17.10

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Vizekanzler! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Galerie, aber auch zu Hause vor den Endgeräten! Hohes Haus! Was lange währt, wird endlich gut. Und ich sage Ihnen: Der moderne Staat, er ist jetzt da.

Bereits der Philosoph Max Weber hat einmal die Politik beschrieben als „ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß“. – Und ja, genau das war notwendig, um dieses Gesetz zu erreichen. Die Kritik, die höre ich wohl, alleine: Lassen wir uns den Erfolg, den Durchbruch, der mit dem heutigen Beschluss gelingen wird, nicht kleinreden! Wir lassen uns das nicht nehmen: Das ist ein großer Erfolg! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich weiß auch: In den letzten dreieinhalb Jahren waren es dann nur mehr wenige, die uns wirklich zugetraut haben, dass wir dieses Gesetz tatsächlich auf den Weg bringen. Den Kritikern sei gesagt: Wir haben es geschafft! Und wer immer das Haar in der Suppe sucht, dem wird die Mahlzeit wohl nicht schmecken. Wir haben das Ziel gehabt, den Staat transparent zu machen, die Verwaltung transparent zu machen, und das gelingt mit der Abschaffung dieses Relikts unserer Bundesverfassung, des Amtsgeheimnisses, das seit fast 100 Jahren in der Bundesverfassung festgeschrieben ist, mit der Einführung eines Grundrechtes auf Zugang zu Informationen.

Wir haben es bereits gehört: Seit mehr als zehn Jahren wird darüber diskutiert. Viele Vorgängerregierungen haben immer und immer wieder versprochen, sie werden das Amtsgeheimnis abschaffen. Bisher ist es nicht gelungen – jetzt aber schon. Im Jahr 2020 haben wir begonnen, im Jahr 2021 – viel gescholten: erst so spät! – einen Ministerialentwurf auf den Weg gebracht. Ja, es hat eben gedauert! Es war auch notwendig, mit allen zu sprechen, aber wir haben mit diesem Ministerialentwurf im Jahr 2021 einen Stein ins Rollen gebracht, und jetzt – der Herr Vizekanzler hat es heute so treffend formuliert – setzen wir diesen Meilenstein auch hin.

Über 200 Stellungnahmen sind im Begutachtungsverfahren eingegangen – über 200 Stellungnahmen! –, wirklich fundierte, mit großen Sorgen, die geäußert worden sind, mit Kritik, die geäußert worden ist, wir mussten viele überzeugen, aber genau das dann auch in die Regierungsvorlage einfließen zu lassen, ist uns gelungen. Und ja, dann haben wir das Gespräch mit allen Oppositionsparteien gesucht, um hier auch tatsächlich die Zweidrittelmehrheit, die notwendig ist, wenn man die Bundesverfassung ändert, zu finden.

Es ist gelungen, sie zu finden, und deshalb möchte ich Ihnen ganz kurz noch einmal die Eckpunkte dieses Gesetzes sagen: Wir drehen das bisherige System um 180 Grad. Zukünftig ist Transparenz die Regel und Geheimhaltung nur mehr die Ausnahme. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das fußt auf zwei Säulen – sie wurden schon beschrieben –: Informationen von allgemeinem Interesse werden zukünftig proaktiv zur Verfügung gestellt werden müssen – mit einigen Einschränkungen, die ich auch noch sagen werde. Die zweite Säule ist die passive Informationspflicht. Das bedeutet nichts anderes, als dass jeder Bürger und jede Bürgerin, der oder die – egal in welcher Gemeinde – einen Antrag stellt (Abg. Lausch: Über 5 000!), auch ein Recht auf Zugang zu diesen Informationen hat. (Ruf bei der FPÖ: Hat er jetzt auch schon!)

Die proaktive Informationspflicht betrifft die Organe der Verwaltung, die Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die Verwaltungsgerichte, den Verwaltungsgerichtshof, den Verfassungsgerichtshof, den Nationalrat, den Bundesrat, den Rechnungshof und auch die Volksanwaltschaft. Die proaktive Informationspflicht ist insofern zu erfüllen, als diese Informationen auch auf data.gv.at online gestellt werden müssen. Ausgenommen sind Dinge, die der Geheimhaltung unterliegen – und da reden wir von nichts Geringerem als zum Beispiel Gesundheitsdaten, Daten, die die öffentliche Ordnung und Sicherheit betreffen, und natürlich auch dem Datenschutz.

Ein Anliegen war uns – und da komme ich noch einmal zur Gemeindegröße –, dass wir die Verwaltung selbstverständlich handlungsfähig erhalten müssen und selbstverständlich darauf achten müssen, dass gerade kleinere Einheiten (Abg. Lausch: Da gibt’s überall Bezirkshauptmannschaften! Doppelverwaltung!) in dieser Flut von Informationsanfragen nicht untergehen; diese wird wahrscheinlich am Anfang, nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, größer sein, aber ich gehe davon aus, dass sich das einpendelt. Jede Gemeinde kann selbstverständlich von sich aus Informationen online stellen. Das ist etwas, das, glaube ich, dann irgendwann auch gut genutzt werden wird, damit man sozusagen nicht Einzelanfragen abarbeiten muss, sondern auf dieses Register verweisen kann. (Abg. Lausch: ...! Wollen tun sie es nicht! Transparenz und ÖVP passt nicht zusammen!)

Was ist das zweite große Novum? – Es gibt ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht auf Zugang zu Informationen – in der Verfassung niedergelegt, das ist der schon viel zitierte Paradigmenwechsel –; die Frist für die Auskunftserteilung, für die Informationsübermittlung ist vier Wochen und kann nur in Ausnahmefällen auf acht Wochen ausgedehnt werden.

Klarerweise – und das wissen wir – müssen wir aber auch unsere Behörden, die Verwaltung, die Einrichtungen des Staates vor Missbrauch schützen. Das ist nicht etwas, das nur im Staat Österreich so ist, sondern das ist ein internationaler Zugang; beispielsweise gibt es das auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, wo wir durchaus auch Anleihen genommen haben. Wir haben auch die Judikatur des EGMR dahin gehend einfließen lassen, dass nur solche Informationen erteilt werden müssen, die ready und available sind, die also schon fertig und auch tatsächlich vorhanden sind.

Ja, und dann gibt es ein drittes großes Novum, nämlich dass rechnungshofkontrollierte Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmungen zukünftig auch Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantworten müssen, Auskunft geben und Informationen erteilen müssen. Da sind selbstverständlich auch Geheimhaltungsgründe zu beachten, das ist immer eine Abwägung, und zusätzlich gilt ein weiterer Ausnahmegrund: dass die Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigt werden darf. Ausgenommen davon sind börsennotierte Unternehmen. Warum? – Weil sie schon sehr umfassenden Transparenzpflichten unterliegen.

Damit möchte ich schon noch zu einigen Punkten kommen, die hier bereits zu Recht aufgeworfen worden sind, Punkten, die auch in den Verhandlungen mit der SPÖ dann entstanden sind, nämlich zum Beispiel, dass bei der Interpellation, also bei den parlamentarischen Anfragen, nur eingeschränkte Geheimhaltungsgründe gelten, dass nur dann keine Auskunft erteilt werden muss, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen, und dass man, bevor man keine Auskunft erteilt, sie unter der Auflage, dass diese geheim zu halten ist, erteilen kann.

Wir haben aber auch den Expertinnen und Experten im Verfassungsausschuss zugehört und zum Beispiel noch Klarstellungen im § 9 Informationsfreiheitsgesetz veranlasst, um klarzumachen, dass der direkte Zugang zur Information das Erste ist – wenn das nicht möglich ist, ist jedenfalls Information darüber zu geben, was drinnen ist – und die Information vorrangig in der begehrten Form zu erteilen ist.

Eine andere Sache, die da auch noch ins Spiel kommt – und ich halte das auch für sehr wichtig, auch das wurde schon gesagt –: Es gibt Verbesserungen für Journalistinnen und Journalisten. Man kann davon Abstand nehmen, die betroffene Person von der Informationserteilung zu informieren, wenn damit sozusagen die Recherche gefährdet wäre; das ist im Sinne des Auftrags des Public Watchdogs, damit das auch gelebt werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Etwas, das im Zusammenhang mit einem Gesetz nicht jeden Tag vorkommt beziehungsweise nicht jedes Mal bei einem Gesetz beschlossen wird, ist die Legisvakanz. Es gibt eine Legisvakanz von gut 18 Monaten, die wir brauchen. Das Gesetz wird erst mit 1. September 2025 in Kraft treten, und bis dahin ist noch einiges zu tun. Der Verfassungsdienst hat natürlich bereits begonnen, sich das alles anzuschauen: Angefangen beim Strafgesetzbuch über das Dienstrecht bis zum Informationsordnungsgesetz des Parlaments kommt das Wort Amtsgeheimnis unzählige Male vor, und auch diese Gesetze müssen angepasst werden.

Es gibt einen zweiten Grund, warum diese Legisvakanz wichtig ist: Wir lassen auf dem Weg zum Informationsfreiheitsgesetz und zu diesem großen Paradigmenwechsel niemanden im Stich. Das Bundeskanzleramt und auch die Datenschutzbehörde werden Leitfäden erstellen, werden Schulungen machen, damit sich diejenigen, die Informationen erteilen müssen, aber auch diejenigen, die Informationen anfragen müssen, auskennen. Das ist etwas, das auch angeführt worden ist: dass man den Bürger angeblich alleine lassen würde. – Nein, das Gegenteil ist der Fall! Ich widerspreche nur ungern, aber in einem Punkt muss ich der lieben Sigi Maurer widersprechen: Ich glaube, Informationsfreiheit ist jetzt breit angekommen, und eigentlich weiß jeder, was es ist, genauso wie die Abschaffung der kalten Progression. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist wahrlich ein historischer Moment. Es ist ein historischer Moment, denn wenn eine Bestimmung des Bundes-Verfassungsgesetzes, die fast 100 Jahre existiert hat, die in den Köpfen vieler und von Generationen von Beamten drinnen ist, abgeschafft wird, dann ist das ein Paradigmenwechsel. Da gilt es wirklich Danke zu sagen an alle, die nicht aufgegeben haben, die drangeblieben sind und die daran mitgewirkt haben, dass das ein gutes Gesetz wird.

Ich möchte mich zuallererst beim Koalitionspartner und bei dir, lieber Werner Kogler, für deine Beharrlichkeit ganz herzlich bedanken (Abg. Wurm: Das war eine Liebeserklärung, Werner!), aber natürlich auch beim Verhandlungsteam des Verfassungsdienstes, bei meinem Kabinett, bei allen, die anfänglich Sorgen hatten, die Kritiker waren und mit denen wir ins Gespräch gekommen sind – Länder, Gemeindebund, Städtebund, die Gemeinden selbst, die Sozialpartner, die Zivilgesellschaft –, und ein Dank geht auch an die Wissenschaft, die bis zum Hearing im Verfassungsausschuss wirklich auch konstruktive Beiträge geliefert hat, auf die wir hingehört haben.

Last, but not least bedanke ich mich bei den im Parlament vertretenen Parteien, die heute diesem Gesetz auch zustimmen, namentlich beim Verfassungssprecher der ÖVP Wolfgang Gerstl, aber auch bei der Verfassungssprecherin der Grünen Agnes Sirkka Prammer, und ein ganz besonderer Dank geht auch an die SPÖ. Ohne die SPÖ wäre dieses Gesetz nicht möglich, und ich möchte mich wirklich auch bei dir, lieber Jörg Leichtfried, ganz herzlich für die konstruktiven Gespräche und Verhandlungen bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Transparenz ist ein Gebot der Stunde. Die Bürger des 21. Jahrhunderts haben sie verdient. 100 Jahre nach Einführung des Amtsgeheimnisses verbannen wir es in die Mottenkiste der Republik. Das ist gut so. Streichen Sie sich den 1. September 2025 rot im Kalender an! Wir schaffen das Grundrecht auf Zugang zu Informationen, und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich bin stolz darauf. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.21

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Michaela Steinacker zu Wort. – Bitte.