12.24

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehschirmen! So ein Budget kann etwas Charmantes, ja etwas Erhellendes und auch Reinigendes haben, denn es zeigt klar, was Sache ist. Die Fassade wird weggewaschen, es erfolgt mehr oder minder eine Demaskierung, denn wir sehen klar, was hinter diesen vielen Ankündigungen, Pressekonferenzen, Versprechen der Regie­rungsmitglieder steht.

Nun: Was steht dahinter? Was ist der wahre Kern?

Wir begrüßen zwei Maßnahmen, ich möchte mit dem Positiven beginnen. Es sind in diesem Budget 235 Millionen Euro eingestellt, die endlich Tablets und Laptops in die Schulen unserer Kinder bringen. Das ist schon einmal etwas Positives (Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP) – nach drei Jahren Realitätsverweigerung des Bildungsministers zum Thema Digitalisierung. (Abg. Kirchbaumer: Nein, nein, nein! ...!)

Der Haken daran allerdings ist folgender: Das ist eine einmalige Investition in die Aus­stattung mit Computer, und nach Ihren eigenen Ausführungen im Budgetbericht landen die Computer nur in der fünften und sechsten Schulstufe. Da muss ich Sie fragen: Was ist denn mit den anderen Kindern? Was ist vor allem auch mit jenen Kindern, die dann das Jahr darauf in die fünfte Schulstufe kommen? Kriegen die keinen Computer? Was ist dann? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Was ist mit WLAN-Ausbau, was ist mit Wartungs- und Servicearbeiten? Sollen das die Lehrer machen? Das kann ja wohl nicht wahr sein! Was ist mit Lernprogrammen, Lernapps, Game-based Learning? Was ist mit Weiterbildungsmöglichkeiten für die Pädagoginnen und Pädagogen? Davon ist schon nicht mehr viel die Rede, davon ist auch nichts mehr im Budget zu finden.

Die zweite positive Geschichte ist das Miniminiminibudget zum Thema Chancenindex, nämlich für das 100-Schulen-Projekt. Allerdings handelt es sich auch da um eine einmalig eingestellte Budgetmaßnahme, in den Folgejahren ist schon wieder nichts mehr davon zu sehen. Das wird das Problem wirklich nicht lösen.

Wo sind die Herausforderungen in unseren Schulen zu suchen? – Die Ergebnisse der OECD-Studie Bildung in Zahlen zeigen einmal mehr, dass Bildungsvererbung in Österreich leider sehr großgeschrieben wird, und durch Corona wurde diese Bildungs­vererbung massiv verstärkt.

Wir sehen allein aus den IHS-Studien zum Lockdown, dass mindestens 140 000 Kinder von der Schule nicht oder nur unzulänglich erreicht werden konnten. 140 000 Kinder haben keine Endgeräte, keinen Computer und konnten nicht lernen.

76 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer sorgen sich über die schwachen Kompetenzen, um das Kompetenzniveau der benachteiligten Schülerinnen und Schüler.

Und noch eine Studie: Die Pisa-Auswertung zur Bildungspolitik hat jüngst gezeigt, dass 66 Prozent der Schulen einen Mangel, einen wirklich hohen Mangel an Unterstützungs­personal haben – 66 Prozent! Und drei von zehn Kindern, liebe Kolleginnen und Kolle­gen, haben zu wenig Lernmaterial und haben zu wenig Schulbücher – und das in Öster­reich! Das sollte uns zu denken geben und das sollte uns vor allem handeln lassen.

Jetzt weiß ich, dass Bildungsminister Faßmann gerne Studienergebnisse und wissen­schaftliche Erkenntnisse zur Seite schiebt. Ich versuche es beim Budget anders, ich stelle Ihr eigenes Regierungsprogramm den Zahlen, die im Budget zu finden sind, ge­genüber:

Mittel für Integration im Bildungsbereich und Unterstützungspersonal abseits der 15 Mil­lionen Euro: nichts ist zu finden. Ich erinnere an die 80 Millionen Euro, die 2017 noch drinnen waren. Die Stärkung der Elementarbildung, die den Grünen so wichtig ist: Keine Mittel sind im Budget zu finden. Die bessere Deutschförderung: keine Mittel; die Stär­kung der dualen Ausbildung: keine Mittel; lebenslanges Lernen, Erwachsenenbildung: kein Mehr an Mitteln. – Das ist einfach unzureichend, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Budget ändert an den strukturellen Problemen, die wir im Bildungsbereich haben und die durch Corona verstärkt wurden, echt nichts. Melisa Erkurt schreibt das sehr treffend: Bildung wird in Österreich vererbt, und: Bildung muss man sich als Familie leisten können. – Die Familie muss es sich leisten können, die Kinder zu Hause zu unterstützen oder ihnen Nachhilfe zu zahlen, die Eltern müssen es sich leisten können, mehr Lernmaterialien zu kaufen, die Eltern müssen es sich leisten können, die Nach­mittagsbetreuung ihrer Kinder zu organisieren und zu bezahlen.

Die Kinder sind davon abhängig, wie gut sie von zu Hause unterstützt werden. Und genau das ist der zentrale Denkfehler: Wir müssen wegkommen von einer Hausübungs­halbtagsschule hin zu einer pädagogisch exzellent geführten ganztägigen Schule, die allen Kindern hilft, egal, wer ihre Eltern sind, egal, woher sie kommen, welchen Namen sie tragen und ob sie dafür zahlen müssen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Das Budget soll allen Kindern die gleiche Chance geben, das ist meine Forderung, und diese sehe ich in keiner Weise darin abgebildet. Das Budget ist schlicht zukunfts­vergessen.

Als Forschungssprecherin noch ein Wort zum Wissenschafts- und Forschungsbudget: Dieses stimmt mich in der Tat versöhnlicher, aber auch da wird die Nagelprobe noch kommen, wenn wir in den Ausschüssen im Detail diskutieren, denn ich sehe ein Mehr an Mitteln für Universitäten und Fachhochschulen, ja, und eine gewisse Summe für die Forschungsfinanzierung und das Forschungsfinanzierungsgesetz, aber ich sehe nichts – das ist im Budget nicht dargestellt – für den Österreich-Fonds, ich sehe nichts für die Nationalstiftung. Und wenn ich jetzt davon ausgehe, dass das nicht dotiert wird, dann sind wir ganz schnell wieder bei einer Absenkung des Forschungsbudgets. Wir haben im Ausschuss also viel zu tun und viel zu diskutieren. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

12.30

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte.