10.13

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Sie kennen mich, glaube ich, seit einer Weile: Ich bin keiner, der gerne auf die ÖVP hinhaut und grundlos kritisiert (Heiterkeit bei der ÖVP), aber angesichts des Eiertanzes, den wir heute seitens der ÖVP beobachten konnten, kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Ich darf daran erinnern, was in den letzten Wochen passiert ist: Als Oppositions­par­teien haben wir viele, viele Maßnahmen unterstützt. Wir haben gesagt: In dieser Krise ist es wichtig, dass die Regierung überhaupt so viel Geld zur Verfügung hat wie noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik. Wir erwarten uns nur, das sie vernünftig damit umgeht.

Es hat Schicksale von Menschen gegeben, die uns geschrieben haben, und diese Schicksale sind uns nahegegangen: Schwerkranken älteren Menschen in Pflege­heimen hat man gesagt: Ihr dürft nicht hinaus in den Garten gehen, denn ihr könntet euch unter Umständen, wenn jemand auf der Straße spazieren geht, anstecken. Wir hatten Fälle von Menschen, die arbeiten gehen mussten, schwerkranke Angehörige zu Hause hatten und sich Sorgen gemacht haben. Was passiert mit den Angehörigen von Risikopatienten? Wir hatten Fälle, in denen sich Künstler, also erwachsene Menschen, bei ihren eigenen Eltern Geld ausborgen mussten, weil sie kein Geld mehr auf dem Konto hatten, damit sie für ihre Kinder am Wochenende überhaupt noch Lebensmittel einkaufen konnten.

Die Reaktion der Regierungsparteien war immer: Mischt euch da nicht ein! Wir haben alles im Griff. Wir sind die Weltmeister und haben alles im Griff. Wir sind die Profis, die alle durch diese Krise in Österreich führen! – Ihr seid über die Oppositionsparteien drübergefahren. Euch war die Kritik völlig egal. Christoph Matznetter ist hier gestanden und hat flehentlich gerufen: Lasst die kleinen Unternehmen nicht im Stich! Kämpft um jeden Arbeitsplatz! – Er hat gefleht und gebeten, dass wir um die Arbeitsplätze kämpfen, euch war das egal. Wir haben aber gewusst, dass dieser Bürokratiepfusch, den die Wirtschaftskammer und der Wirtschaftsbund jetzt betreiben, dazu führt, dass kleine Unternehmen massive Probleme bekommen werden. Das haben wir vorher gewusst. Euch war das jedoch egal. Euch war das egal. (Abg. Schmidhofer: Stimmt nicht! Stimmt nicht!)

Heute stellt sich Klubobmann Wöginger her und macht auf einmal einen auf Ischgl zwei und erzählt denselben Schmäh, den wir schon einmal erlebt haben. Betreffend Ischgl war es nämlich auch so, dass Sebastian Kurz gesagt hat: Herr Platter ist ein super Krisenmanager. – Dann ist er draufgekommen, dass einigen sozusagen die Gier doch wichtiger war als Menschenleben: Rund um Ischgl haben sich einige – das werden wir noch aufklären – gedacht, dass sie noch ein Geschäft machen werden.

Kurz hat dann gesagt: Das hat mit der Regierung nichts zu tun, das ist Tirol, das ist nicht Herr Kurz. – Und in Tirol hat man dann gesagt: Die Regierung, der Platter, kann nichts dafür; das ist die Bezirksverwaltung, und der Bürgermeister ist schuld. – Ganz zum Schluss waren dann der Gastwirt beziehungsweise am Ende gar der Gast schuld. So kann es nicht funktionieren, wenn irgendetwas nicht funktioniert, dass alle anderen schuld sind, nur nicht diejenigen, die gewählt wurden und die Verantwortung über­neh­men! So geht es nicht! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Noch ein Punkt: Genau das, wovor ich gewarnt habe, zeigt, wie weit ihr von mensch­lichen Schicksalen weg seid. Bevor nämlich die Helden des Alltags, die Leute, die in den Supermärkten gestanden sind, die Kassiererinnen und Kassierer, und die Leute in der Pflege in den Krankenhäusern, nur einen einzigen Cent bekommen haben, heißt es bei der ÖVP schnell: Die Champagnerpartys sind das Problem. Für die Cham­pagnerpartys der Freunde von Sebastian Kurz muss die Steuer runter. Der Cham­pagner muss fließen, da muss die Steuer reduziert werden. – Was ist das für eine Maßnahme? Das ist weltfremd! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Schaut auf die kleinen Menschen, auf die Angestellten in Österreich! Wenn die breite Masse der Bevölkerung Geld in der Hosentasche hat, wenn die Leute sich einen Kaffee leisten und wenn sie ins Gasthaus gehen können, dann lebt die Wirtschaft, aber nicht von euren Champagnerpartys. Was ist das für ein absurdes Modell?! (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein Punkt, weil jetzt Protokolle aufgetaucht sind: Wir alle haben die Aussagen von Sebastian Kurz erlebt: 100 000 Menschen werden sterben. (Bundesminis­te­rin Edtstadler: Gott sei Dank, dass nicht!) Bis heute wissen wir nicht, Herr Bun­desminister, wer die Expertinnen und Experten sind, die das auch gesagt haben. Legen Sie das auf den Tisch! Wo sind diese Protokolle konkret? Wir erfahren etwas heute im „Falter“ und in den vergangen Wochen von Frau Mei-Pochtler. Wir werden verhindern müssen, dass diese Sachen vertuscht werden. Wir haben alle noch im Hinterkopf, wie schnell – keine Ahnung, ob der damalige Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz seine Leute beauftragt hat oder nicht – Sachen geschreddert werden.

Ich bitte Sie, Herr Bundesminister Anschober: Sorgen Sie dafür, dass nicht durch Sebastian Kurz und das Bundeskanzleramt veranlasst wird, dass Protokolle ver­schwin­den oder abgeändert werden! Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, im Nachhinein alles zu erfahren, was wirklich passiert ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Letzter Punkt: Damit die Fehler jetzt nicht noch einmal wiederholt werden, darf ich im Namen meiner Kollegen Kollross, Köchl und Schroll einen Entschließungsantrag zur Unterstützung der Gemeinden in Österreich einbringen.

Es geht um die wirksame finanzielle Hilfe für Gemeinden und Städte durch die Bun­desregierung. Dieser Antrag liegt Ihnen allen hier vor. Es geht um die Aufforderung, dass der Herr Finanzminister ehestmöglich auch die finanziellen Mittel im Rahmen dieses Budgets zur Verfügung stellt, dass die Gemeinden die wichtigen Aufgaben von Kinderbetreuung, Rettung, Feuerwehr, Schulen, Finanzierung der Krankenhäuser auch tatsächlich durchführen können.

Ich ersuche wirklich darum, dass wir hier die Gemeinden nicht im Stich lassen und man die wichtigen Aufgaben auch in Zukunft ermöglicht. Bitte geben wir uns alle miteinan­der einen Ruck und sorgen wir dafür, dass auch der Finanzminister endlich munter wird und die Gemeinden unterstützt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte den Antrag verlesen! Der Antrag muss ver­lesen werden. (Abg. Steinacker: Schon genau lesen! – Abg. Zarits: Das muss man lesen! Wenn es so wichtig ist, muss man das lesen!)

Abgeordneter Philip Kucher (fortsetzend): Ich bringe den Antrag somit ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „wirksame finan­zielle Hilfe für Gemeinden und Städte durch die Bundesregierung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufge­fordert, dem Nationalrat ehestmöglich, spätestens jedoch zur Beschlussfassung des Budgets für 2020 im Mai diesen Jahres, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem der Bund den Gemeinden die sinkenden Ertragsanteile sowie die reduzierten Ein­nahmen aus der Kommunalsteuer abgilt, und zusätzlich ein Konjunkturpaket für Ge­meinden zur Umsetzung von Projekten für die Ankurbelung der örtlichen Wirtschaft finanziert wird, damit die vollständige Aufrechterhaltung der Gemeindeleistungen für die ÖsterreicherInnen und Österreicher in der Krise und der anschließenden Phase der wirtschaftlichen Erholung finanziert werden kann.“

*****

Nun habe ich diesen Entschließungsantrag noch ganz formell eingebracht. (Beifall bei der SPÖ.)

10.19

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Andreas Kollross, Klaus Köchl, Alois Schroll, Genos­sinnen und Genossen

betreffend

wirksame finanzielle Hilfe für Gemeinden und Städte durch die Bundesregierung

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 4 Bericht des Verfassungsausschusses über den Einspruch des Bundesrates (153 d.B.) vom 4. Mai 2020 gegen den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ein­kommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, die Bundesabgabenord­nung, das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveranstaltungsausfall-Härtefonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz), das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungs­aktiengesell­schaft des Bundes (ABBAG-Gesetz) und das Bundesgesetz, mit dem eine Ermäch­tigung zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt wird, geändert werden sowie das Bundesgesetz über die Prüfung von Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie (COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz - CFPG) erlassen wird (18. COVID-19-Gesetz) (179 d.B.)

Begründung

Die aktuell größte Gesundheitskrise unserer Zeit hat gravierende Auswirkungen auf das Leben der Österreicherinnen und Österreicher, weder sind derzeit die gesund­heitlichen noch die wirtschaftlichen Folgen abschätzbar. Bedingt durch die Maßnah­men der ÖVP/Grüne-Bundesregierung, insbesondere Betretungsverbote für Betriebe, die die Einnahmen der Unternehmen wegbrechen lassen, stieg die Zahl die Arbeits­losenzahlen und in Kurzarbeit befindlichen Menschen dramatisch an. Diese Entwick­lungen haben auch massive Auswirkungen auf die Gemeindefinanzen und treffen die Bevölkerung daher doppelt.

Die Ertragsanteile und die Kommunalsteuer sind die wichtigste Einnahmequelle für Gemeinden und hängen wesentlich von der wirtschaftlichen Gesamtlage ab. Die Finan­zierung zahlreicher kommunaler Dienstleistungen ist gefährdet, diese müssen aber aufrecht erhalten werden, insbesondere jene, welche die Menschen zur leichteren Be­wältigung der Krise benötigen. Gemeinden können sich nicht mit jenen Möglichkeiten, die den Ländern und dem Bund zur Verfügung stehen finanzieren. Nicht nur der gut ausgebaute Sozialstaat, sondern auch die Leistungen der Gemeinden und deren Angebote für die Bürgerinnen und Bürger haben in der Krise eine wesentliche stabili­sierenden Funktionen. Gemeinden und Städte brauchen eine wirksame Abgeltung des finanziellen Ausfalls der Coronakrise. Kommunen sind für Kinderbetreuung, Rettungs- und Feuerwehrwesen, Schulerhaltung, Spitalsfinanzierung, Abwasser- und Wasserver­sorgung und vieles mehr zuständig.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufge­fordert, dem Nationalrat ehestmöglich, spätestens jedoch zur Beschlussfassung des Budgets für 2020 im Mai diesen Jahres, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem der Bund den Gemeinden die sinkenden Ertragsanteile sowie die reduzierten Ein­nahmen aus der Kommunalsteuer abgilt, und zusätzlich ein Konjunkturpaket für Ge­meinden zur Umsetzung von Projekten für die Ankurbelung der örtlichen Wirtschaft finanziert wird, damit die vollständige Aufrechterhaltung der Gemeindeleistungen für die ÖsterreicherInnen und Österreicher in der Krise und der anschließenden Phase der wirtschaftlichen Erholung finanziert werden kann.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Jetzt ist der Antrag ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung ist Abgeordneter Hörl zu Wort gemeldet. – Bitte. (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Was willst denn da noch berichtigen?!)