9.21

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geschätzter Herr Präsident! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, Sie möchte ich natürlich auch noch sehr herzlich begrüßen! Geschätztes Hohes Haus! Ich darf mich sehr herzlich dafür be­danken, dass wir hier heute zum Thema „Raus aus der Wegwerfgesellschaft“ diskutieren und ich dazu sprechen darf.

Es soll dabei um neue Wege zur Abfallvermeidung gehen und ich glaube, das ist ein gemeinsames Anliegen. Ich danke Abgeordneter Rössler wirklich sehr herzlich für die umfassende Einführung in das Thema und möchte auf die drei Punkte, an denen sie das Thema jetzt aufgezeigt hat, kurz reagieren: Was braucht es und was wird gerade erar­beitet?

Was mir ein besonderes Anliegen ist – und deswegen der Konnex zu dieser Krisensitua­tion –, ist Folgendes: Wir leben in einer Zeit, in der es viele Menschen gibt, die die Dinge, die derzeit am Müll landen, die derzeit gut produziert werden – frische Lebensmittel, funktionsfähige Geräte –, dringend brauchen. Das ist nicht nur, aber auch eine ökologi­sche Frage: Es ist eine ökologische Frage, denn der Zusammenhang zwischen Kreis­laufwirtschaft und Klimaschutz ist ein großer, und es liegt an uns, diesen Zusammen­hang auch immer wieder herzustellen. Es ist aber nicht nur eine ökologische Frage, nicht nur eine moralische Frage, wenn man Lebensmittel auf den Müll wirft, sondern es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Es ist schlicht unfair, wenn Menschen, die sie brau­chen, in einer Zeit, die schwierig ist, die Lebensmittel nicht bekommen, die bei uns im Müll landen, und deswegen ist mir das wirklich ein Anliegen, das auch und gerade in dieser Zeit zu diskutieren. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich darf kurz auf die drei aufgeworfenen Punkte eingehen. Ein Thema ist die Frage des Elektronikmülls, funktionsfähiger Geräte, das Problem der geplanten Obsoleszenz, also dass Geräte, die an sich – und wir erinnern uns an die Zeiten unserer Großeltern – über Jahrzehnte halten, plötzlich nur noch Jahre halten. Da passiert gerade auf EU-Ebene sehr, sehr viel, da wird mit dem Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft gerade ein Meilen­stein gesetzt, was wir aus Österreich natürlich sehr intensiv unterstützen.

Ein Thema, das mir dabei ein besonderes Anliegen ist, ist das right to repair, also dass Konsumenten und Konsumentinnen wirklich ein Recht darauf haben, dass Produkte re­paraturfähig sind, man sie also zumindest reparieren kann. Da geschieht auf EU-Ebene gerade wirklich ein Meilenstein betreffend eine Produktpolitik, die wichtig ist, die wir un­terstützen und die wir auch – das ganze Thema Reparatur – aus dem Ministerium heraus mit Plattformen unterstützen, mit Vernetzung unterstützen, damit wir in Österreich diese Reparaturwirtschaft, die wir brauchen, die eine Wirtschaft ist, die klein- und mittelbetrieb­lich organisiert ist, die Arbeitsplätze vor Ort schafft, Wertschöpfung vor Ort schafft und zum Klimaschutz beiträgt, besser aufbauen können.

Das Thema Lebensmittelverschwendung ist eines, das im Ministerium seit vielen, vielen Jahren sehr engagiert vorangetrieben wird. Ich glaube, das eint uns wirklich, ist ein ge­meinsames Anliegen, dass das ein großes Thema ist, das wir nicht einfach so hinneh­men sollen, daher haben wir uns auch im Regierungsprogramm viel dazu vorgenommen und werden das engagiert weiterbetreiben.

Ich war – ich darf die Geschichte vielleicht kurz erzählen – vor wenigen Wochen bei der Eröffnung eines neuen Tafelhauses in Wien. Wenn man sieht, welche Mengen an Le­bensmitteln dort durchgehen, verteilt werden, dann wird klar, dass das ein großartiger Beitrag der Tafeln dazu ist, dass Lebensmittel nicht im Müll landen, sondern wirklich die Menschen erreichen, die sie brauchen, es zeigt aber auch den Irrsinn auf, den wir derzeit betreiben. Deswegen ist es einfach so wichtig, dass wir dieses Thema engagiert ange­hen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Das dritte Thema, das Frau Rössler aufgeworfen hat, ist die Plastikflut. Österreich ist leider nicht nur ein Land der Berge, sondern auch ein Land der Plastikmüllberge. Wir produzieren in Österreich derzeit 900 000 Tonnen Plastikmüll pro Jahr. Jeder von uns, jede von uns kennt das: Wenn man am Wochenende spazieren geht – so wie ich vor zwei Wochen in der Steiermark –, dauert es keine 5 Minuten, keine 10 Minuten und man findet Müll in der Natur. Das ist ein Problem, das wir in ganz Österreich haben, das ist ein Problem, das bis zu den höchsten Berggipfeln reicht. Der Alpenverein organisiert Flurreinigungsaktionen in unseren Bergen, das heißt, es gibt da wirklich ein manifestes Problem. Ich glaube, vielen von uns blutet das Herz, wenn wir sehen, wie Müll in der Natur landet, und ich glaube, vielen Menschen in Österreich blutet das Herz, wenn wir unsere schöne Natur – und ich denke, das ist etwas, worauf wir in Österreich wirklich stolz sein können – derartig vermüllen.

Wir haben als Bundesregierung mit dem Beitritt zum EU-Plastikpakt jetzt einen ersten Schritt gemacht. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt. Das ist ein Pakt, in dem sich europäische Länder, gemeinsam mit der Industrie, gemeinsam mit der Wirtschaft, mit der Zivilgesellschaft dazu verpflichten, des Problems Plastikmüll Herr zu werden – mit konkreten Zielen, mit ambitionierten Zielen zur Vermeidung von Plastikmüll. Das ist ein wichtiger Schritt, ich denke aber, wir sollten auch bereit sein, die nächsten Schritte zu gehen. Aus diesem Grund habe ich den Dreipunkteplan gegen die Plastikflut vorgeschla­gen und ich bin davon überzeugt, dass man mit diesen drei Maßnahmen, die wir vor­schlagen – Mehrwegquoten, Pfandsystem und eine Herstellerabgabe –, im Kampf ge­gen den Plastikmüll, im Kampf gegen den Müll in der Natur wirklich etwas bewegen kann.

Vielleicht noch ganz kurz zu den Inhalten – Mehrwegquote im Einzelhandel: Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist, mich hat es sehr gefreut, als die Mehrwegmilchflasche wieder aufgetaucht ist. Das ist etwas ganz Einfaches. Für diejenigen, die es wollen, soll es Wahlfreiheit geben. Das können wir erreichen, indem wir das, was wir in Österreich schon einmal gut gekonnt haben – wir hatten nämlich einen sehr hohen Mehrweganteil ‑, auch wieder fördern, wenn wir den Mehrweganteil mit Mehrwegquoten, wie wir sie im Regierungsprogramm vorgesehen haben, unterstützen.

Genau dazu möchte ich auch wieder zurückkommen. Das hat in den Neunzigerjahren gut funktioniert, viele von uns wissen das, beim Bier funktioniert es auch sehr gut. Das heißt, das schaffen wir auch in der Breite des Getränkesortiments, um damit den Kundin­nen und Kunden Wahlfreiheit zu ermöglichen. Jede Mehrwegflasche ersetzt eine Ein­wegflasche und jede Mehrwegflasche führt dazu, dass wir weniger Müll in der Natur ha­ben, und das ist das Ziel. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Wir haben natürlich auch Getränkeverpackungen, die nur einmal verwendet werden können. Dazu gibt es auf EU-Ebene zur getrennten Sammlung strenge Ziele, die wir erreichen müssen. Meine Vorgängerin Eli Köstinger hat deshalb ja eine Studie dazu in Auftrag gegeben, wie wir diese Ziele erreichen können. Zur Zielerreichung lautet da der Vorschlag, ein Pfand auf Einwegflaschen, ein Pfand auf Einwegverpackungen einzufüh­ren. Wie Sie wissen, arbeiten wir im Ministerium derzeit gemeinsam mit allen Stakehol­dern – den Abfüllern, der Wirtschaft, also allen, die in dieser Kette dabei sind – an dem System, wie das für Österreich ausschauen könnte. Auch heute, gerade jetzt, findet im Ministerium wieder ein Arbeitskreis statt. Ich bin zuversichtlich, dass wir Ende des Jahres über ein konkretes Modell und ein Ergebnis berichten können, denn auch das wird dazu beitragen, vor allem das Problem Littering – unvorsichtiges Wegwerfen von Verpackun­gen in der Natur – in den Griff zu bekommen. Das ist ja das Kernanliegen und das Kern­ziel, das uns, glaube ich, alle eint.

Der dritte Punkt – eine Herstellerabgabe auf Plastikverpackungen – ist neu. Sie wissen, die EU-Plastiksteuer steht uns ins Haus. Ich glaube, wir müssen uns wirklich zweimal überlegen, wie sich die Steuerungswirkung dieser Plastikabgabe in Österreich bestmög­lich umsetzen lässt, sodass es mehr recycelfähige Materialien gibt, dass es besser recycelbare Verpackungen gibt, und dass – das ist der Sinn und Zweck der Plastikabga­be – weniger Plastikmüll produziert wird. Deswegen streben wir ein Modell nach dem Verursacherprinzip an: in Zukunft eine Abgabe einzuheben, damit wir diejenigen, die besser recycelbares und mehr recycliertes Material einsetzen und damit auch einen gro­ßen Beitrag zur Reduzierung der Plastikflut leisten, auch belohnen.

Das sind drei simple Punkte zu einem großen Problem, einem vielfältigen Problem – dem großen Thema Abfallvermeidung, das viele verschiedene Aspekte hat. Ich freue mich auf die weitere Debatte – in der ganzen Breite, die dieses Thema verdient, und ich glaube, auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft.

Das ist es, was uns einen muss: Auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft in Österreich können wir nicht nur einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sondern auch einen großen Beitrag dazu, dass unser Österreich ein Stück gerechter wird. Ich glaube, das ist ein schönes Ziel, an dem man sieht, wie Ökologie mit ganz vielen anderen Themen zu­sammenhängt. – In diesem Sinn ein herzliches Danke! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Drobits und Herr.)

9.31

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmucken­schlager. Ich darf darauf hinweisen, dass die Redezeit nun 5 Minuten beträgt. – Bitte.