Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Wir haben uns beziehungsweise Sie haben sich das Ziel gesetzt, bis 2030 zu 100 Prozent auf Ökostrom umzusteigen. Dieses Ziel haben sich frühere Regierungen auch gesetzt, es war aber leider so, dass zu wenig Erneuerbare zugebaut wurden. Auch der Energiebedarf ist gestiegen, und so sind wir diesem Ziel von 100 Prozent Ökostrom in den Netzen im Prinzip nie wirklich näher gekommen.

Daher meine Frage an Sie: Wie hat sich die Energiewende seit Ihrem Amtsantritt entwickelt, und sind wir unserem Zielpfad näher gekommen?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 335/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie hat sich die Energiewende mit dem Erneuerbaren-Ausbau seit Beginn der Grünen Regierungsbeteiligung entwickelt, liegen wir mittlerweile auf dem Zielpfad, dem Österreich in der Vergangenheit so weit hinterhergehinkt ist?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ja. – Ich beginne gleich mit den wirklich guten Nachrichten: Wir liegen auf dem Zielpfad für die Ziele im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Das sind wirklich großartige Nachrichten, weil 100 Prozent erneuerbarer Strom für unser Land eine Notwendigkeit sind. Ich formuliere es wirklich so drastisch, weil wir in den letzten zwei Jahren gesehen haben, was uns die Abhängigkeit von fossilen Energien kostet, wie sie uns schmerzt und inwieweit sie eine Gefahr für unsere Sicherheit, unseren Wohlstand und natürlich auch für den Klimaschutz ist.

Wir haben mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz wirklich neue Maßstäbe gesetzt. Mit den Verordnungen, mit denen wir die Förderungen auf stabile neue Beine gestellt haben, haben wir die jährlich geförderte Fotovoltaikleistung gegenüber 2019 mehr als verzehnfacht. Wir haben 1 Milliarde Euro an Fotovoltaikförderungen zur Verfügung gestellt. Mit den neuen Verordnungen von vergangener Woche haben wir diese Förderungen mithin auch für zwei Jahre abgesichert. Wir stellen mit diesen neuen Förderungen auch und insbesondere in der Marktprämie wirklich ein Rekordvolumen in allen Technologien für den Ausbau zur Verfügung. Das wird also ein richtiger Boost für den Ausbau: über 1 Gigawatt Fotovoltaik, knapp 600 Megawatt Wind.

Wir haben mit Gesetzen wie dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, mit der UVP-G-Novelle, mit dem integrierten Netzinfrastrukturplan, mit den Energiegemeinschaften – bei denen wir in Europa wirklich Vorreiter sind und uns freuen, dass wir jetzt bereits 1 000 Energiegemeinschaften in unserem Land haben – wirklich die Energiewende in Österreich ins Rollen gebracht.

Es funktioniert, das zeigen die Zahlen: 87 Prozent der Stromproduktion in Österreich waren im Jahr 2023 aus erneuerbaren Quellen. 2024 hat mit einem Rekord begonnen: Rund 85 Prozent unseres Stromverbrauches waren aus erneuerbaren Quellen. Üblicherweise sind es im ersten Quartal rund um die 60 Prozent. Auch der Zubau bei der PV übertrifft alle Erwartungen: Wir haben erstmals die Gigawattmarke geknackt. Insofern: Wir sind auf Zielkurs. – Großartig.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Es ist sehr erfreulich, dass wir auf Zielpfad sind und dass wir sozusagen den Turbo eingelegt haben. Wir wissen aber alle, dass es natürlich noch Dinge gibt, die dem noch schnelleren Ausbau der Erneuerbaren in Österreich entgegenstehen.

Sie wissen, ein Thema ist der Netzausbau, das andere Thema sind die Flächen, die wir zum Beispiel für die Windenergie brauchen, wobei es, wie in Kärnten zum Beispiel, Vorschriften gibt, wie die Sichtbarkeitsverordnung, die dem Windausbau entgegenstehen, oder politischem Willen.

Daher meine Frage an Sie: Welche weiteren Maßnahmen haben Sie geplant, um den Ausbau der Erneuerbaren noch weiter voranzutreiben und zu beschleunigen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich möchte hier stellvertretend drei Themen erwähnen. Das erste ist der integrierte Netzinfrastrukturplan, der jetzt in der Finalisierungsphase ist. Netze sind, wie auch von Oesterreichs Energie oft gesagt wird, die Enabler der Energiewende. Sie müssen smart, digital und modern werden. Da haben wir viel zu tun, gerade auf der Verteilnetzebene für die Fotovoltaik.

Wir haben, und Sie haben es angesprochen, die Situation, dass in manchen Bundesländern noch kein Windrad steht. Wir haben Verordnungen, die in manchen Bundesländern den Ausbau deutlich erschweren, deswegen ist das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, das im Ministerium erarbeitet wurde und jetzt in politischer Abstimmung ist, ein weiterer sehr, sehr wichtiger Baustein.

Das Dritte ist das Elektrizitätswirtschaftsgesetz, das ich hoffe, bald auch Ihnen hier zur Diskussion vorlegen zu können. Das ist das neue Betriebssystem für den österreichischen Strommarkt – ich habe es letztens damit verglichen, dass wir am Computer ja auch nicht mehr mit Windows 95 arbeiten. Das ElWG wird das Betriebssystem für das 21. Jahrhundert für unseren Strommarkt mit Fokus auf Kunden und Kundinnen, mit Fokus auf gute, smarte, effiziente Nutzung des Netzes für mehr Transparenz und Planungssicherheit.

Das sind drei Bausteine von sicher noch mehreren, aber stellvertretend genannt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Stark. – Bitte.

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Guten Morgen, Frau Ministerin! Wie wir alle wissen, ist mit der Energiewende auch die Gasversorgung in Österreich eng verbunden. Neben den Gräueln des Krieges in der Ukraine steht damit auch das Aus für Transporte und die Transportverträge des russischen Gases nach Österreich in Verbindung, was natürlich für den österreichischen Standort einen enormen Wettbewerbsnachteil mit sich bringen kann.

Nun meine Frage: Welche Maßnahmen ergreifen Sie ganz konkret angesichts dieses bald drohenden Szenarios des Endes der Transitverträge und des Endes des Transits von russischem Gas?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir wissen, dass der Transitvertrag zwischen Naftogaz und Gazprom Ende des Jahres ausläuft. Das ist keine Überraschung und das war eines der vielen Risiken, auf die sich diese Bundesregierung in den letzten zwei Jahren vorbereitet hat – genauso wie auf das Risiko, dass Gasinfrastruktur, die durch ein Kriegsgebiet verläuft, unterbrochen werden kann, und genauso wie auf die größte Gefahr, nämlich dass Wladimir Putin am Hebel für unsere Gasversorgung sitzt und es deswegen in der Hand hat, jede Gelegenheit zu nützen, so natürlich auch das Ende des Transitvertrags, um uns wieder mit den Gaslieferungen zu erpressen.

Insofern würde ich einer Annahme in der Fragestellung vielleicht ein bisschen widersprechen wollen: Unser Problem ist zu viel russisches Gas und die Abhängigkeit von Wladimir Putin in der Frage, ob unsere Industrie produzieren kann und wir die Häuser warm halten können. Wir müssen raus aus dieser Abhängigkeit – und nicht auf eine Verlängerung hoffen.

Wir haben, ich habe deswegen auch als nächsten konkreten Schritt, neben all den Dingen, die wir schon gemacht haben – Speicher, Gasreserve, Diversifizierungsförderung et cetera –, auch eine Diversifizierungspflicht vorgeschlagen, denn wenn der Markt diese Verantwortung, auch tatsächlich nicht-russisches Gas nach Österreich zu bringen, nicht wahrnimmt, dann muss der Staat da eingreifen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Ragger, und dann kommt Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Meine Fragestellung bezieht sich auf die Windkraft, Windenergie:

Kärnten hat einen extrem hohen Selbstversorgungsgrad und einen sehr hohen Anteil – fast 100 Prozent – erneuerbarer Energie. Nunmehr ist die Aufgabe der Landesregierung im Bereich dieses Masterplans für Energie, neue Windräder zu errichten. Die Analyse hat ergeben, dass man sie in ganz Kärnten nur auf einen einzigen Berg festlegen kann, das ist die Koralpe zwischen der Steiermark und Kärnten.

Ich möchte an Sie als Ministerin die Frage stellen, wie Sie die Abwägung sehen: auf der einen Seite der Bau von Hunderten Windrädern am Berg und auf der anderen Seite natürlich das kritische Bild in Verbindung mit dem Landschaftsbild. Wie ist das in Einklang zu bringen, wenn sich Kärnten bereits selbst mit Alternativenergie versorgt?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Dazu zwei Themen: Ja, Kärnten ist im Strombereich weit, wie wir insgesamt in Österreich, aber der Strombereich ist nicht das Energiesystem. Das heißt, wir haben noch viele Bereiche, die wir in Zukunft elektrifizieren werden, von der Mobilität bis zur Industrie, um aus den fossilen Energien rauszukommen.

Das heißt, wir haben in Österreich gesamthaft – neun Bundesländer gemeinsam, solidarisch, einmal eine Republik – einen Ausbaubedarf an erneuerbarer Energie. Und wir sehen es in anderen Bundesländern, sei es im Burgenland, sei es in Niederösterreich, sei es im Nachbarbundesland Steiermark, das schon jetzt mehr Windräder hat als Kärnten: Die haben, sage ich als Steirerin mit großer Überzeugung, ein schönes Landschaftsbild, sind lebenswerte Bundesländer, und ich bin mir sicher, es wird auch in Kärnten gut gelingen, das in Übereinstimmung zu bringen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Ministerin! Im zurückgezogenen NEKP-Entwurf wird festgehalten, dass im With-additional-measures-Szenario im Strombereich trotzdem noch eine Lücke von 7 Terawattstunden zusätzlich zum aktuellen EAG-Zielpfad verbleibt, deren Schließung zur Erreichung des Ziels, bis 2030 den Gesamtstromverbrauch zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen im Inland zu decken, erforderlich ist.

Ich weiß, dass der Entwurf zurückgezogen ist, aber wie sieht denn die Situation hinsichtlich der Zielerreichung bis 2030 aus, wenn dieser zusätzliche Bedarf auch noch berücksichtigt werden sollte?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben, sowohl was ambitionierte Zielsetzungen auf der nationalen Ebene – 100 Prozent erneuerbarer Strom bis 2030 – als auch auf der europäischen Ebene betrifft, immer auch gesagt, der Ausbaubedarf hört mit den 27 Terawattstunden, die wir im EAG, im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, schon festgeschrieben haben, nicht auf, sondern wir werden auch darüber hinaus erneuerbaren Strom ausbauen.

Wir sind jetzt auf Zielkurs für die 27 Terawattstunden, wir sind bei der Fotovoltaik sogar über dem Zielkurs, den wir uns für 2030 gesetzt haben, und wir sehen, wir haben Potenzial, auch noch schneller zu werden. Das haben wir mit der UVP-G-Novelle gehoben, das werden wir mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, mit dem wir auch die Vorgaben der europäischen Erneuerbare-Energie-Richtlinie III, sogenannte Beschleunigungsgebiete, umsetzen, auch noch einmal heben, und auch mit dem ElWG und dem Fokus auf das Netz und vielen anderen Maßnahmen rundherum. Wir können auch schneller sein, wenn alle anpacken, wenn alle ihre Verantwortung übernehmen, insbesondere Flächen ausweisen – das ist ja auch vorhin bei den letzten beiden Fragen schon ein Thema gewesen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt ebenfalls Frau Abgeordnete Doppelbauer, daher kann sie gleich hierbleiben. – Bitte sehr.