mit breiter Mehrheit annehmen und eine Verbesserung gegenüber der Stichtagslösung schaffen, damit wirklich alle Menschen unter 25 von der angestrebten Änderung profitieren. Das wäre der Paradigmenwechsel, auf den wir alle warten, weil Inklusion nicht karitativ ist, sondern ein Menschenrecht. Ich glaube, wir verzichten auf wertvolle Arbeitskräfte, wenn wir diesem Antrag nicht mit breiter Mehrheit zustimmen. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.54

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Stichtagsregelung bei Arbeitsunfähigkeit

eingebracht im Zuge der Debatte in der 245. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (2307 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz und das Ausbildungspflichtgesetz geändert werden (2394 d.B.) – TOP 13

Mit einer Regierungsvorlage (2307 d.B., 1), die am 7. Dezember 2023 im Sozialausschuss angenommen wurde, plant das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft eine Änderung der Arbeitsunfähigkeitsprüfung. Zukünftig soll die Prüfung auf Arbeitsfähigkeit erst mit dem 25. Lebensjahr erfolgen. Bisher war es üblich, diese Prüfung bereits im Jugendalter durchzuführen, was zur Folge hatte, dass Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderungen frühzeitig vom (ersten) Arbeitsmarkt ausgeschlossen wurden und ein späterer Einstieg somit enorm erschwert wurde.

Die geplante Änderung geht hier einen Schritt in die richtige Richtung (2), jedoch ist in der Regierungsvorlage eine Übergangsregelung mit Stichtag gewählt. Dort heißt es bei der Änderung des ASVG:

"Dem § 81 wird folgender Abs. 17 angefügt:

„(17) Gutachten des Kompetenzzentrums Begutachtung der Pensionsversicherungsanstalt zur

Beurteilung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 252 Abs. 2 Z 3 ASVG sind, sofern sie nicht vom AMS

angeordnet wurden, für Personen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres außer Acht zu lassen.

Gutachten, die nach dem 1. Jänner 2023 vom Arbeitsmarktservice angeordnet wurden, sind bis zur

Vollendung des 25. Lebensjahres unbeachtlich.“"

Das Problem, das sich aus der Regelung ergibt, ist, dass Personen, die vor dem 1.1.2023 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten haben und jünger als 25 sind, nicht von der Novellierung profitieren und die Arbeitsunfähigkeit somit bestehen bleibt. Diese Handhabe kann nicht im Sinne des Artikel 27 der UN-BRK (3) sein. Sinnvoller wäre es, alle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für Menschen unter 25, unabhängig von einem Stichtag, für nichtig zu erklären - und somit eine Diskriminierung bei diesen Fällen zu verhindern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, wird aufgefordert, ein Konzept zu erarbeiten und dem Nationalrat vorzulegen, das auch jene Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 von der vorgelegten Novellierung der Arbeitsunfähigkeitsprüfung profitieren lässt, die ihren Bescheid vor dem Stichtag 1.1.2023 ausgestellt bekommen haben."

1.             https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/I/2307

2.             https://www.behindertenrat.at/2023/06/ams-angebote-bei-arbeitsunfaehigkeit-fuer-unter-25-jaehrige/

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