9.50

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauer! Ja, zweifels­ohne leben wir in sehr bewegten Zeiten, und ich glaube auch, dass es nicht richtig war, zu diesem Zeitpunkt zu sagen, das ist das Ende der Geschichte – leider, muss man sagen.

Es ist immer wichtig, für Freiheit, für Demokratie, für Rechtsstaatlichkeit und auch für Marktwirtschaft zu europäischen Spielregeln zu kämpfen. Das haben, glaube ich, die Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte gezeigt.

Was ich gehört habe, insbesondere von Kollegen Blümel, war eine sehr treffende Problembeschreibung. Etwas gewundert hat mich die Aussage, dass die Probleme, die Sie da beschrieben haben – Migrationskrise, Klimakrise, die Frage der Souveränität der Europäischen Union, aber auch sozusagen der gefühlten Souveränität des politi­schen Handelns in Großbritannien –, von irgendjemandem kleingeredet würden. – Das redet niemand klein! Das sind ganz massive Herausforderungen, denen wir uns tag­täglich stellen, nicht nur hier im Hohen Haus, sondern auch in den Diskussionen mit den Österreicherinnen und Österreichern, mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern.

Diese Krisen haben aber vor allem auch eines gezeigt, nämlich dass sich Souveränität und Handlungsfähigkeit nicht darauf beschränken dürfen, zu sagen, wir brauchen starke Mitgliedstaaten. Ein Europa, das souverän und handlungsfähig ist und in diesen großen Krisen, die wir zweifelsohne haben, gefordert ist, liefern zu können, muss in diesen Bereichen handlungsfähig werden!

Herr Klubobmann Kickl hat gemeint, man sehe an dem ganzen Dilemma des Brexits, wie wenig Europa handlungsfähig ist. – Da muss ich widersprechen, nicht ausnahms­weise widersprechen, vielleicht ausnahmsweise, was die Handlungsfähigkeit Europas angeht, weil Europa in vielen wichtigen Fragen nicht handlungsfähig ist. In dem Bereich ist die Europäische Union sehr wohl handlungsfähig. Da spricht sie auch mit einer Stimme. Das Problem beim Brexitdilemma verursacht nicht Europa, sondern Groß­britannien mit seinen Populisten, das nicht in der Lage ist, zu einer Lösung zu kommen. Europa ist in dieser Frage Gott sei Dank auf einer Linie und sagt: Wir brauchen endlich einen klaren Cut und eine klare Lösung.

Herr Kollege Lopatka hat vom Selbstbewusstsein Europas, was die positiven Chancen, den positiven Boden angeht, gesprochen. Das ist völlig richtig. Das ist das, was wir schon so oft gesagt haben: Selbstbewusstsein! Wir haben so viel zu bieten: Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft, aber nach einem europäischen Zu­schnitt, das heißt soziale Marktwirtschaft, aus der wir noch viel stärker eine ökosoziale Marktwirtschaft machen müssen; dafür plädieren wir NEOS ganz massiv seit vielen, vielen Jahren. Wir haben unternehmerische Freiheit, wir haben tolle Innovationen.

Macron hat aber auch recht. Er sagt nämlich nicht das Gegenteil, er sagt nur eines: Seien wir radikal realistisch, wo wir denn stehen! Wir stehen möglicherweise vor einer Wirtschaftskrise. Wir befinden uns geopolitisch in einer Situation, in der wir uns auf unseren transatlantischen Partner nicht verlassen können, gerade auch in Sicherheits­fragen; Österreich ist kein Nato-Mitgliedstaat.

Es geht um die Frage der Zukunft Europas und darum, ob das gemeinsame Bild besteht, dass Europa immer mehr handlungsfähig ist, nicht nur in wirtschaftlicher Hin­sicht, sondern auch in politischer Hinsicht. Dieses Bild wird nicht zwangsläufig von einem Donald Trump geteilt. Was in Syrien passiert ist, zum einen der Rückzug der USA und zum anderen der Angriff eines Nato-Mitgliedslandes, nämlich der Türkei, dort in dieser Gegend, zeigt ja nur eines: dass Europa handlungsfähig sein muss, um die eigenen Interessen zu schützen! (Beifall bei den NEOS.)

Macron hat völlig recht, wenn er sagt, wir brauchen ein Europa, das schützt, und wir können uns nicht auf andere verlassen, weder auf die USA mit einem Donald Trump noch auf China, weil es dort auch ein ganz anderes System gibt, das wir hier nicht haben wollen.

Oder nehmen Sie ein anderes Beispiel her: 5G, auch die Frage der Datensouveränität und -autonomie für die Europäerinnen und Europäer – angesichts einer Situation, in der wir Global Player haben, die de facto Monopolisten sind und über unsere Daten herrschen. Ja, ist denn Europa in dem Bereich handlungsfähig, in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen? – Nein, das ist es nicht!

Das heißt, es ist radikal realistisch, zu sagen, wir brauchen ein stärkeres, ein hand­lungsfähigeres Europa, und, werte Volkspartei, das darf sich nicht darauf beschränken, starke Mitgliedstaaten zu fordern, sondern es muss der Mut aufgebracht werden – gerade in diesen Fragen, nicht nur in wirtschaftlichen Fragen, sondern in Sicherheits­fragen, außenpolitischen Fragen, Technologiefragen, digitalen Fragen, ökologischen Fragen –, ein handlungsfähiges Europa zu schaffen und in vielen Bereichen auch die Einstimmigkeit infrage zu stellen. (Beifall bei den NEOS.)

Wir müssen mutig und demokratischer vorwärtsschreiten, um liefern zu können, für Europäerinnen und Europäer. Es braucht gesamteuropäische Visionen und nicht nationalstaatliche Kleingeistigkeit. Das ist mir ganz wichtig, denn dann kann es wirklich gelingen, dass Europa weiter diesen erfolgreichen Weg geht, nicht nur sozialen Frie­den, ökologische Nachhaltigkeit, wirtschaftliche Erfolge, sondern vor allem auch sicher­heitspolitische Stabilität und Souveränität für alle in Europa zu gewährleisten. –Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

9.55

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jeitler-Cincelli. – Bitte.