9.45

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Außenminister! Es ist ein bissel schwierig, wenn wir Grüne immer nach der FPÖ zur ernsthaften Diskussion zurückkehren müssen, aber wir probieren es jedes Mal. (Abg. Kickl: Für Sie ist das immer schwierig!)

Ernsthafte Herausforderungen für die Europäische Union: der Brexit, der Westbalkan, der Klimawandel, der Umbau des Ökosystems, der Umbau des ökonomischen Sys­tems, des Wirtschaftssystems. Und wenn im Mittelmeer weniger Menschen sterben als an der Berliner Mauer bis vor 30 Jahren, dann wäre das auch ein großer Fortschritt, dann hätten wir schon sehr viel geschafft. (Beifall bei den Grünen.)

Ich teile die Einschätzung des Kollegen Blümel nicht, dass der Brexit eine inhaltliche Entscheidung der Briten, ein inhaltliches Problem ist. Am meisten über die Europäische Union habe ich außerhalb der Europäischen Union gelernt, in Norwegen, bei einem Besuch im norwegischen Parlament. Da führte mich ein Parlamentarier herum, zeigte im Scherz auf ein Fax und sagte: Hier werden unsere Gesetze gemacht. Norwegen ist nicht Mitglied der EU, Norwegen ist in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum und vollzieht alle Gesetze zu Produkten, Produktregulierungen nach, die die Europäische Union beschließt, damit der Handel mit uns funktioniert, damit norwegische Produkte bei uns gehandelt werden können, beschließt nichts Eigenes. Wenn wir im Europa­par­lament, im Rat, teilweise in den nationalen Parlamenten etwas beschließen, die 28 Länder einen Beschluss fassen, dann wird das nach Norwegen geschickt. Die gehen dann damit in ihr nationales Parlament und beschließen das auch, damit sie kompatibel sind – und haben genau nichts mitzureden.

Ich sagte dann zu dem Abgeordneten: Das muss aber eure Leute, eure Bevölkerung ziemlich auf die Palme bringen, worauf er antwortete: Nein, überhaupt nicht, die sitzen abends vor dem Fernseher, sehen die Ratssitzung, sehen die Europäer alle streiten und sind froh, dass sie nicht dabei sind. Schickt uns dann die Ergebnisse, wir wollen gar nicht mitreden!

Eine solche Europäische Union ist tatsächlich nicht handlungsfähig. Wenn wir dieses Bild nach außen abgeben, dass man als Wähler und Wählerin nicht versteht, wie da was zustande kommt, wie man ein Gesetz beeinflussen kann, wie man eine Partei für etwas, was sie auf Europäischer Ebene macht, abstrafen oder belohnen kann, dann versagt tatsächlich die europäische Demokratie, und das bekommen wir zu spüren.

Das bekommen wir auch bei den Briten zu spüren. Es gibt keinerlei oder zu wenig Identifikation der Briten und Britinnen mit der Europäischen Union, und das ist das Hauptproblem bei Europa: Es ist ein Identifikationsproblem. Man fühlt sich als Euro­päer oder man fühlt sich nicht als Europäer oder Europäerin, und dann ist man dafür oder dagegen.

Das ist auch ein Generationenproblem. Bei den Jungen ist das ganz anders. Die verstehen nicht, warum sie in einem Nachbarland nicht mit dem Euro zahlen können, haben nicht verstanden, warum sie Roaminggebühren zahlen müssen, wenn sie 10 Kilometer über die Grenze fahren. Die wachsen in Europa auf, die wachsen mit Urlaubmachen in ihrem Heimatland auf, wenn sie nach Italien fahren oder sonst was.

Wir sehen an der Nordirlandfrage, wie sehr das eine Identifikationsfrage ist. Es ist keine ökonomische Frage: Wer will bei den Briten bleiben, wer will bei den Iren bleiben und wer will in der EU bleiben? Die Frage ist: Identifiziert man sich als Ire oder als Brite? Das sind nur Identifikationsfragen, die wir lösen wollen. Es wird Zeit, dass pro­europäische Parteien daran arbeiten, eine bessere, eine nachvollziehbare europäische Demokratie zu bauen, dass die Bürger und Bürgerinnen dieser Union gerne dabei sind und sich gerne demokratisch vertreten lassen. Darum wird es gehen. Und darum ist es wichtig, dass proeuropäische Parteien diesen Kurs gestalten.

Wir haben – da hat Herbert Kickl recht – ein Integrationsproblem. Wir haben ein Inte­grationsproblem mit rechtsextremen Parteien, mit nationalistischen Parteien, mit Burschenschaftern und ähnlichen Leuten, die zurückwollen in ein Mittelalter - - Sind Sie müde? (Abg. Kickl: Ja, ja, bei Ihrem Gerede wird man müde!) Wir haben ein Inte­grationsproblem mit Menschen, die ins 19. Jahrhundert zurückwollen und keinerlei Ahnung davon haben, wie die Zukunft zu gestalten ist. (Beifall bei den Grünen.)

Die Zukunft heißt: Klimawandel bekämpfen, die Zukunft heißt: unsere Welt so zu ge­stalten, dass wir sie erhalten, und das geht nur auf europäischer Ebene. Nichts ist falscher, als zu glauben, dass Österreich nichts ausrichten könnte, nichts tun könnte. Wir sind Mitglied im größten Markt der Welt mit 500 Millionen EinwohnerInnen, gut verdienenden EinwohnerInnen. Im internationalen wirtschaftlichen Vergleich, wenn man das mit China, mit Indien und anderen vergleicht, gibt es keinen anderen Block auf der Welt, der beim Klimawandel einflussreicher ist als die Europäische Union – und Österreich hat dazu einen Beitrag zu leisten, dann wird es auch was! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

9.49

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte.