11.04

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Bürgerinnen und Bürger! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Es wurde jetzt schon von allen gesagt, wie schrecklich dieser Vorfall war, auch von unserer Seite ergeht der Dank natürlich an sämtliche Einsatzkräfte. Schauen wir uns aber an, was tatsächlich passiert ist, Herr Innenminister Nehammer!

Es ist zu einem Attentat gekommen, dem schwersten Attentat seit 1985 – das möchte ich hier einmal in aller Deutlichkeit sagen. Der Unterschied zu damals ist allerdings: Dieses Attentat hätte verhindert werden können, und es hätte verhindert werden müs­sen, meine Damen und Herren.

Sie aber sind hergegangen und haben jetzt über 72 Stunden – bis gestern jedenfalls, auch heute haben Sie es wieder gesagt – permanent die ÖsterreicherInnen, aber auch uns als Abgeordnete belogen. Sie haben sich hingestellt und haben großartig erklärt: Dieser Mann hat arglistig getäuscht. – Das haben Sie gestern auch in Ihrer Presse­konferenz gemacht.

Herr Minister, Sie wissen, dass das nicht richtig ist! Dieser Mann hat überhaupt nieman­den arglistig getäuscht! Es war allen bekannt, dass er eben nicht deradikalisiert ist. Das haben auch die Verantwortlichen beim Verein Derad gesagt. Er war es eben nicht, er hat niemanden arglistig getäuscht. Der Einzige, der das versucht hat und immer noch versucht, sind Sie, Herr Bundesminister, und der Herr Bundeskanzler. Sie versuchen, die Bürger in diesem Land arglistig zu täuschen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie versuchen nämlich, die Schuld abzuschieben, und ich habe dem Herrn Bundes­kanzler heute genau zugehört, als er gesagt: Ja, er ist ja auch zu früh aus der Haft entlassen worden. – Zunächst einmal wurde er auf Basis bestehender Gesetze bedingt aus der Haft entlassen. Man kann jetzt darüber diskutieren, ob diese Gesetze richtig oder falsch sind, Tatsache ist: Es ist alles auf Basis des Gesetzes geschehen. Im Übrigen war Frau Zadić damals noch gar nicht die amtierende Justizministerin – auch das sollten Sie sich einmal merken, Herr Minister, wenn Sie die Verantwortlichkeit weiterschieben wollen.

Was haben Sie dann gestern weiter gemacht? – Als Sie gemerkt haben, dass das nicht ganz so gut funktioniert, und als dann die Medien auf einmal mit den Unterlagen aus der Slowakei gekommen sind und die Slowaken gesagt haben, sie haben unmittelbar nach diesem Kaufversuch, nach diesem gescheiterten Versuch, Munition zu kaufen, die österreichischen Behörden informiert, haben Sie versucht, die Schuld einem Innen­minister, der vor Ihnen im Amt war, zuzuschieben, auf eine ganz verabscheu­ungs­würdige Art. Das, was Sie da gemacht haben, war letztklassig, Herr Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ.)

Was ist passiert? – Was wir wissen, ist: Am 21. Juli war dieser gescheiterte Kaufversuch in der Slowakei. Die slowakischen Behörden haben das auch auf Facebook, für alle Österreicherinnen nachzulesen, klargestellt: Sie haben unmittelbar danach die öster­reichi­schen Behörden informiert; und am 10. September haben die slowakischen Behörden dann die Identität erfahren, die Identität des vermeintlichen Käufers und auch die der Halterin des Autos. Es ist also nicht so, dass gar nichts passiert ist, Herr Minister Nehammer. Es wurde mit allen kommuniziert, außer mit der Justiz. Mit der Justiz wurde nicht kommuniziert! Diese haben Sie in der Mordnacht davon in Kenntnis gesetzt. Da stellt sich mir einmal die Frage: Wozu noch? Nachdem der Täter tot war, haben Sie die Justiz darüber informiert.

Herr Minister, welches Spiel spielen Sie denn da? – Sie sollten nicht versuchen, die Verantwortung woanders zu finden. Die politische Verantwortung werden Sie dann finden, wenn Sie in den Spiegel schauen. Dort finden Sie den politisch Verantwortlichen, Herr Minister! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie flüchten vor Ihrer Verantwortung. Das tun Sie gerne. Das machen Sie sehr gerne, und das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, warum Sie versuchen, alles zu vernebeln. Es war schon auch sehr bemerkenswert, dass Sie sich heute ja nicht einmal mehr getraut haben, all diese Vorwürfe zu wiederholen. Herr Minister, ich habe aber auch der Justizministerin genau zugehört. Sie hat jetzt, vor wenigen Minuten, hier im Haus gesagt: Bei seiner vorzeitigen Entlassung wurde die Überwachung durch die Sicherheitsbehörden angeordnet, um ihn zu beobachten. – Damit ist klar: Dieser Atten­täter stand unter Beobachtung beziehungsweise hätte unter Beobachtung stehen sollen.

So, und wo ist jetzt da der Fehler passiert? – Das ist kein Kommunikationsfehler, Herr Minister! Wenn er nämlich unter Beobachtung gestanden ist, ist er unter Beobachtung des BVT zum Terroristen geworden, ist er unter Beobachtung des BVT zum Mörder von vier unschuldigen Menschen geworden. Das hat nichts mit einem Kommunikationsfehler zu tun, das ist ein Systemfehler, Herr Minister (Beifall bei der FPÖ), und für diesen Sys­temfehler tragen Sie die Verantwortung, und nur Sie, Herr Bundesminister Nehammer.

Können Sie tatsächlich den Angehörigen der Opfer in die Augen schauen? Können Sie sich tatsächlich selbst noch im Spiegel betrachten? Können Sie es tatsächlich verant­worten, zu sagen: Bei all dem, was da passiert ist, bei all dem, wofür ich die politische Verantwortung trage, mache ich weiter wie bisher, versuche ich das auszusitzen!? – Herr Minister, das geht sich nicht aus. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Sinne, Herr Bundesminister, glaube ich, wäre es der ehrlichste Weg gewesen, wenn Sie sich hingestellt und Ihren Rücktritt erklärt hätten. Das wäre sauber gewesen, denn Sie alleine tragen dafür die Verantwortung.

Weil es jetzt hier in den Reihen der ÖVP Kopfschütteln gab und weil Kollege Leichtfried vor mir gesagt hat, dass im Bereich des Verfassungsschutzes einiges im Argen liegt: Ja, das stimmt, es liegt viel im Argen und das liegt schon sehr lange im Argen, wahr­scheinlich schon seit der Gründung, weil gleich einmal der erste Direktor durch eine Intrige entfernt wurde.

Es liegt dort sehr viel im Argen: 2016 gab es dort bereits die erste Hausdurchsuchung, 2017 gab es wieder eine Hausdurchsuchung und 2018 wieder. Weil es dort Missstände gibt, genau deshalb gab es diese vielen Hausdurchsuchungen – was davor stattgefun­den hat, wissen wir eigentlich alles gar nicht.

Herr Innenminister Nehammer, diese Verantwortung gehört Ihnen und Ihrer Partei. Sie haben es nicht geschafft, seit Sie dieses Amt angetreten haben, die Neuaufstellung zu formieren, und Sie haben es nicht geschafft, einen Attentäter, einen Terroristen, der schon zum IS nach Syrien ausreisen wollte, so weit zu kontrollieren, dass so ein Terrorakt unter den Augen des Verfassungsschutzes nicht begangen wird. Das ist Ihre politische Verantwortung, Herr Bundesminister Nehammer, und deshalb stelle ich fol­gend­en Antrag:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Inneres wird gemäß Art. 74 Abs 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister, ich glaube, es wäre für Sie – und im Sinne der Republik, auch im Sinne der Opfer und ihrer Angehörigen – sauberer gewesen, wenn Sie diesen Schritt in dem Moment gesetzt hätten, als Sie erkannt haben, da sind Versäumnisse geschehen, für die Sie wirklich ganz alleine die Verantwortung zu tragen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

11.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten KO Kickl, Dr. Belakowitsch, Mag. Amesbauer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 1 „Erklärung des Bundes­kanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Terroranschlag in Wien“ in der 60. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 5. November 2020

Am 2. November 2020 fand in Wien ein Terroranschlag statt, der zu vier Todesopfern und zahlreichen Verletzten geführt hat. Diese verabscheuungswürdige Tat wurde von einem bereits einmal verurteilten und amtsbekannten Sympathisanten und Anhänger des Islamischen Staates geplant und durchgeführt.

Der Täter wurde im April 2019 wegen Mitgliedschaft beim "Islamischen Staat" gemäß § 278b Strafgesetzbuch zu 22 Monaten Haft verurteilt, aber im Dezember 2019 bedingt entlassen. Gemäß Aussagen seines Rechtsanwaltes sei er 2016 in einer Moschee radi­ka­lisiert worden. Im September 2018 wollte er nach Syrien reisen, um für den IS zu kämpfen, wurde aber in der Türkei verhaftet.

Der Täter des Terroranschlages fuhr laut Medienberichten im Juli 2020 in die Slowakei, um sich Munition für jenes Kalaschnikow-Sturmgewehr zu beschaffen, mit dem er am 2. November mordete. Dies wurde von den slowakischen Behörden sofort nach Österreich gemeldet, ohne dass dies jedoch offenbar bei den zuständigen Behörden für großes Interesse gesorgt hätte. Es ist unbegreiflich, warum angesichts dieser Informationen nicht sofort gegen den bereits einmal wegen Terrorismus verurteilten Mann vorge­gangen und damit der Terrorangriff im Vorfeld vereitelt wurde.

Das Versagen der Ressortführung hat in diesem Fall Menschenleben gekostet.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Inneres wird gemäß Art. 74 Abs 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Misstrauensantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr. – Bitte, Herr Abgeordneter.