21.25

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ganz zu Beginn muss ich sagen, es ist wirklich gut, dass es diesen Bericht zur Gesundheit von LGBTIQ-Personen endlich gibt, denn die Ergebnisse haben eines klargemacht, nämlich dass wir uns dringend mit der Gesundheit von LGBTIQ-Personen beschäftigen müssen.

Es kann schlicht und ergreifend einfach nicht sein, dass Menschen nur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität einen schlechteren Zugang zum Gesundheitssystem haben als andere. Es kann und darf ganz einfach nicht sein, dass sie öfter von Erkrankungen betroffen sind, dass sie mehr Diskriminierungen erfahren, dass ihnen beim Arztbesuch Hass widerfährt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich nur ein paar Fakten aus dem Bericht darlegen: Queere Menschen erleben ihre eigene Gesundheit deutlich schlechter als der Durchschnitt; vor allem im Bereich der psychischen Gesundheit wird dieser Unterschied eklatant sichtbar. Die Hälfte der befragten queeren Menschen erlebten in den letzten zwölf Monaten Depressionen, mehr als ein Viertel mit ärztlicher Diagnose. Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Burnout und Essstörungen: All das gehört zum Alltag vieler queerer Menschen. Gerade Transpersonen haben in viel zu vielen Bereichen die schlechtesten Karten. Sie erleben bürokratische Hürden, fehlende Spezialist:innen, mangelnde psychische Versorgung und obendrein noch Stigmata.

Dabei sind queere Menschen nicht nur queer, sie sind jung, sie sind alt, sie haben Familie und sie haben Jobs. Sie erleben all diese Krisen und Hürden unseres Gesundheitssystems und obendrauf noch die Konsequenzen ihrer eigenen Identität. Ich sage es ganz konkret: Für mich als schwuler Cismann, als Abgeordneter zum Nationalrat wird es im Gesundheitssystem kaum Hindernisse geben. Für eine junge Frau, 23 Jahre, alleinerziehend mit geringem Einkommen und lesbisch, schaut die Situation schon ganz anders aus. Dieser Umstand, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ist im Jahr 2024 einfach untragbar! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

Fakt ist, fast alle LGBTIQ-Personen erleben im Gesundheitssystem Diskriminierungen nicht einmal, nicht hin und wieder, sondern regelmäßig. Queere Menschen werden wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität von Ärzt:innen abgewiesen, sie erleben unangebrachte Kommentare, erfahren Beleidigungen oder bekommen falsche Diagnosen. Gleichzeitig ist die Diskriminierung von LGBTIQ-Personen in Bereichen wie dem Privatleben, aber auch im Gesundheits- und Bildungssystem immer noch legal, und zwar weil eine Partei – genauer gesagt: die ÖVP – seit Jahren den vollen Diskriminierungsschutz verhindert. All das sind Baustellen, um die Sie sich als Bundesregierung endlich kümmern müssen!

Geschätzte Kolleg:innen, wenn wir diesen Bericht ernst nehmen, dann müssen wir auf Basis seiner Ergebnisse handeln. 15 andere EU-Staaten haben bisher schon Aktionspläne für eine bestmögliche Gesundheitsversorgung queerer Menschen beschlossen; Österreich gehört wieder einmal nicht dazu – dies, obwohl der vorliegende Bericht einen solchen Aktionsplan explizit einfordert. Diesen Rückstand müssen wir aufholen, und dazu geben wir als SPÖler:innen allen heute die Chance.

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erstellung eines Nationalen Aktionsplans zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung von LGBTIQ+ Personen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird ersucht, zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung und um einen diskriminierungsfreien und gesicherten Zugang zur Gesundheitsversorgung für LGBTIQ+ Personen zu ermöglichen, einen nationalen Aktionsplan zu erlassen.“

*****

Nutzen wir die Chance! Lernen wir aus diesem Bericht und sorgen wir dafür, dass LGBTIQ-Personen im Gesundheitsbereich dieselben Möglichkeiten und Chancen haben wie jeder andere Mensch in unserem Land! (Beifall bei der SPÖ.)

21.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mario Lindner,

Genossinnen und Genossen

betreffend Erstellung einen Nationalen Aktionsplans zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung von LGBTIQ+ Personen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 16.) zum Bericht des Gesundheitsausschusses über den LGBTIQ+ Gesundheitsbericht 2022 III-1035 d.B. (2527 d.B.)

Marginalisierte Gruppen wie die LGBTIQ+ Community sind nach aktuellen Forschungsstand von Minderheitenstress betroffen, der sich insbesondere auf die psychosoziale Verfassung auswirkt. Das wird auch im LGBTIQ+ Gesundheitsbericht 2022 deutlich:

•          Depressionen: Rund die Hälfte der Befragten berichtete von depressiven Verstörungen in den vergangene 12 Monaten, 29 Prozent mit ärztlicher Diagnose.

•          Angststörungen: 39 Prozent der Befragten berichteten von Angststörungen.

•          34 Prozent berichteten von Burn-Out, 20 Prozent von Posttraumatischen Belastungsstörungen, 19 Prozent von Essstörungen.

•          Besonders betroffen sind Menschen mit trans*, inter- und nicht-binäre Personen

Besonders deutlich werden die psychosozialen Belastungen für LGBTIQ+ Personen in Hinblick auf selbstverletzendes oder suizidales Verhalten: „67 Prozent der Personen mit anderen sexuellen Orientierungen (queer, asexuell u. a.) und 54 Prozent der bi-/pansexuellen, 44 Prozent der lesbischen sowie 17 Prozent der schwulen Personen gaben an, sich bereits absichtlich selbst verletzt zu haben, ohne dabei sterben zu wollen. Je drei Viertel der Personen mit anderen sexuellen Orientierungen und der bi-/pansexuellen Personen gaben an, bereits einmal an Suizid gedacht zu haben, ohne Suizid wirklich begehen zu wollen. 60 Prozent der lesbischen und mehr als die Hälfte der schwulen (53 %) Teilnehmenden hatten laut eigenen Angaben bereits Suizidgedanken.“ Besonders hoch sind diese Tendenzen in den Altersgruppen 15-19 und 20-29 Jahre.

Besondere Herausforderungen für LGBTIQ+ Personen sind laut Bericht das mangelnde Wissen von Ärzt:innen über spezifische Gesundheitsthemen, sowie die Pathologisierung von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder Variationen der Geschlechtsmerkmale durch medizinisches Personal. 12 Prozent der Befragten gaben an, ihre Ärzt:innen häufig über LGBTIQ+spezifische (Gesundheits-)Themen aufklären zu müssen, 21 Prozent manchmal.

Durch diese Diskriminierungserfahrungen zeigt die LGBTIQ+ Community eine starke Tendenz zu Vermeidungsverhalten: 29 Prozent der Befragten gaben an, aufgrund ihrer sexuellen Orientierung/Geschlechtsidentität trotz Behandlungsbedarfs bereits Fachärzt:innen vermieden zu haben, 25 Prozent Hausärzt:innen, 20 Prozent psychosoziale Angebote, 17 Prozent Krankenkassen. Die Befragung zeigt auch, dass sich LGBTIQ+ Befragte bei allgemeinen und spezifischen Gesundheitsfragen überdurchschnittlich wenig an Allgemeinmediziner:innen und dafür sehr stark an Online-Angebote, spezifische LGBTIQ+ Beratungsstellen und ihr soziales Umfeld wenden.

Für das heimische Gesundheitswesen lauten erste Empfehlungen daher, innerhalb und außerhalb des Gesundheitssystems Bewusstsein für die gesundheitliche Versorgung von LGBTIQ+- Personen zu schaffen, um einen diskriminierungsfreien und gesicherten Zugang zur Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Die Curricula der Bereiche Medizin, Pflege und Betreuung sollten somit die Themen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt umfassen.

Diese Befunde zeigen aber ganz deutlich, dass es rasch erforderlich ist, auf allen politischen Ebenen Bewusstsein für die gesundheitliche Versorgung von LGBTIQ+- Personen zu schaffen und Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Situation umzusetzen.

Europaweit haben laut Bericht 15 Staaten nationale Aktionspläne auf den Weg gebracht, um Maßnahmen wie verbesserte Suizidprävention bei LGBTIQ+-Personen und Kostenerstattung bei spezifischen Gesundheitsleistungen umzusetzen.

Österreich sollte ihrem Vorbild folgen. Deshalb stellen die unterfertigten Abgeordneten nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird ersucht, zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung und um einen diskriminierungsfreien und gesicherten Zugang zur Gesundheitsversorgung für LGBTIQ+ Personen zu ermöglichen, einen nationalen Aktionsplan zu erlassen.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht damit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stögmüller. – Bitte sehr.