16.28

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Frauen Bundesministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmgeräten zu Hause! Diese weltweite Pandemie hat uns zu gesundheitspolitischen Maßnahmen gezwungen (Abg. Amesbauer: Gezwungen?!), die ihre tiefen Spuren in unserer Wirtschaft und vor allem auch in unserem Arbeitsmarkt hinterlassen haben. 400 000 Menschen sind nach wie vor arbeits­los, 400 000 Menschen in Kurzarbeit. Das ist auf der einen Seite eine menschliche Herausforderung, es ist aber auf der anderen Seite vor allem auch eine arbeits­markt­politische Herausforderung.

Es wären aber noch viel, viel mehr Menschen in dieser Situation, hätten wir nicht ganz zu Beginn und fortlaufend mit dem Härtefallfonds, mit dem Fixkostenzuschuss, mit Steuerstundungen, mit Kreditmoratorien Maßnahmen gesetzt und nicht zuletzt natürlich mit dieser, glaube ich, von allen zu Recht sehr gelobten Maßnahme der speziellen Coronakurzarbeit und den vielen anderen Maßnahmen viele Firmen und damit auch viele Hunderttausend Jobs gerettet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn im SPÖ-Antrag von fehlerhaften Wirtschaftshilfen die Rede ist, kann ich Ihnen eigentlich nur erwidern, dass das wohl eine völlig verfehlte Analyse ist. Wir hatten in der Hochphase 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Jetzt sind es 900 000 weniger oder – umgekehrt gesagt – 900 000 mehr, die wieder in die Vollbeschäftigung zurückgekehrt sind. Das ist wohl ein herausragender Erfolgsbeweis für diese kurzfristigen und mittel­fristigen Hilfsmaßnahmen, die der Wirtschaft geholfen und vor allem Hunderttausende Jobs gerettet haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Man kann in Bezug auf die Hilfsmaßnahmen natürlich alle möglichen Ideen haben und kreativ sein, das ist auch gut so, aber – auch an die SPÖ gerichtet –, meine Damen und Herren: Sie nennen Ihre Idee Viertagewoche. Mit Verlaub, damit versuchen Sie, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Die Viertagewoche ist heute bereits möglich, sie ist eine rein arbeitsorganisatorische Maßnahme (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Rendi-Wagner), und sie ist spätestens seit der Arbeits­zeitflexibilisierung, die wir zu Beginn der letzten Legislaturperiode durchgeführt haben, auch eine, die vielfach angewendet wird, weil sie eben gesetzlich ermöglicht wurde. Sie meinen in Wahrheit eine 20-prozentige Arbeitszeitverkürzung (Abg. Rendi-Wagner: Sagen wir auch!), negieren dabei aber völlig, dass man Arbeit nicht wie einen Kuchen verteilen kann. (Abg. Heinisch-Hosek: Wir haben Arbeitslose!)

Wir haben eine völlig zwiespältige Situation am Arbeitsmarkt: 51 Prozent der Firmen sagen uns, dass sie nicht ausreichend Fachkräfte finden, und wir haben weiterhin 45 Mangelberufe in Österreich. Es ist also eine sehr zwiespältige Situation am Arbeits­markt. Das hat viel mit nicht auf die offenen Stellen passenden Qualifikationen zu tun, das hat viel mit fehlender geografischer Verfügbarkeit zu tun. Das gilt übrigens auch für die Lehrlinge: Wir haben ein Ost-West-Gefälle und – per Saldo – zwischen den offenen Lehrstellen und den Lehrstellensuchenden einen Nullsaldo, allerdings fehlen uns in Wien tatsächlich einige Tausend Lehrstellen, aber da sollten Sie sich vielleicht einmal in Wien in Ihren Kreisen etwas mehr bemühen.

Das heißt, meine Damen und Herren, diese Rechnung, die Sie da aufstellen, geht nicht auf. Sie geht angesichts der Struktur des Arbeitsmarktes schlicht und einfach nicht auf. Im Gegenteil, ich sage Ihnen sogar: Arbeitszeitverkürzung ist in der jetzigen Phase ein wohlstandsvernichtendes Defensivkonzept. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) Es erhöht die Kosten, es senkt die Wettbewerbsfähigkeit, und es bringt am Ende genau das Gegenteil von Jobs, nämlich Jobverluste. Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein, das kann doch wohl nicht wirklich Ihre Intention sein. Dieses Modell, das Sie hier propagieren, ist im besten Fall – wohlwollend ausgedrückt – eine Illusion. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rendi-Wagner: Die Idee ist aus den Siebzigerjahren!)

Was wirklich helfen würde, ist gesteigerte regionale Mobilität. Ich weiß, das hat seine Grenzen, das ist mir schon klar, aber bei der überregionalen Vermittlung – das sagte auch AMS-Chef Johannes Kopf vor ein paar Tagen – ist noch einiges drinnen. Das meiste aber liegt natürlich – unser Klubobmann hat es schon erwähnt – im Thema Qualifizierung: Qualifizierung, Qualifizierung, Qualifizierung. Das heißt, diese 700 Mil­lionen Euro zusätzlich für das AMS, bei denen sich das AMS sehr anstrengen wird müssen, daraus Qualifizierungsmaßnahmen zu kreieren (Abg. Heinisch-Hosek: Die können das schon, keine Sorge!) – aber es wird ihm gelingen –, sind der richtige Ansatz, die Menschen für die Jobs, die verfügbar sind, auch tatsächlich zu qualifizieren: Arbeits­stiftungen, möglichst betriebsnahe Ausbildung, Bildungsteilzeit, Bildungskarenz und eine Stärkung der Lehre – sowohl in der Finanzierung mit dem Lehrlingsbonus, aber vor allem auch in den verschiedenen Lehrberufen, denn es zeigt sich auch jetzt in der Krise: Menschen, die eine Fachschule oder eine Lehre absolviert haben, sind deutlich weniger von Arbeitslosigkeit betroffen beziehungsweise schneller wieder in einen Job zurückgekehrt als beispielsweise Hochschulabsolventen und Maturanten.

Noch eines, meine Damen und Herren: Letzten Endes gibt es dauerhaft sichere Jobs und auch neue Jobs nur in einer dauerhaft starken Wirtschaft und mit einer starken Wirtschaftsleistung. Das ist ein Marathon, wie die Klubobfrau der NEOS schon gesagt hat, aber wenn wir die Prognosen des nächsten Jahres mit 5 Prozent Wachstum realisie­ren wollen, braucht es Investitionen, braucht es Steuersenkungen, um die Kaufkraft zu erhöhen. Es braucht Investitionen in die Digitalisierung – das gibt Jobs –, Investitionen in Forschung und Entwicklung – das gibt Jobs –, Investitionen im Ökobereich – das gibt Jobs – und, noch einmal gesagt, Qualifikation, Qualifikation. Denn dauerhafte Jobs, meine Damen und Herren, gibt es einfach nur als Ergebnis einer dauerhaft starken, robusten Wirtschaft. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.36

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Belakowitsch ist zu Wort gemel­det. – Bitte.