11.07

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Meine Damen und Herren! Zweifelsohne ist die Bekämpfung der Klimakrise eine der größten Herausforderungen der Menschheitsgeschichte. Immer stellt sich die Frage: Was kann Österreich dazu tun? – Sie wissen, die Grünen sind der Meinung, Österreich kann da sehr viel tun, vor allem im europäischen Kontext. Deshalb möchte ich das aufgreifen, was die Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt haben: Was werden am Schluss die nationalen Spielräume sein?

Wir sind nicht naiv. – Ganz im Gegenteil: Wir werden genau vermessen – in den ange­sprochenen Regierungsverhandlungen, aber auch hier im Parlament, ich werde später noch etwas dazu sagen –, was alles möglich ist, was sinnvoll ist, was möglich ist und, ja, auch was notwendig ist, damit Österreich von seiner jetzigen Position – Sie wissen, wie ich diese charakterisiert habe – zu den Vorreitern im europäischen Klimaschutz aufschließt. Das wurde ja nicht nur von mir ausgerufen, und ich höre das sehr gern – wie das überhaupt bisher durchaus eine sehr brauchbare, wertschätzende und kon­sensuale Debatte von allen Seiten war. Das ist schon einmal ein guter Beginn.

Wir haben klipp und klar gesagt, nämlich bei der konstituierenden Sitzung hier an die­sem Pult: Unsere Hand ist ausgestreckt!, und das bezieht sich nicht nur auf die Regie­rungsverhandlungen, sondern auf letztlich alle Fraktionen hier herinnen im Parlament, wenn es um die Bewältigung der Klimakrise geht. Wir haben während der Wahlbe­wegung schon entdeckt, dass alle Fraktionen Vorschläge gemacht haben, die jetzt einmal zusammengeführt werden müssen und in Übereinstimmung zu bringen sind.

Aus unserer Sicht, Frau Bundesministerin, ist es auch nicht ausreichend, was der – wenn Sie so wollen – korrigierte nationale Energie- und Klimaplan hergibt, dass wir damit auch nur annähernd den Verpflichtungen aus dem Pariser Vertrag nachkommen können. Dazu mögen wir unterschiedliche Einschätzungen haben, aber deshalb wird es in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten genau darum gehen: zu eruieren, wie wir auf einen gemeinsamen Zielpfad, der ja vielleicht noch am ehesten unbestritten ist, kommen. Wir haben einen ambitionierteren als jenen, den die Europäische Union vorgibt, wie Sie wissen, und ich glaube, wir sind auch die Einzigen damit.

Zweitens: Was sind die Zwischenziele in den Sektoren, um dort hinzukommen? Aber auch: Was sind die Maßnahmenbündel, um dort hinzukommen? – Das wird jetzt aus­führlich zu diskutieren, zu besprechen sein.

Was allerdings die jetzige Bundesregierung betrifft, möchte ich schon festhalten: Die Republik Österreich ist der Union verpflichtet, wenigstens diesen Pfad, der dort verein­bart wurde, einzuhalten. Wir haben öfter gehört, dass es so etwas wie eine Verwal­tungsregierung gibt – man weiß nicht, ob das etwas Gutes ist; es ist, glaube ich, gut gemeint –, aber es würde zu Verwaltungshandlungen vielleicht auch gehören, dass sich die Bundesregierung genau überlegt, Pfade in diesen nationalen Energie- und Klimaplan aufzunehmen, die dann auch wirklich zur Zielerreichung führen. Aus dieser Verantwortung können wir sie nicht entlassen.

Jetzt füge ich natürlich hinzu, dass das vor allem damit zu tun hat, dass Sie (in Richtung Bundesministerin Patek) ja auf die bestehenden Gegebenheiten aufbauen müssen, und da haben wir halt Jahre, um nicht zu sagen, das eine oder andere Jahr­zehnt verloren, denn so neu ist das Phänomen Klimawandel, Klimakrise nun auch wieder nicht. Wir haben es da schon mit einem kollektiven und kolossalen Versagen mehrerer Vorgängerregierungen zu tun. Das darf man einfach nicht außer Acht lassen. Jetzt sind wir – ich muss es trotzdem sagen – in Österreich eher hinten nach als vorne voran, aber dort sollten wir und dort müssen wir auch hin. Das ist jedenfalls unser Anliegen auf allen Ebenen, wo wir Einfluss nehmen können.

Schauen wir uns an, wo das überall passieren soll und warum das so wichtig ist! Die Klubobfrau der SPÖ, Kollegin Pamela Rendi-Wagner, hat es ja angesprochen: Wir müssen das allein schon deshalb machen, um die sogenannten Strafzahlungen zu verhindern. Es ist doch zehnmal gescheiter – ich gebe Ihnen recht –, zu investieren beziehungsweise ein Maßnahmenbündel größerer Art zu schnüren, zusammen­zu­schnitzen, als dass wir dann am Schluss mit diesen Zahlungen übrig bleiben, die sich dann über Zwangszertifikatskäufe abspielen. Das ist alles richtig. Wenn es aber so ist, dass wir uns da nur auf einzelne Maßnahmen beschränken und nicht auf das Gesamt­paket konzentrieren, dann werden wir das auch nicht erreichen.

Was ist nun das Gesamtpaket? – Wir brauchen in der Energie-, in der Verkehrspolitik, ja, auch in der Agrarpolitik die Wende. Das wird nicht überall gleich leicht sein, aber wir brauchen sie, und das ist auch eine Riesenchance – ich werde nicht müde, das zu betonen – für die österreichischen Betriebe und für die österreichische Wirtschaft. Dann müssen wir noch schauen, dass das Ganze natürlich unter sozialer Absicherung und – ich habe schon im Wahlkampf dazugelernt – auch unter regionaler Berück­sich­tigung passiert, weil die verschiedenen Lasten, die ja durch solche Pakete durchaus entstehen können, unterschiedlich verteilt sein werden. Es wird aber alles zu kompen­sieren sein. Wir sind ja die, die immer eine ökologisch-soziale Reform predigen. Bei den Steuern beispielsweise, bei den Abgaben muss man immer auch die Entlastung auf der anderen Seite mitberücksichtigen. Das ist völlig logisch. Niemand soll da zurückbleiben, sonst werden wir die Transformation natürlich nie schaffen. Das ist aber möglich, das geht.

Schauen wir uns das einmal an; das kann man ja auch haptisch machen.

Erstens: Investitionen; dazu hat die SPÖ eine Reihe von Vorschlägen gemacht. – Ja­wohl. In unserer Welt ist das das 100 000-Dächer-Programm für die nächsten zehn bis 15 Jahre. Das geht, das kostet wahrscheinlich gar nicht einmal so viel, wir haben es aber noch nicht auf die Million genau vermessen.

Weiters: der Ausbau des öffentlichen Verkehrs. – Selbstverständlich; auch das wurde gesagt. Wir müssen ihn einerseits ausbauen – das ist ein Investitionsprojekt –, und gleichzeitig muss er auch billiger werden. Auch darin stimmen wir überein. Wer die Idee zuerst gehabt hat, ist ja an dieser Stelle nicht das Relevanteste.

Wir haben das Gleiche in den Bereichen der Investitionsprojekte sonst wo, und dazu sage ich Ihnen schon etwas: Ich glaube, wir waren die Einzigen, die sich hier im Haus dazu bekannt haben, dass man nicht alle umsetzen kann. Wir können nicht mehr alle Autobahnen in dem Ausmaß ausbauen, wie das gedacht wurde. Wir können nicht mehr herumrennen und sagen: Regionalflughäfen, super, das ist die Zukunft; ich lasse jetzt einmal Wien-Schwechat weg. Da gibt es massive Unterschiede. Das muss man einfach benennen und da muss man jetzt einfach einmal hinkommen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich darf zu Ihrer Beruhigung auch einmal sagen, das ist nicht nur eine Grünen-Sache. In Österreich sind auch die Forschungsinstitute in diese Richtung unterwegs. Nehmen wir einmal die OECD. Dieser Zusammenschluss der Wirtschaftsnationen – das ist jetzt keine linkslinke Veranstaltung, um der FPÖ die Ängste zu nehmen –, abgekürzt OECD, empfiehlt Österreich, massiv in die Reform des Steuersystems einzusteigen, weil bei uns schon längst – das war früher anders – die Umweltsteuern einen relativ geringen Bereich einnehmen.

Nennen wir es CO2-Bepreisung oder sonst wie, das ist nicht das Problem. Wir brauchen dann in der Folge natürlich auch genau die Vermessung, bei welchen Ab­gaben etwas zu passieren hätte, denn wichtig ist, dass die Steuerlast insgesamt nicht steigt. Abgeordneter Rauch, Sie haben vor mir gesprochen: Ja, okay, wir haben eine Steuerquote, die vielleicht höher ist als anderswo, aber es geht ja genau um die Struk­tur. Das ist das Wesen der Reformen: die Strukturen zu verändern. Die OECD emp­fiehlt im Wesentlichen – und das wird in den Medien so rekurriert – lauter Dinge, die eigentlich dem Grünen-Programm entsprechen würden. Das nehmen wir sehr ernst, das werden wir auf allen Ebenen einbringen, und wenn das so ist, dann werden wir dazu kommen müssen, uns alles anzuschauen.

Ein kurzes Wort an die Sozialdemokratie: Ja, in umgekehrten Rollen würde es vielleicht umgekehrt laufen, aber Sie wissen schon, dass es Gründe dafür gibt, dass man während der Regierungsverhandlungen darauf schauen kann, dass man, wenn ein Gesamtpaket geschnürt wird, zumindest den Versuch abwartet, ob es gelingen kann, bevor man sich auf einzelne Dinge festlegt. All das, was in der Klimaschutzmilliarde enthalten ist – ich habe mir das im Nachhinein noch einmal angesehen –, hat die richtigen Überschriften, geht in eine richtige Richtung, aber wenn man das auf zehn Jahre ausrollt, sind es 10 Milliarden Euro, und ich möchte nicht, dass uns der Rechnungshof bei der Gesetzwerdung – das ist ja immerhin ein Initiativantrag – dann wieder ausrichtet, dass wir die Wirkungsorientierung nicht so genau zugeordnet hätten.

Es wird bei all diesen Paketen, zumindest wenn es um höhere Summen geht, den Zielpfad der CO2-Reduktion, die Wirkungsweise zur CO2-Reduktion brauchen und es wird auch definiert sein müssen, was das kostet. Das ist schon auch ein inhaltlicher Grund, warum man da genauer hinschauen sollte. Ich mache dann einen Vorschlag, wie wir das auflösen können; alles auch hier im Haus.

Damit bin ich bei dem Punkt, dass wir letztlich auch die Gesamtbewertung über die Einzelmaßnahme stellen müssen. Das machen wir überall, das gilt auch für die angesprochene – ich glaube, es war in der vorigen Debatte – flächendeckende Lkw-Maut. Ich habe große Sympathien dafür, das ist überhaupt nicht der Punkt, aber auch da muss man schauen, wie das insgesamt reinpasst, wie sich das europarechtlich ausgeht. Das sind alles Themen, mit denen Sie sich ja beschäftigt haben. Ich will Ihnen gar keinen Ratschlag geben, aber ich glaube, es ist schon gut, wenn alle Fraktionen, und auch Ihre, darauf aufpassen, dass sie insofern glaubwürdig bleiben, als dass sich jeder in dieser Situation Ähnliches überlegen würde, sonst kommt ja bald irgendjemand daher und sagt: Die Sozialdemokratie war – im Hinblick auf dieses Thema – in den letzten 25 Jahren, seit dem EU-Beitritt, immerhin fast durchgehend in der Regierung – bis auf acht Jahre; also zwei Drittel der Zeit –, und seit damals ist das ein Thema, aber noch nie ist das gekommen.

Wir werden versuchen, dass da etwas weitergeht; genauso wie Sie es hoffentlich ge­meinsam mit uns versuchen werden. Und gemeinsam muss auch heißen, dass wir es hier im Haus machen, und zwar in den entsprechenden Ausschüssen. (Beifall bei den Grünen.) Das kommt noch dazu. Ich glaube, wir werden jetzt die Initiative ergreifen, sei es über die Präsidiale, sei es sonst wie, dass wir jetzt einmal alle Ausschüsse konstituieren, denn ich meine schon, was für die Ausweitung des Klimaschutzkomitees auf Regierungsberatungsebene gilt, muss auch hier im Haus gelten. Es braucht einen zentralen Ausschuss, wo diese Dinge zusammenlaufen und koordiniert werden. Ich bin ausdrücklich dafür, dass wir einen Klima- und Umweltausschuss konstituieren, wo wir das gemeinsam betrachten und diskutieren können, weil wir eben nicht nur Regie­rungsverhandlungen zu führen haben. Dort können alle Fraktionen ihre Vorschläge einbringen und eine Gesamtbewertung machen. Das scheint uns wichtig. Dann können wir uns hinstellen und sagen: Jawohl, wir – also alle, die hier so tun – sind auf der Seite des Klimavolksbegehrens – so wie wir es sind. Ich mache ausdrücklich den Aufruf auch von dieser Stelle aus, das Klimavolksbegehren zu unterschreiben, um diesen Einstieg in den Umstieg zu schaffen, mit Vermessungen, die über zehn Jahre gehen, und da wird es auf drei Tage auch nicht mehr ankommen, wenn wir ohnedies 30 Jahre versäumt haben. Das muss man schon einmal so nehmen dürfen, denke ich. (Beifall bei den Grünen.)

Auch wenn sich die Vorzeichen verschoben haben, ich sage nur: Locker bleiben! Wenn wir uns da verkrampfen, kommt gar nichts raus. Wir wollen aber, dass etwas raus­kommt, und wir werden versuchen, das in großer Gemeinsamkeit auch hier im Haus zustande zu bringen.

Das ist eigentlich die Hauptbotschaft: dass wir gemeinsam vorgehen sollten. Noch einmal: Unsere Hand ist ausgestreckt. Wir wollen das allerdings auch basiert machen, basiert auf Klimaschutzplänen, die uns die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Umweltökonominnen und Umweltökonomen mitgeben. Wir werden sie alle treffen, wir werden sie vielleicht hierher ins Haus einladen, wir werden schauen, dass sie bei den Regierungsverhandlungen eine Rolle spielen.

Wir – und ich brauche nur die Hauptbotschaften zusammenzuzimmern – sind so zurück ins Haus gekommen, genau mit dieser Botschaft. Wir allein haben die Weisheit nicht mit dem Löffel gefressen. Alle haben Vorschläge, aber wir versuchen, uns an den Klimawissenschaftlerinnen und Klimawissenschaftlern zu orientieren. Das ist unser Auftrag. Das sollten halt andere auch tun und am Schluss ein Gesamtpaket bewerten, und ich hoffe, das wird nicht ewig dauern. Jedenfalls werden wir das, wenn wir gut sind, im Nationalrat gemeinsam und parallel machen können – und dann steigen wir doch endlich in die Debatte ein und halten uns nicht gegenseitig auf! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)

11.20

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Michael Bernhard zu Wort. – Bitte.