14.34

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Vorweg, Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, kann ich Ihnen zwei Themenbereiche sagen, bei denen Sie unsere vollste Unterstützung haben werden.

Zuerst geht es einmal darum, das Vertrauen der Bevölkerung in eine Impfung herzu­stellen. Es sind viele Leute skeptisch. Ich persönlich kann das nicht nachvollziehen, ich habe keine Angst vor einer Impfung. Ich bin überzeugt davon, dass die Zulassungs­ver­fahren so, wie sie gemacht werden, richtig sind. Ich vertraue Menschen, die sich damit auskennen, und werde mich selbstverständlich impfen lassen. Es ist für uns alle wichtig, dass wir das Vertrauen herstellen. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen. – De­monstrativer Beifall und Bravorufe des Abg. Kickl.)

Das Zweite, bei dem Sie unsere volle Unterstützung haben, ist, wenn es um Tests geht, insbesondere für jene Berufsgruppen, die nahe an Risikogruppen sind, die im Dienst­leistungsbereich sind, wo sie nahe an anderen Menschen sind. Ich halte es für wichtig, dass wir dafür entsprechende Testkapazitäten haben.

Ansonsten, muss ich Ihnen sagen, war ich von dieser als Regierungserklärung getarnten Weihnachtsansprache, die sich größtenteils um Selbstlob gedreht hat, ein bisschen auch um Eigenmotivation und Danksagungen, doch ein wenig irritiert. Ich habe eigentlich gedacht, dass Sie herkommen und versuchen, uns logisch zu erklären, wieso es diesen dritten Lockdown brauchen wird. Das haben Sie aus meiner Sicht nicht gemacht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Gleichzeitig – und das fand ich jedenfalls mutig, Herr Bundeskanzler – haben Sie wört­lich gesagt, „wir haben [...] entschlossen [...] reagiert [...] und die notwendigen Maßnah­men gesetzt, um die Gesundheit“ der Menschen in Österreich zu schützen. – Es ist angesichts der Tatsache, dass 42 Prozent der Covid-Toten – mehr als 2 000 Leute – in Alten- und Pflegeheimen gestorben sind, doch einigermaßen irritierend, so etwas zu sagen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir NEOS haben schon im April gesagt, es braucht eine umfassende Teststrategie für Alten- und Pflegeheime, dass es immer dann zu Testungen kommt, wenn PflegerInnen dort hineinkommen. Man kann das zweimal wöchentlich machen, das haben Sie jetzt vorgeschlagen. Nach neun Monaten kommen Sie drauf, dass es da ein Problem gibt, und verpflichten die Alten- und Pflegeheime, dass sie diese Testungen durchführen.

Jetzt halte ich das für richtig, die Frage ist nur, ob die entsprechenden Einrichtungen auch die notwendigen Ressourcen haben. Gleichzeitig machen Sie Massentests, die bei der Bevölkerung offensichtlich nicht im gewünschten Ausmaß angekommen sind, anstatt dass Sie endlich die Risikogruppen, nämlich die Menschen in Alten- und Pflegeheimen, ausreichend schützen. Dazu haben Sie neun Monate gebraucht, und nicht einmal nach neun Monaten sind die Ressourcen vorhanden. Das halte ich für unverantwortlich! (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt kommt diese Idee mit dem vermeintlichen Zwangstest ab 18. Jänner. Ich frage mich, wie Sie das machen wollen, dass am Schluss acht Millionen Österreicherinnen und Österreicher bei diesem Test antanzen sollen, dass sie dann vielleicht einen Be­scheid kriegen, der kontrolliert wird, wenn sie in ein Geschäft oder in ein Lokal hinein­gehen. Sie wissen schon, dass es die Behörden teilweise nicht einmal geschafft haben, Absonderungsbescheide rechtzeitig zuzustellen? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie Sie es schaffen wollen, am 18. Jänner alle Menschen dazu zu bringen, dass sie diese Testung machen. Vor allem sagt Ihre eigene Coronataskforce, dass es mit Zwang nicht sinnvoll ist. Ich bin auch der Meinung, man sollte so viele Menschen wie möglich mit Motivation zum Testen bewegen. Ich verstehe schlichtweg nicht, was Ihnen da wieder eingefallen ist. (Beifall bei den NEOS.)

Und das Ganze – das ist bei dieser Bundesregierung aber Normalität – geschieht ohne irgendeine gesetzliche Grundlage. Meine Damen und Herren, es gibt noch keine gesetzliche Grundlage dafür, dass es diese Massentestungen überhaupt geben kann. Sie haben heute etwas eingebracht, in dem das steht. Wir wissen alle noch nicht, ob das überhaupt beschlossen werden wird, ob das durch den Nationalrat geht, ob das durch den Bundesrat geht. Sie stellen sich aber in einer Pressekonferenz hin und erklären uns, dass das so sein wird. So funktioniert Gesetzgebung in Österreich nicht! Gesetzgebung funktioniert durch Beschlüsse in diesem Parlament und nicht durch Ankündigungen in Pressekonferenzen der Bundesregierung. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Dann geht es weiter, Herr Bundeskanzler. Wir haben Ihnen schon sehr oft vorgehalten, dass Sie wiederum die Schulen schließen. Sie haben jetzt wieder gesagt, es wird eine Woche Distancelearning geben. Fakt ist, die Schulen sind wieder eineinhalb Wochen geschlossen, es wird nicht nur eine Woche Distancelearning geben. Die Schulen sind wieder geschlossen – und das eineinhalb Wochen lang.

Sie loben sich hier selbst und denken offensichtlich gar nicht daran, was Sie die letzten Monate über gemacht haben. Es ist gefühlt jede zweite, jede dritte Woche irgendeine rechtswidrige Verordnung gekommen. Ich erinnere an das gesetzwidrige Betretungs­verbot von Herrn Gesundheitsminister Anschober, ich erinnere an seinen Einfall des Ostererlasses, wodurch die Polizei in die Wohnzimmer kommen sollte. Dann hieß es plötzlich: Das machen wir doch nicht, ich habe daraus gelernt! – Vor eineinhalb Wochen gab es den nächsten Versuch der Regierungsparteien, das zu machen. Da hieß es dann, das war ein Fehler, man hat das unabsichtlich drinnen vergessen.

Wissen Sie, was Sie tun? – Sie haben es eh schon einmal in einer Pressekonferenz gesagt: Unsere Grund- und Freiheitsrechte sind für Sie juristische Spitzfindigkeiten, die sind Ihnen nicht wichtig. Genau das ist auch der Grund, warum Sie unsere Grund- und Freiheitsrechte andauernd mit Füßen treten – Hauptsache, die Inszenierung stimmt bei Ihnen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Und wenn es um Inszenierung geht: Das, was ich heute hier vermisst habe, ist, dass Sie uns erklären, wieso dieser Lockdown denn genau jetzt notwendig sein soll. Es ist so, dass in diesem Parlament von Regierungsmitgliedern immer wieder entweder bewusst die Unwahrheit gesagt wird oder uns die Wahrheit verschwiegen wird.

Wir hatten am Mittwoch letzte Woche eine Sitzung des Hauptausschusses. Der Ge­sundheitsminister war da und hat uns gesagt, dass die Prognosen für Österreich voraussagen, dass sich der sinkende Trend fortsetzt. Es hat kein einziges Wort über einen neuen Lockdown gegeben, kein einziges Wort des Gesundheitsministers, dass das notwendig sein wird – ganz im Gegenteil: Herr Bundesminister Anschober, Sie haben uns erklärt, der Reproduktionsfaktor geht von 1,3 auf 0,88 zurück, die Sieben­tageinzidenz von 600 auf 220. Sie haben weiter erklärt, dass die Neuinfektionen wahr­scheinlich deswegen ein bisschen höher sind und stagnieren, weil die Massentests ein­gespeist werden. Also auch da haben Sie gesagt, dass sie entsprechend zurückgehen, und Sie haben uns erklärt, dass die Positivrate mit rund 0,2 Prozent außerordentlich gering ist und das Infektionsgeschehen offensichtlich abnimmt.

Heute haben wir, wenn ich es vorhin richtig gelesen habe, eine Neuinfektionsrate von 1 200 Leuten. Selbstverständlich ist das immer noch zu viel, aber es rechtfertigt nicht den harten Lockdown, den Sie jetzt wieder vorhaben, zu verhängen. Das ist schlichtweg nicht das, was die gesetzliche Grundlage hergibt, und ich sage Ihnen etwas: Sie können mir nicht erklären, dass Sie am Mittwoch im Hauptausschuss nichts davon wussten, dass die Bundesregierung am Freitag wieder einen harten Lockdown erklären wird. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Jetzt habe ich wieder gehört, es könnte ein exponentielles Wachstum kommen. – Natürlich kann das kommen, aber das Gesetz, dass so einen Lockdown überhaupt erlaubt, sieht diesen im Fall eines drohenden Zusammenbruchs des Gesundheits­systems vor. Wenn wir andauernd sinkende Zahlen haben, wenn die Hospitalisierungszahlen zurückgehen, wenn die Zahlen auf den Intensivstationen zurückgehen, dann können Sie mir nicht erklären, dass jetzt ein dritter Lockdown in der Art und Weise, wie Sie ihn vorschlagen, notwendig ist.

Wir haben das weitergespielt, nicht nur am Mittwoch im Hauptausschuss, wir hatten am Donnerstag eine Sitzung des Tourismusausschusses, bei der ich dabei war. Wir haben Frau Bundesministerin Köstinger drei Mal gefragt, ob ein Lockdown ansteht, wir haben drei Mal diesbezüglich keine Antwort oder höchstens ausweichende Antworten bekom­men. Dann haben wir es am Donnerstag im Bundesrat weitergespielt – Herr Vizekanzler, ich glaube, Sie waren anwesend, der Gesundheitsminister auch –: auch dort keine Rede von einem Lockdown. Das heißt, Sie sagen uns entweder bewusst die Unwahrheit oder Sie verschweigen uns die Wahrheit (Abg. Belakowitsch: Ersteres!), und das halte ich eines lebendigen Parlamentarismus für nicht würdig. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Jetzt ist uns die Verordnung, die morgen beschlossen werden soll, endlich zugestellt worden. Wir werden sie dann durchschauen, ich bin schon gespannt, was da sonst noch alles drinsteht. Wir wissen ja in der Regel nie, was zwischen Verordnung und dem, was die Bundesregierung sagt, dann doch unterschiedlich ist, was vielleicht noch irgendwo hineingeschummelt wird.

Herr Bundeskanzler, Sie sagen uns ja andauernd, dass wir gut aus der Krise gekommen sind. Es ist so, dass wir zwischenzeitlich die Nummer eins bei den Neuinfektionen welt­weit waren und dass wir es nicht geschafft haben, die Risikogruppen entsprechend zu schützen. Es ist auch so, dass wir in Bezug auf die wirtschaftspolitischen Herausfor­derungen nicht – so wie Sie immer sagen – großartig aus der Krise gekommen sind, sondern gemeinsam mit Spanien und Portugal, was den Einbruch des BIPs betrifft, ganz weit vorne sind.

Sie haben es nicht nur nicht geschafft, die Risikogruppen entsprechend zu schützen, Sie haben es auch nicht geschafft, die wirtschaftlichen Schäden so gering wie möglich zu halten. Angesichts dessen erachte ich eine solche Regierungserklärung für einiger­maßen absurd. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Martin Graf: Um nicht Unsinn zu sagen!)

14.43

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann August Wöginger. – Bitte.