15.00

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Regierungsmitglieder kommen vielleicht noch. „Lassen Sie die Finger von in Österreich lebenden Familien und nehmen sie den Kindern nicht von Beginn an alle Zukunftschancen, Herr Kurz!“ – So Werner Kogler am 13.3.2019 zu den Sozialeinschnitten für Familien. Leider sind beide Herren jetzt nicht da.

Ich glaube, dass es wichtig ist, daran zu erinnern, dass die Grünen nicht nur im Wahlkampf das Thema Klimaschutz auf einer Skala von eins bis zehn ganz vorne auf Platz 1 gesehen haben. Ich glaube, dass die Grünen bisher, sogar noch am Sonntag, auch das Thema Kinderschutz in Aussagen auf Platz 1 gesehen haben und dass die Kritik, die im März gekommen ist, heute irgendwie verpufft und verblasst, wenn ich daran denke, dass wir am Montag im Budgetausschuss als einem der wenigen Aus­schüsse, in dem wir Themen diskutieren können, versucht haben, zu erwirken, dass ein Maßnahmenpaket gegen Kinderarmut nicht vertagt wird, sondern dass unser Be­kenntnis, das Bekenntnis aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier dahin gehend da ist, dass wir uns entschließen, darüber zu diskutieren – und zwar bald –, wie es mit dem Leben von Kindern in Österreich ausschaut.

Wenn ich nämlich bis zum Regierungswechsel 2017 zurückschaue, sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen, bemerke ich, dass von der Armutsstatistik her gesehen doch einiges zur Besserstellung von Kindern passiert ist, was auch messbar ist. Ich erinnere nur an einige wenige Bereiche, damit Sie nicht wieder sagen können, in der Vergan­genheit wäre zu wenig passiert. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben von 2015 an im Laufe mehrerer Jahre Mittel in Höhe von 350 Millionen Euro für den Ausbau der Kinderbetreuung zur Verfügung stellen können. Als 2017 Türkis-Blau gekommen ist, war zunächst einmal monatelang Stillstand. Die Gemeinden, die ja diese Kindereinrichtungen bauen und ausbauen sollten, haben nicht gewusst, ob sie Planungssicherheit haben, woher sie Förderungen und Subventionen bekommen. Nach einem Dreivierteljahr wurde das gleiche Geld wieder zur Verfügung gestellt, also sehr spät.

Wir haben vor dem Regierungswechsel versucht, Kinder mit nicht deutscher Mutter­sprache, die zugewandert sind, die unsere Sprache noch nicht so gut können, durch ein Integrationsjahr schneller an die deutsche Sprache heranzuführen, damit sie in der Schule keine Nachteile haben und nicht wie in Niederösterreich – meinem Bundesland, in dem es fast 100 Sonderschulen gibt, dafür schäme ich mich besonders – sehr schnell in die Sonderschule abgeschoben werden, nur weil sie die deutsche Sprache nicht beherrschen. Das Integrationsjahr hat Türkis-Blau wieder abgeschafft.

Wir haben unter Sozialminister Rudolf Hundstorfer die Ausbildungspflicht bis 18 be­schlossen, während der junge Menschen begleitet werden, in irgendeine Maßnahme kommen, damit sie dem Arbeitsmarkt oder der Schule nicht verloren gehen. Die gibt es noch immer, auf die sind wir ganz stolz; die haben Sie nicht abgeschafft.

Wir haben ein Kindergartenjahr, das gratis ist, eingeführt, nämlich das letzte Kindergar­tenjahr. Ein zweites Gratiskindergartenjahr steht noch aus. Ich hoffe, dass wir das gemeinsam schaffen können.

Vor Türkis-Blau haben wir aus der Bankenmilliarde 750 Millionen Euro für den Ausbau der Ganztagsschulen zur Verfügung stellen können. – Das haben Sie wieder abge­schafft! – Türkis-Blau hat die Mittel halbiert und die Auszahlung bis 2024 erstreckt, das heißt, es ist die Hälfte da und die muss man auf viele Jahre aufteilen.

Vor Türkis-Blau haben wir die Frühen Hilfen eingeführt, das sind gesundheitspolitische Maßnahmen, psychotherapeutische Unterstützungsmaßnahmen für junge Eltern. Auch in der Zeit, in der Kinder noch gar nicht geboren sind, werden Eltern, vielleicht auch alleinerziehende Mütter begleitet, bis die Entwicklung der ersten Lebensjahre des Kindes es zulässt, dass Eltern sich gut und selbstständig um ihre Kinder kümmern können.

Vor Türkis-Blau gab es auch eine Regelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, die – egal ob Einkind- oder Mehrkindfamilie – sichergestellt hat, dass jedes Kind in Österreich gleich viel wert ist und Unterstützung bekommt. – Auch das haben Sie abgeschafft. – So viel zum Zitat von Werner Kogler, das ich eingangs erwähnt habe, zu den Sozialeinschnitten für Familien, die unter der Regierung Kurz eingeführt wurden.

Darüber hinaus, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, haben Sie in der türkis-blauen Regierung einen Familienbonus eingeführt, der zwischen Kindern aus Familien, in denen gut verdient wird – diese Kinder bekommen ihn –, und solchen, in denen wenig verdient wird, unterscheidet – diese Kinder bekommen nichts, denn 257 Euro im Jahr sind ein bisschen wenig, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel das Mittagessen in der Schule für ein Kind im Durchschnitt 700 Euro pro Jahr kostet.

Als ich unterwegs war, habe ich insbesondere von sehr belasteten Familien, in denen es zwei oder drei Kinder gibt, gehört: Ich würde das Kind wirklich gerne in die Nach­mittagsbetreuung geben, aber ich kann mir nicht einmal das Mittagessen für meine drei Kinder leisten. – Und wenn es dann auch noch dazu kommt – auch wenn Sie mich ungläubig anschauen –, dass in einer Familie der Vater durch einen Unfall stirbt und die Mutter mit den Kindern alleine dasteht, vielleicht ihre Vollzeittätigkeit aufgeben muss und nur mehr Teilzeit arbeitet, dann kann sie sich den Familienbonus aufmalen, den kriegt sie nämlich nicht.

Unser Anliegen ist, dass wir über diese Ungleichbehandlung von Kindern in Österreich reden sollten – deshalb die Fristsetzung bis 10. Dezember. Reden wir am 11. Dezem­ber noch einmal darüber, denn wenn wir warten, bis wir eine Regierung haben, bis wir ein Budget haben, bis Kinder so versorgt sind, wie sie versorgt sein sollten, vergeht ja wertvolle Zeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher sagen nicht nur die Armutskonferenz und Vereine für Kinderschutz und Kinder­rechte, dass sich die Situation von Kindern in den letzten Jahren – es hätte immer mehr passieren können – leicht verbessert hat. Die europäischen Vergleiche gehen aber nur bis zum Jahr 2016, und ab dann war Türkis-Blau da. Ich glaube, sagen zu können – das war auch heute im Morgenjournal von den Institutionen, die mit Kindern arbeiten, zu hören –, dass sich die Situation und die Chancen von Kindern ver­schlech­tert und nicht verbessert haben.

Jetzt komme ich zu unserem Maßnahmenpaket, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle­gen: Ich glaube, dass sich Eltern schon oft gefragt haben, warum es darauf ankommt, wo man lebt. In der Stadt Wien ist es garantiert, dass Kinder einen Kindergarten gratis besuchen können, es ist garantiert, dass Kinder, deren Eltern berufstätig sind, einen Platz bekommen. Auch in Wien kann man nicht schneller bauen, als es Zuzug gibt, aber in Wien ist sichergestellt, dass die erste wichtige elementare Bildung für Kinder kostenfrei angeboten werden kann und dass Kinder gut unterkommen und gut betreut sind.

Eltern können schon ins Strudeln kommen, wenn kein Kindergartenplatz zur Verfügung steht. Daher: Was können wir tun? – Über ganz Österreich Kindergartenplätze gratis anbieten, allen Kindern gleiche Öffnungszeiten und Schließtage zur Verfügung stellen, nämlich wenig Schließtage, lange Öffnungszeiten, damit Kinder von Vorarlberg bis ins Burgenland gut begleitet werden. Wenn nämlich die erste Bildungseinrichtung im Leben eines Kindes nicht gut passt, dann kann sich das ein Leben lang negativ auswirken, Kinder können das mitschleppen.

Genauso wäre es wichtig – das ist ein weiterer Punkt unseres Maßnahmenpaketes –, in den Schulen ein Mittagessen gratis anzubieten; diese 700 Euro pro Jahr sind für manche Eltern leider zu viel. Und natürlich sollen sich Kinder auch bewegen können.

Wir haben Kinder, die in Schulen sind, in denen sie weniger Chancen als andere Kinder haben. Wir kennen diese Schulen. Wir könnten mithilfe eines Index, wenn wir nur wollten, genau für jene Schulen, die das brauchen, mehr Personal, mehr LehrerIn­nen, mehr SozialarbeiterInnen zur Verfügung stellen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), um die Chancen für Kinder gerechter zu verteilen. Wir haben aus allen Schulen in ganz Österreich diese Zahlen, Daten und Fakten, weil sie erhoben werden. Wir können hier nicht davor die Augen verschließen, dass manche Kinder vielleicht mehr brauchen und andere Kinder in diesem Zusammenhang vielleicht nicht so viel Unterstützung benötigen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (fortsetzend): Danke schön, der Schlusssatz: Wir brauchen nicht nur ein therapeutisches Angebot für Kinder, wir brauchen auch Änderungen bei der Mindestsicherung. Jedes Kind ist gleich viel wert. Wir brauchen eine Unterhaltsgarantie für Kinder bis zum 24. Lebensjahr, wenn sie in Ausbildung sind. Wir brauchen vor allem Ihre Zustimmung dazu, dass wir hier im Hohen Haus nicht zulassen, dass Kinder ungleich behandelt werden und dass Kinderarmut überhaupt ein Thema in Österreich ist. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten El-Nagashi und Zadić.)

15.11

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Bogner-Strauß. Ich mache darauf aufmerksam, dass die folgenden Redner nur mehr 5 Minuten Redezeit haben. – Bitte.