12.47

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Es war nicht nur 4 Stunden vor dem Lockdown, es war auch der 2. November, an dem die katholischen Christen Allerseelen feiern. Am Allerseelentag gedenken sie der Verstorbenen und ihrer Seelen (Ruf bei der FPÖ: Ja!), aber der Allerseelentag ist auch ein Tag der Hoffnung, für Christen die Hoffnung auf Auf­erstehung.

Für mich als Politiker ist Hoffnung ein Auftrag, den ich in mehreren Punkten skizzieren möchte: erstens, ein Auftrag, alles aufzuarbeiten, was zu diesem Terroranschlag geführt hat; zweitens, ein Auftrag, Gefährdern keinen Platz in der österreichischen Gesellschaft zu geben; drittens, ein Auftrag, uns zu unseren geschichtlichen Wurzeln, zu unserem geistig-religiösen und sittlichen Erbe, wie es in der Charta der Europäischen Union festgehalten ist, zu bekennen (Zwischenruf bei der SPÖ); viertens, ein Auftrag, jeden Angriff auf unsere Werte, auf unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat abzuwehren (Abg. Hafenecker: Der Kollege Gerstl wäre ein super Bürgermeister von Wien!); fünf­tens, ein Auftrag, genau für diese Werte und für diese Demokratie zusammen­zu­stehen, und ein Auftrag, dass solche Momente, die wir auch Tage vor diesem Terror­anschlag erleben durften, erleben mussten, in einer Kirche im 10. Bezirk und auch im Stephans­dom, wo Jugendliche aus einem islamistischen Eifer heraus versucht haben, die Einrichtungen einer katholischen Kirche zu zerstören, nicht passieren dürfen.

Sechstens ist es ein Auftrag zu hinterfragen, wie es möglich sein konnte, dass jemand, der in Österreich geboren wurde (Abg. Rauch: Das sind alles Forderungen an sich selbst!), in unserem Land mit allen Bildungs- und Sozialleistungen aufgewachsen ist, so viel Hass gegen unsere Gesellschaft entwickeln konnte, dass er vier Menschen ermor­dete und 22 zum Teil schwer verletzte.

Danken möchte ich besonders den Mitgliedern der Bundesregierung (Ah-Rufe bei der SPÖ), die in dieser Nacht, in dieser Lage, gemeinsam mit allen Sicherheitskräften ein sehr beherztes und engagiertes Einschreiten gezeigt haben.

Ich möchte danken für ihren Auftrag, dass die Mitglieder der Bundesregierung alles tun mögen (Zwischenruf des Abg. Rauch), um in Zukunft solche Anschläge möglichst verhindern zu können. In dieser Nacht vom 2. auf den 3. November hat ganz Österreich gesehen, dass in dieser Krisensituation alle Sicherheitskräfte – von der Polizei über die Rettung bis zur Staatsanwaltschaft – perfekt zusammengearbeitet haben.

Meine Damen und Herren! Es ist wichtig, dass wir an diesem Tag der Trauer auch in die Zukunft blicken, und daher bringe ich zwei Entschließungsanträge ein. Der erste Ent­schließungsantrag lautet wie folgt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission“

(Abg. Belakowitsch: Die gibt es doch schon, oder nicht? – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Der Nationalrat wolle beschließen: 

„Der Nationalrat begrüßt die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungs­kommis­sion. Er ersucht die Bundesregierung und insbesondere den Bundesminister für Inneres und die Bundesministerin für Justiz die Unabhängigkeit der Kommission sicherzustellen und einen vollständigen Bericht über sämtliche Empfehlungen der Kommission um­gehend nach Fertigstellung dem Nationalrat zu übermitteln.“

*****

(Abg. Rauch: Haben Sie schon einen Namen für das ...?)

Das ist der erste Entschließungsantrag, um alle Geschehnisse vom 2. November und auch aus der Zeit davor entsprechend aufzuarbeiten. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Der zweite Entschließungsantrag, den ich einbringe, betrifft die Prävention für die Zu­kunft.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „den barbarischen Terroranschlag auf die Bundeshauptstadt Wien“

Der Nationalrat wolle beschließen: 

„Der Nationalrat verurteilt diesen schrecklichen Akt des Terrors und spricht den Sicher­heitskräften, Rettungskräften und dem medizinischen Personal seinen großen Dank aus. Er ersucht die Bundesregierung nach intensiver Evaluierung und Beurteilung der be­stehenden Rahmenbedingungen unter Einbeziehung entsprechender Expertinnen und Experten sowie auf Basis der Erhebungen der Untersuchungskommission rasch ein Maßnahmenpaket zur verstärkten Prävention und Abwehr von Terrorismus und Extre­mismus vorzulegen.“

*****

(Abg. Leichtfried: Da klatscht nicht einmal ...!)

Hohes Haus! Geben wir als Parlament ein Zeichen, dass wir in Krisensituationen zusam­menstehen. Das ist für Österreich wichtiger, als politisches Kleingeld zu schlagen. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.53

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 1 Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema "Terroranschlag in Wien"

Dank dem tapferen Einschreiten unserer Polizistinnen und Polizisten konnte eine höhere Anzahl an Todesopfern und Verletzten bei den feigen Anschlägen am Montagabend verhindert werden. Bereits neun Minuten nach dem Einlangen des ersten Notrufes konnte der Attentäter gestoppt werden. Dafür gilt allen Polizistinnen und Polizisten, aber auch allen einschreitenden Rettungskräften und dem medizinischen Personal in den Krankenanstalten sowie den Soldaten und Soldatinnen des Bundesheers unser größter Dank und Respekt.

Wie eine erste Analyse ergeben hat, scheint es, dass, bevor dieser Anschlag überhaupt verübt wurde, einiges nicht so gelaufen ist, wie es sein hätte sollen. Regelmäßige Treffen mit Mitarbeitern der Deradikalisierungsstellen brachten nicht das gewünschte Ergebnis. Die Vorkommnisse unter Innenminister Herbert Kickl, wie unter anderem die Haus­durchsuchung und andere Missstände im BVT selbst haben zuletzt zu einer massiven Schwächung des BVT geführt. Informationen von Partnerdiensten, die eine Warnung sein hätten müssen, wurden wahrscheinlich nicht weitergegeben. Es ist wichtig, dass diese Vorgänge rasch und umfassend aufgeklärt werden und die notwendigen Lehren und Konsequenzen daraus gezogen werden.

Der Nationale Sicherheitsrat hat daher gestern auf Vorschlag des Bundesministers für Inneres und der Bundesministerin für Justiz der Bundesregierung empfohlen, eine unabhängige Untersuchungskommission einzurichten. Dieser Schritt ist wichtig um einen transparenten Aufklärungsprozess sicherzustellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat begrüßt die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungs­kommis­sion. Er ersucht die Bundesregierung und insbesondere den Bundesminister für Inneres und die Bundesministerin für Justiz die Unabhängigkeit der Kommission sicherzustellen und einen vollständigen Bericht über sämtliche Empfehlungen der Kommission umge­hend nach Fertigstellung dem Nationalrat zu übermitteln.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer,BA

Kolleginnen und Kollegen

betreffend den barbarischen Terroranschlag auf die Bundeshauptstadt Wien

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 1, Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema "Terroranschlag in Wien"

9 Minuten - so lange dauerte es vom Einlangen des ersten Notrufs bis zur Anhaltung des Attentäters durch mutige Polizistinnen und Polizisten.

9 Minuten - in denen vier Menschen von einem feigen Attentäter aus dem Leben geris­sen wurden.

9 Minuten – in denen 23 Menschen, darunter einer der einschreitenden Polizisten, zum Teil schwer verletzt wurden.

Dem beherzten Einschreiten unserer Sicherheitskräfte und der Rettungsorganisationen ist zu verdanken, dass noch schlimmeres verhindert wurde. Obwohl der Anschlag nur 9 Minuten dauerte, sind viele von ihnen bis heute im Einsatz. Von den ersten Streifen und Rettungskräften vor Ort, über die Polizistinnen und Polizisten, die bereits intensiv an der Aufklärung der Tat und deren Hintergründe arbeiten, über die Ärztinnen und Ärzte, Pfle­gerinnen und Pfleger, die die noch immer im Krankenhaus befindlichen Opfer versorgen.

Wir werden uns von diesen schrecklichen Akten des Terrors niemals einschüchtern lassen. Sie waren ein Angriff auf uns alle. Ein Angriff auf unsere Werte, auf unsere Demokratie und auf unsere Gesellschaft. Wir trauern um die Opfer und fühlen mit den Angehörigen. Aber wir werden dem Terror keinen Millimeter weichen. Wir werden uns durch diesen Anschlag auch nicht spalten lassen. Wir werden uns und unsere Grund- und Freiheitsrechte schützen und verteidigen. Wir werden gemeinsam und entschieden, jegliche Form des Extremismus mit aller Härte bekämpfen.

Jetzt gilt es, alles dafür zu tun, um weitere Anschläge zu verhindern und so Menschen­leben zu retten. Es braucht gezieltere Maßnahmen in der Prävention, damit es gar nicht zu einer Radikalisierung kommt. Uns ist gleichzeitig aber auch bewusst, dass Radika­lisierung nie gänzlich verhindert werden kann. Wir müssen daher auch bessere Rah­menbedingungen für den Umgang mit Gefährdern schaffen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat verurteilt diesen schrecklichen Akt des Terrors und spricht den Sicher­heitskräften, Rettungskräften und dem medizinischen Personal seinen großen Dank aus. Er ersucht die Bundesregierung nach intensiver Evaluierung und Beurteilung der bestehenden Rahmenbedingungen unter Einbeziehung entsprechender Expertinnen und Experten sowie auf Basis der Erhebungen der Untersuchungskommission rasch ein Maßnahmenpaket zur verstärkten Prävention und Abwehr von Terrorismus und Extre­mismus vorzulegen.“

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Präsidentin Doris Bures: Die beiden Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen mit in Verhandlung.

Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak zu Wort gemeldet. – Bitte.