10.41

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Besucherinnen und Besucher auf der Galerie! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren hier ein Volksbegehren, und Kollege Stögmüller hat schon angesprochen, dass dieses Volksbegehren verlangt, dass all das, was schon in der Verfassung steht, wieder in die Verfassung geschrieben wird beziehungsweise wiederholt wird. Wir sehen das – das war ja auch im Ausschuss Thema – durchaus kritisch, weil das einfach juristisch relativ wenig Sinn macht und uns auch wenig weiterbringt.

In dieser ganzen Debatte kommt aber viel zu kurz, dass wir die Neutralität hier sehr oft als Worthülse verwenden und ganz unterschiedliche Perspektiven darauf haben. Ich glaube, die eigentliche Frage, die wir uns stellen und über die wir eine ernsthafte Diskussion führen sollten, lautet: Was bedeutet Neutralität im 21. Jahrhundert, wie Kollege Stögmüller das gefragt hat? Ist sie überhaupt noch sinnvoll, ist sie überhaupt wertvoll?

Diese Diskussion wäre ohne irgendwelche Scheuklappen zu führen, aber leider hat uns der Herr Bundeskanzler damals, knapp nach dem Einmarsch von Russland, von Putin in die Ukraine, ausgerichtet, dass er diese Debatte nicht führen will, weil diese nicht zu führen sei. Das schränkt uns natürlich ein: Das schränkt uns ein in den Debatten, die jetzt zu führen wären, nämlich um die sicherheitspolitische Ausrichtung dieser Republik.

Lieber Fritz, Kollege Ofenauer! Du hast das sehr richtig gesagt: Wir brauchen einen offenen Diskurs. Du hast ihn auch in einer deiner Mitteilungen damals, vor zwei Jahren, angesprochen, aber er wurde nie geführt, er wurde weggeschoben. Wir hätten ihn rund um die Neuauflage der Sicherheitsstrategie, der ÖSS, die die Bundesregierung angekündigt hat, führen können, aber auch dort wurde dieser Diskurs nicht geführt. Es wurde – wie so oft bei dieser Bundesregierung – gar kein Diskurs geführt. Es gibt bis heute keinen Entwurf dieser Sicherheitsstrategie, die bis Ende letzten Jahres angekündigt wurde. Wir haben bis heute eine alte Sicherheitsstrategie, in der Russland als gleichberechtigter Partner gesehen wird, als Basis.

Was heißt gleichberechtigter Partner? Da sind wir beim Neutralitätsbegriff, den wir momentan verwenden, den sich die FPÖ vielleicht noch stärker wünscht, oder? Ich weiß es nicht. – Gleichberechtigter Partner bedeutet, dass wir in den letzten zwei Jahren 10 Milliarden Euro an Putin überwiesen haben – 10 Milliarden Euro! Das sind umgerechnet 55 555 Kamikazedrohnen aus dem Iran, das sind Hunderte, Tausende Menschenleben, die damit gefährdet werden: mit dem Umgang, den wir nach wie vor pflegen, den die Bundesregierung – die FPÖ gerne ausgebaut – mit Putin pflegt, und das ist inakzeptabel. Das ist inakzeptabel! (Beifall bei den NEOS.)

Ihr Verständnis von Neutralität, wie es jetzt gelebt wird, führt dazu, dass unsere Neutralität Menschenleben kostet, nichts anderes. Das, glaube ich, gehört massiv hinterfragt und gehört wahrscheinlich umgebaut.

In all diesen Diskussionen sollten wir darüber reden, was Sicherheit heute bedeutet. Was ist eine moderne Sicherheitsarchitektur? – Es ist sicher keine, bei der wir sagen: Na ja, wir bauen rund um uns einen Wassergraben, bauen eine Festung Europa, dann wird nichts passieren – oder eine Festung Österreich, wie Sie es ja eigentlich wollen. Das weiß nicht genau, weil Herr Vilimsky von einer Festung Europa spricht, Sie hier im Nationalrat von einer Festung Österreich. Das ist also ein doppelter Wassergraben sozusagen, den Sie hier haben wollen, aber das ist es sicher nicht.

Eine moderne Sicherheitsarchitektur, und das sagen alle Expertinnen und Experten unisono, heißt: ein starkes Europa, mehr europäische Zusammenarbeit, enger zusammenarbeiten, kooperieren und auch schauen, wo wir eine langfristige Vision einer gemeinsamen Armee haben können, die nämlich Frieden sichert, die nicht das macht, was wir momentan machen – weil es Menschenleben kostet, indem wir Putin Geld überweisen –, sondern mit der wir den Frieden in Europa langfristig sichern können, das Friedensprojekt Europa auf eine neue Stufe heben.

Darüber hinaus geht es natürlich um Investitionen auch in unser Bundesheer. Das Ziel, das wir eigentlich haben sollten, ist, mittelfristig irgendwann Richtung 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu kommen – leider sind wir weit davon entfernt. Darüber hinaus brauchen wir, und das ist, glaube ich, essenziell, eine klare Abgrenzung zu Putin, solange er so agiert, wie er agiert, und zu Russland.

Ich muss auch kurz auf Frau Kollegin Fürst eingehen, weil diese 9 Minuten, die sie hier gesprochen hat, höchst verwirrend waren. Eine Sache ist aber hängengeblieben, nämlich die 200 Jahre, die Sie zurückgehen wollen: Sie haben Herrn Macron aufgefordert, 200 Jahre zurückzugehen. Genau das ist das Entlarvende an Ihrer Sicherheitsposition, Ihrer Positionierung: In Ihren Gedanken sind Sie 200 Jahre zurückgegangen. (Beifall bei den NEOS.) Das, was Sie hier vorlegen, was Sie uns tagtäglich predigen, ist ein 200 Jahre altes Verständnis von Sicherheitspolitik; das ist eines, das uns keinen Deut sicherer macht, das daraus besteht, Burgmauern aufzubauen, Gräben zu bauen. Das wird Österreich und wird Europa nicht sicherer machen und wird auch kein einziges Menschenleben beschützten – im Gegenteil. (Beifall bei den NEOS.)

10.46

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Silvan. (Abg. Amesbauer: Zur Geschäftsordnung!)

Abgeordneter Amesbauer zur Geschäftsordnung. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.