11.53

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Die schreckliche Tat vor drei Tagen hat bei uns allen echte und ehrliche Betrof­fenheit ausgelöst – Betroffenheit, aber teilweise auch Zorn einem jungen Täter gegen­über, der wahllos auf Menschen geschossen hat, sie hingerichtet oder verletzt hat, um seiner Abneigung gegen unsere Werte und gegen unser Lebensmodell freien Lauf zu lassen.

Es war zweifelsohne ein Anschlag aus Hass auf unsere Demokratie, ein Anschlag, der uns allen gegolten hat, der darauf abzielt, uns als Gesellschaft zu spalten, aber dieser Anschlag hat gezeigt, dass wir eine starke Gesellschaft sind – mit starken Einsatzorgani­sationen, denen nicht genug gedankt werden kann. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Dieser Anschlag hat auch gezeigt, dass unser Land auf einem guten Fundament steht und dass auch unsere Politik auf einem guten Fundament steht. Ich möchte es be­sonders betonen: Vom Bundespräsidenten beginnend bis zu fast allen Vertretern der politischen Parteien sind die richtigen, mahnenden Worte in dieser so schlimmen Situation für unser Land gefunden worden. Ich danke ganz besonders unserem Herrn Bundeskanzler, der klar formuliert hat, dass unser gemeinsamer Feind der islamistische Extremismus ist (Abg. Kickl: Ah echt?!) und dass es keine Auseinandersetzung von Christen und Muslimen ist und keine Auseinandersetzung zwischen Österreichern und Migranten ist. Nein, es ist eine Auseinandersetzung zwischen den weit über 99 Prozent jener Menschen, die hier miteinander in Frieden und größtmöglicher Sicherheit leben wollen, und jenen wenigen, aber sehr gefährlichen Personen, die sich dezidiert gegen unsere Gesellschaft und deren Errungenschaften richten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Natürlich war und ist unsere Welt immer Veränderungen und Umwälzungen ausgesetzt, erst recht, wenn heute alle unsere Lebensbereiche in eine globale Vernetzung einge­bunden sind. Migration übrigens prägt seit mehreren Jahrzehnten zunehmend die Länder Westeuropas. In jedem Land Westeuropas stellen Migranten mindestens ein Fünftel der Bevölkerung, also 20 Prozent, oder mehr, und das gilt auch für Österreich. Damit ist man schnell bei der Frage: Wie sieht es mit der Integration derer, die zu uns zuwandern oder die in zweiter Generation bei uns geboren wurden, aus?

Jeder von uns – jeder von uns! – kennt viele Beispiele gelungener Integration. „Der Maß­stab ist nicht die Herkunft, sondern die Haltung“, so hat es vor wenigen Tagen der oberösterreichische Landeshauptmann Stelzer treffend formuliert. Man darf aber auch die Augen nicht davor verschließen, dass ein gewisser Anteil der Zugewanderten Teil von Parallelgesellschaften geworden ist. Erst im Juli dieses Jahres hat der Österreichi­sche Integrationsfonds dazu einen entsprechenden Forschungsbericht vorgelegt, der die Herausforderungen im Umgang mit den Parallelgesellschaften aufzeigt. Diese Parallel­gesellschaften sind oft Biotop für antidemokratische, antisemitische, homophobe oder totalitäre Weltanschauungen, und damit sind wir beim politischen Islam. Die Aus­schreitungen im Juni dieses Jahres in Favoriten oder auch die kürzlich stattgefundene Attacke von rund 15 Jugendlichen auf eine Kirche, ebenfalls in Favoriten, zeigen auf, dass wir den Kampf gegen den politischen Islam mit aller Deutlichkeit führen müssen und dass allen Intoleranten nicht ein Funke Toleranz eingeräumt werden darf. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die jüngsten Anschläge von Frankreich bis Wien zeigen jedoch, dass sich der politische Islam in Europa mehr und mehr ausweitet. Deshalb war es absolut richtig und wichtig, dass unsere Integrationsministerin Susanne Raab, wie im Regierungsprogramm vorge­sehen, heuer im Sommer eine unabhängige Dokumentationsstelle für den politischen Islam eingerichtet hat. Es ist dies eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen eine sehr gefährliche Ideologie. Und damit das auch klargestellt ist: Der Kampf gegen den politischen Islam ist kein Kampf gegen eine Religionsgemeinschaft, ist kein Kampf gegen Muslime, sondern ist ein Kampf gegen Islamisten. Er ist ein Kampf gegen eine Ideologie, die sich gezielt gegen unsere mit allgemeinen Freiheitsrechten ausgestattete demokra­tische Grundordnung richtet, wie der Anschlag in Wien uns so deutlich vor Augen geführt hat.

Diese Regierung und unser Innenminister – obwohl noch nicht so lange im Amt, seit Beginn dieses Jahres, und auch mit einer weltweiten Pandemie konfrontiert – haben bereits in den ersten Monaten längst Schritte zur Bekämpfung des politischen Islam gesetzt; wie gesagt mit der Dokumentationsstelle oder auch mit der erst vor einer Woche eingesetzten eigenen Taskforce gegen kriminelle Tschetschenen.

Wir sagen jedem Extremismus, egal ob von links oder rechts, ganz klar den Kampf an, und ich bin erstaunt und auch etwas negativ überrascht, mit welchen Schuldzu­weisun­gen hier gerade auf unseren Innenminister losgegangen wird, der in diesen schweren Stunden des 2. November wirklich mustergültig aufgezeigt hat, wie koordiniert die Einsatzkräfte vorgehen, der natürlich die ganze Nacht lang im Innenministerium zugegen war und mitgeholfen hat, diesen barbarischen Akt zu beenden. Diesem Innenminister gilt es herzlich zu danken. – Herr Innenminister, danke für deinen Einsatz und für deine Standhaftigkeit! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Ich wüsste nicht, Herr Klubobmann Kickl, welche Maßnahmen Sie in Ihrer zugegebener­maßen kurzen Amtszeit im Bereich des Islamismus gesetzt haben. Sie haben sehr viel Energie dafür aufgewandt, eine – wie sich im Nachhinein herausstellte – rechtswidrig durchgeführte Hausdurchsuchung im BVT zu organisieren, und haben somit auch das BVT entscheidend geschwächt. Und es ist wiederum unser Innenminister, der jetzt versucht, es wieder aufzubauen und mit einer Reform auf einen guten Kurs zu bringen.

Meine Damen und Herren, liebe SPÖ, was mich wirklich überrascht, ist, dass Sie in dieser Stunde der Staatstrauer (Zwischenruf des Abg. Hafenecker) hierherkommen, mit dem Finger zeigend (den Zeigefinger in die Höhe haltend) Schuld verteilen (Zwischenruf des Abg. Matznetter – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) und einen Misstrauensantrag, den die FPÖ gegen den Innenminister gestellt hat, tatsächlich unterstützen wollen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Weitere, anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Das ist nicht würdig, dass Sie hier an diesem Tag, zu dieser Stunde, wo wir in Andacht an die Vorfälle zusammengekommen sind, bereits mit einem schuldhaften Fingerzeig auf unseren Innenminister und auf die Regierung losgehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Bei aller Notwendigkeit, hier in diesem Haus harte politische Debatten zu führen, Argu­mente und Gegenargumente auszutauschen (Zwischenrufe bei der SPÖ) und den demokratischen Diskurs zwischen Regierung und Opposition lebendig zu halten, kommt uns als gewählten Repräsentantinnen und Repräsentanten der gesamten Bevölkerung unserer Republik die spezielle Aufgabe zu, Seite an Seite miteinander und nicht gegeneinander für den Frieden in unserer Gesellschaft zu kämpfen. Meine Damen und Herren, Frieden entsteht nicht dadurch, dass die Friedlichen friedlich sind. Frieden ent­steht nur dadurch, dass die Friedlichen stärker als die Aggressiven sind, dass die Tole­ranten stärker als die Fanatiker sind und dass die Demokraten stärker als die Diktatoren und die Demagogen sind. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Meine Damen und Herren, wir sind gewählt worden, um für diesen Frieden zu arbeiten. – Tun wir das ge­meinsam! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Abg. Rauch: Ich hätte gern Obernosterer als Innenminister! Das wäre ein guter Innenminister!)

12.01

Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Andrea Kuntzl zu Wort. – Bitte.