18.29

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Bei den Änderungen im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz geht es um die Auslegung und um die Rechtsanwendung. Das heißt, das, was in der Theorie gewollt war und – wie die Praxis gezeigt hat – nicht funktioniert, wird nun geändert – leider nur in einigen Bereichen, und dort, wo es gemacht wird, leider nicht ausreichend; nicht ausreichend vor allem dann, wenn es um Entsendungen geht. Ich darf Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dazu Beispiele bringen:

Die Harmonisierung der Begriffe des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes – betreffend den Austausch von Daten durch das IMI, dem Binnenmarkt-Informationssystem wird jetzt ein neues Wort betreffend die Aufforderung zur Übermittlung von Unterlagen bei entsandten Arbeitnehmern gefunden – stellt keine Verbesserung dar. Warum? – Weil das heißt, dass die ausländischen Behörden aufgefordert werden, Unterlagen zu übermitteln. Warum werden sie nur dazu aufgefordert, warum nicht dazu verpflichtet? Warum dürfen die Behörden aus den Nachbarländern im gesamten EU-Raum weiterhin Unterlagen vorenthalten, viel zu spät übermitteln? – Weil es dazu einfach keine Verpflichtung gibt. Die Frage ist: Wo ist hier die Initiative der Bundesregierung?

Ein weiterer Punkt im Zusammenhang mit Entsendungen geht auch viel zu wenig weit, nämlich wenn es darum geht: Die Anmeldung des entsandten Arbeitnehmers muss nicht vor Arbeitsbeginn erfolgen, sondern darf nachträglich durchgeführt werden. Das heißt, der EU-Arbeitnehmer darf in Österreich arbeiten, das ist europäisches Recht, aber die Unterlagen dazu, den Nachweis für die Entsendung muss er nicht vor Arbeitsbeginn vorlegen.

Was haben wir in Österreich gemacht – und das war ein gemeinsamer Erfolg –: die Anmeldung zur Sozialversicherung vor Arbeitsbeginn; das haben wir geschafft, das war eine lange Diskussion. Ich verstehe Folgendes nicht, und das muss mir jemand erklären: Alle Beschäftigten, egal ob Inländer oder Ausländer, müssen in Österreich bei österreichischen Unternehmen vor Arbeitsbeginn angemeldet werden, bei entsandten Arbeitnehmern, bei denen wir davon ausgehen sollen, dass sie im Herkunftsland sozialversichert sind, muss das nicht der Fall sein. Das ist ein unfairer Wettbewerb, meine sehr geehrten Damen und Herren, da braucht es auch dementsprechende Korrekturen.

Zum Thema wirksame Strafen bei Unterentlohnung – ein Thema, das wir immer wieder aufzeigen –: Die FPÖ, die ÖVP und die Grünen sind verantwortlich dafür, dass Strafen bei Unterentlohnung so weit abgesenkt worden sind, dass Strafen nicht mehr bestrafen. Das bedeutet: Betrügen zahlt sich aus, Unterentlohnung zahlt sich für diejenigen, die das in Österreich machen, aus.

Ich darf hier eine Pressemitteilung bekannt geben: „Kurz-Regierung beschließt am 17. April 2018, dass Sozialbetrug für Unternehmen billiger wird“. Das heißt, ÖVP und FPÖ haben am 17. April 2018, genau heute vor sechs Jahren, beschlossen, dass Strafen bei Unterentlohnung, wenn Arbeitnehmer nicht die richtigen Löhne bekommen, gedeckelt werden. Viele Untersuchungen zeigen: Der Schaden ist wesentlich höher als das, was dann an Strafen verhängt wird. Solange das so ist, ist es ein unfairer Wettbewerb.

Seit der Änderung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes 2021 durch ÖVP und Grüne ist Betrügen noch attraktiver geworden. Das heißt, das Kumulationsprinzip, Kollege Koza, dass man Strafen bei mehreren Fällen hat addieren können, ist abgeschafft worden. Das sind schlimme Fälle, da sage ich: Das ist kein fairer Wettbewerb. (Abg. Koza: Ist aufgehoben worden vom EuGH, das gibt’s nicht mehr!) Es kann doch nicht sein, dass schwarze Schafe, wenn sie unterentlohnen, in Österreich gegenüber ordnungsgemäßen Firmen, die alles richtig bezahlen, bevorteilt werden. Wo sind hier die Strafen, meine sehr geehrten Damen und Herren?

Wir haben dazu einen Entschließungsantrag: „Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung vorzulegen, mit der die zu verhängende Geldstrafen“ keinesfalls hinter dem Vorteil, den die Arbeitgeber:in aus der Unterentlohnung zog, zurückbleiben und die Summe der festgestellten - -

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie haben jetzt nicht den gesamten Text verlesen.

Abgeordneter Josef Muchitsch (fortsetzend):

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „wirksame Strafen bei Unterentlohnung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung vorzulegen, mit der die zu verhängende Geldstrafen nach dem LSD-BG entsprechend den europarechtlichen Vorgaben tatsächlich ‚wirksam, verhältnismäßig und abschreckend‘ sind. Keinesfalls dürfen die Strafen hinter dem Vorteil, den der/die Arbeitgeber:in aus der Unterentlohnung zog, zurückbleiben und die Summe der festgestellten Unterentlohnung daher nicht unterschreiten. Im Falle der Kooperation des/der Arbeitgeber:in muss als weitere Voraussetzung für den milderen Strafrahmen jedenfalls der Nachweis der mittlerweile erfolgten Nachzahlung der noch offenen Lohn- und Abgabenforderungen vorliegen.“

*****

Das ist unser Entschließungsantrag, meine sehr geehrten Damen und Herren. Unterentlohnung darf sich nicht rechnen für diejenigen, die mit Unterentlohnung kalkulieren. Aus diesem Grund ersuchen wir: Stimmen Sie unserem Antrag zu! (Beifall bei der SPÖ.)

18.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend wirksame Strafen bei Unterentlohnung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 10) Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3940/A der Abgeordneten Rebecca Kirchbaumer, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz geändert wird (2514 d.B.)

2017 erfolgte zum Problem der nicht abschreckenden Wirkung der Strafen nach dem Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetzes eine Untersuchung von L&R Sozialforschung auf Basis von 80 rechtskräftigen Entscheidungen, welche sich auf 184 Arbeitnehmer:innen bezogen. Die Entscheidungen betrafen je zur Hälfte inländische und ausländische Unternehmen und Fälle von 2011 bis 2016.

Das durchschnittliche Ausmaß der Unterentlohnung lag entsprechend dieser Untersuchung bei 38 %. Gemessen am maximalen Strafrahmen pro Arbeitnehmer:in lagen die Strafen im Durchschnitt bei der Höhe von 15 % des maximalen Strafrahmens.

Bei 20 % der Entscheidungen lag die Strafe unterhalb des Ausmaßes der Unterentlohnung!

Bei inländischen Betrieben traf dies sogar bei 32 % der Entscheidungen zu. Dabei sind die Lohnnebenkosten noch gar nicht berücksichtigt!

Berücksichtigt man, dass selbst bei festgestellter Unterentlohnung der Differenzbetrag praktisch nie zivilrechtlich eingefordert wird, und dass unlautere Unternehmen damit kalkulieren können, nur selten kontrolliert zu werden, war die abschreckende Wirkung dieser Strafen in Frage zu stellen. Dies obwohl die alte Rechtslage vor 2021 noch das Kumulationsprinzip und daher höhere Strafen vorsah.

Seit der Änderung des LSDB-G 2021 ist das Kumulationsprinzip weggefallen und die Strafrahmen bei Verstößen sind daher in vielen Fällen niedriger.

Prinzipiell besonders problematisch ist aber darüber hinaus Folgendes: Wenn sich der Arbeitgeber kooperativ zeigt, dann ist in bestimmten Fällen bereits die maximal zu erwartende Strafe niedriger als das vorenthaltende Entgelt! Damit dies nicht eintreten kann, muss als weitere Voraussetzung für den milderen Strafrahmen jedenfalls der Nachweis der mittlerweile erfolgten Nachzahlung der noch offenen Lohn- und Abgabenforderungen vorliegen.

Konkret: Ist die Summe des den AN vorenthaltenden Entgelts höher als 50.000 €, dann wäre der Strafrahmen an sich 50.000 bis 100.000 €. Ist der AG kooperativ, dann ist der Strafrahmen aber nur 0 bis 50.000 € usw. (siehe § 29 Abs. 1 Satz 6 LSD-BG).

Ein Beispiel: Ein AG wird kontrolliert. Es stellt sich heraus, dass das vorenthaltende Entgelt 65.000 € ist. Der Strafrahmen wäre an sich 50.000 bis 100.000 €. Ist der AG kooperativ, dann ist der Strafrahmen aber nur 0 bis 50.000 €. Selbst im schlimmsten Fall, also wenn der Strafrahmen voll ausgeschöpft werden würde (dies ist in der Praxis aber so gut wie nie der Fall) wäre die Strafe jedenfalls niedriger als das vorenthaltende Entgelt.

Berücksichtigt man auch die Lohnnebenkosten und den Umstand, dass der AG damit rechnen kann nur jedes zwanzigste Mal kontrolliert zu werden (meist sogar seltener), dann kann hier nicht von einer abschreckenden Wirkung gesprochen werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung vorzulegen, mit der die zu verhängende Geldstrafen nach dem LSD-BG entsprechend den europarechtlichen Vorgaben tatsächlich „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind. Keinesfalls dürfen die Strafen hinter dem Vorteil, den der/die Arbeitgeber:in aus der Unterentlohnung zog, zurückbleiben und die Summe der festgestellten Unterentlohnung daher nicht unterschreiten. Im Falle der Kooperation des/der Arbeitgeber:in muss als weitere Voraussetzung für den milderen Strafrahmen jedenfalls der Nachweis der mittlerweile erfolgten Nachzahlung der noch offenen Lohn- und Abgabenforderungen vorliegen.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist jetzt ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer. – Bitte.