09.46

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Prinzipiell freut es mich, dass wir heute zu Beginn, zur Primetime der Nationalratssitzung über Inklusion sprechen, weil es höchst an der Zeit ist, dieses Thema einmal in den Mittelpunkt zu stellen.

Was mich aber doch sehr verwundert, ist, dass ausgerechnet die Grünen dieses Thema auf die Tagesordnung setzen, weil gerade in letzter Zeit alle konstruktiven Vorschläge der Opposition – heillos – vertagt wurden. Man kann das natürlich machen. Man könnte aber auch, wenn man so hart für Verbesserungen arbeitet, Willen zeigen, solche Anträge auch annehmen und direkt ins Arbeiten kommen. Ich spreche da die persönliche Assistenz an: Ja, das Pilotprojekt kommt – wann auch immer es starten wird –, es hat allerdings vier Jahre gedauert; ausgehend von meinem Antrag. Es gab auch schon früher Anträge betreffend persönliche Assistenz, die bundeseinheitlich sein soll.

Kollegin Ribo hat angesprochen, dass Menschen mit Behinderung mit persönlicher Assistenz dann selbst entscheiden können, wie sie ihr Leben leben. Das Problem ist immer noch, dass diese Menschen darum bitten müssen, persönliche Assistenz für einen Kaffee zu bekommen, für eine Freizeitaktivität – und das muss aufhören! Persönliche Assistenz ist nicht etwas, was ein Mensch gerne in Anspruch nimmt. Das sind Menschen, die einen im intimsten Lebensalltag begleiten, und es muss möglich sein, dass man, wenn man die Anfrage stellt, diese Unterstützung ohne Wenn und Aber bekommt. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Ribo.)

Das Nächste ist die Arbeitsfähigkeitsprüfung. Es wurde von mehreren Seiten – auch von Ihnen, Herr Minister – ausführlich erklärt, wie wichtig das für Menschen ist – und dann führt man eine Stichtagsregelung ein? Entschuldigung?! Entsprechend der Stichtagsregelung hat jemand, der vor dem 1.1.2023 als arbeitsunfähig erklärt wurde, nicht mehr die Möglichkeit auf Aufhebung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Diese Stichtagsregelung gehört abgeschafft, ganz ehrlich!

Es wird davon geredet, dass der NAP kein starres Dokument ist und dass man hineinarbeitet. Kein Mensch weiß, wie viele Menschen diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom AMS bekommen haben. Das AMS wird, wenn man diese Stichtagsregelung fallen lässt, mit den vielen Anfragen heillos überfordert sein. – Ganz ehrlich: Erzählen Sie das jemandem anderen!

„Lohn statt Taschengeld“: Auch dazu kommt irgendwann ein Pilot. Das ist gut so, wir begrüßen das auch, aber dafür ist es schon längst an der Zeit. Es steht ja auch im Regierungsprogramm. Die Kritik richtet sich nicht nur an die Grünen, sondern auch an die 37 Jahre lang regierende ÖVP, die schon längst ins Tun hätte kommen müssen. – Aber gut.

Zu guter Letzt das elfte und zwölfte Schuljahr: vertagt! Rechtsanspruch für Kinder mit Behinderung? – Leider nicht! Für Kinder ohne Behinderung ist es überhaupt kein Thema, länger in die Schule zu gehen, zwei Jahre, drei Jahre, vier Jahre, egal. Sie können auch noch das Bundesland wechseln, wenn es notwendig ist. Menschen mit Behinderung, Kinder mit Behinderung, Jugendliche mit Behinderung: Nein, leider nicht – von dieser Regierung. (Beifall bei den NEOS.)

Dann zu sagen, die Krisen seien schuld, ist natürlich ein sehr einfacher Vorwand, hier nichtstuend zu verbleiben.

Was auch noch gefallen ist: dass sich Menschen mit Behinderung während der Coronakrise gleich gefühlt haben. – Ganz ehrlich: Ich habe mir erhofft, dass Menschen ohne Behinderung einmal in die Rolle eines Menschen mit Behinderung schlüpfen können und den Ansatz einer Idee davon haben, wie sich diese Menschen tagtäglich fühlen, ohne Corona, ohne Kriege, ohne sonstige multiple Krisen, die wir in diesen Tagen erfahren. Das passiert hier einfach auch nicht.

Was wir haben, ist die UN-Behindertenrechtskonvention, die wir seit 2008 ratifiziert haben. Das heißt, wir haben 16 Jahre ins Land ziehen lassen, ohne etwas zu tun. Was uns bleibt, sind zwei Nationale Aktionspläne, die verstaubt in der Lade liegen, die meiner Meinung nach ein zahnloses Dokument sind. Es wird immer betont, dass es kein starres Dokument ist: Wo findet man denn die Anpassungen, die da ständig passieren? Das würde mich interessieren, denn die habe ich noch nicht gefunden. Es gibt Handlungsempfehlungen der Vereinten Nationen zu dieser desaströsen Staatenprüfung. Auch da wäre es dringend notwendig, ins Tun zu kommen.

Inklusion in allen Lebenslagen – ganz ehrlich: Es gibt keine Harmonisierung zwischen den Bundesländern, es gibt keinen inklusiven Arbeitsmarkt. Es gibt keine umfassende und einheitliche Barrierefreiheit. Es gibt keine einheitliche Regelung zur persönlichen Assistenz. Und es gibt keine inklusive Bildung, die der Grundstein für Inklusion, für gelebte Inklusion wäre. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hamann und Ribo.)

Ganz ehrlich – ich appelliere an Sie alle, an 182 Abgeordnete –: Drehen Sie Ihr Mindset! Werden Sie Botschafter für Inklusion! Tragen Sie den Inklusionsgedanken hinaus, denn nur dann können wir alle Inklusion leben, wenn Sie alle hier herinnen das verstanden haben!

Diese Aktuelle Stunde richtete sich auch nicht an einen konkreten Minister. Ich freue mich, dass Sie hier sind (in Richtung Bundesminister Rauch), weil Sie einer der wenigen sind, die in diesem Bereich wirklich etwas tun, aber ganz ehrlich: Ich hätte mir gewünscht, dass einer aus den anderen Ministerien hier sitzt, denn es betrifft jedes einzelne Ministerium. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Weidinger.)

9.53

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Sieber. – Bitte.