15.32

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich ganz zu Beginn gleich einmal dafür bedanken, dass so viele UnterstützerInnen dieses Volksbegehren unterzeichnet und damit ganz intensiv auf die Problematik der Atomindustrie hingewiesen haben.

Wir haben heute schon gehört, 1957 wurden mehrere Verträge abgeschlossen, unter anderem Euratom. Die vier Hauptziele von Euratom waren: die Verbreitung technischer Informationen, die Festlegung einheitlicher Sicherheitsstandards, die Unterstützung der Forschung und die Verhinderung der Zuführung von zivilen Nuklearmaterialien zu ande­ren, insbesondere militärischen Zwecken.

17 Jahre nach Vertragsunterzeichnung bin ich auf die Welt gekommen, man könnte sa­gen, der Vertrag war gerade in der Pubertät – verändert hat er sich in der Zeit überhaupt nicht. 1977 gab es vor den Toren Wiens, in Bohunice, einen Ines-4-Störfall, bei dem der Reaktor, der Block A1 komplett zerstört wurde, dieser wurde aber fast gar nicht wahrge­nommen. Gestern vor 20 Jahren haben im Waldviertel und im Mühlviertel die Grenzblo­ckaden gegen die Inbetriebnahme von Temelín gerade geendet. Danach gab es Ver­handlungen, das Melker Protokoll, und dabei mussten wir feststellen, dass es 43 Jahre nach Vertragsgründung noch immer keine einheitlichen Sicherheitsstandards in Europa gegeben hat.

Heuer ist der Vertrag 63 Jahre alt – und im Wesentlichen noch immer unverändert. Ich denke, es ist eigentlich Zeit, dass dieser Vertrag in Pension geschickt wird; mit 63 Jah­ren, glaube ich, ist er dafür reif. Nach über sechs Jahrzehnten Euratom sind zwei der vier Hauptziele nämlich gar nicht erreicht worden: Wir haben weder einheitliche, ge­schweige denn höchste Sicherheitsstandards, und wir sind auch meilenweit davon entfernt, dass radioaktives Material dem militärischen Zweck vorenthalten worden ist. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass ein Großteil der Reaktoren noch immer fi­nanziert und gebaut wird, um genau diesen militärischen Interessen nachzukommen.

Darüber hinaus stellen diese Atomanlagen auch im Hinblick auf Terrorismus eine große Bedrohung dar. Es ist spielend leicht, so eine Atomanlage zu einer Dirty Bomb zu ver­wandeln, und genau dem sollten wir einen Riegel vorschieben.

Geforscht wurde in erster Linie im Bereich der Reaktoren, Milliarden wurden dafür ver­wendet, Tonnen von Atommüll produziert. Wo Euratom besonders versagt hat, war bei der Atommülllagerung, da ist nämlich nichts weitergegangen, wir haben bis jetzt noch keine Atommüllendlager.

Ich gebe aber zu, es gibt auch positive Seiten: Euratom finanziert zum Beispiel auch den Rückbau der Atomanlagen in Bulgarien, in Litauen, in der Slowakei, zahlt beim Cher­nobyl Shelter Fund mit, mit dem die sichere Ummantelung der Reaktorruine finanziert wird. Diese Maßnahmen sind grundsätzlich und auch für die Zukunft ganz wichtig.

Im Juni gab es eine radioaktive Wolke, die über Europa drübergestrichen ist. Das hat mir gezeigt, dass die Atomaufsicht noch nicht so ganz funktioniert, denn obwohl wir wissen, dass diese radioaktive Wolke eine künstliche Quelle hat, hat die IAEO bis heute nicht beantworten wollen oder können, woher diese radioaktive Wolke gekommen ist. Das zeigt mir, dass die Atomaufsicht noch nicht ganz so funktioniert, wie sie eigentlich funk­tionieren sollte. Wir brauchen völlige Transparenz, um uns über die Bedrohungen auch klarzuwerden. Es ist daher dringend notwendig, dass dieser Vertrag überarbeitet wird und wir aus diesem atomaren Irrweg rauskommen.

Es ist schon angeschnitten worden: Die Atomindustrie ist nicht CO2-neutral. Im Gegen­teil: Sie produziert wesentlich mehr CO2 als erneuerbare Energien. Aus diesem Grund brauchen wir einen neuen Vertrag, der sichere Atommüllendlager und Sicherheit für Europa schafft – aber sicher brauchen wir keine neuen Reaktoren. Ich bitte alle, mitzu­helfen, dass wir in Europa viel Unterstützung finden, damit wir das angehen können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.36

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte.