9.43

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der Einspruch des Bundesrates hat bei mir unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. (Ruf bei der SPÖ: Na geh, bei mir auch!) Es waren Respekt, Anerkennung und Unverständnis. Respekt habe ich natürlich für den Bundesrat als solchen, und dieser hat gezeigt, dass er kein bloßes Durchwinkgremium für unsere Beschlüsse ist, sondern dass er jeden einzelnen gewissenhaft prüft, und das ist für das Funktionieren unseres Systems wichtig. Ich anerkenne auch das Bemühen, die zeitliche Verzögerung durch den Einspruch in Grenzen zu halten, womöglich auch auf Kosten der Glaub­würdigkeit des eigenen Protests. Inhaltlich finde ich den Einspruch aber unverständlich, und je näher man sich ihn in den einzelnen Punkten anschaut, desto unverständlicher wird er. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sie kritisieren, dass in der zweiten Lesung, quasi im letzten Moment ein Abände­rungs­antrag eingebracht wurde, in dem § 15, die Versammlungsregelung neu formuliert wurde. Warum war denn das so? – Weil wir bis zum letzten Moment gemeinsam daran gearbeitet haben, in jedem einzelnen Punkt Ihre Bedenken auszuräumen und die Regelung so zu gestalten, dass jedem einzelnen der vorgebrachten Punkte Rechnung getragen wurde.

Besonders bemerkenswert finde ich auch, dass die FPÖ als Hüterin der Versamm­lungs­freiheit auftritt. Ich finde das erfreulich, denn immerhin haben Sie vor Kurzem noch überlegt, demofreie Zonen einzuführen und Beschädigungen durch Demonstra­tions­teilnehmerInnen über eine Haftungspflicht zu regeln. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kickl: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Diese Argumentation, so wie sie hier geführt wurde, geht aber ins Leere, denn sie verkennt nämlich, dass eine Versammlung, die von der Versammlungsfreiheit ge­schützt ist, etwas anderes ist als eine Veranstaltung im Sinne des § 15 Epidemiegesetz. (Bei­fall bei den Grünen.)

Es ist nicht nur so, dass das nach geltendem Rechtsverständnis selbstverständlich so zu interpretieren ist, sondern das war auch schon 1913 so. Die Versammlungsfreiheit ist nämlich im Staatsgrundgesetz 1867 verankert (Abg. Kickl: Das Hausrecht auch!) und sollte schon damals das Recht garantieren, in Kundgebungen öffentlich seine Meinung zu äußern. Und schon damals gab es Veranstaltungen wie Bälle, Volksfeste, Konzerte, Theateraufführungen und so weiter, die natürlich keine Versammlungen waren. Man kann das schon anders darstellen, es ist halt einfach historisch nicht richtig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Regelungen, die Sie beeinsprucht haben, haben zahlreiche namhafte JuristInnen als klare Verbesserung gegenüber der geltenden Rechtslage und als verhältnismäßig beurteilt. Mit Augenmaß und unter Bedachtnahme auf die jeweiligen konkreten Auf­lagen können Veranstaltungen ermöglicht werden. Ganz wesentlich ist das, um im Bereich der Kunst und Kultur und auch im Bereich des Sports wieder Darbietungen zuzulassen. Das haben Sie verzögert! (Abg. Meinl-Reisinger: ... haben wir nichts ver­zögert!)

Gleiches gilt für die Screeningprogramme: Wir konnten die Ansteckungsraten deshalb so effektiv senken, weil wir uns weitestgehend voneinander ferngehalten haben. Will man das ändern, dann braucht man andere wirksame Möglichkeiten, um Infektionen rasch eingrenzen zu können, und die bieten eben Screeningprogramme. Dazu ist es auch notwendig, Forschungen über Ansteckungswege und Verbreitungswahr­schein­lichkeiten zu ermöglichen, und das geht eben mit pseudonymisierten Daten und nicht mit anonymisierten Daten. Hat man diese Möglichkeiten nicht, gibt es wieder nur einen Ausweg: Alles zusperren (Abg. Martin Graf: Das stimmt doch gar nicht!), und das will sicher niemand. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Martin Graf: Es gibt keinen Zwang zum Zusperren! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abge­ordneten von FPÖ und Grünen.)

Man kann immer etwas anders machen, aber anders ist nicht automatisch besser. Ich würde mir wünschen, dass wir in Zukunft zu einer Art der Zusammenarbeit finden, bei der wir im Dialog bleiben, in der wir die Standpunkte des jeweils anderen ernsthaft an­nehmen, aber auch akzeptieren können, wenn man sich nicht mit jedem Argument durchsetzt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.47

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Belakowitsch ist zu Wort gemel­det. – Bitte.