12.12

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Regierungs­mitglieder! Als Europasprecher der Grünen möchte ich auch über eine breitere Basis des Ganzen sprechen. Ganz Europa wird Ziel von Anschlägen, die ganze Welt, wenn man es genau nimmt. Diese Anschläge sind von einer erschreckenden Häufigkeit. Ich habe als Mitglied des Europaparlaments in Brüssel den Anschlag auf den Flughafen dort erlebt, in Straßburg jenen auf den Weihnachtsmarkt, das war 2016 und 2018; 2020 jetzt in Wien.

Das hat eine Häufigkeit, die erschreckend ist, und das ist deswegen der Fall, weil die Täter eine Strategie haben und das mit Absicht machen. Der Islamische Staat hat das alles in einem Papier niedergeschrieben: wie vorzugehen ist, wie diese Anschläge zu machen sind und was damit erreicht werden soll – nämlich Angst und Schrecken zu verbreiten und die Bevölkerung zu spalten, auseinanderzutreiben und gegeneinander aufzuhetzen.

Was da passiert, ist gezielt und wird so weitergehen. Sie haben die Strategie auch geändert, weil Europa natürlich darauf reagiert. Nach jedem Anschlag passiert das, was hier passiert: Man schaut sich an, was man tun kann, und Europa reagiert. Die Ter­roristen und Terroristinnen reagieren auch, die Anschläge werden immer kleiner. So etwas wie am 11. September, dass 20 Menschen vier Flugzeuge kapern, ist Gott sei Dank fast nicht mehr durchführbar, und jetzt nehmen Einzelne ein Gewehr und schießen wahllos in die Menge, weil das genauso viel Angst und Schrecken verbreitet.

Das ist Strategie, und wenn das nicht geht, nehmen sie einen Lkw und fahren in die Menschenmasse (Ruf bei der FPÖ: Wie in Graz!) oder nehmen ein Messer und stechen einen Passanten, eine Passantin ab. Das ist in dieser Form fast nicht zu verhindern, und das ist Absicht. Diese Strategie, dieses Töten hat, wie gesagt, das Ziel, Menschen auseinanderzutreiben. Das Ziel sind nicht die Toten selbst, das Ziel ist die Gesellschaft, eine Gesellschaft, in der Frauen Rechte haben, in der Schwule, Lesben, Transgen­der­personen und so weiter respektiert werden, eine Gesellschaft, die man so auseinan­dertreiben möchte. Sie teilen die Gesellschaft in Ungläubige, in Ausländer und sonst irgendetwas, um zu spalten.

Wir haben einen Namen für diese Leute in Europa: Das sind Faschisten. Das sind Faschisten, die wir bekämpfen müssen, und sie stützen sich auch gegenseitig. Das muss man so sagen. Wir haben auch rechtsextremen Terror, der genau das Gleiche macht, der in genau dieselbe Schiene haut, der genau dasselbe erreichen möchte, nämlich dieses Aufspalten – sie sagen eben Ausländer und nicht Ungläubige dazu. Das ist derselbe Terror, den wir zu bekämpfen haben. Wer diese Spaltung unterstützt, macht das Spiel dieser Terroristen mit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das gilt für Medien, von denen einige vor einigen Tagen schwer versagt haben und andere sehr gut funktioniert haben; das gilt für uns in der Politik, wenn wir uns darauf einlassen und dieses Spiel mitspielen; das gilt für uns, wenn wir nicht die Verfassung schützen, um den Terrorismus zu bekämpfen – es heißt nicht umsonst Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Darum muss es uns gehen: diese freie Gesellschaft, die die Verfassung gewährleistet, vor diesen faschistischen Terroristen zu beschützen, wer immer sie sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn die Terroristen eine Strategie haben, dann brauchen wir auch eine, und in der muss man weiter denken als nur: Wie kann man einen einzigen, kleinen Anschlag verhindern, wie kann man diese ganze Szene aushebeln? – Wir brauchen eine breitere, globale Strategie, wir müssen uns den Verbündeten, die diese Menschen haben, ent­gegen­stellen.

In zwei Jahren wird in Katar eine Fußball-WM stattfinden, und hoffentlich wird Österreich dort qualifiziert sein und spielen. Wie wir aber dort mit einem Regime, das diese Leute finanziert, das die Scharia als Grundlage seiner Regierung nimmt, als Grundlage seiner Gesetze nimmt, als Grundlage seiner Diskriminierung nimmt, umgehen, schauen wir uns dann an. Wir können uns dann nicht dort hinstellen und sagen, ja, wir loben das alles, mögen die ganzen Öldiktaturen unterstützen, aber da kritisieren wir! – Nein, nein, wir brauchen als Europa eine große und breite Strategie gegen diese Leute.

Wir demonstrieren in Wien jede Woche für die Freilassung von Raif Badawi, einem saudi-arabischen Aktivisten, der nichts anderes gemacht hat, als Demokratie in Saudi-Arabien zu fordern. Er sitzt lebenslang im Gefängnis und wird ausgepeitscht, aus­gepeitscht von einem Regime, das von europäischen Regierungen hofiert wird, die dann sagen, sie wollen den Islamismus bekämpfen. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten von ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Kassegger und Stefan.) Ja, bekämpft ihn doch dort, wo er finanziert wird!

Wenn wir aktiv sein wollen, wenn wir das bekämpfen wollen, dann müssen wir Demo­kratiebewegungen unterstützen, dann müssen wir Schulen bauen, dann müssen wir Universitäten bauen, dann müssen wir die Armut bekämpfen, die Diskriminierung auch in diesen Ländern bekämpfen, auch das muss eine europäische Strategie sein.

Ich sage euch etwas: Lasst uns hinausgehen, lasst uns in die Offensive gehen, lasst uns nicht nur in der Verteidigung sein, lasst uns endlich aktive Politik in dieser Welt gegen diese Regime machen! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.17

Präsidentin Doris Bures: Mir liegt eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung vor. – Bitte, Herr Klubobmann Leichtfried.

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