15.01

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt politische Versprechungen, die sich aufs Erste gut anhören. Einer, der in dieser Frage der Inszenierung wirklich Meister war – das hört man auch selten von mir –, war dein Freund, Herr Bauernbundpräsident, Sebastian Kurz, der es immer wieder geschafft hat, Politfloskeln zu entwickeln, die auch super geklungen haben.

Sparen im System und nicht bei den Menschen – auf den ersten Blick denkt man sich, das ist vielleicht eine klasse Geschichte. (Abg. Strasser: Das haben wir gut gemacht!) Da hat es so Dinge wie eine Patientenmilliarde gegeben, bei der alle gedacht haben – ihr erinnert euch vielleicht –, da wird alles besser werden; eine Patientenmilliarde und gleich gute Leistungen für alle Menschen in Österreich im Bereich der Gesundheitsversorgung.

Wir als Sozialdemokratie – Beppo Muchitsch, Rainer Wimmer und viele Kolleginnen und Kollegen – haben damals schon gewarnt und gesagt, allein bei der Unfallversicherung eine halbe Milliarde herauszunehmen, wird die Situation in Österreich nicht besser machen. Einfach zu sparen, zu kürzen, statt mehr Geld im Gesundheitsbereich zu investieren, wird dramatische Folgen haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Heute am Abend werden wir einen Rechnungshofbericht behandeln, der all das, was damals diskutiert worden ist, als es geheißen hat, wir wollen das beste Gesundheitssystem stärken, die Patientenmilliarde (den angesprochenen Bericht in die Höhe haltend), in Wahrheit auf eine vernichtende Art und Weise zerpflückt hat.

Die Kolleginnen und Kollegen, die damals hier gesessen sind und die Patientenmilliarde und die Zerschlagung der Sozialversicherung beschlossen haben, darf ich heute ganz offen und ehrlich fragen: Gibt es heute noch irgendjemanden in diesem Raum, vor allen in den Reihen der ÖVP und der FPÖ, der ganz ehrlich sagen würde, das war eine gute Idee? Gibt es irgendjemanden, der das noch behaupten würde? (Abg. Saxinger: Ja!) – Ui, Kollege Saxinger, das ist mutig! Ich meine, du hast das damals nicht mitbeschlossen, aber du hast anscheinend dann auch den Rechnungshofbericht nicht gelesen. (Zwischenruf des Abg. Muchitsch.) Dazu hast du aber heute am Abend noch die Gelegenheit, denn real ist die Situation deutlich, deutlich schlechter geworden.

Die Einsparungen hat es nie gegeben. Der Rechnungshof hat schwarz auf weiß belegt, dass die versprochene Patientenmilliarde nie im Leben eingetroffen ist, im Gegenteil, es hat Hunderte Millionen Euro Mehrkosten gegeben. Hunderte Millionen Euro! (Abg. Strasser: Das stimmt ja nicht! Na, na!) Da ist Geld für irgendwelche Logos investiert worden. Abg. Hechenberger: Das hast du dir aus die Ärmel gebeutelt!) Dann hat es millionenschwere Beraterhonorare gegeben, über die wir nicht einmal informiert werden, weil Frau Hartinger-Klein gesagt hat, das ist ihre Privatsache, und diese Akten 25 Jahre lang als Privatsache versiegeln hat lassen. Die liegen alle im Staatsarchiv.

Das heißt, nicht einmal die Informationen, wie damals die Millionen verteilt worden sind, sind vorgelegt worden, aber es gibt keine einzige Person im Gesundheitsministerium, die heute im Nachhinein sagt, dass sie jemals daran geglaubt hätte, dass der ganze Schmäh funktioniert. – Das zur Patientenmilliarde. (Beifall bei der SPÖ.)

Wer sind denn jetzt die Leidtragenden? Wen betrifft denn das Ganze? Es sind ganze Regionen in Österreich, wo Menschen verzweifelt auf Termine warten, teilweise bei Wahlärztinnen und Wahlärzten, für die sie extra zahlen müssen, monatelang warten müssen, Leute wirklich verzweifelt sind, Schmerzen haben. Wir alle merken, dass die ärztliche Versorgung, dass das Angebot deutlich schlechter geworden ist und dass dieses dramatische Kaputtsparen natürlich auch Folgen gehabt hat. Das sind Eltern, die daheim sitzen, wenn das Kind Fieber hat, und die eben nicht die Chance haben, in kurzer Zeit einen Kinderarzt zu bekommen.

Wir haben jetzt vom Gesundheitsministerium Zahlen vorgelegt bekommen, die zeigen, wie schnell und wie dramatisch die Zahlen im Bereich der Wahlarztrefundierungen in Österreich explodiert sind. Im Vergleich von 2019 zu 2022 haben sich als direkte Folge der Kassenzerschlagung im Bereich der Frauenheilkunde die Anträge auf Refundierungen verdreifacht – innerhalb von drei Jahren verdreifacht! Dasselbe erleben wir im Bereich der Allgemeinmedizin, und wir erleben im Bereich der Kinderheilkunde eine Verdopplung. Das sind dramatische Zahlen. Wir reden von 300 000 Anträgen, die gekommen sind, aber hinter jedem dieser Anträge steht ein Mensch, der verzweifelt auf Termine wartet und nicht die bestmögliche Versorgung bekommt, die ihm versprochen worden ist.

Die Frage ist, ob wir das quer über alle Parteien einfach so hinnehmen oder ob wir miteinander das, was den Menschen versprochen worden ist, heute auch ganz konkret umsetzen. Dazu gibt es einen konkreten Vorschlag. Wir haben gemeinsam mit Andreas Babler gesagt, dass das, was in anderen Staaten der Welt funktioniert, doch auch in Österreich möglich sein muss, und da rede ich von einer Termingarantie. Das wird nicht von einem Tag auf den anderen gehen, aber das, was skandinavische Länder hinbekommen, werden wir auch in Österreich schaffen, wenn wir es miteinander beschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

Höchstwartezeiten zu definieren, auch miteinander dafür zu sorgen, dass die Kompetenzen der Gesundheitsberufe gesteigert werden, dass wir mehr Ärztinnen und Ärzte ausbilden, das alles sind Dinge, die wir gemeinsam in der Hand hätten. Die Landesgesundheitsreferent:innen fordern seit Jahren, dass wir die Zahl der Medizinstudienplätze ausweiten. Jeder Antrag, den wir in den letzten Jahren eingebracht haben, ist von den Blauen, den Grünen und den Schwarzen niedergestimmt worden.

Jetzt können wir sagen: Es ist nicht so schlimm, da haben wir Zeit, es wird vielleicht eh eine sozial gerechtere Regierung geben und wir werden das reparieren können!, aber jeder Tag, an dem nicht gehandelt wird, ist ein verlorener Tag für die Menschen. Wenn wir heute nicht handeln, steuern wir in einigen Jahren auf einen dramatischen Ärztemangel zu. Die Chance wäre, das heute hier gemeinsam zu beschließen, deswegen auch unser Fristsetzungsantrag.

Ein Punkt, der mir wirklich am Herzen liegt – es war schon beeindruckend, dass das überhaupt gelingt, dass Karl Nehammer jetzt wochenlang eigentlich nur mit einer Rede beschäftigt war und dann auf eine der ganz, ganz zentralen Berufsgruppen in Österreich einfach vergessen hat; Zehntausende Menschen arbeiten in diesem Bereich –: Die Pflege kommt im Plan von Karl Nehammer mit einem einzigen Satz vor, und das ist seine Initiative, die er jetzt vorschlägt: Holen wir halt mehr Pflegekräfte aus dem Ausland nach Österreich. Das ist die einzige Antwort, die der amtierende Bundeskanzler auf die dramatische Situation in der Pflege hat. Nachdem wir hier gestanden sind, den Pflegekräften applaudiert haben, gesagt haben, wie wichtig sie sind, welche Heldinnen und Helden sie sind, gibt es keinen einzigen Vorschlag, was konkret passiert, damit wir die 100 000 Menschen, die wir bis 2030 für die Pflege brauchen, in Zukunft auch wirklich gewinnen können.

Wir haben bis heute österreichweit keine Mindeststandards und keinen Mindestpersonalschlüssel. Es tut sich im Bereich der Arbeitszeiten, im Gehaltsbereich nichts. (Zwischenruf des Abg. Singer.) Wo ist die Pflegeoffensive? Wir als Sozialdemokratie haben ganz konkret vorgeschlagen, dass das, was wir gemeinsam für die Polizistinnen und Polizisten in Ausbildung erkämpft haben, dass diese 2 300 Euro bezahlt kriegen, doch bitte auch die Menschen in der Pflege bekommen sollen. Das wären ganz konkrete Maßnahmen, um jungen Menschen entgegenzukommen und nicht nur von Respekt zu reden, sondern ganz konkrete Maßnahmen zu setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt, von der Ärzteausbildung bis zur Pflegeoffensive wäre wirklich viel zu tun. Der erste Schritt ist aber, dass wir mit diesem Schönreden aufhören. Wir brauchen auch nichts krankzujammern, aber es geht ganz konkret darum, dass wir in Österreich die Probleme offen ansprechen, und die Wartezeiten und die Situation des Gesundheitssystems sind deutlich, deutlich schlechter geworden.

Was mich dann einfach ärgert, ist: Ich habe mit Kollegen Haimbuchner am Sonntag eine nette Diskussion gehabt, und er hat dann irgendwie erklärt, diese Patientenmilliarde war in Wahrheit eh super. Schuld sind die Leute in der Sozialversicherung, weil sie halt nicht zügig dahinter waren und nicht geschaut haben, dass diese Reform umgesetzt worden ist. – An der Spitze der ÖGK sitzt ein blauer Bürgermeister, der ist nicht unbedingt Gesundheitsexperte, aber ÖVP und FPÖ haben dort die Mehrheit, und es ist real nichts besser geworden.

Ihr hättet ja jahrelang auch die Chance gehabt, wenn das alles so super ist, es besser zu machen. Heute habt ihr aber nicht einmal den Mut, aus den Fehlern und dem Schaden, den ihr vor Jahren angerichtet habt, zu lernen. Ich erinnere mich an all die Reden! Christian Ragger hat ganz verliebt in Richtung Hartinger-Klein geschaut, Peter Wurm, Dagmar Belakowitsch, ihr alle habt gesagt, wie super das wird. Gust Wöginger ist heute nicht hier, aber der hat gelobt: Das wird eine tolle Reform werden! Die Beate, die macht das schon! – Ich habe das alles noch im Ohr. (In Richtung Abg. Meinl-Reisinger:) Nicht du (Abg. Meinl-Reisinger: Ich mache auch viel!), Kollegin Hartinger-Klein. (Heiterkeit bei SPÖ und NEOS.) Ich möchte da keine Vergleiche anstellen.

Der Punkt ist wirklich: Da ist vor Jahren einiges kaputt gemacht und zerschlagen worden, und die Leidtragenden sind heute die Menschen, die verzweifelt warten. Wir kennen alle die Beispiele aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, betroffene Familien, aber wir hätten es gemeinsam in der Hand.

Deswegen bitte ich, dass ihr heute unseren Antrag unterstützt, dass wir diese versprochene Patientenmilliarde wirklich mit Leben erfüllen und dafür sorgen, dass alle Menschen in Österreich eine gleich gute und bestmögliche Versorgung bekommen und wir die Termingarantie umsetzen, die in anderen Ländern längst möglich ist. (Beifall bei der SPÖ.)

15.10

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Smolle.

Ich darf inzwischen die Sportmittelschule aus Waidhofen an der Ybbs recht herzlich bei uns auf der Galerie begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)