10.40

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ja, die schwarz-grüne Koalition treibt skurrile Blüten: Jetzt bedankt sich die ÖVP bei den Grünen dafür, dass sie eine Leerstandsabgabe einführen können. (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.) Die ÖVP war einmal eine Wirtschaftspartei – das ist offensichtlich endgültig vorbei. (Abg. Ottenschläger: Aber in Wien tut ihr es schon mit der SPÖ! – Abg. Michael Hammer: Ihr seid überhaupt eine linke Partei!)

Sie machen es einem in dem Zusammenhang ja einfach. Man kann Gesetze auf viele unterschiedliche Arten und Weisen kritisieren, in dem Fall ist es so, dass man es auf jede Art und Weise kritisieren kann, was hier gemacht wurde.

Ich fange beim Prozess an: Wir haben hier im parlamentarischen Prozess an und für sich Regelungen, die so ausschauen, dass es Ministerialentwürfe aus Ministerien gibt, die in Begutachtung geschickt werden. Diese Begutachtung soll sechs Wochen lang dauern, gerne auch länger. Dann gibt es normalerweise eine Regierungsvorlage aus dem Haus der zuständigen Ministerin. Über diese diskutieren wir dann in den Ausschüssen und schlussendlich hier im Plenum.

Da Sie sich wieder einmal an die Regelungen, die wir uns eigentlich selbst gegeben haben, nicht halten wollen, haben Sie mittels eines Initiativantrages versucht – was ja grundsätzlich zulässig ist, aber nichtsdestotrotz –, möglichst schnell hier etwas durchzupeitschen. Erst auf die Kritik der Opposition, dass man das trotzdem in Begutachtung schicken sollte, haben Sie reagiert und gesagt: Ja, das können wir machen, lassen wir es zehn Tage in Begutachtung gehen! – Das ist vom seriösen parlamentarischen Prozess ganz weit weg. Die Grünen waren einmal eine sehr selbstbewusste Parlamentspartei, auch das haben sie aufgegeben.

Es gab am Schluss dann doch eine vierwöchige Begutachtung, immerhin, aber Sie haben weitestgehend ignoriert, was in den Stellungnahmen zurückgekommen ist. Sie haben eine missverständliche Formulierung geändert, immerhin, aber im Ergebnis – und da komme ich zu den vielen Ebenen, wo man kritisieren kann – machen Sie es nur schlimmer. Sie verschlimmern das Kompetenzwirrwarr, das es eh schon in Österreich gibt. Momentan, bis jetzt, ist es so, dass im Artikel 11 unserer Bundesverfassung steht, dass das Volkswohnungswesen in der Gesetzgebung Bundessache ist und in der Vollziehung Landessache. Jetzt können wir darüber diskutieren, ob das sinnvoll ist oder nicht, aber es ist nun einmal so. Es ist aber nicht das ganze Volkswohnungswesen in der Gesetzgebung Bundessache, nein, dort, wo es um die Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung geht, ist es in der Gesetzgebung schon Länderkompetenz. Und zusätzlich, anstatt dass Sie das sinnvoll entflechten, ist jetzt auch die Einhebung von Leerstandsabgaben Länderkompetenz.

Es ist besonders skurril, wenn hier auch immer wieder formuliert wird, man versuche, den Ländern die Möglichkeit zu geben, Leerstandsabgaben einzuheben. Das dürfen sie schon, hat Kollege Singer ausgeführt, die Länder heben schon Leerstandsabgaben ein. Herr Kollege Singer, was Sie hier als Erweiterung des Handlungsspielraumes bezeichnet haben, ist natürlich ein massiver Eingriff in unsere Bundesverfassung. Was Sie hier machen, Herr Kollege Singer, ist, dass Sie den Ländern die Möglichkeit geben, ohne Deckelung nach oben Leerstandsabgaben einzuführen. (Abg. Gerstl: Nein, nein, nein!) Der Verfassungsgerichtshof hat festgelegt, dass sie das aufgrund der jetzigen Kompetenz nur bis zu einer gewissen Höhe tun können – die Wirtschaftspartei ÖVP erlaubt den Bundesländern, Leerstandsabgaben ohne Deckelung einzuheben. (Abg. Gerstl: Das stimmt nicht!) Und das Ganze bei einer Steuer- und Abgabenquote von über 43 Prozent. In einer Zeit, in der wir eine Rekordsteuer- und -abgabenquote haben, kommt die ehemalige Wirtschaftspartei ÖVP auf die Idee, dass man noch mehr Steuern und Abgaben einheben sollte. Ich sage Ihnen etwas: Sie sollten einmal ganz tief in sich gehen und überlegen, was denn eigentlich Ihre politische Leitlinie ist. (Beifall bei den NEOS.)

Zusätzlich gibt es juristische Probleme. Es gibt keine Legaldefinition – Frau Kollegin Fürst hat es schon angesprochen –: Was ist ein Leerstand? Was ist, wenn jemand eine Wohnung anbietet, sie vermieten will und sie niemand mietet? Wird er dann gezwungen, sie um weniger Geld zu vermieten, auch am freien Mietmarkt? Was ist denn die Mindernutzung, die drinnen steht? Was ist eine Mindernutzung einer Wohnung? Wird festgelegt, dass eine gewisse Quadratmetergröße nach Vorstellung von ÖVP und Grünen richtig ist, um darin leben zu können? Oder ist es so, wenn jemand in einer zu großen Wohnung lebt, dass er dann vermieten muss? Und was ist denn, wenn jemand einen Zweitwohnsitz hat und nur eine gewisse Zeit im Jahr dort verbringt? Muss er dann dort die Wohnung vermieten? Wie wird denn das in Zukunft sein? Es gibt keine Legaldefinition, Sie machen es viel komplizierter.

Es ist – ich habe es schon gesagt – sehr skurril, wenn eine ehemalige Wirtschaftspartei wie die ÖVP auf die Idee kommt, dass man in Leerstandsabgaben die Lösung für Wohnungsnot findet. Sie wissen, es gibt viele Möglichkeiten, dagegen etwas zu machen: Man müsste das Vermieten unkomplizierter machen, man müsste es lohnenswerter machen, man müsste sich überlegen, wieso es denn überhaupt Wohnungsleerstand gibt, und wahrscheinlich wäre eine Reform des Mietrechts sinnvoll.

Sie haben nicht angesprochen, was für eine Bürokratielawine das auslöst, Sie haben die datenschutzrechtlichen Probleme nicht angesprochen. Ich könnte in der Frage hier stundenlang weitermachen, aber ich belasse es beim weiteren Kopfschütteln, dass eine ehemalige Wirtschaftspartei ÖVP auf die Idee kommt, neue Steuern und Abgaben einzuführen. (Beifall bei den NEOS.)

10.44

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Herr. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.