10.11

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen! (Ruf bei der FPÖ: Jetzt geht es bestimmt um die Entwaffnung der Polizei!) Wir sind wie Millionen anderer Menschen in Europa und auf der ganzen Welt erschüttert, entsetzt und tief betroffen über das, was sich Montagnacht im Herzen unse­rer Republik, im Herzen Wiens ereignet hat.

Vier Menschen wurden brutal ermordet, kaltblütig erschossen. Ein Terrorist hat ihnen das Leben geraubt, sie aus ihrer Lebensgeschichte gerissen. Viele weitere Menschen wurden verletzt, manche von ihnen schweben noch in Lebensgefahr. Ihnen, ihren Angehörigen, ihren Freundinnen und Freunden gilt unser Mitgefühl.

Auch ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal bei den Einsatzkräften bedanken, denen es gelungen ist, innerhalb von 9 Minuten nach dem Notruf den Täter zu er­schießen, und damit dafür gesorgt haben, dass nicht noch mehr Menschen ihr Leben verlieren, auch bei den Rettungskräften, die die Menschen in Sicherheit und in die Krankenhäuser gebracht haben. Ich möchte aber auch ganz besonders jenen Menschen danken, die in dieser schrecklichen Nacht zusammengehalten haben, die andere gerettet haben, ihnen Zuflucht geboten haben, auch ein Bett für die Nacht, weil man den 1. Bezirk nicht verlassen konnte. Viele haben Zivilcourage gezeigt, ohne Rücksicht auf das eigene Leben, insbesondere auch jene drei jungen Männer, die den ange­schos­senen Polizisten gerettet haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Österreich ist ein sehr sicheres Land, Wien eine der sichersten Millionenstädte der Welt, und wir sind bis Montag vom islamistischen Terror, der in den letzten Jahren viele europäische Städte heimgesucht hat, verschont geblieben. Auch wir haben aber ein Problem mit jungen Männern, die sich radikalisieren, die indoktriniert werden und sich einer mörderischen, freiheitsverachtenden Ideologie anschließen. (Abg. Martin Graf: ... gehört gegendert, bitte!)

Die Gründe für die Radikalisierung sind vielfältig, und ebenso vielfältig muss unsere Antwort darauf sein. Es ist die Aufgabe unserer demokratischen Institutionen, uns vor dieser Radikalisierung zu schützen, und es ist die Aufgabe der gesamten Zivilge­sell­schaft, ihr entschieden entgegenzutreten. Das beginnt in den Bildungseinrichtungen, in den Schulen und geht bis zur Justiz und den Sicherheitsbehörden.

Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob dieses Attentat hätte verhindert werden können. (Abg. Wurm: Doch! Wissen wir mittlerweile! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir wissen noch viel zu wenig über die Hintergründe und Abläufe, darüber, wie es dazu kommen konnte, dass ein bereits verurteilter Islamist nach seiner Entlassung nicht oder nicht ausreichend vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, dass sein Versuch, in der Slowakei Munition zu kaufen, ohne Folgen blieb, und wie es dazu kommen konnte, dass er Waffen und Munition besorgen konnte und nicht gestoppt wurde.

All das muss schonungslos aufgeklärt werden. Der Innenminister hat bereits ehrlich ein­gestanden, dass bei der zuständigen Behörde, dem Verfassungsschutz im Innenminis­terium, offenbar ein gravierender Fehler unterlaufen ist.

Er und die Justizministerin werden daher eine unabhängige Untersuchungskommission einsetzen, die alle Details zu diesem schrecklichen Fall durchleuchten wird, und wir werden uns selbstverständlich auch der Frage widmen müssen, ob unsere Systeme gut genug aufgestellt sind, um Radikalisierung zu bekämpfen und Gewalt zu verhindern, selbstverständlich auf Basis der demokratischen Grundrechte. Das betrifft vor allem die Neuaufstellung des BVT inklusive einer entsprechenden parlamentarischen Kontrolle. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Hass und Terror sind der Versuch, zu spalten, der Versuch, den Zusammenhalt und den Frieden zu zerstören. Terror ist ein Angriff auf unser friedliches Zusammenleben, auf unsere Vielfalt, auf die Toleranz und den Respekt, auf das Prinzip der Gleichheit aller Menschen, ein Angriff auf die Freiheit und die demokratischen Werte, die so hart erkämpft wurden.

Es ist dem Attentäter nicht gelungen, dieses Ziel zu erreichen. Unsere Gesellschaft zeigt sich gestärkt und geeint in der Verurteilung und Ablehnung dieser abscheulichen Tat. Die Stadt Wien verweigert dem Täter die Nennung des Namens und damit, dass er berühmt wird. Er wird nur mit einem Schimpfwort beschrieben, das ich jetzt nicht wieder­holen möchte, das aber unsere ganze Verachtung für seine Handlungen zum Ausdruck bringt.

So schwer und dunkel die letzten Tage waren, so tröstlich und ermutigend ist es, dass der Zusammenhalt so viel stärker ist als der Hass, über alle Gruppen hinweg, egal, ob jung oder alt, egal, ob hier in Österreich oder woanders geboren, egal, welcher Religion.

Unser Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat gesagt: „Es lebe die Freiheit! Es lebe unsere Republik Österreich! Es lebe unser gemeinsames, friedliches Europa!“ – Dem möchte ich mich anschließen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

10.16

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte.