19.47

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Durch diese Gesetzesänderungen in den verschiedensten Sozialversicherungsgesetzen – wieder einmal ohne Begutachtung – wird automatisch bei der Zuerkennung einer Invaliditätspension die Auszahlung des Rehageldes beendet. Gültig wird das in Zukunft auch sein, wenn man die Voraussetzungen für eine reguläre Alterspension erfüllt.

Jetzt möchte ich unser Pensionssystem ein wenig beleuchten, da vor allem vonseiten der ÖVP, die das bestehende Pensionsantrittsalter immer erhöhen will, immer wieder Angst- und Panikmache betrieben wird. Der Forderung erteilen wir als SPÖ natürlich eine klare Absage. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Der Grund ist recht einfach: Sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen gar nicht vor der Frage, ob sie länger arbeiten wollen oder nicht. Ein großer Teil ist zum Zeitpunkt seines Anspruchs auf die Alterspension bereits in einem sogenannten Rehageldbezug oder schon in der Arbeitslosigkeit. Es liegt also zunächst einmal in der Verantwortung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass man auch ohne gesundheitliche Defizite das Pensionsalter überhaupt erreichen kann.

Als Grundlage für unser solidarisches Pensionssystem ist aber eine gute und stabile Wirtschaftslage notwendig. Der internationale Vergleich zeigt: Unser Pensionssystem wird auch in den nächsten Jahrzehnten sicher sein. Durch die solidarische Finanzierung steht unser Pensionssystem auf einer stabilen Basis: Je höher die Beschäftigung und je besser die Einkommen, desto leichter die Finanzierung. Eine gerechte Anpassung der Löhne spielt also nicht nur für die Kaufkraft hier und heute eine Rolle, sondern ist auch in Zukunft für ein funktionierendes Pensionssystem relevant.

Es gibt aber zwei akute Probleme, die derzeit für Pensionsneuzugänge lebenslänge Verluste bei der Pensionshöhe bedeuten: Erstens, die Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung kommt aufgrund der derzeitigen gesetzlichen Lage 2025 wieder voll zum Tragen. Das heißt, die Arbeitnehmer:innen können sich ja meistens nicht aussuchen, wann sie in Pension gehen, und in Zukunft hängt die Pensionshöhe vom Geburtsdatum ab. Hat man Glück und geht im Jänner in Pension, bekommt man im Folgejahr die volle Pensionsanpassung, im Juli nur mehr die Hälfte und ab November gar keine Pensionsanpassung mehr. Vor allem Frauen trifft diese Regelung besonders hart: Aufgrund der Erhöhung des Pensionsantrittsalters fallen die meisten Stichtage in die zweite Jahreshälfte.

Der zweite Punkt ist der, dass wir eine Schutzklausel fordern, damit die Kaufkraft der in der Vergangenheit erworbenen Pensionskontogutschrift erhalten bleibt. Diese Schutzklausel kommt nur in Zeiten stark ansteigender Inflation zur Anwendung, weil da die Aufwertungszahlen in Zeiten einer stabilen Inflationsrate grundsätzlich höher sind als der Anpassungsfaktor. Um diese drohenden Pensionsverluste zu verhindern, müssen diese Probleme noch bis zum Sommer gelöst werden.

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „notwendige Maßnahmen im Pensionsrecht“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 12. Juni 2024 eine Regierungsvorlage zur Abschaffung der Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung und zur Einführung einer Schutzklausel in der Höhe des Anpassungsfaktors (§ 108f ASVG) des jeweils zweitfolgenden Kalenderjahres für die Aufwertung der Gesamtgutschrift im Pensionskonto zu übermitteln.“

*****

Danke schön. (Beifall.)

19.51

Der Entschließungsantrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Genossinnen und Genossen

betreffend notwendige Maßnahmen im Pensionsrecht

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 13.) zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 3983/A der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz und das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz geändert werden (2516 d.B.)

Das Pensionsrecht leidet derzeit und zwei akuten Problemen, die für Pensionsneuzugänge lebenslange Pensionsverluste bedeuten.

Zum einen handelt es sich dabei um die Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung, die für Pensionszugänge ab 2025 wieder voll zum Tragen kommt.

Auch wenn der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis zur Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung diese als nicht verfassungswidrig erkannte, ist sie dennoch nicht gerecht.

Die meisten Arbeitnehmer*innen können es sich nämlich nicht aussuchen, wann sie in Pension gehen. Wenn sie Glück haben, können sie bis zum Erreichen der gesetzlichen Alterspension in Beschäftigung bleiben und werden zum frühestmöglichen Pensionsantrittszeitpunkt gekündigt.

Für diese Personen hängt es in Zukunft vom Geburtstag ab, ob sie einen lebenslangen Verlust ihrer Pension hinnehmen müssen, denn Türkis/Grün hat die Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung eingeführt. Damit hängt es vom Pensionsstichtag ab, wie viel Pensionsanpassung man im Jahr nach dem Pensionsantritt bekommt. Hat man das Glück mit Jänner eines Jahres in Pension zu gehen, bekommt man im nächsten Jahr die volle Anpassung, mit Juli nur mehr die Hälfte und mit November oder Dezember gar keine Anpassung mehr.

Wenn die Inflation sich irgendwo zwischen Null und zwei Prozent bewegt, mag man das weniger spüren. Doch gerade in Zeiten hoher Inflation wirkt sich die Minder- oder gar Nichtanpassung stark aus und zwar bis ans Lebensende.

Auch wenn die Aliquotierung für die Jahre 2024 und 2025 ausgesetzt wurde, trifft sie jene Arbeitnehmer:innen, die ab 2025 in Pension gehen, bereits wieder mit voller Härte.

Besonders stark betroffen sind die nächsten 10 Jahre Frauen, die in diesem Zeitraum in Pension gehen. Beginnend mit 2024 werden durch die halbjährliche Erhöhung des Antrittsalters um ein halbes Jahr, die Pensionsantritte für Frauen vorwiegend in die zweite Jahreshälfte fallen. Damit werden ihre Pensionen automatisch durch die Aliquotierung gekürzt. Bei den ohnehin relativ niedrigen Frauenpensionen ist diese Auswirkung eine weitere Benachteiligung.

Zum anderen wirkt sich die Aufwertung der Gesamtgutschrift im Pensionskonto durch die zweijährige Verzögerung in Zeiten solch hoher Inflation mit hohen Verlusten auf die Pensionsleistung aus.

Durch die Berechnungsgrundlage der Aufwertungszahl finden Beitragsgrundlagen, die aufgrund einer hohen Inflation in einem außerordentlichen Ausmaß steigen, erst mit einer Verzögerung von zwei Jahren in die Aufwertungszahl und damit auch in die Aufwertung der Gesamtgutschrift im Pensionskonto Eingang. Dadurch ergeben sich unsachliche Pensionsverluste bei Versicherten, die in Zeiten hoher Inflation in einem Jahr in Pension gehen (müssen), in dem sich die hohe Inflation noch nicht in der Aufwertungszahl niedergeschlagen hat.

Wichtig ist daher, dass sichergestellt wird, dass die Kaufkraft, der in der Vergangenheit erworbenen Pensionskontogutschriften, erhalten bleibt. Daher braucht es eine „Schutzklausel“ in Höhe des Anpassungsfaktors (§ 108f ASVG) des jeweils zweitfolgenden Kalenderjahres.

Die Schutzklausel kommt nur in Zeiten stark ansteigender Inflation zur Anwendung, da die Aufwertungszahl in Zeiten einer stabilen Inflationsrate grundsätzlich höher ist, als der Anpassungsfaktor. Für die mittelfristige Zukunft bedeutet dies, dass bereits die Aufwertungszahl 2025 höher sein wird, als der Anpassungsfaktor 2025, womit für Stichtage im Kalenderjahr 2025 lediglich eine Gesamtgutschrift außertourlich erhöht werden müsste. Für Stichtage des Kalenderjahres 2026 würde die Schutzklausel keine Anwendung mehr finden, da sowohl die Aufwertungszahl 2025 als auch die Aufwertungszahl 2026 höher sein werden, als die entsprechenden Anpassungsfaktoren.

Um diese drohenden Pensionsverluste zu verhindern und den Beschäftigten Sicherheit und Planbarkeit für ihren Pensionsantritt zu gewährleisten und dadurch auch vorzeitige Pensionsantritte zu vermeiden, müssen diese beiden Probleme noch vor dem Sommer 2024 gelöst werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 12. Juni 2024 eine Regierungsvorlage zur Abschaffung der Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung und zur Einführung einer Schutzklausel in der Höhe des Anpassungsfaktors (§ 108f ASVG) des jeweils zweitfolgenden Kalenderjahres für die Aufwertung der Gesamtgutschrift im Pensionskonto zu übermitteln.“

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag. Markus Koza. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.