10.29

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „The World Needs Neutrals“ – die Welt braucht Neutrale –, hat vor Kurzem die „New York Times“ getitelt. Der Satz stammt von der Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. (Zwischenruf des Abg. Schwarz. – Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Ja, aber sie hat NGOs gemeint!) Sie bezog sich damit auf den Russland-Ukraine-Konflikt, da diesbezüglich selbst das Rote Kreuz dazu aufgefordert wurde, Partei zu beziehen und sich auf eine Seite zu stellen. Es hieß, berichtete sie: Du bist entweder mit uns oder gegen uns!, so haben Politiker versucht, Unterstützung zu erpressen. Der Vorwurf lautete, auch die Neutralität des Rotes Kreuzes sei anachronistisch und amoralisch in diesem Sinn.

Sie wies in diesem Artikel die Vorwürfe mit Bezug auf die Aufgabe des Roten Kreuzes entschiedenst zurück. Natürlich ist es ein Impuls, da Partei zu ergreifen, aber ihre Aufgabe, ihr Fokus sei immer, für die Menschen, die in bewaffneten Konflikten leiden, humanitäre Hilfe zu leisten – unabhängig von Schuld und Unschuld einfach diesen Menschen zu helfen.

Daher haben sie im Russland-Ukraine-Konflikt auch Kriegsgefangene auf beiden Seiten besucht und versucht, zu helfen. Das funktioniert nur, wenn man – wie sie schreibt – sich verbal zurückhält, keine Schuldzuweisungen vornimmt, nicht moralisiert, einen konstruktiven Dialog mit beiden Seiten – wie schrecklich auch immer eine dieser beiden Seiten sein mag – führt und dadurch Vertrauen aufbaut. Nur dann kann man jemandem helfen. (Abg. Schwarz: ... ein Zugang zu ...!) In einer Situation, in der alle Welt Partei bezieht, ist die Welt eine bessere, wenn es auch Neutrale gibt. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Ausführungen lassen sich eins zu eins auf neutrale Staaten wie Österreich umlegen, als Vorgabe, wie neutrale Staaten gerade im Kriegsfall – dann, wenn sie sich ja bewähren sollten – die Neutralität anwenden sollen.

Es geht eben nicht nur um den engeren militärischen Kern, den unsere Bundesregierung jetzt nur noch sehen will – der ist selbstverständlich: keine fremden Truppen, kein Militärbündnis, kein Sky Shield –, sondern wertvoll wäre natürlich auch der politische Teil der Neutralität, zu dem wir seit 1955 auch verpflichtet sind. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Und deswegen waren ... in Afghanistan!) Das wäre Diplomatie: etwas zu tun, einen konstruktiven Dialog zu suchen und dadurch Menschen zu helfen und wirklich zu verhindern, dass so viele junge Männer in Russland und in der Ukraine sterben (Beifall bei der FPÖ), das heißt, Verhandlungslösungen jeder Art zu unterstützen.

In diesem Fall, seit 2022, hieße das, unqualifizierte Wortmeldungen zu unterlassen, unqualifizierte Reisen zu unterlassen, Herr Bundeskanzler. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Afghanistan! – Abg. Disoski: Wer war in Afghanistan? – Abg. Ofenauer: Wie war das in Afghanistan? – Abg. Pfurtscheller: Zu den Taliban fahren schon! – Abg. Disoski: Die Gespräche mit den Taliban? – Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: ... Taliban ...!) Österreich sollte eine konstruktive Rolle spielen, zum Beispiel bei den Gesprächen in der Türkei im März 2022, bei denen gute Chancen bestanden hätten, den Krieg schon da zu beenden und Hunderttausende Tote zu verhindern. Ich habe nichts davon gehört, dass Österreich da eine konstruktive Rolle gespielt hätte.

Die Chinesen zu unterstützen, als sie bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor einem Jahr den Vorschlag machten, man müsse jetzt endlich den Krieg beenden, den Vorstoß – auch von EU-Staaten, auch jetzt wieder von der Slowakei –, stärker in Verhandlungen einzusteigen, oder die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz dazu zu verwenden (Zwischenruf des Abg. Schwarz), wirklich darauf zu drängen, endlich Frieden zu schaffen – ich habe dabei nichts von der österreichischen Rolle gehört, von der Neutralität, von der konstruktiven Rolle, die sie zu spielen hätte.

Unsere Regierung, allen voran Bundeskanzler Nehammer, macht das Gegenteil. Vor zwei Jahren, nach Ausbruch des Krieges, wollte er die Neutralität sofort kübeln, dann ist er draufgekommen: Nein, die Umfragen sagen, dass die Bevölkerung das mag! – Dann hat man gesagt: Nein, 180-Grad-Wende, sagen wir, wir sind neutral, handeln aber nicht neutral! – Dann machte er seine Reisen zu Selenskyj und Putin – super erfolgreich! (Abg. Gödl: Bitte verbreiten Sie nicht so viele Unwahrheiten, Frau Fürst! Reden Sie nicht so viele Unwahrheiten! Ist ja unmöglich, was Sie zusammenreden!) –, und aktuell reist er zum Sondergipfel in Paris (Abg. Ofenauer: Vielleicht steht in Ihrem Vertrag eine Telefonnummer vom Putin, rufen Sie ihn an und sagen Sie ihm, er soll aufhören!), zum Sondergipfel anlässlich des zweiten Jahrestages des Krieges, den wir leider begehen müssen, da niemand Verantwortung übernimmt. (Abg. Ofenauer: Was Sie als Putin-Freundin zusammenreden, bitte! Unmöglich! Unwahrheiten am Fließband! – Abg. Pfurtscheller: Sagen Sie Ihrem Freund Putin, er soll aufhören, dann ist es vorbei! – Abg. Hanger: Putin-Versteher!)

Für mich ist das auch der zweite Jahrestag der Niederlage des Westens, eine schändliche Niederlage, da vor allen Dingen die EU es nicht geschafft hat, da eine konstruktive, friedliche Rolle zu spielen (Beifall bei der FPÖ), sondern das Gegenteil macht, und das mit der Unterstützung Österreichs. (Abg. Gödl: Unwahrheit am Fließband!)

Seine Statements in Paris zeugen wieder von unglaublichem Intellekt und bestechender Logik. Bundeskanzler Nehammer hat im Vorfeld gesagt, er wolle jetzt den Blickwinkel eines neutralen Staates „mit starker Stimme vertreten“. – Aha, denkt man sich, er hat es begriffen. Er steht in voller Solidarität mit Kiew. – Na das ist eh kein Widerspruch. Er spricht sich für Verhandlungen aus, damit das Sterben ein Ende hat – aber: Russland muss verlieren! (Abg. Ofenauer: Nein, einfach nur aufhören! Einfach nur aufhören!) – Man bleibt sprachlos zurück: Das soll neutral sein, das soll logisch sein? (Abg. Gödl: Sie müssen aufhören! – Abg. Stögmüller: Einfach nur den Krieg beenden, aufhören! Einfach nur den Krieg beenden!)

Legen Sie ihm die Worte der Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz vor: Um zu helfen, um Frieden zu schaffen, muss man sich mit unqualifizierten Wortmeldungen, mit unqualifizierten Schuldzuweisungen zurückhalten. Man muss die Emotionen schlucken, um konstruktiv zu sein.

Der zweite Geistesblitz, die zweite intellektuelle Meisterleistung ist, dass er die Idee hat, dass der Westen mehr Verbündete braucht. Die Brics-Staaten sollten jetzt eingebunden werden, um Druck auf Russland auszuüben (Heiterkeit der Rednerin) – jetzt, wenn der werte Westen, also die werte EU, ansteht, weil die USA nicht zahlen. (Abg. Ofenauer: Sie finden das offensichtlich lustig! Abg. Gödl: Ein Schwachsinn ...!) – Es ist überhaupt nicht lustig, was Sie für eine Politik machen! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt, wenn die EU mit ihrer bedingungslosen Solidarität ansteht – die man übrigens für Österreich immer nur dem eigenen Land und der eigenen Bevölkerung gegenüber haben sollte und nicht gegenüber einem anderen Land (Beifall bei der FPÖ) –, will man die Brics-Staaten einbinden. Weiß Bundeskanzler Nehammer, wer zu den Brics-Staaten gehört? – Sie werden von China und von Russland dominiert. (Abg. Ofenauer: Sie wollen ja immer mit allen reden! Jetzt passt es auf einmal nicht!) Die anderen Länder – Brasilien, Indien, Südafrika, Vereinigte Arabische Emirate, auch Saudi-Arabien hat sich angeschlossen – stellen sich jetzt an, um zu den Brics-Staaten zu gehören, und die Brics-Staaten vereint die Meinung, dass sie den Westen verachten.

Ich sage Ihnen, warum: Die Brics-Staaten haben seit genau zwei Jahren – ganz zufällig – einen unglaublichen Aufschwung, da diese Länder nicht daran denken, in diesem Konflikt Partei zu ergreifen. (Zwischenruf des Abg. Schwarz.) Sie denken vor allen Dingen seit zwei Jahren nicht daran, sich an den westlichen wirtschaftlichen Sanktionen zu beteiligen; sie pfeifen darauf, weil die Brics-Staaten, vor allen Dingen zum Beispiel Indien, unter den Preissteigerungen bei den Energiepreisen unglaublich gelitten haben. Die werte EU hat ja keine Rücksicht darauf genommen, dass in Indien gleich darauf, im März und April 2022, Millionen mehr auf der Straße gesessen sind und gehungert haben, weil die Energiepreise so gestiegen sind. Das hat bei uns niemanden interessiert.

Mittlerweile hat man sich dann natürlich umsortiert: China hat enorm profitiert, Russland wurde offensichtlich wirtschaftlich aufgefangen (Abg. Michael Hammer: Also fließen die Mittel noch!), und der sozialistische Präsident Brasiliens, Lula, meint, die westliche Politik sei unverantwortlich, statt Waffenlieferungen müsse man Verhandlungen fördern – und zwar hinter verschlossenen Türen, Herr Bundeskanzler Nehammer, nicht immer alles hinausposaunen!

Der indische Außenminister hat uns im ORF aufgeklärt, es gebe keinen Grund, sich an den Sanktionen zu beteiligen. Seine Nachricht war sinngemäß: Behaltet euch eure Demokratie und eure Menschenrechte, wir treffen Entscheidungen in der indischen Außenpolitik danach, was für unser Land gut ist, was für unsere Bevölkerung und ihre Versorgung richtig ist (Zwischenruf des Abg. Schwarz) und was langfristig gut für den Frieden in aller Welt ist!

Ich denke, das sollte eine Maxime sein, auf die auch wir uns einigen könnten: Die Welt braucht Neutrale, dann ist die Welt ein besserer Platz. (Abg. Michael Hammer: Unsinn in Endlosschleife, die hört gar nicht mehr auf!)

Monsieur Macron gebe ich zu seiner Äußerung, dass auch Bodentruppen nicht auszuschließen sind, mit: Er soll einmal gut 200 Jahre in der französischen Geschichte zurückblicken. Da ist nämlich die Konfrontation Napoleons mit den Russen sehr, sehr schlecht ausgegangen: für die Franzosen mit Hunderttausenden Toten und für ihn selbst mit dem Exil. (Beifall bei der FPÖ.)

10.38

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stögmüller. – Bitte.