17.56

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Gesundheitsminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht zuerst einmal kurz zu den NEOS: Kollege Scherak sagt, die Grund- und Freiheitsrechte werden ignoriert. – Wir beide schätzen die Grund- und Freiheitsrechte, wir arbeiten auch im Menschen­rechts­aus­schuss gut zusammen, und ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte gesagt hat: Maßnahmen, die in einer Pandemie notwendig sind, widersprechen den Grund- und Freiheitsrechten nicht.

Ich will mich jetzt aber nicht mit den NEOS befassen, sondern wir haben hier sehr, sehr viel betreffend die Freiheitlichen zu besprechen, und bei dem, was ich heute sagen möchte, lasse ich einmal ganz bewusst alles weg, was hier eine Beleidigung war, Läs­terungen der feinsten Art, die hier gekommen sind, auch wie über KollegInnen, die vielleicht irgendwo in ihrer Rede einen Versprecher hatten, geredet wurde – all das lasse ich weg, weil sich der Wähler und die Wählerin über den Ton, den Sie in dieses Hohe Haus hereinbringen, selber eine Meinung bilden soll, ich möchte aber über die Inhalte sprechen.

Herr Klubobmann Kickl hat mehrere Gelegenheiten wahrgenommen, uns hier ein bisschen zu verwirren. Einerseits sagt er ja, wir brauchen keinen Lockdown, auf der anderen Seite macht er sich ganz große Sorgen, dass sich die Leute in den Teststraßen anstecken. Er will Weihnachten retten – und wir retten auch Weihnachten, weil wir nämlich eine Balance finden und das Fest in einem geschützten Rahmen feiern –, aber gleichzeitig sagt Frau Kollegin Belakowitsch – das wurde schon mehrfach zitiert, aber meine Kinder konnten es fast nicht glauben, als sie selber auf dieses Zitat gestoßen sind –: „Wenn Sie Weihnachten in Ruhe feiern [...] wollen, dann lassen Sie sich nicht testen“.

Ja was ist denn das für eine Haltung? – Das ist nämlich die eigentliche Weihnachts­bombe! Die Weihnachtsbombe sind nicht irgendwelche Maßnahmen, sondern dass ein Freiheitlicher unter dem Christbaum sitzt und seine Verwandten ansteckt, die dann nur noch kurz die Weihnachtsfreude genießen können und dann ganz andere Dinge erleben werden (Beifall bei der ÖVP) – das ist nämlich die Superspreaderbombe. (Abg. Belakowitsch: Symptomlose ...!)

Das, liebe freiheitliche Kollegen, ist egoistisch, diese Haltung ist egoistisch. Im Titel dieser Dringlichen Anfrage heute gibt es die Gegenüberstellung von Freiheit und Mas­sentests. Vielleicht muss man aber etwas anderes gegenüberstellen, nämlich den Frei­heits­begriff auf solidarischer Basis und jenen auf egoistischer Basis. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Ihr Freiheitsbegriff, der sagt: Ich will meine Freiheit, und alle anderen sind mir egal!, und ihre Maskenverweigerung sind Beispiele für Letzteren, aber auch Ihre Empörung darüber, dass man Anreize setzt, damit die Menschen zu den Testungen gehen, ist ein Beispiel für den Freiheitsbegriff auf egoistischer Basis. (Abg. Belakowitsch: Zwang! Zwang! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Der solidarische Freiheitsbegriff, der für uns hier wichtig ist, ist ganz anders. Er sagt nämlich: Solidarisch in Freiheit heißt, dass möglichst alle Menschen in Freiheit und Sicherheit leben können. Wir verhalten uns in unserer Gesellschaft in vielen Punkten solidarisch: Wir zahlen zum Beispiel Steuern – ja, wir würden auch lieber keine Steuern zahlen (Zwischenruf des Abg. Rauch–, oder wenn man mit dem Auto fahren will, muss man eine Führerscheinprüfung machen, auch das ist viel Arbeit. All das ist Solidarität, um sich und andere zu schützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Sie wissen sicherlich – oder Sie sollten wissen –, dass die Hälfte der Infektionen durch jene zustande kommt, die keine Symptome zeigen. Es geht darum, andere Menschen zu schützen.

Liebe FPÖ, es fällt Ihnen kein Stein aus der Krone, wenn Sie sich testen lassen, aber vielleicht haben Sie einen tieferen Grund, warum Sie so gegen das Testen sind (Zwischenruf der Abg. Steger), denn Sie glauben ja, dass Corona gar nicht gefährlich ist. Und, Frau Kollegin Fürst: Der Grippevergleich hat einen langen Bart. Alle Studien und Daten zeigen uns, dass Corona viel gefährlicher als die Grippe ist. (Zwischenruf der Abg. Fürst.) Wenn aber Corona nicht gefährlich ist, dann muss es ja einen anderen Grund geben, warum wir Maßnahmen setzen. – Ach ja, der Grund ist, dass wir eine Diktatur ausrufen wollen! Heute hat Klubobmann Kickl unsere Arbeit ja schon mit der DDR, mit einem kommunistischen, diktatorischen Regime verglichen – das kann doch bitte schön nicht sein! (Rufe bei der FPÖ: Richtig so! Guter Vergleich!)

Frau Kollegin Belakowitsch hat uns letztens ein Bild gezeigt, auf dem scheinbar Vertreter der ÖVP auf einem Fest zu sehen sind und die Maßnahmen allen egal sind – und dann sind wir draufgekommen, das Bild ist ja von Weihnachten 2019! Frau Kollegin Belakowitsch, das hätten Sie anhand der Weihnachtspullover auch im Mai, als Sie das vorgelegt haben, sehen können. (Abg. Belakowitsch: Ich hab kein Bild vorgelegt!)

Also vielleicht ist die Zugangsweise der Freiheitlichen Partei – Fakenews glauben und verbreiten – eine solche, dass man meinen könnte, das F in FPÖ steht nicht für Freiheitliche, sondern für Fakenews.

Wenn Sie meinen, dass die Krankheit nicht gefährlich ist, dann fragen Sie bitte jene, die in Krankenhäusern, auf Intensivstationen arbeiten, fragen Sie Betroffene und fragen Sie Hinterbliebene! (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Sie, liebe Kollegen von der FPÖ, tragen Verantwortung für jene Menschen, die Ihnen das alles glauben, denn die infizieren sich vielleicht selbst und andere. Ist Ihnen diese Verantwortung parteipolitisches Kleingeld wert? (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten von Grünen und NEOS.)

Jenen, die sich bemühen, die Maßnahmen einzuhalten, um sich und andere zu schüt­zen, und die Sie lächerlich machen, sollten Sie danken, und jenen, die sich durch ihre Arbeit selbst in Gefahr bringen, aber das für andere tun, jenen, die sich unter großen Opfern an die Maßnahmen halten, um die Menschen zu schützen, jenen, die einen Verzicht in Kauf nehmen – und das ist der ganz große Teil dieser Bevölkerung, denn Weihnachten hat auch eine Botschaft, und die Weihnachtsbotschaft ist auch, an andere Menschen zu denken. Das gilt auch für Sie (Abg. Brandstätter: Moria!), weil wir nämlich nicht egoistisch sind oder für uns alleine leben – denn das ist die Definition von Ge­meinschaft. (Abg. Brandstätter: Moria! Moria!)

Liebe FPÖ, Sie haben heute Glück - - (Abg. Brandstätter: Kinder! Schlamm! Kinder! Schlamm! Ratten! Kinder! Schlamm! Ratten! Bitte eine Meldung dazu!) – Ich sage jetzt fertig, was ich zum Thema FPÖ zu sagen habe (Abg. Brandstätter: Kinder! Schlamm! Ratten): Die FPÖ hat großes Glück, dass die Zwischenrufe, die Sie heute getätigt haben, für die Zuhörerinnen und Zuhörer nicht hörbar sind, denn als meine Kollegin heute von über 5 000 Toten in Österreich gesprochen hat, haben Sie höhnisch gelacht. (Abg. Wurm: Was haben wir?)

Das ist eine Verachtung dessen, wofür wir Menschen hier in Österreich in Solidarität stehen. Nur mit einem solidarischen Freiheitsbegriff und mit einem Verständnis von Gemeinschaft werden wir diese Krise überwinden.

Ich wünsche Ihnen allen, auch den Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, in diesem Sinne frohe Weihnachten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Wurm: Dagmar, wir haben nicht gelacht!)

18.03

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Belakowitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.