18.30

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Rudi Taschner, da sind wir uns einig, natürlich ist die Freiheit der Lehre ganz wichtig. Ich habe es auch genossen, in dem Fall sogar im Ausschuss, was ja oft nicht möglich ist, dass wir durchaus eine differenzierte Debatte geführt haben, und sie ist wesentlich.

Wir haben gesagt, wir werden diesen Antrag unterstützen, und ich fühle mich durch einen Gastkommentar im heutigen „Standard“ bestätigt, in dem der Psychologe Ahmad Mansour, ein arabischer Israeli, schreibt: „Es ist Zeit, in der Realität aufzuwachen.“ Euro­pa müsse seine Werte klar und deutlich kommunizieren. Er schreibt auch über die Auf­klärung und ich glaube, darüber müssen wir reden. Jede Form von Fundamentalismus ist gefährlich, und wenn Religion fundamentalistisch auftritt, dann ist es besonders ge­fährlich.

Faktum ist: Seit die Menschen mit Bewusstsein über die Erde wandeln, haben sie reli­giöse Gefühle, glauben an Natur und glauben an Gottheiten. Und dann ist eine Phase gekommen, in der die Religion Macht genommen und die Menschen unterdrückt hat. Dann kam die Aufklärung. Die Aufklärung ist ja nicht nur der Ausweg aus der selbst­verschuldeten Unmündigkeit, die Aufklärung ist auch die Trennung von Kirche und Staat. Aufklärung heißt auch, gegen jede Form von Fundamentalismus aufzutreten und auch gegen jede Form dahin gehend, dass die Kirche sich aussuchen darf, was im Staat statt­findet – sie kann verhandeln, kann sich etwas wünschen, aber sie darf es nicht entschei­den. Da sind wir ein großes Stück weiter als viele islamische Gesellschaften.

Im Ausschuss wurde ich gebeten, ein Buch mitzubringen, was ich natürlich gerne ge­macht habe. Ich würde das wirklich ganz dringend empfehlen: Mouhanad Khorchide, ein österreichischer Religionssoziologe, und Hamed Abdel-Samad diskutieren über die Fra­ge, ob der Islam noch zu retten ist; interessanterweise in 95 Thesen. – Wir wissen, wa­rum. Kurze Antwort: Der eine sagt Ja, der andere sagt Nein. Ein wichtiger Satz lautet: „Wie Sie ja wissen, halte ich persönlich den Islam an sich für nicht reformierbar. Aller­dings glaube ich sehr wohl an die Reformierbarkeit des Denkens von Muslimen“, sagt Hamed Abdel-Samad.

Dort müssen wir ansetzen, aber wir müssen auch hier bei uns in den Schulen ansetzen. Wir müssen in den öffentlichen Debatten ansetzen und da unsere Werte und die euro­päischen Werte verteidigen, über die hier auch gesprochen wurde.

Ein wichtiger Punkt ist auch – das sagt eben dann der Religionssoziologe –: Das Pro­blem bei vielen Muslimen ist, dass sie den Koran wörtlich nehmen.

Ich bin wirklich gegen jede hasserfüllte, bösartige Ausdrucksweise gegen den Koran – das möchte ich den Kollegen von der FPÖ auch sagen –, aber er sagt ganz richtig: Man darf ihn nicht wörtlich nehmen. – Das ist ja auch eine Errungenschaft von christlichen Kirchen, dass sie eben das, was in der Bibel steht, nicht wörtlich nehmen.

Ein zweiter Punkt: Ich bin auch gegen jede Form von christlichem Fundamentalismus und ich bin auch dafür, dass wir Kirche und Staat hier im Parlament trennen. Ich war schockiert über die Veranstaltung, die hier stattgefunden hat. Ich sitze im Nationalrat neben Bedrana Ribo von der grünen Fraktion. Sie musste mit elf Jahren aus Travnik in Bosnien flüchten. Ihre besten Freundinnen waren eine kroatische Katholikin und ein orthodoxes Mädchen, sie selbst ist Muslimin. Sie musste flüchten, weil dieser Hass auch über Religion erzeugt und weil die Gesellschaft gespalten wurde. Ich sitze hier neben ihr, wir unterhalten uns und ich kann mir gut vorstellen, dass wir auch miteinander in ein Gebetshaus, in ein Gotteshaus gehen – beten, singen ist im Moment ja nicht angera­ten ‑, dass jeder seine Vorstellung hat, dass uns das zusammenführt.

Die Veranstaltung, die hier stattgefunden hat, hat die Menschen gespalten. Ich bitte wirk­lich dringend, dass wir damit aufhören, dass wir das nicht tun. Es gibt genug anderes in der Gesellschaft, das ohnehin spaltet, und wenn ich nur vermuten würde, dass Absicht dahintersteht, dann müsste ich noch viel radikalere Worte gebrauchen.

Ein letztes Wort, weil es aktuell ist, zum Kopftuchverbot: Selbstverständlich auch da die Trennung von Kirche und Staat, selbstverständlich muss es auch da die Möglichkeit der Religionsausübung geben, aber es führt mich zum Anfang zurück. Das ist das Thema, über das wir mit den Menschen, auch mit Musliminnen und Muslimen sprechen müssen. Lasst die Kinder in Ruhe! Erzählt den Kindern nicht, was sie tun müssen! Das gilt aber auch für christliche Fundamentalisten. Angesichts dessen, was manche Leute, die hier auftreten, erzählen, wie gefährlich es für einen Mann ist, eine Frau anzuschauen, sehe ich nicht viel Unterschied zu dem, was muslimische Fundamentalisten sagen.

Deswegen wirklich mein Appell: Versuchen wir es, jeder für sich, privat, soll religiös le­ben, wie er will. Dort, wo es zu Gemeinsamkeiten führt, machen wir das bitte, aber hören wir bitte auf damit, die Gesellschaft mit Religion zu spalten! – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Bürstmayr.)

18.35

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Andrea Kuntzl zu Wort. – Bitte.