16.30

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem auch Herr Brückl! Ich bin immer wieder darüber erstaunt, dass Sie Kopftuch und politischen Islam gleichsetzen, als gäbe es da keine Unterscheidung. (Abg. Wurm: Das haben die Experten so ausgeführt! Frau Kollegin, Sie waren ja dabei! Die Experten haben das so festgehalten!) Ich glaube, Sie waren noch nie in Kontakt mit der Gruppe von Musliminnen, die Kopftuch trägt – und zwar ganz freiwillig, mit Selbstbewusstsein und auch mit großer Würde. Aber das ist noch einmal eine andere Diskussion. (Abg. Wurm: Die Experten haben das definiert! – Zwischenruf des Abg. Schrangl.)

Die heutige Debatte ist für mich echt ein Déjà-vu zum Frühjahr und zum Frühsommer dieses Jahres, als es auch um das Kopftuchverbot gegangen ist. (Abg. Wurm: Sie waren ja dabei im Ausschuss!) Heute geht es um die Ausweitung desselben.

Ich habe mir Ihre Argumentation genau angeschaut: Dazumal haben Sie mit dem Thema Kinderrechte argumentiert. Das habe ich schon sehr zynisch gefunden, nämlich in dem Kontext, dass Sie zeitgleich die Kinderrechte beschnitten haben, indem Sie die Sozialhilfe Neu auf 1,50 Euro für das dritte Kind reduziert haben. Da mit Kinderrechten zu argumentieren ist echter Hohn. Und jetzt weiten Sie diese Argumentation aus, man höre und staune: „Die vorliegende Regelung soll [...] den Schutz von Musliminnen [...], die die Verhüllung aus persönlicher Überzeugung nicht praktizieren [...]“, ebenso garantieren wie den Schutz „jener Anhänger von Richtungen des Islam, in welchen die Verhüllung keine Praxis ist und damit eine freie Entscheidung über die Religionsaus­übung sichern [...]“.

Seit wann sind Sie denn der Anwalt der Musliminnen? (Abg. Wurm: Da haben Sie nicht aufgepasst, Frau Kollegin! Wir sind für Frauenrechte, Frau Kollegin, das sollten Sie schon einmal verstanden haben, für eine freie, offene, tolerante Gesellschaft!) Das ist ungeheuerlich. Noch dazu betonen Sie die frühe geschlechtliche Segregation, während Sie beim Thema Deutschklassen keine Sekunde gezögert haben, Kindern diesen Stempel aufzudrücken. – Glaube ich das noch?! Das ist ungeheuerlich! (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Es ist wirklich ungeheuerlich!

Natürlich sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zutiefst überzeugt, dass kein Mädchen gezwungen werden darf, ein Kopftuch zu tragen. – Das ist ganz klar.

Mit diesem Verbot als Einzelmaßnahme erreichen Sie allerdings gar nichts im Bereich der gesellschaftlichen Herausforderungen Integration oder Gleichberechtigung von Frauen in unserer Gesellschaft. Ganz im Gegenteil: Sie missbrauchen dieses Thema für Populismus, für Ihre populistischen Anliegen – und dazu ist es für uns Sozial­demokratinnen und Sozialdemokraten viel zu wichtig. Das darf nicht geschehen.

Gesagt sei auch noch: Ich bezweifle, dass das Verbot am Ende des Tages wirklich wirksam sein wird, denn es gibt in Österreich noch den häuslichen Unterricht und auch Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht. Ich befürchte, dass wirklich radikale Eltern ihre Kinder dann dorthin schicken – und dann haben wir, was die Wahrung der Kinder­rechte anbelangt, überhaupt keine Kontrolle durch die öffentlichen Einrichtungen mehr.

Was es zum Integrationsmotor Schule zu sagen gibt: Ja, da gab es wirklich viele Maßnahmen, die wir im Integrationspaket immer wieder gefordert und auch umgesetzt haben. Da geht es um Sprachstartgruppen, um mehr Deutschlehrerinnen und Deutsch­lehrer, um Integrationspädagogen, um Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, um Psychologinnen und Psychologen in den Schulen – vor allem in jenen Schulen, in denen die größten Herausforderungen bestehen. Was haben Sie getan? – Sie haben dieses Integrationspaket abgeschafft.

Die heutige Diskussion über die Kinderrechte hat ja auch wieder einiges offenbart.

Das heißt, Ihr Vorschlag trägt überhaupt nichts zur Lösung der gesellschaftlichen Prob­leme bei. Ich lade einmal mehr ein, den Diskurs zu suchen, ihn ehrlich in der Breite zu suchen, sodass wir wirklich hier im Parlament für das Thema Integration und für das Thema Gleichstellung der Frau gute Lösungen finden. – Das Kopftuchverbot ist es ganz sicher nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.34

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler des Camillo Sitte Bautechnikums recht herzlich bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Hamann. – Bitte.