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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

75. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Montag, 21. Dezember 2020

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

75. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode             Montag, 21. Dezember 2020

Dauer der Sitzung

Montag, 21. Dezember 2020: 13.22 – 19.43 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Erklärungen zu den aktuellen Corona-Maßnahmen“

2. Punkt: Bericht über den Einspruch des Bundesrates vom 17. Dezember 2020 gegen den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungs­gesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz sowie das Selbständigen-Sozial­versicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsge­setz 2020 – 2. SVÄG 2020)

3. Punkt: Bericht über den Antrag 1194/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfas­sungs­gesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre und das Bundes­bezüge­gesetz geändert werden

4. Punkt: Bericht über den Antrag 1192/A der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz für eine Politiker-Nulllohnrunde in der Corona-Krise

5. Punkt: Bericht über den Antrag 1193/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nulllohnrunde für Spitzenverdiener in der Corona-Krise

6. Punkt: Bericht über den Antrag 1195/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desbezügegesetz geändert wird

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Inhalt

Personalien


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 2

Verhinderungen ................................................................................................................ 6

Ordnungsruf .................................................................................................................... 20

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den An­trag 1196/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 3. Jänner 2021 zu setzen – Annahme ....................................................................................  6, 130

Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den An­trag 1197/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiege­setz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 3. Jänner 2021 zu setzen – Annahme .....................................  6, 130

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Aus­schussberichte 617, 618, 619, 620 und 621 d.B. gemäß § 44 Abs. 2 GOG .................................................................... 6

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 GOG             ................................................................................................................................. 7

Wortmeldung des Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger betreffend Ertei­lung eines Ordnungsrufes ................................................................................................................ 22

Stellungnahme der Präsidentin Doris Bures ............................................................. 23

Wortmeldung des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA betreffend Fernsehübertragung der Plenarsitzung durch den ORF ........................................................................................ 74

Wortmeldung des Abgeordneten August Wöginger betreffend Vorsitzführung ............ 82

Stellungnahme des Präsidenten Ing. Norbert Hofer ................................................ 83

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsident Mag. Wolfgang Sobotka ........................................................................... 130

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ................................ 131

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Freiheit und Selbstbestimmung statt Massentest und Hausarrest“ (4697/J) ............................. 60

Begründung: Herbert Kickl ........................................................................................... 68

Bundeskanzler Sebastian Kurz .................................................................................. 75

Debatte:

Dr. Dagmar Belakowitsch ............................................................................................ 80

Dr. Werner Saxinger, MSc ...................................................................................... ..... 83

Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. ..... 85

Mag. Meri Disoski ................................................................................................... ..... 87

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ..... 89


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 3

Dr. Susanne Fürst ................................................................................................... ..... 91

Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................. ..... 98

Dr. Dagmar Belakowitsch (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 100

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ ... 100

Ralph Schallmeiner ................................................................................................ ... 102

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 104

Mag. Hannes Amesbauer, BA ............................................................................... ... 105

Mag. Andreas Hanger ............................................................................................. ... 107

Mag. Verena Nussbaum ......................................................................................... ... 109

Michel Reimon, MBA .............................................................................................. ... 111

Mag. Martina Künsberg Sarre ............................................................................... ... 112

Hermann Brückl, MA .............................................................................................. ... 113

Dr. Helmut Brandstätter ......................................................................................... ... 114

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung und den Staatssekretären“ gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG – Ableh­nung ...............................  93, 117

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme von Familien mit Kindern aus Lagern auf den griechischen Inseln“ – Ablehnung  116, 118

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Erklärungen zu den aktuellen Corona-Maßnahmen“ ........................................................................................................................................... 7

Bundeskanzler Sebastian Kurz .................................................................................... 7

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ................................................................................ 10

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 GOG ........................... 7

RednerInnen:

Philip Kucher ........................................................................................................... ..... 15

Gabriela Schwarz .................................................................................................... ..... 17

Herbert Kickl ............................................................................................................ ..... 19

Sigrid Maurer, BA ................................................................................................... ..... 24

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ..... 26

August Wöginger .................................................................................................... ..... 28

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ..... 31

Ralph Schallmeiner ................................................................................................ ..... 35

Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. ..... 36

Andreas Kühberger ................................................................................................ ..... 38

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ..... 40

Dr. Josef Smolle ...................................................................................................... ..... 42

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................ ..... 43

Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................. ..... 45

Mag. Peter Weidinger ............................................................................................. ..... 46

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (tatsächliche Berichtigung) ...................................... 48

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „humanitärer Katastrophe mitten in Europa – Kindern aus Moria endlich Schutz und Hoffnung geben“ – Ablehnung ................................................................................................  33, 49


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 4

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Einspruch des Bundesrates (616 d.B.) vom 17. Dezember 2020 gegen den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungs­ge­setz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz sowie das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungs­gesetz 2020 – 2. SVÄG 2020) (617 d.B.) ............................................................................................................................... 49

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1194/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre und das Bundesbezügegesetz geändert werden (618 d.B.) ....................................................... 49

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1192/A der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz für eine Politiker-Nulllohnrunde in der Corona-Krise (619 d.B.) ............................................................... 49

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1193/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nulllohnrunde für Spitzenverdiener in der Corona-Krise (620 d.B.) ........................................................................................... 49

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1195/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz geändert wird (621 d.B.) ..................................................... 49

RednerInnen:

Herbert Kickl ................................................................................................................. 50

Karl Schmidhofer (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 53

Mag. Markus Koza .................................................................................................. ..... 53

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ..... 55

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ..... 56

Peter Wurm .............................................................................................................. ..... 57

Mag. Wolfgang Gerstl ............................................................................................. ... 118

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 119

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ ... 121

Klaus Köchl ............................................................................................................. ... 122

Mag. Michaela Steinacker ...................................................................................... ... 123

Henrike Brandstötter .............................................................................................. ... 124

Mag. Nina Tomaselli ............................................................................................... ... 127

Entschließungsantrag der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „drastische Reduzierung der Summe für Regierungs­werbung, um wirklich Steuergeld zu sparen“ – Ablehnung ...........................................................................................................  126, 129

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 617 und 621 d.B. ........................................ 128

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 618, 619 und 620 d.B. .......................... 129

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 5

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kein Atommülllager an der Grenze zu Österreich (1199/A)(E)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen für die Kom­plementärmedizin in Österreich (1200/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (1201/A)

Anfrage der Abgeordneten

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Freiheit und Selbstbestimmung statt Massentest und Hausarrest (4697/J)

 


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 6

13.22.56Beginn der Sitzung: 13.22 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

13.22.57*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich eröffne die 75. Sitzung des Nationalrates und darf Sie herzlich begrüßen!

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Martin Engelberg, Norbert Sieber, Cornelia Ecker, Ing. Reinhold Einwallner, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. Gerald Hauser, Mag. Christian Ragger, Michael Schnedlitz, Mag. Philipp Schrangl, Mag. Harald Stefan, Michael Bernhard, Mag. Felix Eypeltauer, Fiona Fiedler, BEd, Mag. Gerald Loacker, Dr. Johannes Margreiter, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES.

Der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler haben jeweils ihre Absicht bekannt gegeben, Erklärungen zu den aktuellen Coronamaßnahmen abzugeben. Es liegt ein ausreichend unterstütztes Verlangen vor, über diese Erklärung gemäß § 81 der Ge­schäftsordnung eine Debatte abzuhalten.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schrift­liche Anfrage 4697/J der Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend „Freiheit und Selbstbestimmung statt Massentest und Hausarrest“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Durchführung der Dringlichen Anfrage frühes­tens 3 Stunden nach Eingang in die Tagesordnung, also um 16.25 Uhr, stattfinden.

Fristsetzungsanträge


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass die Abgeordneten Gabriela Schwarz und Schallmeiner beantragt haben, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1196/A sowie den Antrag 1197/A jeweils eine Frist bis zum 3. Jänner 2021 zu setzen. Diese Anträge werden gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht.

*****

Ich darf bekannt geben, dass der ORF bis 19.15 Uhr live übertragen wird, anschließend wird die Sitzung in der TVthek kommentiert übertragen.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Um die Punkte 2 bis 6 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erfor­derlich, von der 24-stündigen Auflagefrist der Ausschussberichte abzusehen. Es handelt


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sich dabei um die Berichte des Ausschusses für Arbeit und Soziales, 617 bis 621 der Beilagen.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 2 bis 6 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Gemäß § 57 Abs. 3 Ziffer 2 wurde eine Tagesblockzeit von 3,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass die Redezeiten sich wie folgt ergeben: 68 Minuten für die ÖVP, 47 Minuten für die SPÖ, 39 Minuten für die FPÖ, 35 Minuten für die Grünen und 28 Minuten für die NEOS. Die Redezeit von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, beträgt für die gesamte Tagesordnung je 14 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen gleich zur Abstimmung über die Redezeiten.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Auch das ist ein­stim­mig angenommen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

13.25.581. Punkt

Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Erklärungen zu den aktuellen Corona-Maßnahmen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ich begrüße herzlich den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Vizekanzler samt der Ministerriege!

Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung ent­sprechend dem vorliegenden Verlangen, das ausreichend unterstützt ist, eine Debatte stattfinden.

Ich darf dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteilen. – Bitte, Herr Bundeskanzler.


13.26.19

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen in der Bundesregierung, vor allem aber sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Jahr 2020 neigt sich dem Ende zu, und ich glaube, ganz gleich, wo man politisch steht: Wir werden alle übereinstimmen, dass es ein ausge­sprochen herausforderndes Jahr war, dass dieses Jahr vor allem und fast ausschließlich durch eine Pandemie geprägt war, wie sie einmal alle 100 Jahre stattfindet, und damit verbunden durch eine Weltwirtschaftskrise, die massiven Schaden in der Wirtschaft angerichtet hat, natürlich aber auch, was Arbeitsplätze und Beschäftigung betrifft.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 8

Diese Weltwirtschaftskrise hat sich in der Eurozone mit einem Negativwachstum von 7,8 Prozent ausgewirkt; etwas geringer, aber ähnlich dramatisch waren die Auswirkun­gen in unserer Republik Österreich. Damit verbunden sind negative Auswirkungen für die Wirtschaft, insbesondere aber auch für die Beschäftigten in unserem Land.

Wir haben als Bundesregierung von Anfang an entschlossen auf diese Krise reagiert; wir haben gehandelt und die notwendigen Maßnahmen gesetzt, um die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher zu schützen. Ich kann Ihnen heute versichern: Das werden wir auch weiterhin tun, denn diese Krise ist alles andere als vorbei. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auch wenn wir in Österreich mittlerweile eine Stabilisierung der Zahlen zustande ge­bracht haben, auch wenn in Österreich die Anstrengungen der letzten Wochen und Monate Wirkung gezeigt haben und die Ansteckungszahlen heute nur noch rund ein Drittel so hoch sind wie vor einigen Wochen, so befinden sie sich dennoch auf hohem Niveau, und wir merken insbesondere auch in vielen anderen europäischen Ländern, dass die dritte Welle sie bereits erreicht hat. In vielen unserer Nachbarländer steigen die Ansteckungszahlen gerade wieder dramatisch, und auch Länder wie die Niederlande und Großbritannien zeigen, wie schnell man wieder in ein exponentielles Wachstum der Ansteckungszahlen kommen kann.

Für Österreich bedeutet das daher, dass wir die nächsten Tage und insbesondere auch das Weihnachtsfest so verbringen werden können wie angekündigt: mit Sicherheits­abstand, mit entsprechenden Regelungen, aber dennoch so würdevoll wie irgendwie möglich. Ich bitte alle Menschen in unserem Land, das Weihnachtsfest am 24. und 25. Dezember, so wie auch in der Verordnung vorgesehen, mit maximal zehn Personen zu verbringen, und möchte dazusagen: Je kleiner die Gruppen sind, desto besser – und jeder, der die Möglichkeit hat, sich testen zu lassen, sollte diese Möglichkeit auch nützen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ab dem 26. Dezember gelten wieder verschärfte Maßnahmen, das bedeutet Ausgangs­beschränkungen, ein Herunterfahren von Handel und körpernahen Dienstleistungen, Homeoffice überall dort, wo es nur irgendwie möglich ist, und für die eine Woche nach den Ferien auch Distancelearning an den Schulen.

Wir setzen diese Maßnahme ganz bewusst, da wir in unseren Nachbarländern schon sehen, dass die Zahlen wieder steigen und das exponentielle Wachstum wieder be­gonnen hat, und wir der Auffassung sind, dass es wichtig ist, dass wir möglichst zügig die Zahlen nach unten bringen, um möglichst gut in das nächste Jahr starten zu können.

Wir wollen ab dem 18. Jänner in die zweite Phase einsteigen: also ein Freitesten möglich machen und darüber hinaus ganz generell auf massives Testen setzen. Viele Berufs­gruppen werden sich in Zukunft wöchentlich testen lassen müssen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Wir werden darüber hinaus ein laufendes Gratistestangebot quer durch Österreich machen, und wir wollen die Tests insbesondere nutzen, um ganze Branchen, die in einer Pandemie grundsätzlich nur sehr schwer wieder hochgefahren werden können, wieder hochfahren zu können.

Das bedeutet, dass wir durch die Tests hoffentlich auch die Möglichkeit haben, ab Mitte Jänner Kultur- und Sportveranstaltungen, insbesondere aber auch den Tourismus wieder möglich zu machen, indem Menschen, die daran teilhaben wollen, die zum Bei­spiel auf Urlaub fahren wollen, diese Möglichkeit bekommen sollen, indem sie vorher einen Test machen. (Abg. Amesbauer: Was heißt „wollen“? Erpressung!) Das heißt nicht, dass jemand einen Test machen muss (Rufe bei der FPÖ: Sicher! Erpressung! – weiterer Ruf bei der FPÖ: Ein zynischer Kanzler! – Abg. Kickl: Man musste auch nicht der SED beitreten! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), aber wenn wir die Wahl haben, dass wir ganze Branchen dauerhaft geschlossen halten oder sie mit Tests zumindest


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irgendwie wieder hochfahren können, dann weiß ich, für welchen Weg wir uns entscheiden sollten, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Phase drei wird die Möglichkeit der Rückkehr zur Normalität bringen, indem die Impfung stärker und stärker greift. Wir werden am 27. Dezember in ganz Europa zu impfen beginnen können (Abg. Belakowitsch: Muss auch niemand freiwillig ...!) – natürlich zu Beginn aufgrund der Knappheit des Angebots noch eingeschränkt, aber in weiterer Folge doch mehr und mehr. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker. – Ruf bei der FPÖ: Treten Sie zurück!) Mit jeder Impfung, die durchgeführt wird, nähern wir uns wieder ein Stück weit der Normalität (Abg. Belakowitsch: Ist ja nicht wahr!), und insofern bleibe ich bei unserer Einschätzung, dass wir bis zum Sommer auch wieder vollständig zur Normalität zurückkehren können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Was das Thema Wirtschaft und Beschäftigung betrifft (Abg. Rauch: ... keine Ahnung!), haben wir in diesem Jahr ganz massiv versucht, insbesondere in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern (Zwischenruf bei der SPÖ – Abg. Lausch: DDR 2.0!), die Unterneh­men bestmöglich zu unterstützen und gleichzeitig alles zu tun, um so viele Arbeitsplätze wie möglich zu sichern. Durch die Kurzarbeit und viele andere Instrumente konnten viele Jobs in unserem Land gesichert werden (Zwischenruf des Abg. Hafenecker) und die Unternehmen konnten bestmöglich durch die Krise begleitet werden. Insgesamt haben wir 27 Milliarden Euro an Hilfen zugesagt beziehungsweise ausbezahlt, und ich danke insbesondere den Sozialpartnern, aber auch den Bundesländern und den Gemeinden für die gute Zusammenarbeit in diesem Bereich. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Sie haben versagt! – Abg. Rauch: Ihr Koalitionspartner klatscht nicht einmal mehr!)

Nachdem die Gemeinden nicht nur eine wichtige Verwaltungseinheit in Österreich sind, sondern auch ein ganz wichtiger Investitionsmotor in den Regionen, bin ich froh, dass wir in Zusammenarbeit mit dem Gemeindebund (Zwischenruf bei der SPÖ), mit vielen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in den letzten Tagen ein zweites Gemein­depaket finalisieren konnten. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Rauch: Bedanken Sie sich bei den Menschen, die Steuern zahlen – wäre besser!) Mein Dank dafür gilt nicht nur dem Koalitionspartner und dem Finanzminister, sondern selbstver­ständlich auch dem Gemeindebundpräsidenten und allen anderen, die in die Verhand­lungen einge­bunden waren, wie dem Städtebund, um sicherzustellen, dass wir diesen Inves­titions­motor Gemeinde für die lokale Wirtschaft auch am Laufen halten können.

Sehr geehrte Damen und Herren, abschließend möchte ich festhalten: Es ist eine schwierige Zeit, es ist eine noch nie da gewesene Situation, die wir alle erleben. (Abg. Kickl: Das hat es wirklich noch nie gegeben! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Ich verstehe in dieser Phase die Betroffenheit vieler Menschen, ich verstehe auch die damit verbundenen Emotionen. (Abg. Amesbauer: Sie verstehen gar nichts!) Ich respektiere die unterschiedlichen Meinungen, auch in der Debatte hier im Hohen Haus. (Abg. Kickl: Das ist großzügig von Ihnen!)

Gestatten Sie mir aber dennoch die Möglichkeit, Danke zu sagen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich möchte bei den im Parlament vertretenen Parteien beginnen, da es in diesem Jahr doch gelungen ist, viele Beschlüsse im Konsens zu fassen, da es, obwohl die Krise länger andauert und mit der Zeit immer belastender geworden ist, gelungen ist, über Parteigrenzen hinweg Lösungen zu finden. Ich möchte mich ausdrücklich beim Koalitionspartner für die Zusammenarbeit bedanken. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die Zusammenarbeit in einer so angespannten Situation so gut funktioniert. Ich möchte mich aber auch bei anderen Parlamentsparteien – insbesondere bei der Sozial­demokratie – bedanken, die viele wichtige Beschlüsse mitgetragen haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Außerdem möchte ich mich bei den Landeshauptleuten bedanken. Neun Bundesländer mit neun Landeshauptleuten – das bedeutet neun individuell unterschiedliche Zugänge, neun verschiedene Betroffenheiten, neun verschiedene Schwerpunktsetzungen. (Zwi­schen­ruf bei der SPÖ.) Trotzdem ist es immer wieder gelungen, gemeinsam eine Linie zur Krisenbewältigung zu finden und sich auch gemeinsam über wesentliche Schritte zu verständigen.

Darüber hinaus möchte ich aber vor allem ein großes Danke an alle aussprechen, die in unserem Land einen Beitrag dazu leisten, die Systeme am Laufen zu halten. Ich möchte die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister erwähnen (Zwischenruf bei der SPÖ), die einen ganz wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass zum Beispiel die Tests nicht nur einmal funktioniert haben, sondern jetzt mehr und mehr ausgerollt werden können. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Rauch.)

Ich danke allen Einsatzkräften der Polizei, dem Bundesheer, den Freiwilligen­organisa­tionen und allen arbeitenden Menschen in unserem Land, die in diesem Jahr in einer sehr herausfordernden Situation einen Beitrag zu unserer Wirtschaftskraft geleistet haben. Ich danke den Familien, die oft in keiner einfachen Situation sind, wenn es darum geht, Familie und Beruf und dann auch noch Homeoffice oder Homeschooling und anderes unter einen Hut zu bringen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Insbesondere möchte ich natürlich allen Menschen, die in Tagen wie diesen im Gesund­heitssystem tätig sind, ein großes Danke aussprechen. Ich habe mich in den letzten Monaten sehr viel und deutlich mehr als früher mit Ärztinnen und Ärzten, mit Pflege­rinnen und Pflegern unterhalten. Sie leisten immer Großes und einen ganz wesentlichen Beitrag für unsere Gesellschaft, gerade aber in einer Zeit, in der die Intensivstationen sehr gefüllt sind (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), in der viel geleistet werden muss – mehr als sonst – und die Anspannung groß ist, gebührt diesen Menschen unser ganz besonderer Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Was das Jahr 2021 betrifft, blicke ich mit einem starken Optimismus in dieses Jahr. Ich möchte nicht verhehlen, dass wir immer davon ausgegangen sind, dass Herbst und Winter eine schwierige Phase werden. (Abg. Belakowitsch: ... nicht vorbereitet! – Abg. Kickl: Bestens vorbereitet?!) Der Winter ist nicht am 31. Dezember vorbei. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Allerdings: Genauso, wie wir uns dessen bewusst sein müssen, dass die nächsten Monate noch eine fordernde Zeit sein werden, können wir uns sicher sein, dass mit der Impfung der Durchbruch gelingen wird und wir ab dem Frühling mehr und mehr zur Normalität übergehen werden können. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir ab dem Sommer zu unserer gewohnten Normalität zurückkehren und sagen können: Wir haben diese Pandemie gemeinsam besiegt und diese schwierige Phase in Österreich überstanden! – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei den Grünen. – Abg. Hafenecker: Wenn Sie nach Brüssel gehen, können wir die Scherben wegräumen! – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

13.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Vizekanzler. – Bitte.


13.39.30

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte Abgeordnete! Herr Bundeskanzler! Liebe Regierungsmitglieder! Ja, ich kann mich anschließen, ein besonderes Jahr geht dem Ende zu, eines, das es so noch nie gegeben hat, und zwar in seiner gesamten Ausprägung; aber wir sind eben noch nicht am Ende dieser Krise, wir stehen noch nicht vor dem Ziel. (Abg. Rauch: Sie sind die Krise!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 11

Ich habe schon einmal gesagt, es ist ein Langstreckenlauf, und gerade die letzten Kilometer sind besonders zäh, wie wir wissen. Betreffen tut es uns alle, wir spüren das alle, aber es besteht natürlich die begründete Hoffnung, dass wir es im nächsten Jahr schaffen werden, auch wenn die Feiertage und die Zeit bis zum neuen Jahr noch schwierig bleiben werden.

Ein Lichtblick ist jedenfalls die angesprochene - - (Abg. Hafenecker: Die ÖVP wird es irgendwie schaffen, aber Sie werden nicht mehr in der Regierung sein!) – Ein Lichtblick ist jedenfalls nicht die FPÖ-Fraktion, denke ich, in diesem Fall, sondern die Impfung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Das passt ja zusammen, und das ist ja ein Ausweis dafür, dass wir uns auf den letzten Kilometern befinden. Die Europäische Arzneimittelagentur wird heute den ersten Impfstoff genehmigen, die Kommission folgt am Mittwoch, und gegen Ende der Woche wird in Europa und in Österreich zu impfen begonnen – also deshalb die letzten Kilometer, aber die sind fordernd genug. Das ist auch die gemein­same Einschätzung tatsächlich aller Landeshauptleute und der Bundesregierung.

Gemeinsam haben wir am Freitag einen Plan vorgelegt, einen strategischen Plan in mehreren Schritten, der dazu führen soll und wird, dass sich unser Gesundheitssystem erholen kann. Sie wissen, wir haben das Ziel, dass wir die Spitäler und insbesondere die intensivmedizinischen Kapazitäten nicht überlasten. Es ist aber auch ein wirtschafts- und beschäftigungspolitisches Ziel, die Infektionszahlen insgesamt runterzubringen, weil wir ja sehen, dass es schwierig ist, wenn wir lockern, strenger werden, lockern, strenger werden, und welche Auswirkungen das auf das Wirtschaftsleben, auf die Betriebe und auf die Arbeitsplätze hat.

Deshalb ist jetzt die Strategie folgende: erstens die Zahlen nach unten zu drücken, zweitens zu testen, und zwar regional und nach Berufsgruppen, und drittens, wenn die Zahlen so weit unten sind, Folgendes wieder aufzunehmen, was nicht mehr immer funk­tioniert hat: testen, tracen und isolieren, und dann parallel dazu in eine gute Impfstrategie und eine Umsetzung derselben einzusteigen.

Wie geht das? – Ja, es wurde gesagt, ab 26. Dezember gibt es wieder einen harten Lockdown, der dazu führen wird, dass die Zahlen nach unten gehen. Das hat sich immer noch bewahrheitet und bewährt, auch wenn es schwierig ist. Ich verstehe das ja. Die Tests haben mehrere Funktionen. Zunächst einmal werden Berufsgruppen verstärkt getestet, die in ihrer Berufsausübung engen Kontakt mit anderen Menschen haben – das ist ja nur logisch und richtig –, und zweitens Menschen in jenen Regionen, in denen aus irgendwelchen Gründen das Infektionsgeschehen nicht ausreichend nach unten ge­gangen ist oder wo es, so wie wir es vom Sommer in den Herbst hinein erlebt haben, regional zu einer wesentlich höheren Zahl von Ansteckungen kommt als woanders. Dann können wir mit den Massentests regional bezogen auch dagegenwirken.

Und es wird wieder dazu kommen müssen, dass man in den Bezirken, in den Gegenden, in denen das Infektionsgeschehen dann vielleicht doch wieder steigt, jedenfalls deutlich schneller als woanders – was exponentielles Wachstum ist, sollten jetzt alle begriffen haben und es aus der Zahlenentwicklung auch herauslesen können –, mit speziellen Maßnahmen eingreift. Wir haben das keineswegs aufgegeben. Das wird, wenn die Zahlen weit genug unten sind und alle Behörden mittun, dann auch funktionieren, und, noch einmal, dann wird diese 24-24-24-Stunden-Regelung auch ihrem Ziel gerecht, weil es dann möglich wird, in ausreichend knapper Zeit das Infektionsgeschehen auch entlang der regionalen Cluster wieder einzudämmen. Das ist das Vorhaben, das ist der Plan, und an dem arbeiten jetzt möglichst viele Verantwortungsträgerinnen und Verant­wortungsträger. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Beim Impfen darf man schon unterschiedlicher Meinung sein, wir sind aber trotzdem dafür, es den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend zu bewerben und es dann


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bei der Freiwilligkeit zu belassen, falls Sie da mit Ihren Zwischenrufen etwas anderes behaupten wollten. (Abg. Belakowitsch: Ja, so wie bei den Tests! – Abg. Kickl: Ja, ja, das kennen wir schon! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wissen Sie, ich war in letzter Zeit öfter im Parlament, ich will mich auch grundsätzlich nicht von der Regierungsbank aus in das Hausrecht hier einmischen, aber eines fällt mir von hier heraußen schon auf, ob es in den Ausschüssen war, im Bundesrat oder zum wiederholten Male im Nationalrat: Es ist ja Ihre freie Entscheidung, wenn Sie da keine Maske tragen, aber ich finde es nicht sehr verantwortungsvoll, wenn genau jene, die überhaupt keine Maske tragen, da am lautesten herausplärren und herausschreien und sich als Aerosolverbreiter betätigen. Das ist nicht verantwortungsvoll gegenüber den Journalistinnen und Journalisten hier und schon gar nicht gegenüber den Mitarbeitern. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn Sie die Gesetze - - (Abg. Kickl: Schauen Sie zur ÖVP rüber!)  Ja, ich weiß schon, ich schaue ja auch, aber alle Kolleginnen und Kollegen – Herr Klubobmann Kickl, Sie müssen sinnerfassend zuhören –, die ihrerseits keine Maske aufhaben, betätigen sich nicht in dieser schreienden Art und Weise. Das ist der Unterschied! Ja, das darf man da ruhig sagen! (Abg. Deimek: Was ist mit denen, die ein Attest haben? Das ist eine Frechheit, was Sie hier machen! – Abg. Amesbauer: Das ist das Denunzian­tentum ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen.) Es passt ja ins Bild: Diese Gemeingefährdung, die Sie den Angestellten und allen anderen hier zuteilwerden lassen wollen, entspricht auch Ihrer allgemeinen Strategie, indem Sie sagen: testen schlecht, impfen schlecht, alles schlecht!, aber ge­scheite Maßnahmen haben wir noch nie gehört; die haben wir noch nie gehört! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das soll es auch schon gewesen sein. Wir haben ja ausführlich Gelegenheit, das weiter zu diskutieren, und ich darf ausdrücklich anerkennen, dass man ja unterschiedlicher Meinung sein soll, gerade hier im Hohen Haus, und wir bedanken uns auch bei all jenen Fraktionen, die hier konstruktiv mitarbeiten, da kann ich mich dem Kanzler nur anschließen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Jedenfalls werden wir es schaffen, mit dieser Strategie in Österreich vorwärtszukommen.

Wir wollen uns – ich denke, da spreche ich für alle auf der Regierungsbank, eben im Namen der Bundesregierung – noch einmal bedanken, und zwar bei den Menschen speziell im Gesundheitswesen, in den Pflegeberufen, in den Spitälern, vor allem bei jenen in den Intensivstationen. Wir kennen die Schilderungen von dort, und deshalb ist es ja unser Ziel, diese andauernde angespannte Lage wegzubringen, damit es nicht zu einer andauernden Überlastung kommt. Das müssen Sie vorneweg sehen. Außerdem ist es gut für die Österreicherinnen und Österreicher und alle, die hier leben, dass sie dann, wenn sie ein Intensivbett brauchen, auch eines bekommen. Das setzt eben Maßnahmen voraus, das kommt nicht von alleine, dazu muss man etwas tun, und das tun wir, obwohl es nicht leicht ist, immer zielsicher zu navigieren. Ja, da sind uns sicher auch Fehler passiert, aber nur dem, der handelt, können Fehler passieren – und nicht durch Zwischenschreiereien! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir wissen und ich weiß persönlich, wie es auf den Intensivstationen zugeht, ich war ja leider dazu genötigt, es mitzuerleben, weil mein Vater lange Zeit, viele Wochen auf einer Intensivstation verbracht hat. Die meisten von uns – und ich mache niemandem einen Vorwurf – können sich gar nicht vorstellen, wie schwierig das ist, wenn jemand an Beatmungsgeräten hängt, besonders bei dieser Art von Krankheit, oder wenn jemand an eine der wenigen Herz-Lungen-Maschinen, die es gibt, angeschlossen werden muss, was ja manchmal auch der Fall sein kann. Das ist alles andere als einfach. Mittlerweile werden Pflegekräfte dafür rekrutiert, die dafür primär gar nicht ausgebildet sind, aber es


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ist trotzdem gut und richtig, weil wir diese Engpässe vermeiden wollen. Jedenfalls müssen wir von diesen Überlastungszahlen runter, und deshalb machen wir das! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Der Dank gilt aber natürlich auch vielen anderen, den Beschäftigten an den Supermarkt­kassen, den Paketzustellerinnen und Paketzustellern, die jetzt aufgrund dieser Situation wesentlich mehr zu tun haben, und Sie wissen, dass uns in der Bundesregierung auch die VolksschullehrerInnen, die KindergärtnerInnen, die Lehrerinnen und Lehrer auch in den oberen Stufen ein besonderes Anliegen sind und wir darauf achten, sie nicht aus dem Auge zu verlieren, weil sie es besonders schwer haben. (Abg. Belakowitsch: Aber die Kinder nicht! – Abg. Amesbauer: Sie quälen Kinder!) Es ist natürlich nicht leicht, sie erbringen unglaubliche Leistungen. Ja, auch das mit den Schulen ist immer ein Abwä­gen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sie wissen ganz genau, dass wir uns bemühen, die Schulen für den Regelunterricht so lange als möglich offen zu halten (Abg. Hafenecker: ... die Schulen auf! Die Kinder fürchten sich ...!), und wenn das nicht geht, auf Fernunterricht umzustellen.

Deshalb, glaube ich, verdient das einen besonderen Respekt. Es hat aber einfach keinen Sinn, so zu tun, als ob es in den Schulen gar kein Infektionsgeschehen gäbe. Ja, es ist geringer (Beifall bei Grünen und ÖVP), es wird in der Regel von den Erwachsenen hineingetragen, es wird von dort aber auch wieder herausgetragen, und wenn wir insgesamt mit dem Infektionsgeschehen runter müssen, dann ist das ein – ja! – schmerzlicher Kompromiss, aber eben ein Kompromiss, und das ist nicht immer nur schlecht. Das bringt uns weiter, insbesondere in einer Demokratie. (Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Belakowitsch.) Daran sollten Sie sich ein Beispiel nehmen! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es ist aber auch viel Positives passiert. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Kickl.) Es ist ja mit den Maßnahmen viel gelungen. Natürlich leben die Individuen, die Menschen, aber auch die Firmen, die Vereine, sozusagen alle, die eine Gemein­schaft ausmachen, jetzt in Unsicherheit. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Diese können wir aber nicht nehmen – jeder, der das behauptet, ist ein Scharlatan; es ist eine unsichere Zeit. Was wir aber machen können, ist, dort, wo wir können, mehr Sicherheit hineinzubringen und die Auswirkungen abzufedern. Vor diesem Hintergrund ist mit den Maßnahmen, glaube ich, nicht nur etwas, sondern sogar sehr viel gelungen. Auf dieser Basis können wir, gerade wirtschafts- und beschäftigungspolitisch, wieder hoffnungsfroh ins neue Jahr starten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Mit diesem Dreischritt: Retten – und zwar mehr als in anderen europäischen Ländern –, Überbrücken und aus der Krise Rausinvestieren, sind wir mit Sicherheit am richtigen Weg. Das betrifft zunächst natürlich die Sofortmaßnahmen. Es ist mittlerweile ein großes Hilfsnetz gespannt, auch für Einpersonenunternehmen, für Kleinstunternehmen bis hin zu den freien Dienstnehmern – denken Sie an den Härtefallfonds! (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Es gibt Fixkostenzuschüsse mehrerer Art, die auch immer mehr Kosten abdecken. Diese Art von Umsatzersatz ist ebenso einmalig und sonst nur in der Bun­desrepublik zu finden. Da wurde von jenen, die zuerst immer zu wenig Hilfen attestiert haben, dazwischengerufen, dass das eine Überförderung sei. – Ja, auf den Millimeter genau wird es nicht gehen! (Abg. Kassegger: ... Millimeter! ... Kilometer!)

Es ist aber so, dass diese Betriebe jetzt Liquidität und Möglichkeiten haben. Sie haben es schwer genug, deshalb machen wir das ja. (Abg. Hafenecker: ... Kunst und Kultur ...!) – Das gilt auch für den Kunst- und Kulturbereich, für den Sportbereich et cetera, darüber hinausgehend bis zu den Gemeinnützigen – ich darf den Non-Profit-Fonds erwähnen –, um das in Österreich so wichtige Gemeinschaftsleben der Freiwilligen, der


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Ehrenamtlichen, die ja trotzdem auch Kosten haben, aufrechtzuerhalten. (Abg. Amesbauer: Sie haben die Vereine zugesperrt!)

Das funktioniert rasch und einfach, und alle diese Fonds, nicht nur der NPO-Fonds, werden weit ins nächste Jahr hinein verlängert. – Wenn Sie meinen, wir haben da etwas zugesperrt, greife ich auch das gerne auf: Ja, zugesperrt haben wir wegen der Gesundheitskrise – das ist doch völlig logisch, darum ging es ja die ganze Zeit! Es gibt aber Maßnahmen, die dazu führen, dass auch diese Vereine, ob es jetzt Sport oder Kultur oder sonst etwas betrifft, ebenso wie die Betriebe halbwegs ins nächste Jahr starten können oder durchkommen, bis sich das ganze Infektionsgeschehen zurück­entwickelt hat.

Das Gleiche gilt, mit einem entsprechenden Sicherungspaket, für die sozialen Anliegen. Das wird ja immer wegdiskutiert – von mehreren Oppositionsparteien im Übrigen. Eine Steuerentlastung im Einkommensteuerbereich von 25 auf 20 Prozent, die vorgezogen wurde, ist schon etwas für die unteren und mittleren Einkommen (Zwischenruf des Abg. Kassegger), und jene, die keine Steuer zahlen, sondern nur Sozialversicherungs­beiträge, haben dort eine spürbare Entlastung erfahren. Wann haben Sie denn das das letzte Mal zusammengebracht? Erklären Sie uns das einmal! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Angerer.)

Dazu passend gibt es den Kinderbonus, der für alle Kinder gleich hoch ist. Dazu passend gibt es in einem Bereich, in dem wir uns zwar nicht immer einig waren, einen Kom­promiss – wenn man das so ansprechen darf –: Es gibt 900 Euro für Arbeitslose. (Abg. Kickl: Kogler, das wird nichts mehr!) Es gibt die Erhöhung der Notstandshilfe. Ob Ihnen das passt oder nicht: 900 Euro sind für jemanden, der wenig Arbeitslosengeld kriegt, doch nicht so wenig. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Wie abgehoben muss man sein, das als Kleinigkeit abzutun, wenn man hier die Relationen nicht erkennt? (Abg. Kickl: Ja, über Politiker diskutieren wir ...!)

Die Bedeutung der Kindergärten und der Schulen habe ich vorhin schon hervorgehoben.

Abschließend: Die zukünftigen Maßnahmen betreffend die Arbeitslosigkeit werden den Lehrlingsbonus, den es schon gibt, und den Weiterbildungsbonus umfassen. Das betrifft 50 000 Personen und viele Tausende Lehrlinge. Die Arbeitsstiftung, die jetzt Schritt für Schritt aufgegleist wird, immerhin in einem Rahmen von 700 Millionen Euro, kann bis zu 100 000 Menschen positiv betreffen, sodass wir da, was die Beschäftigungslage anbelangt, in eine entsprechende Umsteuerung kommen.

Apropos Umsteuerung: Für die Investitionen gilt das am Allermeisten. Wir haben eben nicht gesagt: 2021/2022 ist nach der Krise. Viele der Investitionsvorhaben greifen natürlich zum Teil schon jetzt, das meiste aber in den Jahren 2021 und 2022, genau dort, wo es richtigerweise hingeht, wo es am meisten gebraucht wird, nämlich um sozusagen die ökologischen PS auf die Piste zu bringen. (Abg. Hafenecker: Aber warum erhöhen Sie ... in der Phase?)

Da passt auch die angesprochene Gemeindemilliarde hinein, die sich mittlerweile auf 2,5 Milliarden Euro ausgewachsen hat. Ich weiß, dass das manchen immer noch zu wenig ist, aber es sind gute Grundlagen, es sind große erste Schritte. Diese haben ein klares Ziel, in dieses Ziel wird investiert, und das hat bekanntermaßen etwas mit Zukunft zu tun. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Tatsächlich ist es so, dass wir bei dieser Krise, wie viele Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher uns sagen, gerade im deutschsprachigen Raum anders aus der Kurve herauskommen, als wir hineingefahren sind (Abg. Hafenecker: Ja, verkehrt!) – nicht rausfliegen, wie es der Fall wäre, wenn man auf Sie hören würde, sondern anders


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herauskommen: Wir modernisieren die Wirtschaft bei dieser Gelegenheit, wir konser­vieren sie nicht nur.

Das hat mit Digitalisierung und mit Ökologisierung zu tun (Zwischenrufe der Abgeord­neten Belakowitsch und Deimek), und ich möchte mich mit den vielen Klimaschutz­milliarden, die budgetiert wurden, gar nicht mehr aufhalten, ich möchte aber neben der Kurzarbeit, die wirklich großartig und in Europa auch einmalig ist (Zwischenruf des Abg. Hafenecker) – das ist aber konservierend, das weiß ich –, ein Instrument herausgreifen: die Investitionsprämie. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Bei der Investitionsprämie geht es jetzt bald in Richtung 3 Milliarden Euro staatlicher Unterstützung. Das erzeugt eine Hebelwirkung im zweistelligen Milliardenbereich, und diese würde es nicht geben, wenn das nicht gemacht worden wäre, weil sich alle zurückhalten, weil eben Unsicherheit herrscht – das ist das Grundprinzip in der Ökono­mie. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Wir versuchen, indem wir diese Hilfsmaßnahmen setzen, diese Unsicherheit so gut wir können zu beseitigen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Da möchte ich ausdrücklich die Bemühungen der Wirtschafts- und Digitalisierungs­ministerin, die gerade neben mir sitzt, besonders positiv erwähnen: Das ist eine ein­malige Erfolgsgeschichte! Schauen Sie, wie viel dort abgerufen wird, genau für diese Modernisierung! Für uns ist das natürlich besonders interessant – ich sehe die Abge­ordneten der grünen Fraktion jetzt nicken (Beifall bei Grünen und ÖVP) –, ich sehe das aber auch immer stärker bei der ÖVP, und das ist gut so. Die Ökologisierung ist die Zukunft der Wirtschaft. Da liegen die Arbeitsplätze! Klimaschutz schafft Jobs – so einfach ist das. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Wenn wir keinen Klimaschutz machen würden, dann würden wir eh sehen, wo wir an anderer Stelle hinkommen.

Abschließend aber möchte ich (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ) noch einmal an eine gemeinsame Kraftanstrengung appellieren, auch wenn es hier im Parlament unter­schiedliche Meinungen gibt. Ich weiß das, das ist auch gar kein Problem, das muss so sein, das soll so sein. Ich möchte mich auch ausdrücklich bei der sozialdemokratischen Fraktion bedanken, weil es da mehr Austausch gibt (Abg. Belakowitsch: Bitte! Die stimmen ja immer mit! – Widerspruch bei der FPÖ) – ja, dass es Ihnen schadet, weiß ich eh –, namentlich bei Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner, mit der wir doch ein halbwegs gutes Einvernehmen haben, obwohl es nicht immer leicht ist, in diesen Zeiten überhaupt regelmäßig Kontakt zu halten. Ich möchte das ausdrücklich positiv erwähnen. – Danke dafür. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Insgesamt gilt: Wenn wir weniger spalten und mehr zusammenhalten, dann werden wir gemeinsam durch diese Krise kommen. Wir sind eh auf den letzten Kilometern, also: durchhalten und zusammenhalten! – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

13.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kucher. – Bitte.


13.59.23

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Regierungsmitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei allem Dank, den wir jetzt gehört haben: Ich weiß nicht, wie es euch allen, kurz vor Weihnachten, geht, wenn ihr an die Menschen denkt, die diese Krise sehr hart trifft, die vielleicht sogar Angehörige verloren haben. Mir fällt immer ein, wie eine Mutter, die ihren Job verloren hat – sie hat mir das telefonisch mitgeteilt –, jetzt vor Weihnachten zu Hause sitzt. Wie soll sie ihrer Tochter, die nicht hat


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in die Schule gehen können, Hoffnung und Zuversicht geben? Es gibt Betriebe, die nicht wissen, wie es weitergeht, Menschen, die um ihre Existenz bangen.

Wie kann es sein, wenn man weiß, wie es den Menschen in Österreich gerade geht – wie wir vom Herrn Bundeskanzler und vom Herrn Vizekanzler gehört haben –, dass man das Gefühl hat, es geht eigentlich nur um einen Beliebtheitswettbewerb? Sebastian Kurz hat mehrmals erklärt, wie gut man sei, wie entschlossen man nicht agiert habe, Werner Kogler hat sehr oft erklärt, wie toll wir durch die Krise gekommen sind: Wir in Österreich haben in Europa einmalig reagiert, das ist eine Erfolgsgeschichte! (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Denkt man jetzt an diese Mutter, die ihrer Tochter vor Weihnachten Zuversicht geben soll: Hat die irgendetwas davon, wenn uns die Bundesregierung erklärt, wie super die Bundesregierung ist? (Zwischenruf bei der ÖVP.) Haben wir irgendetwas davon, wenn wir uns gegenseitig Gschichtln erzählen, anstatt kritisch zu überlegen, wie wir es besser machen können? (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Bei jedem Einsatz im Rettungsdienst, bei der Feuerwehr überlegt man sich nach dem Einsatz, bei der Krisenevaluierung und auch mittendrin: Was hätte man besser machen können? Niemand hat etwas davon, wenn wir jetzt Gschichtln drucken und uns erzählen, wie toll Österreich ist. Die Zahlen in Österreich sind im November – in Relation – so hoch gewesen wie nirgendwo sonst auf der Welt. Heute hören wir, das ist eine einmalige Erfolgsgeschichte. Das ist den Menschen gegenüber, die stark betroffen sind, eine unwürdige Erzählung. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Sebastian Kurz – ich sage es dir jetzt ganz offen, bei allem persönlichen Einsatz –, du hast gesagt, wir müssen bei den Testungen auf indirekten Zwang setzen, es ist not­wendig, es ist der Ausweg, der geblieben ist. Ich frage jetzt ganz ehrlich – mitten in der Krise ist das für mich eigentlich dramatisch –: Was ist denn passiert, dass du persönlich das Vertrauen verloren hast, dass du nicht mehr in der Lage bist, die Menschen mitzunehmen, zu überzeugen? Wann ist die Kraft der Überzeugung – du hast gesagt, du kannst Menschen dafür begeistern, dass sie sich testen lassen – verloren gegangen? Mitten in dieser Krise ist doch irgendetwas passiert!

Indem wir uns gegenseitig anlügen, wird es nicht besser werden. Sebastian, war es vertrauensbildend, als du gesagt hast, man muss den Menschen Angst einjagen, man muss ihnen erzählen, dass Oma und Opa vielleicht sterben werden? War es vertrauens­bildend, als du im Kleinwalsertal Selfies gemacht hast? War es vertrauensbildend, als die Coronaapp kaputt gemacht wurde? War das, was in Österreich mit der Teststrategie passiert ist, vertrauensbildend? Da sind doch viele, viele Dinge nicht so gelaufen, wie sie hätten laufen sollen. (Abg. Melchior: Jetzt ist es aber genug ...! – Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.)

Sebastian, wenn wir nicht ändern, wie du über die Opposition drüberfährst, wenn wir diesen Weg nicht ändern, wenn wir nicht miteinander schauen, dass wir diese Krise ideal lösen, dann wird es auch nicht besser werden. Es ist leider sehr, sehr viel passiert, das Vertrauen gekostet hat. Gerade vor Weihnachten müssten wir darüber nachdenken, wie wir da wieder besser werden können. Sebastian, Selbstlob bringt uns nicht weiter. (Beifall bei der SPÖ.)

Andere Staaten haben sehr kritisch überlegt, was man denn besser machen kann, weil es eben um Menschenleben geht – das ist ja kein Spiel, das ist kein Beliebtheits­wett­bewerb, bei dem man mit einem verkleideten Babyelefanten posiert und sich fotogra­fieren lässt. Das löst doch keine Probleme in Österreich! Schauen wir doch, dass wir besser werden und das Krisenmanagement verbessern! (Zwischenrufe der Abgeord­neten Melchior, Ottenschläger und Pfurtscheller.)


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Ich frage auch offen – betreffend die Kritik an der ÖVP –: Sebastian, was hat dich denn aufgehalten? Was hat dich aufgehalten, eine Teststrategie für die Pflegeheime zu entwickeln? Was hat dich aufgehalten, im Sommer die Schulen sicherer zu machen? Was hat dich aufgehalten, gewisse Berufsgruppen jetzt schon proaktiv zu testen? Wir haben da so viele Vorschläge gehört. Pamela Rendi-Wagner – weil das heute oft angesprochen wurde – schlägt seit Mai vor, die Screeningprogramme auszuweiten, die Teststrategie zu verbessern, sensible Berufsgruppen proaktiv zu testen. Wir diskutieren das seit Mai (Zwischenruf des Abg. Lausch), irgendwann im Jänner soll es – spät, aber doch – umgesetzt werden. Das ist leider der österreichische Weg.

Andere Staaten haben gesagt: Man setzt auf Expertinnen und Experten und holt sie mit an Bord. In Österreich hat die Politik gesagt: Wir machen das alles allein! Wir brauchen keinen Christian Drosten, wir haben Elli Köstinger! Die wird das mit den Testungen schon hinkriegen! – So funktioniert doch Krisenmanagement nicht! Da geht es um Menschen­leben! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Ich bitte jetzt wirklich, gerade vor Weihnachten: Erzählen wir uns bitte nicht gegenseitig, was wir heute gehört haben, erzählen wir uns nicht gegenseitig, wie super Österreich ist – das ist blanker Hohn, wenn man den Menschen in die Augen schaut, die jetzt zum Beispiel gerade im Krankenhaus arbeiten! (Ruf bei der ÖVP: Es ist blanker Hohn, was du daherredest!) Überlegen wir uns bitte über die Weihnachtsfeiertage, was in Österreich eben nicht funktioniert hat und wie wir es gemeinsam besser machen können! Von dem Lob, das sich Kanzler und Vizekanzler jetzt gegenseitig ausrichten – wie super sie sind –, hat kein Mensch in Österreich, der von dieser Krise betroffen ist, etwas. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

14.04


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte.


14.04.43

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Bevor ich zu den Notizen für meine heutige Rede komme, möchte ich Philip Kucher noch etwas sagen. (Abg. Vogl: Dass er super war!) Philip, als Mitglied einer Einsatzorganisation müsstest du wissen, dass man nach dem Einsatz evaluiert und nicht mittendrin. (Zwischenrufe bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.) Das ist ganz einfach so.

Das, was diese Bundesregierung seit März macht und wir hoffentlich alle mittragen, ist, einen Kampf gegen die Pandemie zu führen. Ich freue mich, dass es im Gesund­heits­ausschuss über weite Strecken – zumindest unter vier Fraktionen in diesem Haus, und da schließe ich dich mit ein, Philip – trotz unterschiedlicher Ansichten gelungen ist, miteinander mit Respekt und Anstand umzugehen. Deine jetzige Rede nehme ich davon aus. (Abg. Brandstätter: Was war jetzt respektlos?) Ich stehe aber nicht an, mich bei allen, die das mitgetragen haben, zu bedanken, auch bei deiner Parteiobfrau, die über weite Teile wirklich konstruktive Beiträge geleistet hat. Nur eine Fraktion hat nichts dazu beigetragen, eine Fraktion spaltet von Anfang an und versucht, die Bevölkerung zu trennen, und das ist wirklich nicht zu goutieren. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Amesbauer: Wer spaltet wen? Sie schaffen eine Zweiklassengesellschaft!)

Wir versuchen seit März, unser solidarisches Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Ich sehe schon wieder, dass viele die Augen verdrehen und gleich Kommentare dazu kommen werden. (Abg. Belakowitsch: Super! 80 Prozent mehr Herzinfarkte! – Zwi­schenruf des Abg. Hafenecker.) Ich stehe auch nicht an, mich noch einmal bei allen zu


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bedanken, die dazu beigetragen haben. Das ist auf der einen Seite auf diejenigen zurückzuführen, die in diesem System arbeiten, und auf der anderen Seite auf dieje­nigen, die die Maßnahmen mittragen – das ist ein Großteil der Bevölkerung, und des­wegen sind wir im Moment in der glücklichen Situation, eine Stabilisierung der Lage zu erleben. Der Lockdown hat geholfen. (Abg. Amesbauer: Scheinbar nicht!) Wir wollen uns in Richtung eines weiteren Senkens der Zahlen hinbewegen (Abg. Belakowitsch: Merken Sie den Widerspruch?), wir wollen dieses System nicht bis zum Letzten ausreizen. Das ist uns nach wie vor extrem wichtig, damit unterstützen wir die Ärzte­schaft und die Pflege.

Ich habe gestern in einem Leitartikel einer Zeitung gelesen (Abg. Hafenecker: In der „Kronen Zeitung“ vermutlich! – Zwischenruf der Abg. Steger), dass Menschen, die ihren Dienst in der Pflege leisten – wenn Sie nicht den Experten und Politikern glauben, dann glauben Sie vielleicht denen –, seit März 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche, und das unter unheimlichem Druck, arbeiten. – Danke dafür. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Amesbauer: Hören Sie auf, diese Leute vor den Karren zu spannen!)

Jeder und jede von uns kann etwas dazu beitragen, indem wir Mund-Nasen-Schutz tragen, Abstand halten, auch wenn es jedem von uns wirklich schwerfällt – gerade jetzt vor Weihnachten. Ich kann das gut nachempfinden, es wird nicht möglich sein, in gewohnter Art und Weise Weihnachten zu feiern (Abg. Belakowitsch: Oh ja! – Abg. Amesbauer: Ich mache das so wie immer!), aber es wird ein nächstes, ein anderes Weihnachten geben. Ich bitte Sie inständig, sich heuer daran zu halten.

Wir können noch etwas dazu beitragen, nämlich uns testen zu lassen. Ich verstehe eigentlich überhaupt nicht, wie man offenen Auges, ungetestet und nicht wissend, ob man infiziert ist und das Virus weitertragen kann, zu seinen Nächsten gehen kann. (Abg. Amesbauer: Das geht ganz super! – Abg. Belakowitsch: 80 Prozent der Österreicher machen das so!) Gerade die Liebsten gilt es doch, zu schützen. Das verstehe ich nicht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich zitiere jetzt: „Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt flächendeckende Tests. Nur wenn man weiß, wie viele Menschen tatsächlich das Virus in sich tragen und es damit auch weitergeben können, können die Bemühungen im Kampf gegen die weitere Verbreitung optimiert werden. Ich verstehe die ablehnende Haltung des Gesundheits­ministers in dieser Frage absolut nicht.“ – Frage: Von wem stammt dieses Zitat? – Von Norbert Hofer. (Abg. Michael Hammer: Den haben Sie heute versteckt!) Dann kommt von Ihnen die Aufforderung zu einer Blockade der Tests – das muss ich jetzt wirklich nicht verstehen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

Die Pandemie ist kein österreichisches Phänomen, die Pandemie ist weltweit nach wie vor eines der größten Probleme der letzten 100 Jahre – eine Gesundheitskrise, die eine Wirtschaftskrise zur Folge hat. Ich möchte auch weiterhin auf die Solidarität pochen, die wir dem Gesundheitssystem und unseren Mitmenschen entgegenbringen können: Halten wir Abstand, tragen wir Masken, waschen wir uns die Hände, lassen wir uns testen! Ich bitte Sie, behalten Sie das immer im Hinterkopf, auch für die nächsten Tage. (Abg. Hafenecker: Der Bundeskanzler hat gesagt, die Masken bringen nichts! – Zwi­schenruf des Abg. Amesbauer.)

Ich bedanke mich bei allen, die diese Maßnahmen mittragen, und ich wünsche Ihnen ein besinnliches, ruhiges Weihnachtsfest, in der Hoffnung auf ein Jahr 2021, das uns auch durch die Impfungen, auf die mein Kollege Josef Smolle dann eingehen wird, Erleichterungen bringen wird. Danke an alle, die mithelfen. – Bleiben Sie gesund! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

14.09



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Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Klubobmann Herbert Kickl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Klubobmann.


14.09.38

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich frage mich: Was ist denn da eigentlich los, Herr Bundeskanzler und Herr Vizekanzler? Was ist in den letzten Stunden passiert, dass Sie sich heute hierherbequemt haben und eine Erklärung abgegeben haben, deren inhaltlicher Neuigkeitswert unter der Nullgrenze liegt? Was ist da passiert?

Sie haben bis zum gestrigen Tag um 11.30 Uhr nicht eine Millisekunde lang daran ge­dacht, diesem Hohen Haus Ihre Aufwartung zu machen, angesichts der Bombe, die Sie der österreichischen Bevölkerung unter den Christbaum gelegt haben – eine Bombe in Sachen Freiheitsberaubung und eine Bombe in Sachen Wirtschaftsentwicklung nach unten. Sie ist das Weihnachtsgeschenk dieser Bundesregierung an die österreichische Bevölkerung, und zur Detonation bringen wollen Sie sie Mitte Jänner des kommenden Jahres. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben sich gedacht, Sie machen das wie immer: Sie machen eine Verkündigungs­pressekonferenz, dann schleichen Sie sich in den Weihnachtsurlaub, und den Rest - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann Kickl, ich habe natürlich mitbekommen, dass es eine unüberhörbare Verschärfung des politischen Tonfalls gibt, aber wir haben uns Regeln gesetzt, und ich würde Sie wirklich ersuchen, diese auch einzuhalten und sich in der Ausdrucksweise zu mäßigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Steger: Er kann nicht! – Abg. Hafenecker: Schleichen ist leise gehen!)


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Frau Präsidentin, wenn Sie mir dazu nur eine Anmerkung gestatten: Ich glaube, man sollte sich als Präsident des Nationalrates, was die Vorsitzführung betrifft, ein anderes Beispiel als ausgerechnet Wolfgang Sobotka nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat auf jeden Fall das Eingreifen der Freiheitlichen gebraucht, dass wir in einer Pressekonferenz gesagt haben: so nicht, meine Herrschaften vonseiten der Bundesregierung, so nicht! Dann haben Sie die Flucht nach vorne angetreten, weil wir Sie heute ohnehin hierherzitiert hätten, und haben gesagt: Ich komme vorbei und gebe eine Erklärung ab! – Was nützt das aber, wenn der Inhalt das Gleiche ist, was wir ohnehin schon bei der letzten Pressekonferenz gehört haben, was wir kennen? Was nützt das, wenn es der gleiche Unsinn ist, wenn es die gleichen Gemeingefährlichkeiten sind, wenn es die gleiche Schönfärberei von Dingen ist, die man nicht schönfärben kann? (Abg. Kirchbaumer: „Gemeingefährlichkeiten“ ...!)

Herr Bundeskanzler, Sie hätten heute hier eine riesige Chance gehabt, nämlich das einzig Sinnvolle und Vernünftige zu tun: einmal in einer schwierigen Situation Verant­wortungsbewusstsein zu zeigen, einmal so vorzugehen, wie ein Staatsmann es getan hätte. Sie stellen sich ja so gerne neben einem gewissen Herrn Figl in die Ahnengalerie. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Richtig und staatsmännisch wäre es gewesen, sich hierherzustellen und sich bei der österreichischen Bevölkerung zu entschuldigen, zu sagen: Jawohl, ich sehe ein, das war zu viel! Ich sehe ein, so kann man es nicht machen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher, eure Freiheit ist mir heilig! Asche auf das Haupt des Bundeskanzlers! – Das wäre die einzig vernünftige Vorgangsweise gewesen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich weiß nicht: Lesen Sie Ihre eigene Post nicht? Kriegen Sie nicht mit, was sich bei Ihnen auf Social Media abspielt? Sind Sie in Ihrer Blase mitsamt Ihren Beratern, die Ihnen diese ganze neue Normalität eingebrockt haben, wirklich schon so abgekapselt?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 20

Sind Sie in einem Paralleluniversum unterwegs, dass Sie das alles nicht mitbekommen? Sie haben heute eine riesige Chance ausgelassen.

Was Sie tun, ist: Sie arbeiten weiter mit Ihrer Lockdownbombe, und Sie bereiten in Österreich ein System der Testapartheid vor. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Nichts anderes ist das, was Sie auf den Weg bringen. Damit begehen Sie insgesamt einen Anschlag mehr auf die österreichische Wirtschaft – als ob diese mit Ihrer Politik der Verunsicherung und mit den Hilfen, die im Nirgendwo herumschwirren und bei denen viele bis heute auf einen Euro warten, noch nicht genug gestraft wäre.

Es ist der nächste Anschlag auf die Arbeitsplätze in Österreich. Ja, gibt es immer noch nicht genügend Arbeitslose und Leute in Kurzarbeit, dass Sie so weitermachen, mit einem dritten Lockdown?

Sie machen einen Anschlag auf das Bildungssystem. Haben unsere Kinder in den ver­gangenen Monaten noch nicht – ohne Not – genug Stoff versäumt, als Sie das Kunst­stück zustande gebracht haben, die Schulen gleichzeitig aufzusperren und zuzu­sperren? Einen solchen Unsinn muss man auch erst einmal zustande bringen.

Sie machen auch einen Ansch- -


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann Kickl, es ist jetzt das zweite Mal. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Wurm. – Abg. Wöginger: „Testapart­heid“!) – Ich führe den Vorsitz. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, dass zustimmender Applaus oder auch ablehnende Gesten zu Regelungen, die wir uns betreffend Vorsitzführung in der Geschäftsordnung gegeben haben, nicht erforderlich sind.

Herr Klubobmann, ich fordere Sie auf, das Wort „Unsinn“ zurückzunehmen. Andernfalls erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Zwischenruf des Abg. Kassegger. – Abg. Steger: Was soll er denn sagen statt „Unsinn“?) Ich ersuche Sie, den Begriff zurückzunehmen, Herr Klubobmann, dann können Sie in Ihrer Rede fortfahren.


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Frau Präsidentin! Ich nehme diesen Begriff nicht zurück, und ich lasse - -

14.15.21*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann Kickl, dann erteile ich Ihnen für den Ausdruck „Unsinn“ einen Ordnungsruf. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

*****

14.15.30


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle hiermit einmal mehr fest, dass vonseiten des Parlamentsausgucks – und jetzt nicht mehr nur durch Präsidenten Sobotka – hier versucht wird, eine Territorialverengung vorzunehmen, was das freie Wort betrifft. Das Parlament ist der Ort des freien Wortes, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann Kickl, ich weise den Vorwurf der Ein­schrän­kung der freien Rede hier im Nationalrat unter meiner Vorsitzführung auf das Schärfste zurück.

Ich weise Sie darauf hin, dass wir eine Geschäftsordnung haben, die von allen Frak­tionen mitgetragen wird, und daher würde ich Sie ersuchen, sich auch daran zu halten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 21

(Abg. Amesbauer: Da steht drin, dass er nicht „Unsinn“ sagen darf? – Abg. Hafenecker: Aber doch nicht das Wort „Unsinn“! Nicht böse sein!) Ich tue das in Unabhängigkeit, ent­­sprechend meines Amtsverständnisses, was die Vorsitzführung hier im Parlament betrifft.

Sie können jetzt mit Ihrer Rede fortfahren.


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Frau Präsidentin, ich kann nur eines dazu sagen: Es ist beschämend, aber es passt in diese Zeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren vonseiten der Regierung! Nicht zu vergessen: Es gibt noch einen Anschlag, den Sie mit dieser Weihnachtsbombe durchführen, und das ist der Anschlag auf die Freiheit unserer Bevölkerung in Form eines Erpressungs­versuchs, der da lautet: Massentests oder Hausarrest!

Es ist eine Art gesundheitspolitische Schutzhaft, die Sie in Österreich einführen wollen, und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Besser als das in Ihren Plänen für den Jänner vorgesehen ist, hätten das Honecker und seine SED auch nicht hingebracht. Sie sollten sich schämen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Meine Damen und Herren! Das Ganze macht gesundheitspolitisch überhaupt keinen Sinn. Jetzt frage ich Sie, Herr Bundeskanzler und Herr Vizekanzler: Haben Sie jemals für 1 Minute die Teststrategie Ihres Gesundheitsministeriums durchgelesen? Haben Sie da einmal 1 Minute lang hineingeschaut? Sie brauchen gar nicht das ganze Papier zu lesen, es genügt die Zusammenfassung. Da steht nämlich schwarz auf weiß drinnen, dass diese Massentests, in denen Sie jetzt ein Allheilmittel sehen, kontraproduktiv und sinnlos sind. Das sagen Ihre eigenen Experten im Gesundheitsministerium.

Ich weiß nicht, ob Sie sich die Ohren zuhalten, wenn Ihnen verschiedene Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen der Wissenschaft sagen – in Deutschland zum Bei­spiel das Paul-Ehrlich-Institut, zuständig für die Impfstoffe, eine erste Adresse in Sachen wissenschaftlicher Exzellenz –, dass diese Massentests, die Sie einführen, noch um vieles ungenauer sind als die ohnehin schon ungenauen PCR-Tests.

Warum lassen Sie sich auf dieses ganze Spiel ein? Haben Sie jemals irgendetwas von Studien anerkannter Wissenschafter gehört, die klipp und klar zum Ausdruck bringen, dass von symptomlosen Menschen eigentlich keine Gefahr, das Virus zu übertragen, ausgeht? Wie kann man das alles nur so ignorieren, wie Sie das tun? Ich verstehe das nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Symptomlosen sind es, auf die Sie jetzt Jagd machen. (Abg. Amesbauer: Das sind eigentlich Gesunde!) Es sind die Symptom­losen, die Sie jetzt mit einem unglaublichen Aufwand jagen. 70 Millionen Euro kosten allein diese Tests, die Sie überteuert angekauft haben. Ich möchte gar nicht wissen, was die gesamte Logis­tik kostet, die Sie auf die Beine gestellt haben und auf die Beine stellen werden, um die Symptomlosen aus der Bevölkerung herauszufischen, obwohl es keine wissen­schaft­liche Evidenz gibt, dass diese Leute Überträger sind. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Da darf man sich dann auch nicht wundern, dass sich die Menschen das nicht gefallen lassen. Die haben doch durchschaut, dass Sie da mit Tricks arbeiten.

Wie kann man einen Test, der gute 24 Stunden Gültigkeit hat und Anfang Dezember eingesetzt wird, dazu verwenden, dass man sagt: Lasst euch testen, weil damit das Weihnachtsfest gerettet ist?! Kennen Sie sich im Kalender nicht aus? Das passt doch hinten und vorne nicht zusammen. Die Bevölkerung hat das durchschaut, und deswegen haben Sie in der ersten Testphase einen riesigen Bauchfleck gelandet.

Jetzt kommt die zweite Phase, weil das halt nicht so sein darf, jetzt kommt die Erpres­sung. Jetzt werden diejenigen für eine Woche eingesperrt, die sagen: Ich mache da nicht


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mit, weil es medizinisch bewiesen sinnlos ist! Die sperren Sie jetzt eine Woche ein oder statten sie mit FFP2-Masken aus – ich weiß nicht, vielleicht wollen Sie sie auch noch einfärben, damit man sie besser erkennen kann – und stigmatisieren dann diese Leute als angebliche Gefährder der Gesundheit der Bevölkerung. Es ist schäbig, was da betrieben wird, das sage ich Ihnen auch ganz deutlich! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich würde das als Psychoterror gegenüber der eigenen Bevölkerung bezeichnen. Also gesundheitspolitisch macht es keinen Sinn, aber Sie sind trotzig wie ein kleines Kind. Die Bevölkerung ist Ihnen nicht gefolgt: Jetzt zeige ich es Ihnen! – Das ist jetzt das neue Motiv. Zum Zweiten müssen Sie ja den Plunder, den Sie angekauft haben, auch irgend­wo an den Mann und an die Frau bringen. Was machen Sie denn jetzt mit diesen ganzen Tests (Abg. Hafenecker: ... Millionen ...!), nachdem die österreichische Bevölkerung aus einem guten Gefühl heraus gesagt hat: Das bringt doch alles nichts!, und zu Hause geblieben ist? Das ist der Punkt! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dann gibt es noch etwas ganz Wesentliches: Es zeigt, wohin die Reise geht. Ihr eigent­liches Ziel ist die Durchimpfung der österreichischen Bevölkerung. Wenn es freiwillig nicht geht, dann kommt der Zwang. Was jetzt bei den Tests eingeführt wird, ist dasjenige, was die Österreicher im Zusammenhang mit der Impfung erwartet, wenn sie Ihnen aus guten Gründen, aus der Skepsis heraus, die man gegenüber einem noch nicht aus­gereiften Produkt durchaus haben kann, ohne dass man ein Aluhutträger ist, die Gefolg­schaft verweigern wollen. Dahin geht die Reise, in Richtung einer Zwangsimpfung! (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Traurige Zustände haben wir in Österreich Ende 2020/Anfang 2021 erreicht! Einen Regierungschef, einen Feschisten, der nicht davor zurückschreckt (Ruf bei der ÖVP: Hallo!), die eigene Bevölkerung der Pharma­industrie als Versuchskaninchen auszuliefern. Ich halte das für skandalös. Herr Bun­deskanzler, Sie sollten sich schämen! Ich sage Ihnen, Sie werden den Anforderungen nicht gerecht, die das Amt des Bundeskanzlers, das Sie bekleiden, eigentlich an eine Person stellen würde. Sie werden ihnen nicht gerecht! (Beifall bei der FPÖ.)

Rechnen Sie mit dem härtesten Widerstand der Freiheitlichen Partei auf allen Ebenen hier herinnen, natürlich auch auf juristischer Ebene, selbstverständlich, und auch außer­halb dieses Hauses, denn wir wissen, dass wir auf der Seite der Bevölkerung stehen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wo Sie stehen, wird sich erst weisen: Die Pharmaindustrie haben wir schon einmal herausdestilliert.

Noch etwas: Oft ist es ja nur die Betonung eines einzigen Wortes und ein Sinn verkehrt sich ins gerade Gegenteil: Wenn man sagt: der Kurz-Kogler-Weg, dann ist das die falsche Alternative; wenn man sagt: Kurz/Kogler – weg!, dann passt’s! (Beifall bei der FPÖ.)

14.22


Präsidentin Doris Bures: Da betreffend die Ausdrucksweise einige Formulierungen gefallen sind, die ich und auch die Stenografin sowie die Parlamentsdirektion teilweise nicht genau gehört haben, werde ich dem nachgehen, das Protokoll der Rede anfordern und dann eine Entscheidung treffen.

Mir liegt eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung vor. – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Kassegger.

*****


14.23.40

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Ich melde mich zur Geschäftsbehandlung, um noch einmal auf Ihren


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 23

Ordnungsruf einzugehen, den Sie unserem Klubobmann Kickl für das Wort „Unsinn“ erteilt haben.

Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen, die Geschäftsordnung sieht vor: „Wenn jemand [...] den Anstand oder die Würde des Nationalrates verletzt, beleidigende Äußerungen gebraucht, Anordnungen des Präsidenten nicht Folge leistet oder gegen Geheimhal­tungs­verpflichtungen [...] verstößt“, dann ist ein Ordnungsruf zu erteilen. (Abg. Steinacker: ... Ausdrucksweise!)

Wir stellen fest, dass in den letzten Wochen und Monaten – möglicherweise liegt das auch am Zugang zu einer Gesprächskultur beziehungsweise zum Aussprechen von Verboten und Ordnungsrufen von Präsidenten Sobotka – immer öfter Ordnungsrufe für Formulierungen, die unseres Erachtens weder die Würde des Nationalrates verletzen noch beleidigend noch sonst etwas sind, erteilt werden.

Wir stellen hier eine Entwicklung fest, die unseres Erachtens besorgniserregend ist. Nach unserem Selbstverständnis ist das Parlament – parlare – ein Ort, wo akzentuiert, pointiert, durchaus auch mit scharfen Formulierungen diskutiert werden kann und sogar muss. Wir stellen mit Sorge fest, dass diese Entwicklung, was die Ordnungsrufe betrifft, mittlerweile so weit gediehen ist, dass man für das Wort Unsinn einen Ordnungsruf bekommt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Unseres Erachtens ist das ein Unsinn, und ich beurteile das jetzt in der Sache und nicht ad personam, und ich würde Sie bitten, das Protokoll noch einmal genau zu lesen. Sie selbst haben nämlich 2012 Kollegen Rossmann einen Ordnungsruf genau für das Wort Unsinn erteilt – er hat sich aber auf eine Person bezogen. Meiner Wahrnehmung nach hat unser Klubobmann Kickl das Wort Unsinn in einem inhaltlichen Zusammenhang verwendet, indem er die Politik der Regierung kommentiert hat. Wenn das nicht mehr zulässig ist, dann müssen wir uns wirklich ernsthaft überlegen, wozu wir überhaupt noch im Parlament Diskussionen führen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.25


Präsidentin Doris Bures: Ich frage, ob es weitere Wortmeldungen zur Geschäfts­ordnung gibt. – Das ist nicht der Fall.

Dann möchte ich festhalten, dass ich in der Vorsitzführung sehr darauf achte, weder den Inhalt einer Rede noch in irgendeiner Form die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Inhalts einer Rede zu bewerten. Das ist nämlich das Element der freien Rede im österreichi­schen Nationalrat, das ich auch, und darauf können Sie sich verlassen, mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen werde.

Worauf ich aber hinweise, ist – Sie haben es auch erwähnt –: Es geht nicht darum, dass es einen Katalog an Wörtern gibt, die man verwenden darf oder nicht, sondern es liegt erstens in der Entscheidung der Vorsitzführung, ob man in einem Diskussionsverlauf die Würde des Hauses verletzt fühlt oder nicht, und es liegt zweitens am Kontext, in dem diese Wörter ausgesprochen werden. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Es stimmt, wenn es eine allgemeine Formulierung eines Unsinns ist, die keine Diffa­mierung oder persönliche Beleidigung darstellt, dann ist das nicht ordnungsrufwürdig; ich werde mir das dann im Protokoll anschauen. Ich weise nur darauf hin – deshalb will ich ja das Protokoll –, dass es zu einer Reihe an der Grenze befindlicher Termini in dieser Rede gekommen ist. (Zwischenruf der Abg. Steger.) In der Frage von „Erpressung“, „Psychoterror“ und „schäbig“ übersteigt es das, was wir als mit der Würde des Hauses vereinbar ansehen, und verletzt diese daher. Deshalb habe ich auch gesagt, dass ich mir das Protokoll der Rede kommen lassen werde, ich werde mir das ansehen.

Es ist mir wichtig, wie gesagt, noch einmal darauf hinzuweisen, dass ich unter meiner Vorsitzführung alles tun werde, um diese freie Rede zu verteidigen, ich aber auch darauf


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achten werde, dass die Regeln, die wir uns selbst gegeben haben, eingehalten werden. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

*****

Wir gehen jetzt in der Rednerliste weiter. Zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Sigrid Maurer. – Bitte.


14.28.05

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Mitglieder der Regierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zur Wortwahl des Herrn Kickl habe ich auch in meinen letzten Reden schon ausführlich Stellung nehmen müssen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich finde es schon einigermaßen amüsant, dass ausgerechnet von Ihnen, Herr Kickl, Tipps dazu gegeben werden, wie man sich staatsmännisch verhalten soll (Heiterkeit bei Abge­ordneten der ÖVP), denn ausgerechnet Sie haben ja Ihre Vorstellung davon, was staatsmännisch ist, ausführlich mit Fantasieuniformen und dem Einfärben des Ministeri­umsteppichs in der Parteifarbe zur Schau gestellt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich glaube nicht, dass das der Vorstellung von staatsmännisch entspricht. (Beifall bei Grü­nen und ÖVP. Abg. Kickl: ... Polizeifarbe!)

Ich darf auch daran erinnern, warum wir Grüne überhaupt Teil dieser Regierung sind (Abg. Kickl: Das ist die Farbe der Polizei, Frau Maurer!), nämlich weil Sie die letzte mit Ihren ständigen Korruptionsplänen, die in Ibiza gegipfelt haben, in die Luft gesprengt haben. Ich bin froh, dass Sie nicht mehr in dieser Regierung sind, und auch froh, dass nicht Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein für die Bekämpfung der Pandemie (Abg. Kickl: Haben Sie ... zu sagen?) oder Vizekanzler Strache zuständig ist, sondern Menschen, die diese Krankheit, die Pandemie und den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung ernst nehmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ihre ständigen Vergleiche mit den Faschismen vergangener Zeit sind grob verharm­losend. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Auch das ist nicht weiter verwunderlich, denn Ihr Verhältnis zur Geschichte und Ihre Geschichte mit unzähligen Einzelfällen und Wiederbetätigungsfällen in Ihren Reihen zeigen ganz deutlich (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), dass Sie auch da absolut keine Sensibilität haben, wenn Sie Begriffe wie „Schutzhaft“ et cetera hier einbringen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Der Totalitarismus ist oft ... anderen Namen dahergekommen!)

Wir sind aber nichts anderes gewohnt, Sie wechseln in dieser Coronadiskussion Ihre Position wie die Unterhose. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Es ist jedes Mal etwas anderes, das Sie vorbringen. Einmal ist der Lockdown nicht scharf genug, dann ist der Lockdown zu wenig scharf, manchmal braucht man Massentestungen – wie von Hofer zitiert –, dann sind die Massentestungen das absolute Übel. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das Einzige, das Sie zu dieser ganzen Debatte beitragen, sind Verunsicherung und Schreierei. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Das ist absolut nicht dienlich und aus meiner Sicht auch dieses Parlaments und der parlamentarischen Debatte nicht würdig. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wo stehen wir heute? – Wir haben 5 351 Todesfälle. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Während der zweiten Welle waren über 4 500 Menschen gleichzeitig im Spital. (Abg. Belakowitsch: Österreichweit!) Wir haben während dieser zweiten Welle über 700 Covid-PatientInnen gleichzeitig auf den Intensivstationen gehabt. Wir haben die höchste Ansteckungsrate bei den über 84-Jährigen, und das ist die vulnerabelste, die empfind­lichste Gruppe. (Abg. Belakowitsch: Warum schützen Sie die nicht, Frau Maurer?)


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Sich angesichts dieser Zahlen hierherzustellen und zu sagen, die Maßnahmen, die wir setzen, sind nicht zielführend und sind ein Anschlag, eine Bombe und ich weiß nicht was alles (Zwischenruf des Abg. Amesbauer), ist absolut ignorant gegenüber jener Bevölkerung, die Sie ständig behaupten, am besten vertreten zu wollen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Warum schützen Sie die nicht?!)

Es ist ja auch nicht so, als ob Österreich eine Insel wäre, die einzig und allein in ganz Europa oder auf der ganzen Welt solche Maßnahmen setzt. Nein, alle anderen euro­päischen Länder setzen die gleichen oder sehr ähnliche Maßnahmen zur Bewältigung dieser Krise und Pandemie, weil sie schlichtweg notwendig sind. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Ja, Sie haben eine sehr große Distanz zur Wissenschaft – die hatten Sie schon immer (Abg. Belakowitsch: Na ja, Wissenschaft ...!) –, ein Problem mit der Empirie und eine große Nähe zu Verschwörungstheorien, auch jetzt hier wieder. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Das kennen wir alles von Ihnen, das ist kein seriöser Umgang mit der Gesundheit. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Keine Frage, es sind bei der Bewältigung dieser Pandemie ganz sicher Fehler passiert, und möglicherweise werden wir zum Schluss, wenn wir das alles überstanden haben, feststellen, dass an einem Punkt eine falsche Entscheidung getroffen wurde. Dass manche Verordnungen nicht hundertprozentig gepasst haben, wissen wir jetzt schon. Wir werden viel aus dieser Krisensituation lernen, wir werden wahrscheinlich auch ein neues Epidemiegesetz machen et cetera. All das, die Kritik an diesen Dingen, sei Ihnen unbenommen, aber was ich nicht akzeptiere, ist Ihre absolute Weigerung, bei der konstruktiven Bewältigung dieser Krise mitzutun. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Amesbauer: Ja, wo machen Sie denn das?! ... diktieren ja, was zu tun ist! – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Ihr Beitrag zur Bewältigung dieser Krise führt zum absoluten Gegenteil, nämlich dazu, dass sich Menschen gefährden, dass sich Menschen nicht testen lassen, dass sich Men­schen potenziell nicht impfen lassen.

Ich sage Ihnen aber Folgendes: Ich mache mir keine Sorgen, denn die österreichische Bevölkerung hat sehr wohl – und das zeigen auch die Umfragen – verstanden, worum es hier geht, und ist auch unterstützend und solidarisch. (Abg. Deimek: Dafür müsste man einmal etwas wissen!) Sie werden mit dieser Politik der Aufwiegelung, mit dieser Politik der Verunsicherung keinen Erfolg haben. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Die Menschen werden sich an die Maßnahmen halten, sie werden sich testen lassen. Es gibt jetzt schon Berichte, dass ganz, ganz viele Menschen bei den Teststraßen sind und das tun wollen. (Abg. Amesbauer: Sie machen ja nichts, bei den Tests!) Und wir werden auch, was die Impfungen betrifft, natürlich diesen Erfolg haben. Ich bin da total zuver­sichtlich, und Sie werden mit Ihrer Linie (Abg. Belakowitsch: Die ist schon gut!), die ein Zickzackkurs ist und jedenfalls nichts dazu beiträgt, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, scheitern. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Es werden ganz schwierige Wochen, das steht völlig außer Frage. Es ist extrem hart auf sozialer Ebene, es ist extrem hart für die Familien, es ist extrem hart, was die Beschäf­tigungssituation betrifft, aber wir müssen da durch. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir uns selbst schützen, dass wir unsere Mit­menschen schützen, um diese Pandemie zu bewältigen. Die Impfung ist da. Es ist noch ein weiter Weg, aber es gibt die Hoffnung und es wird diese Pandemie dank des Beitrags vieler seriöser Politikerinnen und Politiker – nicht von der FPÖ – auch irgendwann bewältigt und zu Ende sein. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Amesbauer. – Abg. Hafenecker: Nicht durch Ihre Rede! – Abg. Amesbauer: Mit uns reden Sie nie! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

14.34



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 26

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte.


14.34.40

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Vorweg, Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, kann ich Ihnen zwei Themenbereiche sagen, bei denen Sie unsere vollste Unterstützung haben werden.

Zuerst geht es einmal darum, das Vertrauen der Bevölkerung in eine Impfung herzu­stellen. Es sind viele Leute skeptisch. Ich persönlich kann das nicht nachvollziehen, ich habe keine Angst vor einer Impfung. Ich bin überzeugt davon, dass die Zulassungs­ver­fahren so, wie sie gemacht werden, richtig sind. Ich vertraue Menschen, die sich damit auskennen, und werde mich selbstverständlich impfen lassen. Es ist für uns alle wichtig, dass wir das Vertrauen herstellen. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen. – De­monstrativer Beifall und Bravorufe des Abg. Kickl.)

Das Zweite, bei dem Sie unsere volle Unterstützung haben, ist, wenn es um Tests geht, insbesondere für jene Berufsgruppen, die nahe an Risikogruppen sind, die im Dienst­leistungsbereich sind, wo sie nahe an anderen Menschen sind. Ich halte es für wichtig, dass wir dafür entsprechende Testkapazitäten haben.

Ansonsten, muss ich Ihnen sagen, war ich von dieser als Regierungserklärung getarnten Weihnachtsansprache, die sich größtenteils um Selbstlob gedreht hat, ein bisschen auch um Eigenmotivation und Danksagungen, doch ein wenig irritiert. Ich habe eigentlich gedacht, dass Sie herkommen und versuchen, uns logisch zu erklären, wieso es diesen dritten Lockdown brauchen wird. Das haben Sie aus meiner Sicht nicht gemacht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Gleichzeitig – und das fand ich jedenfalls mutig, Herr Bundeskanzler – haben Sie wört­lich gesagt, „wir haben [...] entschlossen [...] reagiert [...] und die notwendigen Maßnah­men gesetzt, um die Gesundheit“ der Menschen in Österreich zu schützen. – Es ist angesichts der Tatsache, dass 42 Prozent der Covid-Toten – mehr als 2 000 Leute – in Alten- und Pflegeheimen gestorben sind, doch einigermaßen irritierend, so etwas zu sagen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir NEOS haben schon im April gesagt, es braucht eine umfassende Teststrategie für Alten- und Pflegeheime, dass es immer dann zu Testungen kommt, wenn PflegerInnen dort hineinkommen. Man kann das zweimal wöchentlich machen, das haben Sie jetzt vorgeschlagen. Nach neun Monaten kommen Sie drauf, dass es da ein Problem gibt, und verpflichten die Alten- und Pflegeheime, dass sie diese Testungen durchführen.

Jetzt halte ich das für richtig, die Frage ist nur, ob die entsprechenden Einrichtungen auch die notwendigen Ressourcen haben. Gleichzeitig machen Sie Massentests, die bei der Bevölkerung offensichtlich nicht im gewünschten Ausmaß angekommen sind, anstatt dass Sie endlich die Risikogruppen, nämlich die Menschen in Alten- und Pflegeheimen, ausreichend schützen. Dazu haben Sie neun Monate gebraucht, und nicht einmal nach neun Monaten sind die Ressourcen vorhanden. Das halte ich für unverantwortlich! (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt kommt diese Idee mit dem vermeintlichen Zwangstest ab 18. Jänner. Ich frage mich, wie Sie das machen wollen, dass am Schluss acht Millionen Österreicherinnen und Österreicher bei diesem Test antanzen sollen, dass sie dann vielleicht einen Be­scheid kriegen, der kontrolliert wird, wenn sie in ein Geschäft oder in ein Lokal hinein­gehen. Sie wissen schon, dass es die Behörden teilweise nicht einmal geschafft haben, Absonderungsbescheide rechtzeitig zuzustellen? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie Sie es schaffen wollen, am 18. Jänner alle Menschen dazu zu bringen,


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dass sie diese Testung machen. Vor allem sagt Ihre eigene Coronataskforce, dass es mit Zwang nicht sinnvoll ist. Ich bin auch der Meinung, man sollte so viele Menschen wie möglich mit Motivation zum Testen bewegen. Ich verstehe schlichtweg nicht, was Ihnen da wieder eingefallen ist. (Beifall bei den NEOS.)

Und das Ganze – das ist bei dieser Bundesregierung aber Normalität – geschieht ohne irgendeine gesetzliche Grundlage. Meine Damen und Herren, es gibt noch keine gesetzliche Grundlage dafür, dass es diese Massentestungen überhaupt geben kann. Sie haben heute etwas eingebracht, in dem das steht. Wir wissen alle noch nicht, ob das überhaupt beschlossen werden wird, ob das durch den Nationalrat geht, ob das durch den Bundesrat geht. Sie stellen sich aber in einer Pressekonferenz hin und erklären uns, dass das so sein wird. So funktioniert Gesetzgebung in Österreich nicht! Gesetzgebung funktioniert durch Beschlüsse in diesem Parlament und nicht durch Ankündigungen in Pressekonferenzen der Bundesregierung. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Dann geht es weiter, Herr Bundeskanzler. Wir haben Ihnen schon sehr oft vorgehalten, dass Sie wiederum die Schulen schließen. Sie haben jetzt wieder gesagt, es wird eine Woche Distancelearning geben. Fakt ist, die Schulen sind wieder eineinhalb Wochen geschlossen, es wird nicht nur eine Woche Distancelearning geben. Die Schulen sind wieder geschlossen – und das eineinhalb Wochen lang.

Sie loben sich hier selbst und denken offensichtlich gar nicht daran, was Sie die letzten Monate über gemacht haben. Es ist gefühlt jede zweite, jede dritte Woche irgendeine rechtswidrige Verordnung gekommen. Ich erinnere an das gesetzwidrige Betretungs­verbot von Herrn Gesundheitsminister Anschober, ich erinnere an seinen Einfall des Ostererlasses, wodurch die Polizei in die Wohnzimmer kommen sollte. Dann hieß es plötzlich: Das machen wir doch nicht, ich habe daraus gelernt! – Vor eineinhalb Wochen gab es den nächsten Versuch der Regierungsparteien, das zu machen. Da hieß es dann, das war ein Fehler, man hat das unabsichtlich drinnen vergessen.

Wissen Sie, was Sie tun? – Sie haben es eh schon einmal in einer Pressekonferenz gesagt: Unsere Grund- und Freiheitsrechte sind für Sie juristische Spitzfindigkeiten, die sind Ihnen nicht wichtig. Genau das ist auch der Grund, warum Sie unsere Grund- und Freiheitsrechte andauernd mit Füßen treten – Hauptsache, die Inszenierung stimmt bei Ihnen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Und wenn es um Inszenierung geht: Das, was ich heute hier vermisst habe, ist, dass Sie uns erklären, wieso dieser Lockdown denn genau jetzt notwendig sein soll. Es ist so, dass in diesem Parlament von Regierungsmitgliedern immer wieder entweder bewusst die Unwahrheit gesagt wird oder uns die Wahrheit verschwiegen wird.

Wir hatten am Mittwoch letzte Woche eine Sitzung des Hauptausschusses. Der Ge­sundheitsminister war da und hat uns gesagt, dass die Prognosen für Österreich voraussagen, dass sich der sinkende Trend fortsetzt. Es hat kein einziges Wort über einen neuen Lockdown gegeben, kein einziges Wort des Gesundheitsministers, dass das notwendig sein wird – ganz im Gegenteil: Herr Bundesminister Anschober, Sie haben uns erklärt, der Reproduktionsfaktor geht von 1,3 auf 0,88 zurück, die Sieben­tageinzidenz von 600 auf 220. Sie haben weiter erklärt, dass die Neuinfektionen wahr­scheinlich deswegen ein bisschen höher sind und stagnieren, weil die Massentests ein­gespeist werden. Also auch da haben Sie gesagt, dass sie entsprechend zurückgehen, und Sie haben uns erklärt, dass die Positivrate mit rund 0,2 Prozent außerordentlich gering ist und das Infektionsgeschehen offensichtlich abnimmt.

Heute haben wir, wenn ich es vorhin richtig gelesen habe, eine Neuinfektionsrate von 1 200 Leuten. Selbstverständlich ist das immer noch zu viel, aber es rechtfertigt nicht den harten Lockdown, den Sie jetzt wieder vorhaben, zu verhängen. Das ist schlichtweg


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nicht das, was die gesetzliche Grundlage hergibt, und ich sage Ihnen etwas: Sie können mir nicht erklären, dass Sie am Mittwoch im Hauptausschuss nichts davon wussten, dass die Bundesregierung am Freitag wieder einen harten Lockdown erklären wird. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Jetzt habe ich wieder gehört, es könnte ein exponentielles Wachstum kommen. – Natürlich kann das kommen, aber das Gesetz, dass so einen Lockdown überhaupt erlaubt, sieht diesen im Fall eines drohenden Zusammenbruchs des Gesundheits­systems vor. Wenn wir andauernd sinkende Zahlen haben, wenn die Hospitalisierungszahlen zurückgehen, wenn die Zahlen auf den Intensivstationen zurückgehen, dann können Sie mir nicht erklären, dass jetzt ein dritter Lockdown in der Art und Weise, wie Sie ihn vorschlagen, notwendig ist.

Wir haben das weitergespielt, nicht nur am Mittwoch im Hauptausschuss, wir hatten am Donnerstag eine Sitzung des Tourismusausschusses, bei der ich dabei war. Wir haben Frau Bundesministerin Köstinger drei Mal gefragt, ob ein Lockdown ansteht, wir haben drei Mal diesbezüglich keine Antwort oder höchstens ausweichende Antworten bekom­men. Dann haben wir es am Donnerstag im Bundesrat weitergespielt – Herr Vizekanzler, ich glaube, Sie waren anwesend, der Gesundheitsminister auch –: auch dort keine Rede von einem Lockdown. Das heißt, Sie sagen uns entweder bewusst die Unwahrheit oder Sie verschweigen uns die Wahrheit (Abg. Belakowitsch: Ersteres!), und das halte ich eines lebendigen Parlamentarismus für nicht würdig. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Jetzt ist uns die Verordnung, die morgen beschlossen werden soll, endlich zugestellt worden. Wir werden sie dann durchschauen, ich bin schon gespannt, was da sonst noch alles drinsteht. Wir wissen ja in der Regel nie, was zwischen Verordnung und dem, was die Bundesregierung sagt, dann doch unterschiedlich ist, was vielleicht noch irgendwo hineingeschummelt wird.

Herr Bundeskanzler, Sie sagen uns ja andauernd, dass wir gut aus der Krise gekommen sind. Es ist so, dass wir zwischenzeitlich die Nummer eins bei den Neuinfektionen welt­weit waren und dass wir es nicht geschafft haben, die Risikogruppen entsprechend zu schützen. Es ist auch so, dass wir in Bezug auf die wirtschaftspolitischen Herausfor­derungen nicht – so wie Sie immer sagen – großartig aus der Krise gekommen sind, sondern gemeinsam mit Spanien und Portugal, was den Einbruch des BIPs betrifft, ganz weit vorne sind.

Sie haben es nicht nur nicht geschafft, die Risikogruppen entsprechend zu schützen, Sie haben es auch nicht geschafft, die wirtschaftlichen Schäden so gering wie möglich zu halten. Angesichts dessen erachte ich eine solche Regierungserklärung für einiger­maßen absurd. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Martin Graf: Um nicht Unsinn zu sagen!)

14.43


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann August Wöginger. – Bitte.


14.43.45

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Also eines ist sehr interessant: Ist Kickl da, ist der Teufel los. Ist Hofer da, kann man halbwegs vernünftig miteinander diskutieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Martin Graf.) Das muss man eingangs gleich einmal festhalten.


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Wenn es jetzt eine Regierungserklärung zu einem, glaube ich, doch (Abg. Belakowitsch: Billig seids, nur billig!) extrem wichtigen Thema und einer Situation, die uns seit zig Monaten begleitet, gibt, dann sagt der liebe Klubobmann Kickl nicht dazu, dass er es war, der das erste Mal seit vielen Legislaturperioden eine Vereinbarung gebrochen hat, die er selber unterschrieben hat. Er hat letzten Mittwochabend unterschrieben, dass es keine Sonderaktionen hier im Hohen Haus geben wird (Abg. Amesbauer: Da war aber die Pressekonferenz noch nicht!), damit wir die Reparatur bei diesem einen Gesetz durchführen können. Das ist eigentlich der Grund, warum wir heute da sind. (Abg. Amesbauer: Da hat es die Pressekonferenz noch nicht gegeben!)

Das hat er selber gebrochen – das hat seit Legislaturperioden nicht mehr stattge­fun­den –, und das ist der Grund, warum wir auch diese Diskussion jetzt führen. – Also nicht nur die halbe Wahrheit sagen (Abg. Amesbauer: Die Pressekonferenz war danach!), sondern die gesamte Wahrheit sagen! So etwas haben wir lange nicht mehr gehabt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Da kamen nur Hasstiraden, hier wird Gift versprüht, Unwahrheiten werden erklärt – das ist Klubobmann Kickl! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Das hat im Parlament nichts verloren, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Steger.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann Wöginger, ich ersuche auch Sie, sich in der Ausdrucksweise zu mäßigen, bitte. (Zwischenruf bei der FPÖ.)


Abgeordneter August Wöginger (fortsetzend): Jawohl, Frau Präsidentin! Sie wissen, ich bin ein Innviertler, aber ich werde mich sehr bemühen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.) Ja, wir nennen halt die Dinge auch beim Namen; das, glaube ich, soll erlaubt sein, aber ich bemühe mich, Frau Präsidentin. (Ruf bei der FPÖ: So ein Unsinn! – Zwischenrufe der Abgeordneten Martin Graf und Rauch.)

Eines ist aber schon auch interessant. Wenn man nämlich mit den Menschen draußen redet – und wir tun das (Abg. Amesbauer: Aha! ... prüfen!) –, dann sagen ungefähr zwei Drittel der Leute: Ja, es ist mühsam. Es ist mühsam. Schon wieder ein Lockdown! (Abg. Amesbauer: Ohne Grund!) Ich möchte eigentlich meine Normalität zurück. – Wenn man aber mit den Menschen redet, dann verstehen sie auch diese Maßnahmen.

Warum verstehen sie sie? – Weil wir eine Situation in unseren Spitälern und auf den Intensivstationen gehabt haben, die die gesamte Bevölkerung mitbekommen hat. Wir waren wirklich an den Kapazitätsgrenzen, zum Teil sogar darüber. Wir haben Spitäler, die eigentlich nicht mehr als Spitäler fungiert haben, aber bei denen sozusagen die Logistik wiederhergestellt werden konnte, aktiviert – zum Beispiel auch in Oberöster­reich –, damit wir die notwendigen Kapazitäten für die Menschen, die das gebraucht haben, schaffen konnten. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Und da hat eines keinen Platz, meine Damen und Herren: dieses Virus zu leugnen, zu sagen, dass es diese Erkrankung nicht gibt (Abg. Hafenecker: Das sagt ja keiner!), und dafür einzutreten (Abg. Belakowitsch: Das sagt niemand!), dass man sagt, das ist alles nicht wahr und unrichtig, was hier (Abg. Hafenecker: Sagt doch niemand! – Abg. Belakowitsch: Das sagt keiner!) auch von zahlreichen Medizinern und Expertinnen und Experten untermauert wird. Das ist eine unseriöse Politik, meine Damen und Herren, die wir entschieden ablehnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was ist denn jetzt die Situation? (Abg. Hafenecker: Frau Präsidentin, darf der so einen Unsinn reden?) – Ich komme aus einer 800-Einwohner-Gemeinde. Wir haben zwei Todesfälle. (Abg. Kickl: Sonst wäre er stumm!) Jetzt kann man sagen: ältere Herren, Vorerkrankung – aber die sind innerhalb kürzester Zeit verstorben, weil sie sich mit dem Virus infiziert haben. Mittlerweile kennen wir auch viele Menschen, die jünger sind, die diese Covid-Erkrankung bekommen haben. Zum Beispiel gibt es dort, wo ich aufge­wach­sen bin, einen 60-jährigen Mann – ohne Vorerkrankung –, der jetzt mit dem Rollator


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unterwegs ist und eigentlich nur ein Stück gehen kann, weil ihm die Luft fehlt. Viele Menschen, die diese Erkrankung gehabt haben, müssen sich, wenn sie über eine Stiege hinaufgehen, niedersetzen (Abg. Belakowitsch: Ja, so geht’s mir auch!), weil sie zu wenig Luft haben, um weiterzugehen. Das sind aber Menschen, die nicht 70 oder 80 Jahre alt sind.

Wissen Sie, meine Damen und Herren, was die Aufgabe von gewählten Politikern und Politikerinnen und auch von einer gewählten Bundesregierung ist? – Es ist die Aufgabe, diese Menschen vor diesen schwerwiegenden Erkrankungen zu schützen. Das ist unsere Aufgabe, und die nehmen wir wahr, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Amesbauer: Wir müssen die Menschen vor dieser Regierung schützen!)

Ja, es ist extrem mühsam, es ist extrem herausfordernd, auch für die Familienverbände, auch für die bevorstehenden Weihnachtsfeiertage (Abg. Amesbauer: Haben Sie schon versaut! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), die wir bitte und hoffentlich nur im ganz kleinen Kreise begehen und feiern werden. Es ist alternativlos. Warum? – Weil wir die Infektionszahlen sonst nicht in den Griff bekommen. (Neuerliche Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Belakowitsch.)

Wir wollen diese Pandemie, die die größte seit 100 Jahren, seit der Spanischen Grippe ist, gemeinsam bewältigen. Es geht auch nur gemeinsam. Und ich bin froh, wenn sich auch hier im Hohen Haus die Spreu vom Weizen trennt (Abg. Belakowitsch: Ja!), denn es gibt eine konstruktive Opposition, eine konstruktiv-kritische Opposition (Abg. Amesbauer: Wir wollen ja gar nicht mitmachen mit euch!), wenn ich die SPÖ und die NEOS hernehme.

Es gibt aber eine Oppositionsfraktion, die ist weder konstruktiv, noch bringt sie Vor­schläge. (Abg. Amesbauer: Das stimmt nicht!) Es ist einfach: Hauptsache, wir sind dagegen (Abg. Amesbauer: Das stimmt ja nicht!), weil es in der Bevölkerung vielleicht ein paar Prozentpunkterl von jenen gibt, die dann sagen: Na, das könnte ich mir auch vorstellen, das so zu sehen und diese Kickl-Truppe doch zu unterstützen! – Das ist nicht notwendig, meine Damen und Herren, denn es geht um den Schutz der Bevölkerung (Abg. Amesbauer: Ihr schützt überhaupt niemanden!), es geht darum, wie wir am besten wieder aus dieser Situation herauskommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Amesbauer: Sie haben beim Schutz der Bevölkerung versagt!)

Es zeigt ja auch eines (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), denn worum geht es? – Dass wir die Zahlen nach unten bringen, dass wir jetzt testen, testen, testen (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) und dass sich dann hoffentlich so viele Menschen auf freiwilliger Basis - - (Abg. Amesbauer: Ja, genau! – Abg. Steger: Ja, freilich! – Abg. Amesbauer: Das stimmt ja nicht!) – Ja, dass du nur schreist, das wissen wir eh! Also hör einfach einmal zu (Abg. Amesbauer: Das ist ein indirekter Zwang mit Sank­tionen! ...!), denn wenn ihr noch mehr von diesen Unwahrheiten in der Bevölkerung verbreitet, dann seid ihr mitverantwortlich, dass sich auch das Virus durch diese Unwahr­heiten immer stärker verbreitet! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir bringen die Zahlen nach unten. Das ist aktuell auch so. Wir haben jetzt wieder rund 1 500 Neuinfektionen täglich – Gott sei Dank; es sind noch viel zu viele, aber gegenüber dem, wo wir hergekommen sind, doch auch ein guter Erfolg. Was wollen wir? – Es geht doch darum, wie wir jetzt in die nächsten Wochen und Monate hineingehen. Es ist noch eine sehr mühsame Zeit. Wir haben heute Winterbeginn, den kürzesten Tag und die längste Nacht. Es wird noch mühsam in den Frühjahrsmonaten, hinein in den März, April, und daher ist es notwendig, dass wir diese Testungen durchführen. (Abg. Amesbauer: Was ist denn das für ein Blödsinn?!)


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Ich bedanke mich bei all jenen, bei den Zigtausenden Freiwilligen, bei den Mitar­beite­rinnen und Mitarbeitern von Feuerwehr und Rotem Kreuz, bei unseren Kommunal­poli­tikern, die da wirklich Hervorragendes geleistet haben und noch leisten, damit wir diese Testungen auch durchführen können. Darum geht es, denn diese Testungen geben Sicherheit. Diese Testungen sind doch dazu da, dass man sagen kann - - (Abg. Amesbauer: Welche Sicherheit geben sie denn?) Ja, es ist halt so: Die Kickl-Truppe schreit nur. Ich kann es nicht ändern. Meine Damen und Herren, verzeihen Sie das! Wir haben hier eine Fraktion, bei der die Manieren in letzter Zeit leider Gottes verloren gegangen sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es geht doch um das Testen. Es geht doch darum, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern dadurch auch wieder Vertrauen geben können. (Abg. Amesbauer: Das ist ja nicht wahr!) Wenn man sich zum Beispiel jetzt zu Weihnachten mit seinen Eltern in einem ganz kleinen Kreis trifft, dann ist es, wenn da Personen über 70 Jahre alt sind, doch vertrauensbildend, wenn man dort nur hingeht, wenn man getestet ist, wenn man also weiß, man ist nicht infektiös. Ist das so schwer zu verstehen? (Abg. Amesbauer: Das weiß man ja nicht!) Es ist doch menschlich notwendig, dass wir das tun, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Amesbauer: Das ist ja nicht das, was ihr macht!)

Jetzt, noch vor dem Jahreswechsel, kommen auch die ersten Impfstoffe nach Österreich. Wir bekommen bis März 900 000 Dosen. Wir hoffen, dass sich genügend Menschen impfen lassen, beginnend mit dem Gesundheitspersonal und der älteren Generation als Hochrisikogruppe. Nur so, meine geschätzten Damen und Herren, werden wir dieses Virus gemeinsam einigermaßen bewältigen können.

Abschließend ist mir eines schon auch noch wichtig, zu erwähnen: Es gibt auch vernünftige Kräfte in der FPÖ, beginnend mit Präsidenten Hofer, der die Situation in den Pflegeheimen aus der eigenen Familie kennt und zu Recht gesagt hat, dass es notwendig ist, dort zu testen. Er hat das auch im Frühjahr schon verlangt. Das ist wenigstens ein konstruktiver Beitrag und bringt wenigstens auch für die Sache etwas. Von Kollegen Kickl hören wir keine konstruktiven Vorschläge. Es kommen nur kampf­rhetorische Tiraden, die der Sache nicht dienen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Und auch du, Herr Klubobmann, bist von deinen Wählerinnen und Wählern dafür gewählt, um dafür zu sorgen, dass wir gemeinsam aus dieser Situation herauskommen. Deshalb appelliere ich noch einmal auch an die Freiheitliche Partei, hier keine Unwahr­heiten zu verbreiten, keine Ängste vor dem Testen und vor dem Impfen zu schüren, sondern zu animieren, zu appellieren und zu ersuchen, dass man davon Gebrauch macht. Nur so werden wir diese Situation einigermaßen bestehen.

Es stehen die Weihnachtstage bevor, meine Damen und Herren. Trotz dieser schwie­rigen, herausfordernden Situation wünsche ich Ihnen allen ein paar ruhige, schöne Weih­nachtsfeiertage, in denen hoffentlich die Maßnahmen, die gesetzt wurden, eingehalten werden, damit wir ein besseres Jahr 2021 bekommen, damit wir gemeinsam aus dieser schwierigen Situation herauskommen und damit wir dann im nächsten Sommer wieder Licht am Ende des Tunnels haben. Das ist die Verantwortung, die wir haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.54


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.54.16

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Ich glaube, menschlich notwendig wäre, dass wir über


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die betroffenen Menschen reden. Das ist mir heute ein bisschen unpersönlich rübergekommen, Herr Bundeskanzler. Ihr allererster Gedanke galt der Wirtschaft. Ihr zweiter Gedanke galt den anderen Ländern, die vielleicht Fehler gemacht oder Dinge anders gemacht haben als wir.

Sie haben heute nicht gesagt, dass wir in zehn Monaten den dritten ganz schwierigen und harten Lockdown vor uns haben. Sie haben nicht erklärt, wie es in der Überschrift steht, wie die Coronamaßnahmen zu handhaben sind. Ich erinnere mich, dass von Regierungsseite ein 50-Euro-Bonus für Menschen vorgeschlagen wurde, die sich freitesten lassen. Das hat man in sämtlichen Zeitungen gelesen. Da man ja weiß, dass Sie die Zeitungen eher informieren als uns, habe ich das für einigermaßen nachvoll­ziehbar gehalten. Jetzt ist daraus geworden: Wenn du dich nicht freitestest, musst du eine Woche länger daheimbleiben.

Das ist hart. Es ist längst an der Zeit, dass wir über Betroffene sprechen, über Kinder, über Frauen, über arbeitslose Männer und Frauen, über kranke Menschen in diesem Land, die jetzt nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Sie haben gesagt: Lesen Sie die Verordnungen!

Ja, es kommt ein harter Lockdown, ja, es ist aus einer Sicht, die Sie hier darstellen, einfach eine verklärte Sache der Bürgerlichkeit, des Biedermeiers. Sie sagen aus diesem Elfenbeinturm heraus einfach, dass die Menschen sich zusammenreißen sollen, dass in den Familien ohnehin alles geklärt wäre. In vielen Familien ist keineswegs alles geklärt. In vielen Familien ist es gerade jetzt vor Weihnachten eng, explosiv und psychisch belastend geworden. Sie haben kein Wort über die konkrete Lebenssituation verloren. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt sind Sie wieder am Handy, Herr Bundeskanzler. Schenken Sie mir vielleicht ein paar Minuten Aufmerksamkeit, ich rede nämlich für die Leute, die sich nicht selber helfen können, ich rede für die vielen und nicht für die wenigen, Herr Bundeskanzler, für die Sie immer Politik machen – für die Wirtschaft! Wen meinen Sie damit, Herr Bundes­kanzler? – Sie meinen die Bosse, deren Freund Sie sind. Sie machen Schwarz-Weiß-Politik, Sie taumeln quasi von einer Covid-Verordnung in die nächste. Exekutieren muss es der Herr Gesundheitsminister. Das Vertrauen der Bevölkerung, dass Sie sich so gut auskennen, ist mittlerweile erschüttert.

Herr Bundeskanzler, ich habe vorhin über die Kinder gesprochen. Im Regierungspro­gramm steht drei Mal, dass wir nicht nur für die Kinder hier in Österreich – das steht viel öfter drinnen – sorgen sollen, sondern geleitet vom Außenamt auch humanitäre Hilfe für Kinder in den restlichen Teilen Europas und der Welt leisten müssen. Da muss man unbedingt auch dazusagen, dass hier in Österreich Kinder armutsgefährdet sind, dass Kinder Bildungsnachteile, die sie erfahren, ein Leben lang nicht mehr aufholen können, dass wir uns aber auch nicht davor verschließen können, wie es den Kindern in einem Flüchtlingslager geht, Herr Bundeskanzler! Kinder sind Kinder sind Kinder! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen, dieser humanitären Katastrophe mit einem Tagesbetreuungsangebot begegnen zu wollen, wobei man die Zelte dafür nicht einmal noch aus Athen hat dorthin schaffen können, ist zynisch. Herr Bundeskanzler, ich fordere Sie auf, sich zur Situation der Kinder, der Frauen und der Familien in diesen Flüchtlingslagern, etwa Kara Tepe auf Lesbos, zu artikulieren. Bitte sagen Sie, dass Sie diesen Menschen humanitäre Hilfe zukommen lassen wollen. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wären nämlich groß­teils wirklich bereit, einige Familien aufzunehmen. Es sind auch viele Trägerorga­nisa­tionen bereit, die Betreuung zu übernehmen. Diese Kinder dürfen dort nicht im Schlamm versinken, im Wasser stecken, sie dürfen auch nicht von Ratten angeknabbert werden,


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und blutende Kinder, die sexuell missbraucht wurden, dürfen dort nicht an der Tages­ordnung sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein, und Sie alle können heute Ihr Ge­wissen dazu befragen, dass wir nicht nur im Inland humanitär sein müssen, sondern auch Kindern in Flüchtlingslagern und deren Familien helfen müssen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „huma­nitärer Katastrophe mitten in Europa – Kindern aus Moria endlich Schutz und Hoffnung geben“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, gemeinsam mit Griechenland und den anderen Mitgliedstaaten der EU die erforderlichen Schritte zu setzen, die eine menschenwürdige Unterbringung der AsylwerberInnen aus Moria und rasche humanitäre Hilfe sicher­stellen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Aufnahme von Kindern und unbegleiteten Minderjährigen aus den griechischen Flüchtlingslagern Moria bzw. Kara Tepe als humanitäre Notmaßnahme endlich zu ermöglichen.

Die Bundesregierung kann sich dabei auf die Aufnahmebereitschaft und Initiativen zahlreicher Bundesländer, Gemeinden und der Zivilgesellschaft stützen.“

*****

Wir müssen die Kinder dort rausholen und deren Familien helfen, damit sie ein men­schenwürdiges Dasein haben, Herr Bundeskanzler!

Eines kann ich Ihnen versichern: Die Frauen in diesem Land – denn Frauen sind mein Thema – werden sich à la longue diese Behandlung der Regierung nicht gefallen lassen. Sie haben kein einziges Wort zur Situation der Frauen in diesem Land gesagt – wie sie alles unter einen Hut bringen, den Haushalt, die Kinderbetreuung, das Distancelearning, das Homeoffice und vieles mehr. Die Frauen sind am Ende, nicht alle – in Ihrem Wol­kenkuckucksheim gibt es wahrscheinlich einige, denen es nicht schlecht geht –, aber die meisten Frauen packen das nicht mehr, Herr Bundeskanzler, und ich sage Ihnen: Die Wut und der Zorn dieser Frauen wird Sie auch noch erreichen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)

15.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Katharina Kucharowits,

Genossinnen und Genossen

betreffend humanitärer Katastrophe mitten in Europa – Kindern aus Moria endlich Schutz und Hoffnung geben

eingebracht im Zuge der Debatte in der 75. Sitzung des Nationalrats zu TOP 1 Erklärun­gen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers zu den aktuellen Corona-Maßnahmen


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Die Bundesregierung gibt heute in der Sitzung des Nationalrates eine Erklärung zu den aktuellen Corona Maßnahmen ab. Kinder und Jugendliche gehören zu jener Bevölke­rungs­gruppe, die am meisten unter der Corona Pandemie leiden.

Kinder und Jugendliche sind es auch, die derzeit auf Lesbos, mitten in Europa in dem Flüchtlingslager Kara Tepe besonders unter den menschenunwürdigen Bedingungen leiden.

In der Nacht zum 09.09.2020 brach an mehreren Stellen im Flüchtlingscamp von Moria auf Lesbos ein Feuer aus. Das Lager musste evakuiert werden. Von den 12.600 Men­schen, die in Moria lebten, sind nun fast 8.000 Menschen in dem neu errichteten Lager Kara Tepe untergebracht, das ebenfalls als Zelt-Lager konstruiert ist. Dieses Lager kann aber weder den eiskalten Temperaturen im Winter noch dem Dauerregen standhalten. Die Zelte, die einzige Behausung der geflüchteten Menschen, versinken im Wasser, ihr letztes Hab und Gut – aber auch die Menschen selbst – im Schlamm. Berichten zu Folge erleiden Kinder Rattenbisse, ein Mädchen wurde sexuell missbraucht, Kinder haben Suizid-Gedanken, Krankheiten können sich unter diesen Umständen schnell ausbreiten – dabei ist von erforderlichen Corona-Maßnahmen keine Rede mehr, zumal diese kaum noch so in dieser Form eingehalten werden können. Ebenso gibt es keinen Strom, keine Heizung, kein Licht, kein Warmwasser, keine Sanitäranlagen. Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Reporter ohne Grenzen oder UNHCR meldete sich zu Wort und übten harsche Kritik an den Zuständen in diesem Lager. Kritisiert wurde auch die explizite Anweisung der griechischen Behörden an JournalistInnen, nicht mehr darüber zu berichten.

Bereits im März haben sich in Österreich etliche BürgermeisterInnen, Gemeinden und Städte bereit erklärt, Kinder aus dem Camp in Moria und von der griechischen Insel Lesbos aufzunehmen. Mittlerweile haben sich auch einige Initiativen und Kampagnen gegründet, wie „Courage 144“, „Uns reicht‘s“, „Wir haben Platz“ oder „Sicherer Hafen“, die ebenfalls fordern aktiv helfen zu dürfen. Österreich hat sich aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention, sowie aufgrund des Bekenntnis zu den Menschenrechten ver­pflichtet, zu helfen und Österreich will auch helfen. Die Bundesregierung soll das breite Angebot der Hilfe und Rettung endlich zulassen.

Vor diesem Hintergrund stellen die unterzeichneten Abgeordneten nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, gemeinsam mit Griechenland und den anderen Mitgliedstaaten der EU die erforderlichen Schritte zu setzen, die eine menschenwürdige Unterbringung der AsylwerberInnen aus Moria und rasche humanitäre Hilfe sicher­stel­len.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Aufnahme von Kindern und unbegleiteten Minderjährigen aus den griechischen Flüchtlingslagern Moria bzw. Kara Tepe als huma­nitäre Notmaßnahme endlich zu ermöglichen.

Die Bundesregierung kann sich dabei auf die Aufnahmebereitschaft und Initiativen zahlreicher Bundesländer, Gemeinden und der Zivilgesellschaft stützen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 35

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.


15.01.12

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Sehr geehrte Ministerinnen und Minister! In einem Punkt gebe ich recht: Ja, auch mich zipft – wie man bei uns in Oberösterreich so schön landläufig sagt – diese Krise an. Mir geht das in der Zwischenzeit auf den Zeiger, auch bei mir hat das Spuren hinterlassen, bei meiner Frau hat das Spuren hinterlassen, bei meinen Kindern hat das Spuren hinterlassen – und dabei sind wir noch in einer relativ privilegierten Situation, da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Neun Monate, zehn Monate Krise, das ist nicht ohne, das braucht man nicht schönzureden, da braucht man nicht zu diskutieren, das ist so.

Aber: Auf der anderen Seite steht halt die Realität, und die können wir auch nicht wegleugnen. Wir können nicht wegleugnen, dass wir hier in Österreich in den letzten Wochen und Monaten weit mehr als 100 Tote in 24 Stunden aufgrund von Covid-19-Erkrankungen zu beklagen hatten. Wir können nicht wegleugnen, dass wir in den Spitälern wochenlang an der Grenze agierende ICU-Einheiten hatten, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach 12 Stunden nicht mehr wussten, wo ihnen der Kopf steht, wie es so schön heißt.

Das ist die Situation. Das ist die Situation, in der wir uns befinden, in der wir uns eben immer noch befinden, auch wenn – zum Glück! – momentan die Zahlen entsprechend runtergehen und wir auf halbwegs stabilem Niveau sind. Wir wissen aber auch – Blick in die USA –, was Thanksgiving dort ausgelöst hat. Wir haben dort ganz genau gesehen, was die großen Familienfeierlichkeiten bewirkt haben und wie sich das Ganze in den entsprechenden Statistiken niedergeschlagen hat.

Das ist die Realität, und das zu leugnen bringt nichts. Es bringt übrigens auch nichts, Leute wie zum Beispiel den verdienten Preisträger des Goldenen Bretts zu hofieren, und es hat natürlich auch keinen Sinn, Ärzte zu hofieren, die im Verdacht stehen, Atteste ohne Diagnose auszustellen, so wie das die Kolleginnen und Kollegen der FPÖ vor wenigen Wochen getan haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Der Vizekanzler hat in seinem Eingangsstatement gesagt: Wer arbeitet, kann Fehler machen, nur wer nichts macht, macht keine Fehler! – Dementsprechend werden wir uns auch in den nächsten Wochen, wenn diese Krise vorbei ist, dieser Fehleranalyse stellen müssen. Wir müssen uns das anschauen, wir müssen es evaluieren: Wo hat dieser Staat gut funktioniert und wo hat dieser Staat schlecht funktioniert? Und ja, natürlich, wir werden alle miteinander jetzt schon Beispiele wissen, wo wir eben entsprechend eingreifen und agieren müssen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Bis es so weit ist, müssen wir aber zuerst einmal diese Gesundheitskrise, diese Pan­demie, die ja nicht nur Österreich alleine getroffen hat, sondern ganz Europa, ja, die ganze Welt, in den Griff bekommen. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Wenn dabei am Ende des Tages beispielsweise auch eine Impfung mithilft, ist das die eine Seite, die andere ist eben, Kontakte einzuschränken und Infektionsketten zu erkennen. Infektions­ketten kann man am besten erkennen, indem man Menschen testet, damit man eben schaut, ob eine Infektion vorhanden ist oder nicht.

Eingehend auf das, was Klubobmann Kickl vorhin bezüglich der Symptomlosen gesagt hat: Ich meine, Sie werden sich ja damit beschäftigt haben. Sie werden auch wissen, dass es präsymptomatische Personen gibt, das heißt, diese sind zwei Tage vor dem Ausbruch der ersten Symptome bereits ansteckend. Dementsprechend kann ich aber noch nicht wissen, ob es eine präsymptomatische Person ist oder nicht, aber sie ist ansteckend. Andererseits gibt es eben fast keine symptomlosen Personen. Wenn Sie


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sich mit InfektionsmedizinerInnen, beispielsweise jenen in Vorarlberg, unterhalten, werden Sie draufkommen, dass diese bei einer genaueren Befragung der Patientinnen und Patienten feststellen, dass durchaus Symptome vorhanden sind, die aber kaum wahrgenommen werden, denn Kopfweh hat man heutzutage eben schon ein bisschen schneller – aber die Symptome waren da.

Also so zu tun, als ob es da das große Hinauftesten von Zahlen gäbe, so wie es die FPÖ gerne macht – und übrigens auch diejenigen, die gestern beispielsweise durch Wien gezogen sind und dabei JournalistInnen angehustet haben, weil sie das offensichtlich für sehr lustig halten –, solche Behauptungen aufzustellen, so wie Sie es hier auch immer wieder machen, ist aus meiner Sicht absolut hintanzuhalten und eigentlich wirklich letztklassig, um es einmal so auszudrücken.

In diesem Sinn, liebe Kolleginnen und Kollegen, würde ich mir jetzt einmal erwarten, dass wir endlich wieder eine vernünftige gemeinsame Politik zusammenbringen. Ich habe das hier schon mehrere Mal gesagt, ich halte immer noch daran fest, und meine Vorrednerinnen und Vorredner haben es ja auch gesagt. Es gibt hier Oppositions­parteien, mit denen man vernünftig zusammenarbeiten kann, und es gibt leider Gottes Oppositionsparteien, die die Opposition bis heute nicht als das verstehen, was sie sein sollte, nämlich ein Miteinander, auch ein Kritisieren, aber man sollte trotzdem ein konstruktives Miteinander an den Tag legen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.05


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerhard Kaniak. – Bitte.


15.05.56

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Der Herr Bundeskanzler weilt ja schon wieder nicht mehr unter uns. (Abg. Gabriela Schwarz – auf Bundeskanzler Kurz deutend, der auf der Seite des Saales steht –: Er ist da!) – Wo ist er? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Entschuldigung, dann befindet er sich noch im Saal, das ist gut, denn auch ich habe bei seiner Rede sehr genau zugehört, auch bei jener von Herrn Vizekanzler Kogler, und ich finde es be­stürzend, dass hier kein einziges Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung dafür gefallen ist, was am Freitag in der Pressekonferenz passiert ist.

Dass auf einer Pressekonferenz, vollkommen ohne jede gesetzliche Basis, Hausarrest für Gesamtösterreich bis Mitte Jänner angedroht wird, wenn man nicht bereit ist, dem Zwangsdiktat der Massentestungen zu folgen, ist tatsächlich ungeheuerlich, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich finde es auch ungeheuerlich, dass die konstruktive Oppositionsarbeit der FPÖ kon­sequent geleugnet und schlechtgeredet wird, denn wir haben uns von Anbeginn dieser Krise an konstruktiv eingebracht. Wir haben uns in jeder Gesundheitsausschusssitzung, in jedem persönlichen Telefonat zwischen den Gesundheitssprechern und dem Gesund­heits­minister, in jeder Hauptausschusssitzung immer konstruktiv und mit Änderungs­wünschen an die Bundesregierung gewandt, nur mussten wir feststellen: Keine einzige dieser Anregungen wurde von der Bundesregierung aufgenommen. Das hat mit geleb­tem Parlamentarismus nichts zu tun, wenn man so verbohrt ist, dass man seine eigenen Fehler, koste es, was es wolle, zum Schaden der österreichischen Bevölkerung umset­zen möchte.

Ich möchte Ihnen jetzt auch anhand von konkreten Beispielen schildern, was wir vorge­schlagen haben und was die Bundesregierung gemacht hat. Das Ganze hat damit angefangen, dass wir, bevor der Virus überhaupt nach Österreich eingeschleppt wurde,


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gesagt haben: Einreisende aus Risikogebieten müssen am Flughafen isoliert und ge­testet werden. Was hat die Bundesregierung gemacht? – Die Bundesregierung hat aus­schließlich Direktreisende mit Fiebermessern getestet, anstatt alle, auch jene, die über Drittstaaten eingereist sind, mit damals schon verfügbaren PCR-Tests zu testen. Jetzt hat man eine späte Einsicht – aber kein Wort der Einsicht in Ihren Stellungnahmen. Gerade ist ein neuer Verordnungsentwurf gekommen, nach dem Einreisende aus Großbritannien getestet werden sollen – knapp ein Jahr später, reichlich spät. Man hätte damals schon Schlimmeres verhindern können.

Wir haben dann gesagt, wir brauchen eine valide Datenbasis, wir wollen wissen, wie schlimm die Erkrankung überhaupt ist, bevor irgendwelche Maßnahmen erlassen wer­den. Wir haben gesagt, wir wollen wissen, wie viele Personen in Österreich betroffen sind, wir haben gefordert, dass es Querschnittstestungen durch die österreichische Bevölkerung gibt, damit man sich die Dunkelziffer ausrechnen kann. Herr Bundes­minister Anschober hat gesagt: Ja, ja, das werden wir machen, es wird wöchentliche Testungen geben!, aber nichts dergleichen ist gekommen. Es hat zwei Querschnitts­testungen mit etwa 1 500 bis 2 000 Testlingen gegeben – ein viel zu geringes Sample, um tatsächlich eine Aussage für den gesamten Staat Österreich zu treffen; noch dazu zielte ein Großteil dieser Testungen auf bestimmte Zielgruppen ab. Damit war das keine repräsentative Testung und wir wissen bis heute nicht, wie hoch die Dunkelziffer in Österreich tatsächlich ist.

Neun Monate nach Ankündigung durch Herrn Bundesminister Anschober und nachdem wir schon gefordert haben, dass es eine Antikörperstudie in Österreich gibt, damit wir wissen, wie viele die Erkrankung vielleicht auch schon asymptomatisch hinter sich gebracht haben, gibt es eine Seroprävalenzstudie, die wieder nur mit unter 2 000 Teil­nehmern durchgeführt wurde und die wieder nicht repräsentativ für Gesamtösterreich ist – außerdem ist diese schon mitten in die zweite Welle hineingefallen, sodass man gar nicht mehr auseinanderrechnen kann, wer im Frühling und wer ist im Herbst erkrankt ist. Das war der schlechtestmögliche Zeitpunkt für eine Studie, und noch dazu war sie vollkommen falsch dimensioniert.

Kommen wir weiter zu den Maßnahmen – oder zuerst zur Kommunikation, das wäre auch etwas ganz Wichtiges! Wir haben gesagt: Informieren wir die Menschen doch ganz ehrlich! – Ich kann mich erinnern, ich bin im Februar noch dagestanden, als die ersten Horrorgeschichten über den Virus aufgetaucht sind, und habe gesagt: Ich fürchte mich mehr vor den Maßnahmen der Bundesregierung als vor diesem Virus! – Es ist erschütternd, wie sehr sich das bewahrheitet hat, denn die tatsächliche Gefährlichkeit dieses Virus wurde von der Bundesregierung maßlos überzeichnet, und das wurde kommuniziert. (Zwischenruf der Abg. Niss.)

Herr Bundeskanzler Kurz, Sie können sich sicher noch an Ihren berühmtesten Sager des heurigen Jahres erinnern: „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der an Corona gestorben ist.“ – Das ist ja bei Weitem nicht eingetroffen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Auch wenn man die Zahlen auf ein ganzes Jahr aufmultipliziert und damit über ein Jahr 4 000 Todesfälle aufsummiert, steht das in keiner Relation zu den sonstigen Verstor­benen, und das hat mit ehrlicher und transparenter Kommunikation überhaupt nichts zu tun. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Diese haben wir immer einge­fordert. Wir haben mehrere Anträge dazu im Gesundheitsausschuss eingebracht. Wir haben An­träge eingebracht, um auch den Krankheitsverlauf und die Todesfälle aufzu­klären, und ich habe zweimal den Antrag auf Obduktion der an Covid-19 Verstorbenen eingebracht, aber alle diese Anträge wurden abgelehnt.

Ich frage mich: Wo sehen Sie da keine konstruktive Mitwirkung? Sie haben einfach alles abgelehnt, was von unserer Seite gekommen ist, oder massiv verspätet dann doch


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umgesetzt, und zwar unter dem Mantel des Schweigens, aber leider Gottes viel zu spät, nachdem schon viel Schaden angerichtet war.

Zu den Maßnahmen – da gilt genau dasselbe –: Sie haben eine Maskenpflicht einge­führt, und ich habe Ihnen in der Gesundheitsausschusssitzung gesagt: Wenn Sie schon tatsächlich so überzeugt davon sind, dass wir in bestimmten Bereichen der Bevölkerung Schutzmasken brauchen, dann verordnen Sie sie selektiv und verordnen Sie Masken, die auch etwas bringen! – Das habe ich Ihnen im Frühling gesagt. Was haben Sie stattdessen gemacht? – Sie haben das Medizinproduktegesetz außer Kraft gesetzt, haben einen provisorischen Mund-Nasen-Schutz erfunden, der medizinisch überhaupt keine Schutzwirkung hat, und haben das erst jetzt, neun Monate später, für den Risiko­bereich korrigiert und endlich erkannt, dass dort, im hochsensiblen Bereich, FFP2-Masken die richtige Schutzmaßnahme wären.

Genau dasselbe haben Sie beim Thema Schulen gemacht: Alle Experten rundherum haben gesagt, die Schulen sind kein Risiko, die Schüler sind keine Risikogruppe, die Verbreitung findet nicht über die Schüler statt. Das eigene Bildungsministerium hat das gesagt, die Spitzenbeamten dort, der Generalsekretär. Was haben Sie gemacht? – Sie haben die Schulen geschlossen.

In der Gastronomie war es genau dasselbe: In der Tagesgastronomie gab es keinen einzigen großen Spot. Da haben wir gesagt: Wo kein Risiko ist, wo die Leute den Ab­stand und die Hygieneregeln einhalten können, müssen wir ja nichts schließen! Was haben Sie gemacht? – Sie haben die Gastronomie auch tagsüber geschlossen. Sie haben 50-Meter-Radien eingeführt, sodass nicht einmal mehr Anrainer abgeholtes Essen zu sich nehmen können. Von der Problematik auf den Skihütten spreche ich gar nicht.

All das sind absolut überschießende, undifferenzierte Maßnahmen, wobei es immer konkrete Gegenvorschläge von unserer Seite gegeben hat. In der letzten Sitzung haben wir zum Beispiel wieder zum Thema Skihütten und Abstandsregelung bezüglich Essens­abholung einen entsprechenden Antrag eingebracht, der abgelehnt wurde.

Nun, was will ich damit unterm Strich sagen? – Sie schwingen hier den Holzhammer, versuchen, einen Virus zu treffen, treffen aber die Schüler, die Steuerzahler, die sozial Schwachen, die Alten und die Kranken. Die müssen das ausbaden, denn Ihre Maß­nahmen, die Sie hier verordnet haben, verursachen viel mehr Schaden und Leid, als sie zu lindern imstande sind. Und jetzt kommen Sie auch noch mit Zwangstests und mit Zwangsimpfungen! (Abg. Steinacker: Wieder tatsächliche Berichtigung!)

Ich sage Ihnen eines: Die Menschen haben genug von dieser Bevormundung! Die Menschen in diesem Land sind intelligent genug, sie verdienen ehrliche Informationen und können sich eine eigene Meinung zu bilden. Sie haben die Menschen verloren, die gehen Ihren Weg nicht mehr mit. Wenn Sie nicht einen radikalen Kurswechsel einläuten, das Parlament und den Gesundheitsausschuss nicht wieder in die Entstehung von und in die Diskussion zu parlamentarischen Vorlagen, zu Gesetzesvorlagen und Verord­nun­gen einbinden, dann werden Sie am Ende des Tages kein Licht sehen, sondern ein großes Waterloo – wieder. (Beifall bei der FPÖ.)

15.13


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Kühberger. – Bitte.


15.13.30

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe


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Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Die Weih­nachts­zeit, wie wir sie kennen, ist normalerweise eine ruhige, besinnliche Zeit. Heuer ist die Weihnachtszeit aber eine ganz besondere Zeit. Die Herren Bundeskanzler und Vize­kanzler haben schon angesprochen, unter welchen Voraussetzungen wir dieses Fest heuer begehen werden.

Ich bin Jahrgang 1974 und zähle mich noch zur Jugend. In meinen jungen Jahren hat es kein Jahr gegeben, das mich so geprägt hat wie dieses Jahr 2020. Als sechsfacher Familienvater bin ich sehr dankbar dafür, dass meine Familie wieder gesund geworden ist; auch wir waren nämlich infiziert. Ich bin aber als Bürgermeister einer Gemeinde in der Steiermark und als Nationalrat auch dafür dankbar, dass unsere Bundesregierung in diesem wirklich herausfordernden Jahr sehr gute Arbeit geleistet hat. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Uns, den Regierungsparteien, sind die Menschenleben, die wir retten, sehr wichtig, aber auch die Arbeitsplätze und die Unternehmen, die wir schützen wollen. Meine Damen und Herren, ich frage mich schon: Was ist der Freiheitlichen Partei wichtig? Worum geht es euch eigentlich? Ihr macht hier Stimmung, wollt Stimmen fangen, aber auf wessen Kosten? Auf Kosten von Menschenleben? Auf Kosten der Wirtschaft? (Abg. Kassegger: Die Wirtschaft ruiniert ...!)

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur eines sagen: Wir wissen nicht, wie diese Krise ausgeht, auch ich nicht, denn ich habe keine Glaskugel, aber ich bin sehr zuversichtlich und ich kann noch mit gutem Gewissen in den Spiegel schauen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Amesbauer: Ich auch!) – Herr Kollege Amesbauer, Sie werden nicht mehr in den Spiegel schauen können. Sie können hier herausplärren und schreien, Herr Kollege, das wird nichts helfen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

Herr Kollege Amesbauer, Herr Kollege Kickl, ich frage Sie als Bürgermeister: Waren Sie in letzter Zeit in einem Pflegeheim, beziehungsweise – man darf ja nicht rein – haben Sie Kontakt aufgenommen? (Abg. Kickl: Ja, ich kann Ihnen auch persönliche Ge­schichten erzählen!) – Das können Sie, glaube ich, jemandem andere erzählen, Herr Kollege Kickl, dass Sie irgendwo mit einem Pflegeheim Kontakt haben.

Ich bin Bürgermeister. In der Steiermark sagt man: wie ein Haftelmacher – so passen wir auf, dass dieses Virus nicht in das Heim kommt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es ist aber in meiner 1 800-Einwohner-Gemeinde leider gekommen, und da spielen sich Tra­gödien ab. (Abg. Belakowitsch: Genau!) Ich telefoniere mit der Heimleitung. Sie können schon schreien, aber ich telefoniere (Abg. Belakowitsch: Ja, und?), ich kenne die Tragödien der Bewohnerinnen und Bewohner, der Angehörigen! – Genau, ja, Frau Dr. Belakowitsch! Schreien Sie rein! Sie sind nämlich genau eine derjenigen, die das fördern, denn Sie rufen dazu auf, nicht testen zu gehen, nicht impfen zu gehen! Sie sind diese Gesundheitsgefährder, was Sie immer uns gegenüber behaupten! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsidentin Doris Bures: Auch Sie, Herr Abgeordneter, ersuche ich, sich in der Aus­drucksweise zu mäßigen!


Abgeordneter Andreas Kühberger (fortsetzend): Entschuldigung, dass ich emotional werde, aber mein Vorredner, der Herr Apotheker, hat ja gesagt, er kennt keine Men­schen, die gestorben sind. (Abg. Belakowitsch: Ja, ich auch nicht!) Ich werde deshalb so emotional, weil ich leider – und ich bin wahrlich nicht stolz darauf – zehn Menschen kenne, die in meiner Region bereits gestorben sind. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich würde gern mit dem Herrn Apotheker tauschen. Ich wünschte, ich würde keinen Einzigen kennen, glauben Sie mir das! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Unsere Pflicht hier im Nationalrat ist es wie gesagt, Menschenleben zu schützen. (Abg. Belakowitsch: Ja, dann tut es endlich!) Das Gleiche gilt auch für die Gemeinden. Herr Kollege Angerer! Sie haben am 9. Dezember 1,2 Milliarden Euro mehr für die Ge­meinden gefordert. Ich als Bürgermeister und Abgeordneter einer Regierungspartei bin stolz darauf, dass wir gut verhandelt haben. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Es gibt ja 1,5 Milliarden Euro zusätzlich, insgesamt 2,5 Milliarden Euro für die Gemeinden. In meiner Gemeinde, das ist nur ein Beispiel, investieren wir nächstes Jahr 200 000 Euro in Straßen. Das haben wir die letzten Jahre gar nicht investiert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Bedarfszuweisungen: Alleine für die Gemeinden in der Steiermark sind das über 201 Mil­lionen Euro. (Abg. Kassegger: ... Landeshauptmann überzeugen wirst!)

Liebe FPÖ, ihr werdet mit eurem Tun und Handeln, mit euren Aussagen immer unglaub­würdiger. Egal, was wir machen – auch wenn es mehr Geld gibt –, es wird alles kritisiert, ich kann euch aber nur eines sagen: Die Leute da draußen spüren das und bekommen das mit.

Und wenn Herr Kollege Kickl da unserem Bundeskanzler quasi – das ist ja arg – eine Bombe unter den Christbaum legen will (Zwischenrufe bei der FPÖ), dann habe ich nachgedacht und mir, wenn Sie erlauben, folgendes Bild vorgestellt: Ich habe mir Herrn Kickl vorgestellt, der als verwöhntes Kind vor dem Christbaum sitzt, ein Packerl nach dem anderen aufmacht und immer lauter schreit, und hier herinnen in diesem Plenum schreit er dann weiter. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Liebe Freiheitliche Partei, jetzt fällt es mir wieder ein: Letzte Gemeinderatswahl in der Steiermark – kein einziger FPÖ-Bürgermeister. Warum wohl? Vielleicht seid ihr nicht glaubwürdig? – Nur schreien, Herr Kollege Amesbauer, ist zu wenig, man muss schon etwas tun und handeln. Von nichts kommt nichts, da muss man arbeiten, dann kommt man zu etwas. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Amesbauer: Hochmut kommt vor dem Fall!)

Ich habe diese Rede besinnlich, weihnachtlich begonnen und möchte sie mit Weih­nachtswünschen schließen. Vor allem den Menschen draußen, die großartige Arbeit leisten, in den Pflegeheimen, in den Pflegezentren, aber auch in unseren Spitälern – ob das Ärzte sind, ob das Krankenschwestern sind oder PflegerInnen – sage ich: Alles, alles Gute! Gesundheit! Vielleicht gehen wir gemeinsam testen und dann gemeinsam impfen, dann können wir nächstes Jahr wieder ein gescheites Weihnachtsfest feiern. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer. – Abg. Amesbauer: Machen wir’s heuer!)

15.19


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte.


15.20.01

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Herr Bundeskanzler! Ich habe Ihnen bei Ihrer Rede genau zugehört. Ich muss ganz ehrlich sagen, das war wieder weder als Regierungserklärung Fleisch noch als Weihnachtsansprache Fisch. Das hat gar nichts gebracht, weil man eines machen muss: Wenn schon Weihnachten kommt und man sie vielleicht als Weih­nachtsansprache titulieren will, dann muss sie Hoffnung und Zuversicht geben.

Ich möchte auch noch einen Dank aussprechen. Sie haben so vielen gedankt – Ge­meinden, Ländern, auch Pflegeheimen et cetera –, einer Gruppe aber, die vielleicht jetzt vor Weihnachten bei ihrer Familie ist, muss man auch großen Dank aussprechen, und das sind die Unternehmer, die großes Risiko tragen und die vor allem dieses große Risiko mit ins Jahr 2021 tragen und nicht so genau wissen, wohin es geht. Dieser Unternehmerschaft, der Wirtschaft, dem Handel, dem Tourismus, allen mittelbar und


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unmittelbar Beteiligten, die von dieser Krise so enorm betroffen sind, haben Sie leider keine Zuversicht gegeben. Zuversicht heißt nämlich, dass man vorausschauend kommu­niziert, und die einzige vorausschauende Komponente, die Sie gebracht haben, war: Juni 2021 wird es vorbei sein. Schon der Experte Gartlehner hat aber gesagt, dass es frühestens im Herbst so weit sein wird, und selbst da besteht noch ein großer Unsicher­heitsfaktor.

Rechtzeitig wissen wir bis heute noch gar nichts. Wir wissen zum Beispiel basierend auf Ihre Kommunikation überhaupt noch nicht, wer jetzt eigentlich recht hat, wenn es nur um das kleine Beispiel der Take-away-Betriebe im Winterbetrieb bei den Skiliften geht. Da sagt der Landeshauptmann etwas anderes als die Tourismusministerin, der Landes­haupt­mann von Tirol sagt auch etwas anderes als Sie, und das ist weder klar noch deutlich. Wir bräuchten bei einer Regierungsansprache jetzt aber Klarheit, vor allem wenn es in den Winter geht.

Der einzige Grund zur Zuversicht, den wir haben, ist, dass ab heute die Tage wieder länger werden. Ich möchte Ihnen das beispielhaft ein bisschen aufzeigen, weil der Herr Vizekanzler jetzt auch da ist. Betreffend Unternehmertum muss ich Ihnen sagen: Das hier auf der Regierungsbank ist eine Castingshow der Untalentierten! Sie wissen über­haupt nicht, worum es geht, nämlich wenn es um Zuversicht, Klarheit und Deutlichkeit geht. Die Unternehmer bräuchten jetzt Gewissheit, wie es eigentlich nach dem 1.1. weitergeht, wenn der Umsatzersatz nicht mehr da ist, wenn der Umsatzersatz nicht mehr angewendet werden kann, und wir – jeder Unternehmer, die mittelbaren und die unmit­telbaren, der Handel – von dieser Unsicherheit maximal betroffen sind.

Sie reden sich immer wieder auf die EU raus. Ich habe in zahlreichen Reden, auch vorhin von den Grünen, vom Schulterschuss gehört. Hätten Sie nicht uns über den ganzen Sommer Kontraproduktivität vorgeworfen, sondern auf unsere Vorschläge geachtet, wären wir heute bei dem, Herr Vizekanzler, Herr Bundeskanzler, was uns über den Winter bringen würde, nämlich bei der Verlustkompensation! (Beifall bei den NEOS.)

Das ist der Punkt, wohin wir eigentlich gehen sollten. Der Finanzminister hat nämlich bis heute noch nicht klar ausgedrückt, wie das mit Artikel 107 Abs. 2b ist, wie das mit der Anwendbarkeit von Beihilfen im Katastrophenfall ist. Das bräuchten wir jetzt! Wir bräuchten auch ein Konzept – das die Bundesregierung schon längst versprochen hat – für die mittelbar Betroffenen: die Textilzulieferer im Tourismus, die Fleischhauer, die­jenigen, die die Stiere schlachten, die schon alles abgeschlachtet haben. Sie hatten geglaubt, dass sie mit 7. Jänner aufsperren können; jetzt dürfen sie das erst am 18. Jän­ner.

Es müsste aber auch die Unsicherheit genommen werden, was das Freitesten betrifft. Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, wie stellen Sie sich das vor? Sagen wir einmal, Sie gehen wieder nach Großarl Skifahren, Sie haben einen negativen Test mit sich. Sie kennt man, einen Huber Hansi aber kennt man nicht. Dann kommt der Huber Hansi mit dem Testergebnis von Sebastian Kurz und sagt: Ich bin negativ. – Wie soll das ein Gastwirt ausmachen? Wie soll er das kontrollieren, und wer ist danach haftbar? – Sie lassen die Unternehmer wieder in dieser Unsicherheit, denn sie wissen nicht, was am 18.1. ist! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Rauch.)

Den ganzen Sommer über haben Beate Meinl-Reisinger, Niki Scherak und wir alle ge­sagt: Zuerst geht es um die Gesundheit, aber dann geht es um alles! – Dieses um alles ist aber nicht gegeben, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht nicht, vor allem bei den Hilfen nicht, weil wir kein Konzept zu der Frage haben, was es bedeutet, wenn die Rezession noch tiefer geht. Wir sind jetzt schon ganz weit vorne bei den Rezessionseinschlägen.

Wir haben keinen gemeinsamen Plan, wie wir Beschäftigung wiederherstellen, und wir haben vor allem keinen Plan, wie es danach, post Corona, weitergeht. – Das müssen


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wir jetzt machen, wenn Sie Zuversicht geben und nicht von einem Massentest in den nächsten, von einem Kommunikationsfehler in den nächsten stolpern wollen. Das würde ich mir wünschen.

Dazu haben wir Konzepte für Sie vorbereitet, und ich würde mir wünschen, dass Sie diesen Schulterschluss endlich einmal ernst meinen. (Beifall bei den NEOS.)

15.25


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Josef Smolle zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.25.53

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute immer wieder die Frage angeklungen, warum es weitere Maßnahmen braucht. – Im Frühjahr hat sich die Pandemie in Europa auf etliche Länder konzentriert, einige Regio­nen wie Oberitalien oder der Großraum Madrid waren besonders schlimm betroffen. In Österreich und zum Beispiel auch in Deutschland oder Kroatien ist es gelungen, im Frühjahr viel Schlimmes zu verhindern. Mittlerweile hat die Pandemie Europa im Griff. Bis dato ist sind in Europa etwa eine halbe Millionen Menschen mit Covid-19 verstorben.

Wenn jemand fragt, was wir in Österreich tun müssen, warum wir etwas tun müssen, ist die Antwort: Seit drei Wochen sind täglich durchschnittlich 100 Todesopfer dieser Krank­heit geschuldet. Mittlerweile ist Covid-19 nach dem großen Cluster der Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache in Europa geworden.

Ich lade Sie ein: Sprechen Sie mit Personen aus Gesundheitsberufen wie Ärztin­nen/Ärzten, Pflegerinnen/Pflegern, die auf Intensivstationen tätig sind, was sie darüber denken, wenn Verharmlosungspropaganda betrieben wird! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Diese Kolleginnen und Kollegen, die tagtäglich schwer­kranke, ja, schwerstkranke Covid-19-Patientinnen und -Patienten behandeln und trotz optimaler Therapie immer wieder welche verlieren, sehen die Verharmlosungs­propa­ganda mit Unverständnis, erschüttert und zutiefst verärgert.

Wir haben über die Erkrankung in den letzten neun Monaten sehr viel dazugelernt, es gibt mittlerweile international etwa 85 000 Publikationen dazu. Was es aber bisher noch nicht gibt, ist der Stein der Weisen, das Patentrezept, das besagt, was man in einem Land tun muss, damit die Pandemie eins zu eins besiegt ist. (Abg. Belakowitsch: Jedenfalls kein Lockdown!) Man weiß aber viel über Einzelmaßnahmen, kann sie abschätzen, und es hat sich herausgestellt: Einzelne Maßnahmen allein bringen es nicht, sondern es muss ein Bündel an Maßnahmen sein. Das bringt den Erfolg, das sieht man an den internationalen Vergleichen.

Was man auch gelernt hat, ist, dass jede einzelne Maßnahme in ihrer Wirksamkeit Grenzen hat, dass jede einzelne Maßnahme auch Wirkungen hat, die man sich nicht wünscht, und dass das immer ein Abwägen ist. Was man aber auch gelernt hat, ist, dass jede einzelne Maßnahme an Wirksamkeit einbüßt, wenn man sie verwässert und wenn man sie untergräbt. Deshalb appelliere ich hier ausdrücklich an Sie: Lassen Sie uns gemeinsam die Verantwortung tragen, verbunden mit einer Abrüstung der Worte! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Dieses gemeinsame Tragen von Verantwortung bezieht sich nicht nur auf die Regie­rungs­parteien und auf die Bundesregierung, sondern es bezieht sich auf alle hier im Hohen Haus: die Sozialdemokratie, die NEOS, und ein ganz besonderer diesbezüglicher Appell geht an die Kolleginnen und Kollegen der FPÖ!


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, gerade ist die Meldung gekommen, dass die EMA grünes Licht für den ersten Impfstoff gegeben hat, einen Impfstoff, der bereits an Zigtausenden Menschen getestet und minutiös geprüft worden ist und auf solider Basis zugelassen wird. Ich sage dazu nur eines: Ich warte mit Freude auf den Tag, an dem mir gerechterweise – aufgrund meines Alters und meines Berufs – ein Impfstoff zusteht. Dann werde ich mich impfen lassen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abge­ordneten der NEOS.)

Ich wünsche Ihnen allen ein frohes, aber auch besinnliches Weihnachtsfest und uns, dass wir gemeinsam in ein konstruktives Jahr 2021 gehen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.30


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sonja Hammerschmid. – Bitte.


15.30.54

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen hier im Hohen Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte den Faden von Gabi Heinisch-Hosek wieder aufnehmen und bei den Betroffenen ansetzen, über die Betroffenen sprechen. In meinem Fall sind das natürlich wieder einmal die Kinder.

Unsere PflichtschülerInnen waren in diesem Jahr mit 59 Tagen die Hälfte der Schultage im Distancelearning. Die Oberstufenschülerinnen und -schüler hat es noch schlimmer getroffen, denn sie waren ganze 90 Tage daheim im Distancelearning. (Abg. Belakowitsch: Das ist ein Wahnsinn!)

Wenn ich jetzt meine Ausschusstage hernehme und die Plenartage dazurechne, dann bin ich öfter hier im Hohen Haus präsent gewesen als die Kinder in der Schule. Das ist eigentlich unglaublich, oder? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Belakowitsch: Unglaublich!)

Kennen Sie einen Infektionscluster, der von Präsenztagungen hier in den Ausschüssen oder im Plenarsaal ausgegangen ist (Abg. Belakowitsch: In der ÖVP! – Abg. Wurm: In der ÖVP ...!), nur einen Infektionscluster? – Ich kenne keinen. Es gab einzelne Infek­tionen, aber sicher nicht vom Parlament und von den Tagungen hier ausgehend. Warum? Weil wir ausreichend Testmöglichkeiten haben und weil wir die Hygienemaß­nahmen einhalten, die hier sehr gut durchdacht eingesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steinacker: Nicht alle!)

Wir als Sozialdemokratie haben schon im Mai ein Maßnahmenpaket für die Schule gefordert (Vizekanzler Kogler: Jo eh!), ein pädagogisches und ein Sicherheits­maßnah­menpaket für die Schule, denn für uns war klar: Die Coronakrise darf nicht zur Bildungs­krise werden. Das war im Mai schon unser Credo. Für uns stand immer fest: Die Schulen müssen offen bleiben, solange dies die medizinischen und epidemiologischen Fakten, Zahlen und Daten vertretbar erscheinen lassen, denn die Auswirkungen einer Schul­schließung auf die Kinder sind viel zu groß.

Ich möchte Sie einmal mehr mit Clusteranalysen der Ages konfrontieren, die erst einige Tage alt sind, also ein ganz neues Bild ergeben. Herr Vizekanzler, ich bitte Sie, jetzt kurz zuzuhören! Die Ages sagt einmal mehr: Die Schulen sind nicht die Coronahotspots (Vizekanzler Kogler: Sag ich ja!), die Virusübertragung bei unter 20-Jährigen geschieht vor allem im Haushalt. Die Inzidenz in der SchülerInnenkohorte entspricht zurzeit jener von Anfang Oktober, als alle Schülerinnen und Schüler noch in der Schule waren. Da muss ich schon fragen: Was hat der Lockdown für das Schulgeschehen gebracht? – Wenig, würde ich meinen.


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Was muss eigentlich passieren, liebe Mitglieder der Bundesregierung, dass Sie auf Ihre eigenen Expertinnen und Experten hören? Die Vorsitzende der Coronakommission hat erst am Wochenende medial wieder ganz klar dazu aufgefordert, die Schulen offen zu lassen und sie mit einer gut gemachten Teststrategie zu begleiten: die PädagogInnen testen, die Schülerinnen und Schüler testen. – So einfach wäre das eigentlich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Irland zeigt uns den Weg ja auch ganz klar vor. Wenn man schon nicht auf die österreichischen Experten hören will, dann schauen wir nach Irland! Ohne einen einzigen Tag Schulschließung hat das Land binnen kürzester Zeit die Inzidenz auf heute 68,5 heruntergedrückt. Österreich liegt bei 155. Keinen einzigen Tag war in Irland die Schule geschlossen.

Das heißt, die Schulen zu schließen ist nicht schwer. Das lässt sich leicht implemen­tieren, das lässt sich leicht machen. Sie aber offen zu halten ist sehr schwer. Dazu braucht es Hirn, Strategie, vorausschauendes Planen und Handeln. (Beifall bei der SPÖ.)

So haben wir bereits im August eine Teststrategie für Schulen vorgelegt. Die ist gar nicht so schwer, das ist nicht Rocketscience: Es braucht regelmäßiges Testen für Päda­goginnen und Pädagogen in den Schulen und in den Kindergärten – das sind Pädago­gInnen, lieber Herr Vizekanzler, im Kindergarten, und keine „KindergärtnerInnen“ (Beifall bei der SPÖ) –, es braucht mobile Teams für die Bildungseinrichtungen, es braucht Fast Lanes in den Laboren für eine 24-Stunden-Abklärung, es braucht Gurgelkits an jeder Schule für jedes einzelne Kind. Die Antigentests geben uns praktische Möglichkeiten in die Hände, sofort eine Abklärung zu machen.

Fest steht: Hätte die Regierung diese Strategie beachtet, dann hätten unsere Kinder nicht jetzt zum dritten Mal in den Lockdown gehen müssen.

Das Einzige, was aus dem Bildungsministerium heraus geschehen ist, waren Pilot­projekte: ein paar mobile Teams da, ein Bus mit RT-Lamp-Tests dort, hin und wieder Gurgeltests. Es gab aber keine flächendeckende Teststrategie für Pädagoginnen und Pädagogen an jeder einzelnen Schule. Dieser Lockdown jetzt ist hausgemacht und ist schlichtweg ein Versagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich frage mich daher: Warum gibt es keine flächendeckende Teststrategie an den Schulen? Warum gibt es kein Sicherheitskonzept, das über Lüften und Maskentragen hinausgeht? Warum dürfen die Kinder mit ihren Freunden Ski fahren gehen, in die Schule aber dürfen sie nicht gehen? Vor allem: Wie soll es weitergehen?

Wenn der Bundeskanzler glaubt, dass wir mit der Impfung zur Normalität zurückkehren: Ja, die Impfung ist wichtig, ist unser einziger Weg aus dieser Krise hinaus, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, und ich halte es mit Sepp Smolle: Wenn es für mich die Mög­lichkeit gibt, eine Impfung zu bekommen, bin ich die Erste, die sich darum anstellt. Das ist keine Frage. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Aber: Eine Normalität wird es in der Schule noch lange nicht geben, weil die Normalität durch die vielen Lockdowns, durch die Defizite, die größer sind, als wir alle es erahnen können, schon so weit weg ist.

Hören Sie auf die Pädagoginnen und Pädagogen, was da los ist! Es braucht Zeit, es braucht Fördermaßnahmen, und zwar nicht nur die Summerschools und für 7 000 Schü­ler ein bisschen Nachhilfeunterricht in den Weihnachtsferien und den Semesterferien! Es braucht flächendeckend implementiert SozialarbeiterInnen, PädagogInnen an den Schulen, mehr PädagogInnen an jenen Schulen, die besondere Herausforderungen haben, es braucht ganztägige Schulen und vieles, vieles mehr.


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In den 21 Tagen – ich habe es zusammengerechnet, Herr Bildungsminister –, die Sie anbieten, sind vier Monate nicht aufzuholen.

Das heißt, einmal mehr lautet mein Appell: Hören Sie auf die Expertinnen und Experten! Hören Sie auf die Pädagoginnen und Pädagogen! Ihnen gilt mein Dank an dieser Stelle. – Danke, liebe Pädagoginnen und Pädagogen, dass die Schule, wenn sie denn stattfindet, trotz dieser wahnsinnig schlimmen und herausfordernden Bedingungen doch ein Stück weit gelingen kann und die Kinder und die jungen Menschen unterstützt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

15.37


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. – Bitte.


15.38.03

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich tue mir ein bisschen schwer, mich nach den Ausdrücken, die hier schon gefallen sind, in diese Liste der RednerInnen einzureihen. (Abg. Hafenecker: Das schlimmste Wort, das gefallen ist ...!)

Es war die Rede davon, man würde „Jagd“ auf Symptomlose machen und Menschen „stigmatisieren“ und in „Schutzhaft“ nehmen, eine „Bombe“ unter den Christbaum legen, und das ausgerechnet von jemandem, der gerade dabei ist, eine neue Kategorie von Politikerprivilegien einzuführen, nämlich hier zu sitzen, ohne Maske, ungetestet, und alle möglichen Erreger in alle möglichen Himmelsrichtungen zu verbreiten, während die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion hier sitzen, die diese Mas­ken tragen müssen und Sie damit schützen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: „Alle möglichen Erreger“! – Abg. Deimek: Es gibt Menschen mit gesundheitlichen Problemen, aber die sind ja den Grünen wurscht!)

Wir standen im März vor dem Problem, dass wir uns einer ansteckenden Krankheit gegenübergesehen haben, die gedroht hat, unser Gesundheitssystem zu überlasten. Damals hatten wir die Möglichkeit, die Infektion mit aufwendigen PCR-Tests festzu­stellen. Wir wussten nicht, wie viele dieser Tests uns überhaupt zur Verfügung stehen, und es gab nur wenige Labore, die diese Tests überhaupt durchführen konnten. Deshalb war die einzige Möglichkeit, die wir hatten, diesen Lockdown durchzuführen, und da waren wir uns auch alle einig. (Abg. Belakowitsch: „Alle möglichen Erreger“!)

Jetzt schaut es anders aus. Wir wissen mehr, wir wissen, dass durch das Tragen einer einfachen Stoffmaske schon sehr viel reduziert werden kann. Wir haben wesentlich mehr PCR-Tests, und wir haben – und das ist eine entscheidende Errungenschaft –die Möglichkeit, diese Schnelltests zu machen. Uns stehen sehr, sehr viele dieser Tests zur Verfügung – wenn man sie nicht gerade für Cola-Spielchen verwendet –, und sie sind sehr sicher.

Damit kann man relativ schnell und einfach feststellen, wer infiziert und somit ansteckend ist. Ja, das sind Momentaufnahmen, diese Momentaufnahmen zeigen aber, dass getes­tete Personen gerade keine Viren verbreiten. Diese Tests stehen jetzt zur Verfügung und deshalb müssen wir dieses Mittel jetzt auch nützen. Wir haben die Chance, Mitte Jänner wieder mit relativ niedrigen Infektionszahlen und mit niedrigen Zahlen an Kranken und Schwerstkranken dazustehen, und wir haben die Chance, das auch so beizu­behal­ten. Zu diesem Zweck müssen wir nicht einmal alle zu Hause bleiben, wir müssen es nur schaffen, ein paar Minuten pro Woche dafür aufzuwenden, diese Schnelltests zu machen. Das bedeutet aber umgekehrt auch, dass wir zu diesem Mittel greifen müssen, denn es ist notwendig, dass wir jenes Mittel ergreifen, das mit dem geringstmöglichen


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Eingriff den größtmöglichen Effekt erzielt – und das sind im Moment eben genau diese Schnelltests. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ja, die Regelungen, die genauen Durchführungsbestimmungen gibt es noch nicht. Ja, es wird noch vieles zu diskutieren sein – und das wird auch gemacht werden: Es wird alles diskutiert, es werden Stellungnahmen von Expertinnen und Experten eingeholt und es wird hier im Parlament auch ausführlich darüber debattiert werden – so wird das gemacht.

Und, apropos Parlament, noch ganz kurz zum Antrag der SPÖ: Ja, auch ich teile die Empörung. Es ist unerträglich, zu sehen, dass so etwas auf europäischem Boden passiert und dass nichts dagegen unternommen wird. Das ist unerträglich.

Griechenland treibt ein ganz böses Spiel auf dem Rücken von Familien, von Kindern, von Menschen, die nichts wollen, außer ein Leben in Sicherheit zu führen (Abg. Wurm: ... bitte, Frau Kollegin! Was haben Sie gegen die Griechen, bitte?), eine Behausung, ein Dach über dem Kopf und einen trockenen Boden zum Schlafen zu haben. (Abg. Kickl: Na was ist jetzt wichtiger, Ihre Moral oder die Regierungsbeteiligung? – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Wurm.) Sie wollen ein Leben in Sicherheit und sie wollen, dass ihre Kinder ausreichend die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln und Perspektiven zu haben, so wie Sie und ich, so wie wir alle es uns wünschen. (Abg. Kickl: Besonders ausgeprägt ist Ihre Moral nicht!) Und dafür setzen wir uns auch ein, dafür setzen sich alle grünen Regierungsmitglieder jeden Tag ein. (Abg. Kickl: Es nutzt nur nichts!)

Ja, es gibt Angebote von Gemeinden und von BürgermeisterInnen, auch von meiner eigenen Gemeinde: Leonding ist bereit, zehn Familien aufzunehmen. Es gibt diese Angebote und wir sind dafür, dass diese Angebote angenommen werden. (Beifall bei den Grünen.)

15.42


Präsidentin Doris Bures: Ich möchte der Ordnung halber in aller gebotenen Kürze darauf hinweisen, dass wir uns in der Präsidialkonferenz mehrfach darüber unterhalten haben, welche Schutzmaßnahmen wir während dieser Sitzungen treffen, und wir haben uns im Konsens aller Fraktionen darauf verständigt, dass wir diese Glaswände montie­ren, also diese Investition tätigen, damit während der Sitzungen keine Masken erfor­derlich sind.

Ich wollte nur darauf hinweisen, weil das mit allen Fraktionen so vereinbart wurde. Es ist allerdings jedem unbenommen, wie er das handhabt. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt gelangt Herr Abgeordneter Peter Weidinger zu Wort. – Bitte.


15.43.47

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätz­ter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der österreichischen Bun­des­regierung! Liebe Österreicherinnen, liebe Österreicher und alle Menschen, die hier in diesem Land leben! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Es gibt einige Punkte, die wir hier klarstellen und festhalten müssen und die auch einer Berichtigung bedürfen.

Ich möchte mit den Ausführungen von Frau Abgeordneter Hammerschmid beginnen und darf Ihnen mitteilen, dass sich seit der Zeit, als Sie Bildungsministerin waren, die For­schung und die Wissenschaft weiterentwickelt haben. Es war unsere Gesundheits­sprecherin, Frau Abgeordnete Gaby Schwarz, die Kollegen Philip Kucher noch einmal die Prävalenzstudie übermittelt hat, die Folgendes ganz klar zum Ausdruck bringt – ich darf das Fazit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammenfassen, meine Damen und Herren (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) –: Junge Schulkinder sind


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genauso häufig mit Sars-Cov-2 infiziert wie ihre erwachsenen Lehrenden. – Das heißt, es ist notwendig, es ist richtig und es ist konsequent, dass auch im Schulbereich dies­bezügliche Entscheidungen getroffen werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Wer sagt das? Das ist ja ein Blödsinn! Weil Sie was vorlesen, muss es nicht richtig sein!)

Sehr geehrter Herr Klubobmann Kickl, Sie stellen sich hier heraus, reihen verschiedene flegelhafte Ausdrücke aneinander und sind dann der Meinung, Sie zeichnen ein Bild der Politik. (Abg. Rauch: Das ist persönlich beleidigend! Das ist beleidigend!) Das Gegenteil ist der Fall: Wenn Sie sich hierherstellen und dann Vergleiche mit der DDR und Herrn Honecker ziehen (Abg. Kickl: So ist es!), dann verurteile ich das bis ins Letzte. (Abg. Kickl: ... verurteilen Sie! So etwas ... lassen mir meine Meinung!) Das war ein Unrechtsregime, in dem Menschen gestorben sind, in dem keine demokratischen Ver­hältnisse geherrscht haben, und wenn Sie solche Zitate bringen, dann stellen Sie sich genau auf jene Seite der Geschichte, die die falsche ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der ÖVP – in Richtung FPÖ –: Hören Sie doch auf!)

Es geht aber ja weiter, meine Damen und Herren, wenn die FPÖ sich hierherstellt und versucht, eine weltweite Pandemie dafür zu verwenden, in Österreich parteipolitisches Kleingeld zu schlagen, weil die Umfragewerte wieder einmal bescheiden sind. Da muss alles herhalten! Denken wir aber einmal an die Identitären, meine Damen und Herren: Kein Wort der Ablehnung von Gewalt, kein Wort von Ablehnung einer Aktion, die vergan­gene Woche stattgefunden hat, im Zuge derer es einen Angriff von Identitären auf die ÖVP-Zentrale gegeben hat. (Abg. Belakowitsch: Welche Gewalt?) Als im Sommer oder noch vor einigen Monaten die FPÖ Opfer von einem Brandanschlag wurde, hat die ÖVP das selbstverständlich sofort zurückgewiesen, denn wir dulden Gewalt von keiner Seite. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Kickl: Also bitte!) Das erwarten wir uns auch von Ihnen: eine klare Abgrenzung zu den Identitären und zu den Rechten. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Dem nicht genug, Herr Kollege Kickl, Moment, es kommt noch etwas, Sie haben so viel geliefert! Nächstes Bonmot – als solches würden Sie es wahrscheinlich bezeichnen, ich möchte mich davon inhaltlich absolut distanzieren (Abg. Belakowitsch: Dann erzählen Sie es gar nicht!) –: Es war Ihr Parteichef Hofer, der gesagt hat, Identitäre und FPÖ, das gehe nicht. – In Salzburg werden Identitäre in FPÖ-Parteifunktionen gewählt, und es gibt keine Konsequenz. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das funktioniert alles ohne Wenn und Aber, da sind Sie also ganz klar rechts, und das zeigt Ihre Strategie, die Sie in der Coronakrise fahren, die Sie grundsätzlich mit Politik verwechseln: Chaos, Chaos, Chaos. (Abg. Kickl: Also irgendwie sollte man zumindest zum Thema sprechen! Die Debatte wird eh noch ...!) Als Sie in Regierungsverantwortung waren, haben Sie das Innenministerium im Chaos versinken lassen, das diese Regierung jetzt wieder sehr gut aufrichten muss. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Lausch: Jössas! – Abg. Kickl: Jössas! Das wird immer schlechter!)

Sie waren es, der Informationen an die Öffentlichkeit herausgegeben und Männer und Frauen in Uniform gefährdet hat, weil das ganz sensible Daten waren. (Abg. Kickl: Jössas na! – Abg. Lausch: Das macht schon der Nehammer!) Das ist zurückzuweisen, und so ist auch Ihr Antrag zurückzuweisen, den Sie eingebracht haben – nicht dass Sie ihn eingebracht haben, das ist demokratisch in Ordnung, inhaltlich aber liegt er total daneben, weil er hier nur als Chaos und als Nebelgranate dienen soll, wo es keine Strategie gibt. (Abg. Hafenecker: Halten Sie diese Rede am Villacher Fasching, dort gehört sie hin!)

Wissen Sie, meine Damen und Herren, wer der Erste war, der geschrien hat: Lockdown, Lockdown!? – Das war ein gewisser Herbert Kickl, der es kaum erwarten konnte, in einen


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Lockdown zu gehen. (Abg. Kickl: Ja, eh! Und was haben Sie damals gesagt? Was haben Sie damals gesagt?) Heute distanziert er sich davon. Unerhört, Herr Kickl! Ich ersuche Sie, informieren Sie sich sachlich!

Sie haben heute die Chance nicht genutzt, sich hier ans Rednerpult zu stellen und sich bei den Österreicherinnen und Österreichern zu entschuldigen (Abg. Belakowitsch: Entschuldigen Sie sich einmal!), die Sie verunsichern, indem Sie immer wieder Ver­schwörungstheorien in den Raum stellen und vorgeben, dass Menschen richtig handeln, die sich nicht an die Regeln halten, die nicht ihren Beitrag dazu leisten wollen, dass Menschenleben gerettet und geschützt werden. Das ist so wenige Tage vor Weihnach­ten unerhört, und das hat grundsätzlich bei uns in Österreich keinen Platz! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Diese Bundesregierung und die Parlamentsmehrheit, meine Damen und Herren, haben Rettungspakete auf den Weg gebracht (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und ich möchte unabhängige Institute zitieren, die sagen, gemessen am Bruttoinlandsprodukt war das, was Österreich leistet, die größte finanzielle Anstrengung, die eine Volkswirt­schaft in Europa gemacht hat. Gestatten Sie mir aber, Folgendes zu sagen, meine Damen und Herren: Das ist uns nicht genug!

Ja, wir geben am meisten Geld aus, aber wir lernen jeden Tag dazu, sodass wir noch treffsicherer werden und die Arbeitsplätze noch besser sichern, die Betriebe unter­stützen und Menschenleben retten. Dafür steht der Kurs dieser Bundesregierung. Des­wegen der klare Appell an die FPÖ: Nicht spalten und auseinanderdividieren, sondern schließen Sie sich unserem Kurs an (Heiterkeit bei der FPÖ): gemeinsam mit Bedacht, um Menschenleben zu retten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Lausch: Na sicher nicht!)

15.49


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abge­ordnete Sonja Hammerschmid zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


15.49.59

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Abgeordneter Weidinger hat soeben behauptet, seit meiner Zeit als Bildungsministerin hat sich die Wissenschaft weiterentwickelt. – Das stimmt, das stimmt! Gott sei Dank, muss ich sagen!

Er hat aber auch behauptet, dass Kinder genauso infiziert werden und ÜberträgerInnen werden wie alle anderen. Ich darf daraus vorlesen, was Kollegin Schmid von der Ages – ihr werden Sie den Expertinnenstatus ja hoffentlich nicht aberkennen – im Interview gesagt hat: Aus dieser Prävalenzstudie „,sollen und können keine Rückschlüsse auf die Empfänglichkeit gegenüber dem Virus und die Übertragungsfähigkeit im Kindesalter gezogen werden.‘ Bei der Gurgeltest-Studie“ – das ist die Prävalenzstudie – „handle es sich um eine reine Prävalenzstudie, sie besagt also nur, wie viele Pflichtschüler bezie­hungsweise Lehrkräfte in den untersuchten Schulen im jeweiligen Erhebungszeitraum positiv getestet wurden.“ – (Zwischenruf bei der ÖVP.) – „Sie beziffert die gerade aktuelle Häufigkeit“ – zuhören! – „aktiver Covid-19-Infektionen, kann aber nicht beant­worten, ob diese vier Promille Schulkinder jemals ansteckend waren oder selbst krank wurden.“ (Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Da muss man ein bisschen in die Tiefe gehen, um die Daten auch verstehen zu können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Weidinger.)

15.51

15.51.24



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 49

Präsidentin Doris Bures: Nun ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, frage ich, ob wir eine Sitzungsunterbrechung brauchen. – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir sogleich zur Abstimmung.

Wir gelangen zur Abstimmung über den eingebrachten Entschließungsantrag der Ab­geordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „humani­tärer Katastrophe mitten in Europa – Kindern aus Moria endlich Schutz und Hoffnung geben“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? (Abg. Kickl: Was ist jetzt mit den Grünen? Wo ist der Anstand? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt. (Abg. Lausch: Die Grünen haben die Masken auf, die werden eh nicht erkannt! Oder haben sie heute blaue Masken auf?!)

15.52.192. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Einspruch des Bun­desrates (616 d.B.) vom 17. Dezember 2020 gegen den Beschluss des National­rates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz sowie das Selbständigen-Sozialver­siche­rungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2020 – 2. SVÄG 2020) (617 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1194/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre und das Bundesbezügegesetz geändert werden (618 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1192/A der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz für eine Politiker-Nulllohnrunde in der Corona-Krise (619 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1193/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nulllohnrunde für Spitzenverdiener in der Corona-Krise (620 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1195/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz geändert wird (621 d.B.)



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Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Punkten 2 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden. Hinsichtlich der einzelnen Ausschussberichte verweise ich auf die Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Klubobmann Herbert Kickl. – Bitte, Herr Klubobmann.


15.52.51

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine Herren auf der Regie­rungsbank! (In Richtung des den Saal verlassenden Bundeskanzlers Kurz:) Es ist interessant, es geht in diesem Tagesordnungspunkt um die vonseiten der Regierung geplante Erhöhung der Politikergehälter, und die politische Elite verlässt den Raum.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befinden uns in der Vorweihnachtszeit, und ich habe mir deswegen überlegt, diesem Thema einmal ein etwas anderes Gesicht zu geben. Ich habe mir eine Weihnachtsgeschichte ausgedacht, die ich Ihnen hiermit zur Kenntnis bringen möchte. Es ist eine Weihnachtsgeschichte, die auch in gewisser Weise einen kleinen Jahresrückblick gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es war einmal ein wunderschönes Land inmitten hoher Berge und mit glasklaren Seen. Darin lebten seit Generationen fleißige und tüchtige Menschen, die einen Wohlstand aufgebaut hatten. Eines Tages kam nun in diesem Land ein gewisser Sebastian, den alle nur den jungen, hübschen Eisprinzen nannten, aus der Dynastie der Schwarz-Türkisen an die Macht, gemeinsam mit einem Werner, der von allen meistens der Zerkugelte gerufen wurde. Beide versprachen den Untertanen, dass sie künftig nur das Beste aus ihren beiden Dynastien zum Wohle aller umsetzen wollten.

In den Tagen ihrer Regentschaft wurde auch in diesem kleinen Land eine Seuche ausgerufen, ausgelöst durch ein Virus, das man nur mit einem dafür völlig untauglichen Test überhaupt feststellen konnte und das viele, die es hatten, nicht einmal bemerkten. Ja, es gab auch Todesopfer und viele schwere Krankheitsverläufe zu beklagen. Das machte alle betroffen, das war aber auch in den Jahren vor dieser Krankheit mit anderen Krankheiten so gewesen, und das Leben hatte seinen normalen Lauf genommen. (Ruf bei der ÖVP: So ein Schwachsinn!)

Trotzdem versetzten Sebastian und Werner gemeinsam mit den Hofnarren namens Karl und Rudolf das ganze Land in Angst und Schrecken. Sie sandten ihre Herolde aus, allen voran Sigrid und August, und mit ihnen viele andere mehr, und diese erzählten den Menschen, vom Kleinkind bis zum Greis, dass alle bald sterben müssten und ganz furchtbare Qualen erleiden würden, wenn sie den Anordnungen der Obrigkeit nicht blindlings Folge leisteten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sogar bezahlte Marktschreier kamen zum Einsatz. Sie trugen die Schreckensbotschaft, die jeden Tag im Regie­rungspalast neu formuliert wurde, aus der herrschaftlichen Residenz bis in die letzten Täler und Winkel des kleinen Landes. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

So wurden die Menschen mit der Zeit gefügig gemacht und gegeneinander aufgebracht. Sie trauten sich nicht mehr, ihre Häuser zu verlassen, und wer es wagte, aufzumucken und eine eigene Sicht der Dinge zu haben oder gar kritische Fragen zu stellen, der wurde verächtlich gemacht und an den Pranger gestellt. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Bald merkte Sebastian, dass diese Angst zwar viele Menschen ihre Arbeit kostete, dass Handwerker, dass Herbergen, dass Tischler und dass Bäcker und so weiter für immer schließen mussten. Er bemerkte, dass die Kinder in der Schule nichts mehr lernten, dass die Alten ohne Besuche schnell vereinsamten und sich Hoffnungslosigkeit und Armut im ganzen Land breitmachten. (Zwischenruf des Abg. Stocker.)


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Zugleich aber gab die Einschüchterung der Menschen dem schwarz-türkisen Geschlecht  die Möglichkeit, die eigene Macht noch auf die letzten weißen Flecken dieses Landes auszubreiten. (Abg. Kirchbaumer: Das ist ja lächerlich!) Das Land wurde mit eigenen Günstlingen überzogen, alle anderen wurden verstoßen, und schließlich gelang es, die Menschen in Abhängigkeit und mit Almosen zu halten. Das gefiel auch Werner, und er wollte mit seiner grünen Dynastie unbedingt mit dabei sein und auch an der Macht teilhaben.

Im ganzen Land wurde also bei den Menschen der Gürtel immer enger geschnallt. Bei sich selber aber und bei ihren Freunden waren Sebastian und Werner gar nicht knausrig. Und so geschah es in der Vorweihnachtszeit jener Tage, dass sie ganz tief in die herrschaftliche Schatulle greifen wollten, die Jahr für Jahr mit den Steuerabgaben der fleißigen Untertanen gefüllt wurde, um sich ein noch höheres Gehalt herauszunehmen, als sie es ohnehin bereits hatten. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Und, meine Damen und Herren, wenn nicht die FPÖ und auch mutige Abgeordnete der Sozialdemokratie dahergekommen wären und laut aufgeschrien hätten, dass das ungerecht ist und dass Sie sich genieren sollen, ja dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, bereicherten sich Sebastian und Werner, Sigrid und August, Karl und Rudolf und auch der greise Sascha in der Hofburg bis zum heutigen Tag. (Beifall bei der FPÖ.)

Und so hat es sich begeben - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann Kickl, es wird Sie jetzt nicht besonders verwundern, dass ich kurz das Wort an mich ziehe (Abg. Hafenecker: Kurz ist gefährlich!), weil ich Sie darauf aufmerksam mache, dass es analog zur Regelung von Zitaten meiner Auffassung nach auch nicht zulässig ist, unter dem Deckmantel einer Märchenerzählung Personen zu diffamieren. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Ich glaube, die Zuordnung war von Ihnen ja auch ganz bewusst gewählt (anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ), und daher ersuche ich Sie, wirklich wieder zu dem zurückzukehren, worauf wir uns geeinigt haben, nämlich dass trotz aller freien Rede die Würde des Hauses nicht verletzt werden soll und persönlich diffamierende Äußerungen hier keinen Platz haben. – Bitte, Herr Klubobmann.


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Frau Präsidentin, ich glaube, Sie haben es nicht verstanden. Die Bevölkerung hat es verstanden. Ich setze also jetzt in meiner Rede fort. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ. – Abg. Gahr: Das ist ein Niveau!)


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann, ich glaube, es geht nicht darum, wer was verstanden hat, es geht darum, dass wir uns darauf verständigt haben. Ich kann Ihnen sagen, die Bevölkerung schreibt Ihnen und auch mir und uns allen oft Mails, dass sie diese Form der Auseinandersetzung so nicht will. (Abg. Wurm: Ein Märchen, Frau Präsidentin!) Darauf habe ich Sie hingewiesen, und deshalb ersuche ich Sie, sich an die uns von uns selbst auferlegten Regeln zu halten. – Bitte. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Ich setze jetzt mit meiner Rede fort. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Geschichte, die ich erzählt habe, hat sich nicht irgendwann in grauer Vorzeit abgespielt, sondern im Jahr 2020 in unserem schönen Österreich. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, es ist eine Tatsache – ich hoffe, ich darf das noch sagen –, dass das Miss­management der schwarz-grünen Bundesregierung durch viele, viele Lebensbereiche der Menschen dieses Landes eine Spur der Verwüstung gezogen hat, etwa im Bereich der Wirtschaft, in dem wir für das kommende Jahr einen regelrechten Tsunami an Pleiten


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erwarten dürfen. All diese Entwicklungen der negativen Art gehen mit massiven Einkom­mensverlusten der Betroffenen einher.

Ich rede vom Arbeitsmarkt, wo wir Massenarbeitslosigkeit und viele Menschen in Kurzarbeit haben. Das Ergebnis unterm Strich bedeutet immer, dass es ein Weniger an Einkommen gibt, einen Einkommensverlust.

Ich rede davon, dass es ganz problematische Entwicklungen im Schulbereich gibt, durch Ihre chaotischen Schließungen, Öffnungen, Schließungen, Öffnungen, durch dieses seltsame Hin und Her, was unterm Strich bedeutet, dass die betroffenen Kinder über ihre gesamte Lebenszeit gerechnet aufgrund des jetzt Versäumten Einkommensverluste haben werden.

Es gibt noch viele, viele andere Dinge, in denen Sie kläglich versagt haben. Ich denke etwa an die Stümpereien im Sicherheitsbereich im Zusammenhang mit dem islamis­tischen Terror. Sie müssen die Verantwortung dafür übernehmen, dass vier unschuldige Menschen ihr Leben lassen mussten, weil Sie einen Attentäter nicht aus dem Verkehr gezogen haben. Das ist ja auch kein Wunder, wenn sich der Verfassungsschutz mit kritischen Ärzten beschäftigt, anstatt den Islamisten in diesem Land auf die Finger zu schauen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Liste der Fehlleistungen ist bei Weitem nicht vollständig, eines aber ist jetzt inter­essant: Am Ende eines solchen Jahres kommt die Regierung im Verbund mit den Parlamentsklubs von ÖVP und Grünen auf eine ganz glorreiche Idee. Sie geben dem Satz: Schau auf dich, schau auf mich!, eine ganz neue Bedeutung, nämlich eine pekuniäre. Sie hauen sich auf gut Deutsch auf ein Packerl und sagen: Nach dieser Leistungsbilanz, liebe Freunde, haben wir uns eine Gehaltserhöhung verdient! – Jawohl, die politische Kaste hat sich selbst eine Gehaltserhöhung zugeschanzt, vom Bun­despräsidenten bis ganz hinunter, für all das, was Sie in diesem Land angerichtet haben, in dem es viele, viele Österreicher gibt, die Einkommensverluste haben und die nicht mehr wissen, wie sie ihr Leben finanzieren sollen. Dafür wollten Sie sich eine Gehalts­erhöhung genehmigen!

Ich sage Ihnen eines: Sie hätten es auch gemacht, hätten nicht die FPÖ und auch einige Mutige in der Sozialdemokratie aufgeschrien. Da sind Sie dann in die Rückwärts­bewe­gung gegangen. Ehrlich gesagt aber ist das Modell, das Sie jetzt vorlegen, auch dreist. Es ist dreist und aus meiner Sicht moralisch nicht zu verantworten, denn jetzt machen Sie eine Nulllohnrunde nur vom Bundespräsidenten hinunter bis zu den Volksanwälten, Sie aber, die Sie das beschließen, aus dem Klub der Österreichischen Volkspartei, und Sie, die es beschließen, aus dem Klub der Grünen, kommen ungeschoren davon!

Meine Damen und Herren! Das sind Abgeordnete zum Nationalrat mit einem Brutto­monatsgehalt von etwa 9 000 Euro, 14 Mal pro Jahr, und viele von Ihnen haben ein fürstliches Nebeneinkommen von weit über 10 000 Euro im Monat hinaus – nur damit wir wissen, wovon wir sprechen, wer sich hier und heute eine Gehaltserhöhung für das kommende Jahr genehmigt.

Ich kann mir vorstellen, wie das Telefon, wie das Handy bei August Wöginger, beim Klubobmann, geglüht hat, wie die armen Abgeordneten, die mehr als 10 000 Euro pro Monat zusätzlich verdienen, angerufen und gesagt haben: Gust, das kannst du uns doch bitte nicht antun, dass du uns das Gehalt nicht erhöhst! Ich bin angewiesen auf diese 136 Euro im Monat, sonst nage ich am Hungertuch!

Da gibt es ein paar solche Vertreter, den Abgeordneten Engelberg zum Beispiel, eine moralische Autorität erster Güte; den Abgeordneten Haubner, jenen Mann, über den es ein Video gibt, wie er in der ersten Reihe des Nationalrates sein Geld gezählt hat, weil er nicht mehr weiß, wohin damit; oder zum Beispiel auch den Abgeordneten Kopf, seines


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Zeichens Generalsekretär der Wirtschaftskammer. Das sind diejenigen, die jetzt alle österreichischen Unternehmen in Ihre Abhängigkeitsbürokratie hineintreiben. Na, die haben sich doch diese Erhöhung verdient  oder etwa nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren?

Auch bei Sigrid Maurer wird das Handy geklingelt und geglüht haben: Liebe Sigi, bitte, werden die Abgeordneten gesagt haben, erhöhe uns doch bitte das Gehalt, nicht als Leistungsprämie, sondern, bitte schön, als Schmerzensgeld, denn wir haben es ja ertragen müssen, dass man uns das ganze Jahr über vonseiten der Österreichischen Volkspartei das Rückgrat herausskelettiert hat! Da haben wir uns doch bitte ein Schmerzensgeld verdient! (Beifall bei der FPÖ.)

So muss es gewesen sein. Das tut ja weh, wenn man seinen Anstand bis zur Unkennt­lichkeit verstümmeln lässt, nur damit man in der Regierung Beiwagerl spielen darf. Das hat doch ein Schmerzensgeld verdient, meine sehr geehrten Damen und Herren.

So kommt dann auch dieser heutige Beschluss zustande, wie er zustande kommt. Und ich sage Ihnen, es ist eine Schande – wenn ich dieses Wort noch verwenden darf –, aber es passt zu Ihnen. Es zeigt die Abgehobenheit, es zeigt die Ignoranz und es zeigt die mangelnde Selbsteinschätzung, von der Sie voll und ganz erfasst sind.

Ich kann Ihnen nur sagen, mit dem, was Sie hier heute beschließen, halten Sie mehr als einen Babyelefanten Abstand von dem, wovon die Menschen wissen, dass es sich gehört, und die schauen sich das ganz genau an, was Sie hier heute auf den Weg bringen.

Es mag ja den einen oder anderen geben, der damit, dass er diese Gehaltserhöhung nicht bekommt, nicht umgehen kann. Ich weiß nicht, wie der Bundespräsident reagiert; er bekommt sie jetzt nicht, die Zigaretten sind auch teurer geworden, das könnte also schon eine gewisse Krise auslösen. Ich sage Ihnen, wenn jemand nicht damit zurecht­kommt, dass er diese Erhöhung nicht bekommt, dann habe ich einen guten Tipp: Legen Sie Ihre Funktion zurück, und das Problem ist gelöst! (Beifall bei der FPÖ.)

16.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abge­ordneter Karl Schmidhofer zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


16.05.52

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren zu Hause so kurz vor Weihnachten! Lieber Herr Kickl, ich berichtige tatsächlich: Das, was Sie da am 21. Dezember als Weihnachtsgeschichte von sich gegeben haben, ist in Wahrheit eine Krampusgeschichte für den 5. Dezember und einer Rede an einem solchen Tag nicht würdig. Ich bitte, das zu berichtigen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schmidhofer überreicht Abg. Kickl einen Schokokrampus.)

16.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Also ich wünsche mir zu Weihnachten, dass ich irgend­wann einmal, zum ersten Mal seit Monaten, eine echte tatsächliche Berichtigung höre. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu Wort gemeldet ist nun Mag. Markus Koza. – Bitte, Herr Abgeordneter.


16.07.01

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht sollten wir einmal kurz zu dem Punkt zurückkehren, warum diese Sondersitzung heute eigentlich stattfindet. Diese


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Sondersitzung war nämlich an und für sich nicht als eine mehr oder weniger originelle Märchenstunde gedacht, sondern es ist darum gegangen, wesentliche Beschlüsse, die bis Ende dieses Jahres notwendig sind, beziehungsweise auch einen Fehler, der in einer der letzten Sitzungen passiert ist, zu korrigieren. Es ist darum gegangen, dass eine Inkrafttretensbestimmung entsprechend im Verfassungsrang verankert wird, damit die Sonderpensionen tatsächlich so begrenzt werden können, wie wir es in der letzten Sitzung mit einer breiten Mehrheit beschlossen haben.

Ja, der Fehler ist passiert, solche Fehler sollten nicht passieren, er ist aber letztlich auch dem geschuldet, dass sehr viele Menschen, die in den Ministerien arbeiten, sehr viele Menschen, die in den Klubs arbeiten, sehr viele Menschen, die derzeit mit der Krisen­bewältigung beschäftigt sind, schlichtweg einen gewissen Erschöpfungs- und Ermü­dungs­zustand erreicht haben, der letztlich zu derartigen Fehlern führen kann.

Es ist nicht schön, wir sind aber glücklicherweise in der Lage, diesen Fehler zu korri­gieren. Es wird dafür gesorgt, dass in der Inkrafttretensbestimmung das Wort Verfas­sungsbestimmung vorkommt. In dieser Sonderpensionsregelung wurden auch noch ein paar Klarstellungen getroffen, damit unterschiedliche Interpretationen oder Interpre­tationsunterschiede nicht mehr möglich sind und beispielsweise die Erhöhung aller Leistungen auch im Bereich des öffentlichen Dienstes tatsächlich maximal 35 Euro aus­macht.

Weiters  das halte ich auch für sehr wichtig und das wissen vielleicht noch nicht besonders viele Menschen, die davon betroffen sind : Im Rahmen der Änderungen der Langzeitversichertenregelung und der Einführung des FrühstarterInnenbonus wurden auch andere Dinge in dieser ASVG-Regelung beschlossen und dem Bundesrat zuge­wiesen. Sie liegen dort und werden mit einer sozialdemokratischen und freiheitlichen Mehrheit blockiert, allerdings sind sie sehr entscheidend für sehr viele unmittelbar Betroffene, die insbesondere unter dieser Covid-19-Krise besonders leiden.

Das sind beispielsweise Risikogruppen, das sind beispielsweise Menschen, die im Homeoffice sind und eine Verlängerung ihres Unfallversicherungsschutzes brauchen. Da geht es auch um Verlängerungen im Bereich der Anspruchsberechtigung in der Kranken- und Pensionsversicherung von Kindern beziehungsweise Enkeln und um die Verlängerung von Fristen im Rahmen der Selbstversicherung für Studierende. Auch alle diese Maßnahmen beschließen wir heute, damit sie – das halten wir auch für sehr wichtig – entsprechend mit 1. Jänner in Kraft treten können.

Es wird heute auch beschlossen, dass Menschen, die als Risikogruppen besondere Unterstützung, besondere Maßnahmen am Arbeitsplatz oder eben eine Freistellung brauchen, um sich nicht anzustecken, diese auch erhalten. Ich halte das für ausge­sprochen wichtig, richtig, gut und notwendig.

Insofern werden in dieser heutigen Sitzung, die so begonnen hat, dass wir uns gedacht haben, es ist ein Fehler passiert, wir müssen den korrigieren – warum?, unnötig! –, auch diese wichtigen Maßnahmen beschlossen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Lassen Sie mich noch eines sagen: Im Vorfeld dieser Sitzung wurden vonseiten einer Partei – es gibt eh nur eine Partei, die das regelmäßig macht – Vorwürfe gegenüber BeamtInnen laut, sie würden schlampig arbeiten, sie würden schlecht arbeiten, sie hätten Fehler gemacht. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) – Nein, die Fehler liegen tatsächlich letztendlich immer bei der Politik. (Abg. Belakowitsch: Vollkommen richtig!) Die BeamtInnen arbeiten unter Hochdruck und mit bestem Einsatz daran, diese Krise zu bewältigen und die Bevölkerung zu unterstützen. (Abg. Belakowitsch: Völlig richtig!) Die Verantwortung für diese Fehler tragen leider alle politischen Parteien, denn alle hatten diese Gesetzentwürfe vorliegen und trotzdem haben alle zugestimmt. (Zwischenrufe


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bei der SPÖ.) Das sollte nicht mehr passieren. Wir werden uns darum bemühen, dass das nicht mehr passiert. Wir werden unser Bestes geben.

Abschließend: Da der Redner vor mir mit einem Märchen begonnen hat, möchte auch ich eine sehr kurze Weihnachtsgeschichte erzählen (Abg. Belakowitsch: Nein!): Es gab einen Klubobmann, der liebte bunte Uniformen. Er bestieg schließlich laut schreiend sein Pony und brüllte in den Raum: I’m a poor lonesome cowboy! Er ritt in die Prärie, ward nicht mehr gesehen und ging keinem ab. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Dr. Dagmar Belakowitsch. – Bitte, Frau Abgeordnete.


16.12.39

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Verehrte Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! Mein Vorredner hat in einem recht: Diese Sondersitzung ist notwendig geworden, weil zum wiederholten Male ein Fehler passiert ist. An den Fehlern ist immer die Politik schuld, da bin ich vollkommen bei Ihnen. Da sind nicht die Beamten schuld, sondern die Politiker, nämlich jene Politiker, die diese Gesetze so einbringen und sie nicht ordentlich durchlesen, Herr Kollege Koza. Da bin ich ganz bei Ihnen, das unterschreibe ich Ihnen auch gerne.

Ich möchte nur hinzufügen: Es ist heuer schon die dritte Sondersitzung, weil die Summe der Formalfehler, die diese Bundesregierung fabriziert, unüberschaubar geworden ist. Auch das muss man einmal sagen. (Ruf bei der ÖVP: Drei!) Sie hatten ja nur das ganz große Glück, dass bei den Budgetverhandlungen im Frühjahr der Kollege von der SPÖ noch rechtzeitig darauf hingewiesen hat, sonst hätten wir auch da ein Chaos gehabt, meine Damen und Herren.

Das gibt uns aber die Gelegenheit, einmal darüber nachzudenken, was Sie sonst alles nicht gemacht hätten. Ihnen war es nämlich vollkommen egal, ob die Bevölkerung draußen ein schönes oder ein weniger schönes Weihnachtsfest hat. Wir haben 900 000 Men­schen in unserem Land, die derzeit beschäftigungslos sind – das sind Menschen, die entweder arbeitslos oder in Kurzarbeit sind –, und das ist eine Folge des Versagens dieser Bundesregierung.

Wir haben mindestens so viele, die nicht wissen, wie es nächstes Jahr weitergeht. Für diese Menschen sind diese Weihnachten alles andere als ein schönes, besinnliches Fest. Die können sich nicht entspannen, weil sie eben nicht wissen, wie sich ihr Leben entwickeln wird. Und diesen Menschen schauen Sie ins Gesicht und sagen: Na ja, für die Abgeordneten braucht es aber schon eine Gehaltserhöhung! Wir verzichten jetzt eh auf den obersten Ebenen, wir frieren die Ministergehälter ein, jene der Klubobleute, aber alle Gehälter darunter brauchen ganz, ganz dringend eine Erhöhung. – Welches Signal senden Sie denn damit an die Bevölkerung, meine Damen und Herren von den Regie­rungsparteien? Das ist doch schäbig, was Sie hier machen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sind verantwortlich für die wirtschaftliche Situation in diesem Land, Sie sind ver­antwortlich für die höchste Arbeitslosigkeit seit dem Zweiten Weltkrieg, und dennoch sind Sie sich nicht zu blöd, in die Taschen der Steuerzahler zu greifen! Das ist doch eigentlich unglaublich! Da müssten Sie sich doch jeden Tag in Grund und Boden genieren! Sie sollten verzichten angesichts all dessen, was Sie als Abgeordnete von Schwarz und Grün im heurigen Jahr hier geleistet haben. Sie sind nur herinnen gesessen und haben abgenickt. Das ist doch die Wahrheit! Da ist doch nichts gekommen, keine Initiative, keine Idee! Wenn ein Initiativantrag da war, dann war er fehlerhaft. Nun sitzen wir heute


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noch einmal da, weil Sie es nicht geschafft haben und weil Sie es auch nicht können. Dafür gehen Sie her und greifen in die Taschen der Steuerzahler, meine Damen und Herren!

Wissen Sie, es wäre wirklich recht und billig, wenn Sie von den Regierungsparteien überhaupt einmal auf Ihr Gehalt verzichten würden oder es an Familien spenden würden, die wirklich arm sind, die sich kein Weihnachtsfest leisten können, denen es nicht so gut geht wie uns hier herinnen! Das wäre einmal eine sinnvolle Aktion gewesen! Stattdessen gehen Sie den umgekehrten Weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

16.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete, ich glaube, Sie wollten einen Antrag einbringen. (Abg. Belakowitsch überreicht Abg. Wurm ein Schriftstück.) – Wird weiter­gegeben, gut.

Zu Wort gelangt nun Josef Muchitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


16.16.08

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bundes­minister! Wir sind heute hier zusammengekommen – der Anlass ist Ihnen bekannt –, um einen Formalfehler zu reparieren. Es ist nicht der erste, und wenn Sie von ÖVP und Grünen weiter diese Politik betreiben, dass Sie die vernünftigen Vorschläge der Oppo­sitions­parteien, wie zum Beispiel jenen betreffend die Begrenzung von Luxuspensionen, nicht ernst nehmen, dann werden Sie weitere Fehler machen.

Was Sie machen, ist Folgendes: Alles, was von den Oppositionsparteien an vernünftigen Ideen kommt, wird weggewischt. Dann steigt der Druck, weil wir nicht lockerlassen, und dann kommen Sie drauf: Vielleicht sollten wir die Luxuspensionen doch begrenzen? Dann kriegen wir Oppositionsparteien ein paar Stunden, bevor am nächsten Tag die Sitzung beginnt, Ihre Papiere und sollen Wunder wirken. So geht das nicht! Das gehört abgeändert! Es hat keine Qualität! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Jetzt gelingt es uns Gott sei Dank, das eine oder andere in wenigen Stunden noch herauszufiltern und abzuändern. Und wenn es dann fünf vor zwölf ist, dann gehen ÖVP und Grüne mit und sagen: Da ist ja ein Fehler passiert! Da gibt es ja mehrere Deckel bei den Sonderpensionen. Machen wir nur einen! – Das war unser Antrag, und das ist abge­ändert worden.

Wenn wir heute schon reparieren, was unbedingt notwendig ist, dann haben wir jetzt auch die Möglichkeit, die anderen Dinge mitzubeschließen, die noch nicht entsprechend korrigiert beziehungsweise verlängert worden sind.

Wir nutzen heute die Gelegenheit, auf Initiative der SPÖ auch zusätzliche Maßnahmen zu beschließen, und eine davon möchte ich herausgreifen: Es geht darum, dass wir heute per Gesetz dem Sozialminister die Ermächtigung geben, die Möglichkeit der Freistellung für Risikopatienten, welche mit 31.12. dieses Jahres endet, per Verordnung bis 30. Juni zu verlängern.

Herr Sozialminister, ich bitte Sie, nehmen Sie das rasch in Angriff! Die Menschen, die Risikopatienten sind, die keinen ausreichenden Schutz am Arbeitsplatz vorfinden und auch keine Möglichkeit haben, im Homeoffice zu arbeiten, gehören weiter geschützt und dementsprechend von der Arbeitsleistung freigestellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zum Bundesbezügegesetz: Was die SPÖ hier begonnen und die FPÖ mitauf­genommen hat, wurde jetzt als Antrag der Regierungsparteien eingebracht. Darin heißt es: Ab 14 500 Euro brutto soll es eine Nulllohnrunde für Politikerbezüge geben, aller­dings wenn, dann nur auf Bundesebene, nicht auf Landesebene. Unser Antrag, den wir heute eingebracht haben, geht weiter – ich kann Ihnen nur empfehlen, diesen Antrag zu


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unterstützen –, unser Antrag sagt, dass es mit 1.1.2021 bei Politikerpensionen, egal auf welcher Ebene, ab 4 545 Euro eine Nulllohnrunde geben soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und Grünen, es versteht niemand, dass durch Ihre Politik vor vier Wochen ab 2021 Pensionen gekürzt werden, dass durch Ihre Politik die abschlagsfreie Pension abgeschafft wurde, dass Sie bei der Erhöhung hoher Pensionen einen Deckel mit 35 Euro brutto im Monat einziehen, sich aber heute im Nationalrat selbst eine Erhöhung von 136 Euro genehmigen und unserem Antrag nicht zustimmen! Das versteht niemand draußen! (Beifall bei der SPÖ.)

Aus diesem Grund ersuche ich hier auch um ein Zeichen der Solidarität. Ich weiß, es ist immer eine Neiddebatte, wenn es um Einkommen geht – aber ist nicht gerade in dieser Zeit, in der Sie nicht bereit sind, das Arbeitslosengeld zu erhöhen, in einer Zeit, in der Menschen nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen, weil sie in Kurzarbeit oder arbeitslos sind, ein Zeichen der Solidarität zu setzen?  Wenn wir sagen, in ganz Österreich soll es für alle Politikerbezüge ab 4 560 Euro ab 2021 keine Erhöhung geben, wäre das ein Zeichen der Solidarität. Unterstützen Sie unseren Antrag! (Beifall bei der SPÖ.)

16.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.


16.20.56

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Werte Zuseher! Das war heute ein sehr intensiver Angriff von ÖVP und Grünen gegen uns Freiheitliche. Man hat uns vorgeworfen, wir sind so böse (Oh-Rufe bei der ÖVP) und so gemein (Ruf bei der ÖVP: Na, so arm!) und so kritisch – und wir sind nicht auf den Knien vor dieser tollen Regierung. Das hat Sie heute offensichtlich sehr gestört, es gab ganz massive Angriffe – ich war ein bissl überrascht – so kurz vor Weihnachten, aber wir nehmen das ja sportlich.

Vielleicht darf man schon noch einmal darauf hinweisen (Zwischenruf bei der ÖVP), um wieder sachlich zu diskutieren (Zwischenruf des Abg. Hörl), warum wir heute überhaupt hier sind. Warum sind wir heute im Parlament? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl.) – Weil die Regierung, weil ÖVP und Grüne wieder einmal, zum wiederholten Male gepfuscht haben. Das ist der Grund, warum wir heute hier sind. Wir als Freiheitliche sind aber natürlich froh, weil wir den Tag nutzen, um euch heute wieder einmal einige Wahrheiten, die ihr nicht gerne hört, um die Ohren zu hauen, um es schön zu sagen.

Eine dieser Wahrheiten ist die erste Geschichte, die wir heute beschließen, und zwar die Deckelung der Luxuspensionserhöhungen – auch diesbezüglich darf ich auf die Aus­schüsse, die stattgefunden haben, verweisen. ÖVP und Grüne haben sich massiv ge­wehrt, diesen Deckel mit 35 Euro einzuführen. Dann kam die „Kronen Zeitung“, dann kam der Bürgerprotest, und nun werden wir es heute beschließen, nachdem Sie es eben formal verschlampt haben.

Die zweite Geschichte, die wir heute diskutieren und beschließen – auch dies aufgrund des Drucks von uns Freiheitlichen und auch diverser Medien –, ist das Aussetzen der Gehaltserhöhung für Politiker. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, falls es sich jemand noch einmal anschauen will: Wir als Freiheitliche haben einen Antrag einge­bracht, in dem wir gefordert haben, dass alle Politiker – mehr oder weniger – auf diese Lohnerhöhung verzichten. Wir wurden im Ausschuss niedergestimmt, und heute wird vermutlich die Regelung der ÖVP und der Grünen kommen, mit der quasi die Spitzen­politiker auf Ihre Lohnerhöhung verzichten. Sie haben es wahrscheinlich auch am meisten verdient, sage ich ein bisschen boshaft, weil sie auch einiges verbrochen haben,


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was die Bevölkerung auszubaden hat; ganz grundsätzlich aber ist es, meiner Meinung nach, einfach ein Gebot der Stunde, ein Gebot des Anstands, dass in dieser schweren Krise, in der Hunderttausende arbeitslos sind, in der Betriebe kurz vor dem Konkurs ste­hen, auch die Politik selbstverständlich auf eine Lohnerhöhung verzichtet. Das brauchen wir gar nicht zu diskutieren.

Im Zuge dieser Luxuspensionsgeschichte möchte ich noch einmal darauf hinweisen: 2014 haben ÖVP, SPÖ und Grüne diese Luxuspensionen mehr oder weniger einze­mentiert. Wir reden von in etwa 40 000 Personen, die das betrifft, und ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Die ASVG-Höchstbemessungsgrundlage beträgt rund 3 600 Euro brutto, und es gibt Hunderttausend Pensionisten in Österreich, die eine Pension über dieser Höchstbemessungsgrundlage beziehen. Wir kämpfen inzwischen schon seit Jahren dafür, dass der Deckel eingezogen wird, und ich hoffe, wir werden das auch irgendwann einmal erreichen.

Ich möchte auch noch ganz kurz erwähnen: Es war natürlich klar, dass die Hackler­regelung fallen muss, weil dafür kein Geld da war, sonst aber ist bei dieser Regierung offensichtlich für alle möglichen Dinge Geld da, man hat es heute wieder diskutiert: 270 Millionen Euro für PR und Eigenwerbung.

Herr Präsident, wenn ich noch Zeit habe, darf ich noch etwas anbringen – Sie bremsen mich hoffentlich. (Abg. Vogl: Jede Menge Zeit ...!)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf Ihnen sagen, Sie haben nur mehr 1:30 Minuten Redezeit. Ich glaube, Sie wollten auch noch einen Antrag einbringen.


Abgeordneter Peter Wurm (fortsetzend): Dann bringe ich einmal den Abänderungs­antrag ein, damit das erledigt ist:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem obenstehenden Bericht angeschlossene Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Dem § 21 wird folgender Abs. 20 angefügt:

„(20) Die in § 2 Abs. 2 vorgesehene Anpassung des Ausgangsbetrages gemäß § 3 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktio­näre, BGBl. I Nr. 64/1997, entfällt bis 31. Dezember 2021für die in § 3 Abs. 1 Z 1 bis 17 genannten Organe.“

*****

Hiermit ist der Antrag eingebracht, nun kann ich zum Schluss doch noch zum Haupt­thema Corona kommen: Ich glaube, Sie haben, nachdem man heute die Redebeiträge gehört hat, immer noch nicht verstanden, dass Sie die Freiheit und Selbstbestimmung Österreichs und seiner Bürger angreifen – und das, was Sie mit dem Freitesten machen, ist nichts anderes als Erpressung.

Ich bin sonst keiner, der Dichter zitiert, ich glaube aber, das sollte man heute in der Form schon einmal machen, mit dem berühmten Goethezitat: „Und bist du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt.“ – Das ist das, was Sie der Bevölkerung zumuten. Es gibt keinen sachlichen medizinischen Grund, das zu machen, ich bin auch schon sehr gespannt, wie Sie es dann in dementsprechenden Gesetzestexten formulieren werden. Aber wie gesagt:


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Sie sind als Regierung in dieser Coronakrise (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen) mit Todesangst und Panik gestartet, haben das das ganze Jahr über fortgesetzt – und nun kommt zum Schluss zur Todesangst und Panik auch noch Zwang hinzu.

Ich wünsche mir für Österreich und für die Bevölkerung als Christkindlgeschenk endlich eine Regierung, die da umdenkt (Präsident Hofer gibt neuerlich das Glockenzeichen), und ich hoffe, wir haben 2021 entweder eine andere Regierung oder zumindest eine Regierung, die umgedacht hat. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.26

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

§ 53 Abs 3 GOG-NR

der Abgeordneten Belakowitsch, Fürst

und weiterer Abgeordneter

zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1195/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz geändert wird (621 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem obenstehenden Bericht angeschlossene Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Dem § 21 wird folgender Abs. 20 angefügt:

              „(20) Die in § 2 Abs. 2 vorgesehene Anpassung des Ausgangsbetrages gemäß § 3 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre, BGBl. I Nr. 64/1997, entfällt bis 31. Dezember 2021für die in § 3 Abs. 1 Z 1 bis 17 genannten Organe.“

Begründung

Gemäß § 3 BezBegrBVG hat der Präsident des Rechnungshofes jährlich einen Anpas­sungsfaktor für die Erhöhung der Politikergehälter zu ermitteln, wodurch die öffentlichen Funktionäre in den Genuss einer Gehaltserhöhungsautomatik kommen, die vor dem Hintergrund der steigenden Arbeitslosigkeit in Folge des Umgangs der Bundesregierung mit der Corona-Krise nicht vertretbar ist.

Die Corona-Maßnahmen der Regierung haben zu dramatischen Entwicklungen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt geführt: Im April 2020 waren 571.477 Personen ohne Job, so viele wie noch nie zuvor. Im November 2020 waren insgesamt 457.197 Menschen ohne Arbeit, wiederum 25.000 mehr als im Oktober 2020 – die Zahlen steigen wieder. Dasselbe Bild zeigt sich bei der Kurzarbeit, die zuletzt rund 324.000 Menschen betraf.

Hunderttausende Österreicher müssen den Gürtel also enger schnallen und bereits nach dem Winter droht eine Verschärfung der Wirtschaftskrise. Hauptverantwortlich für die heranrollende Insolvenzwelle kleinerer und mittlerer Unternehmen ist das Corona-Missmanagement der Bundesregierung.

Es war die Regierung, die entgegen den Vorschlägen der Opposition den Unternehmern ihren Rechtsanspruch auf eine Entschädigung in Zusammenhang mit ihren Corona-Maß­nah­men genommen hat. Von der durch die Regierung versprochenen Unterstützungsleistungen


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ist bis heute, mehr als acht Monate nach dem ersten Lockdown, bei vielen Betrieben quer durch alle Branchen wenig bis gar nichts angekommen. Den Arbeitslosen hat die schwarz-grüne Regierung bis heute die Erhöhung der Nettoersatzrate auf 70 Prozent verweigert, was sich wiederum negativ auf die Kaufkraft und damit negativ auf die heimische Wirtschaft auswirkt. Darüber hinaus droht Österreich in den kommenden Jahren ein massiver schwarz-grüner Sozialabbau bzw. eine massive Belastung der Bevölkerung. Die Abschaffung der Hacklerregelung oder die Erhöhung der Normver­brauchsabgabe sind bereits erste Vorboten.

Angesichts all dieser Entwicklungen, die vor allem zulasten von Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen gehen, ist eine große Nulllohnrunde für Politiker ein Gebot der Stunde – ein kleiner Verzicht nur weniger Akteure, wie von der Bundesregierung gefor­dert, ist eine unzulängliche Symbolpolitik.

Die Inhaber der folgenden Funktionen sollen daher solidarisch auf eine Erhöhung ihrer Bezüge verzichten:

1.          der Bundespräsident

2.          der Bundeskanzler

3.          der Vizekanzler

4.          der Präsident des Nationalrates

5.          die Bundesminister

6.          die Präsidentin des Rechnungshofes

7.          die Staatssekretäre

8.          der zweite und dritte Präsident des Nationalrates

9.          die Obmänner der Nationalratsklubs

10.        die Volksanwälte

11.        die Nationalratsabgeordneten

12.        die Präsidentin des Bundesrates

13.        die Fraktionsvorsitzenden im Bundesrat

14.        die Bundesräte

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 2 bis 6 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 16.25 Uhr stattfinden kann.

16.26.56Dringliche Anfrage

des Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Freiheit und Selbstbestimmung statt Massentest und Hausarrest“ (4697/J)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 4697/J.


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Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Mit dem dritten Lockdown von 26. Dezember bis inklusive 17. Jänner kündigt der Bundeskanzler weitere, bis vor kurzem unvorstellbare Maßnahmen an: Unbescholtene und gesunde Bürger, die nicht bei den Massentestungen von 15. bis 17. Jänner mit­machen können oder wollen, müssen sich eine weitere Woche in Hausarrest begeben. Sie dürfen nicht zum Einkaufen, in Restaurants, Hotels, zu körpernahen Dienstleistern wie Friseuren und möglicherweise nicht einmal in die Schulen. Es kommt zu massiven Einschränkungen der persönlichen Freiheit und einem stigmatisierenden Ausschluss vom gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben. Dieser Ausschluss soll vorerst bis 24. Jänner 2021 dauern. Eine Verlängerung nicht ausgeschlossen, sondern wahrscheinlich.

Der Test, mit dem man sich „freitesten“ kann, ist jedoch im besten Fall eine Moment­aufnahme, verbunden mit dem Risiko eines falsch-positiven oder falsch-negativen Ergeb­nisses. Schon beim Warten auf die Testung besteht eine erhöhte Ansteckungsmög­lichkeit. Der Massentest ist darum ein völlig untaugliches und somit unverhältnismäßiges Mittel für die Verhängung einer solchen Freiheitsbeschränkung und greift dem vor, wovor die freiheitliche Petition www.impfzwang.at warnt.

Neue Normalität am Rande des demokratischen Modells

Die schwarz-grüne Bundesregierung, federführend dabei ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz und der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober, haben drei Phasen für den Zeitraum ab dem Stefanitag 2020 (26. Dezember 2020) definiert:

•             In Phase 1 sollen zwangsweise alle sozialen Kontakte gegen Null herunter­ge­fahren werden.

•             In Phase 2 sollen Massentests inklusive massiver Sanktionen und sozialer Stigmatisierung bei Nichtteilnahme ausgerollt werden.

•             In Phase 3 kommt die Massenimpfung, die Teile der Regierungsparteien und viele Regierungsexperten ebenfalls bei Nichtteilnahme mit massiven Sanktionen belegen wollen.

Auf Basis der Ankündigungen könnte das bedeuten:

Ab 26. Dezember 2020 bis 24. Jänner 2021 gelten den ganzen Tag über Ausgangs­beschränkungen. Handel und körpernahe Dienstleistungen werden geschlossen und öffnen erst wieder ab 18. Jänner 2021. Alle österreichischen Schulen sind bis inklusive 17. Jänner 2021 im sogenannten „Distance Learning“, effektiv bleiben die Schulen also geschlossen.

Outdoor-Sport – auch die Inbetriebnahme von Skiliften ab 24. Dezember 2020 – bleibt hingegen weiterhin möglich. Über den Umfang entscheiden die einzelnen Bundesländer oder Bezirke nach Gutdünken. Vorgegeben ist das Tragen von FFP2-Masken.

Von 15. bis 17. Jänner 2021 werden trotz des Scheiterns im Dezember – die Teilneh­merzahlen blieben weit hinter den Erwartungen zurück und die Positivquote der Tests lag österreichweit nur bei etwa 0,2 Prozent – neuerlich Covid-19-Massentests durch­geführt. Ausschließlich Bürger, die daran brav und untertänig teilnehmen, können einen Teil ihrer Bewegungsfreiheit wiedererlangen. Zumindest Treffen mit einem anderen Haushalt und die Teilnahme am Handel werden dann wieder gestattet. In der Woche vom 18. bis 24. Jänner 2021 gelten weiterhin ganztägige Ausgangsbeschränkungen für diejenigen, die sich nicht „freitesten“ und keinen Antigen-Test vorweisen können, der


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nicht älter als eine Woche ist. Die Türen von Schulen, Handel und Gastronomie bleiben für diese Menschen verschlossen.

Auch für alle anderen bleiben nach dem 18. Jänner 2021 die Ausgangsbeschränkungen von 20 Uhr bis 6 Uhr weiterhin aufrecht. Ein Ablaufdatum für diese Regelungen ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Auch für „Freigetestete“ bleibt somit beispielsweise die Gastronomie weiterhin ab 20 Uhr abends geschlossen.

Willkürlich von der schwarz-grünen Bundesregierung bestimmte Berufsgruppen sollen zudem ab 18. Jänner 2021 entweder verpflichtend wöchentlich an einem Test teil­nehmen oder sie müssen stets eine FFP2-Maske tragen. Betroffene sind:

•             alle Lehrer,

•             alle körpernahen Dienstleister,

•             alle Mitarbeiter in der Gastronomie,

•             alle Mitarbeiter im Handel,

•             alle Mitarbeiter in den Verkehrsbetrieben,

•             das gesamte Personal im Gesundheitsbereich mit regelmäßigem Patienten­kontakt,

•             alle Mitarbeiter in der Bauwirtschaft.

Es sei denn, man testet sich „frei“

Somit darf nur, wer sich „freitestet“, in einem „Lockdown-Light“ – andere sprechen von der „neuen Normalität“ – weiterleben. Darüber hinaus sollen alle nicht-getesteten Bürger ihren Wohnbereich auch in Ausnahmefällen nur mit FFP2-Masken verlassen dürfen, damit es ein augenscheinliches Erkennungsmerkmal gibt und entsprechender sozialer Druck auf die „Verweigerer“ aufgebaut werden kann.

Von der schwarz-grünen Bundesregierung wurde ebenfalls willkürlich bestimmt, dass in jenen Regionen, in denen die Neuinfektionen eine bestimmte Sieben-Tages-Inzidenz überschreiten, zwangsweise Massentests durchgeführt werden und dort ein regionaler Lockdown verhängt werden kann.

Impfzwang bereits in Vorbereitung

Den weitgehenden Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben hat der Bundeskanzler nun offensichtlich auch als zweckmäßiges Mittel definiert, um eine hohe Beteiligung an der ab 27. Dezember geplanten Corona-Impfung zu erwirken. Kurz kündigte an, sich am israelischen Modell des „grünen Passes“ zu orientieren, der nur geimpften Menschen ihr „normales Leben“ zurückgeben soll, während alle anderen dauerhaft von Reisen, Restaurantbesuchen und ähnlichem ausgeschlossen bleiben. Angesprochen auf diese Maßnahme, sagte der Kanzler in seiner Pressekonferenz am 18. Dezember:

„Ich möchte niemanden zu irgendetwas zwingen, aber ich respektiere, dass es Men­schen gibt – mich eingeschlossen –, die trotz Pandemie ein möglichst normales Leben führen wollen. […] Daher halte ich dieses Modell für ein absolut zukunftsträchtiges.“

Der offensichtlich geplante Impfzwang durch die Hintertür beeinträchtigt nicht nur die freie Entscheidung der Bürger über ihre körperliche Unversehrtheit massiv, sondern macht sie auch zu Versuchskaninchen der Impflobby.

Wer weiß, wie komplex ein Zulassungsverfahren für Impfstoffe bis vor wenigen Monaten war und wie viele Testreihen für die Genehmigung eines Impfstoffes bislang nötig waren, und nunmehr hört, dass etwa der COVID-Impfstoff des Pharmakonzerns Moderna im Jänner in nur zwei Tagen entwickelt wurde, bei dem sollten alle Alarmglocken schrillen.


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Seriöse wissenschaftliche Arbeit und Goldgräberstimmung der Pharmalobby sind zwei Paar Schuhe. Es geht nicht an, dass ganz Österreich von Kurz und Anschober zu einem Versuchslabor gemacht wird.

Impfstoffe gegen SARS, MERS und RSV kamen über das Entwicklungsstadium nie hinaus, weil sich in langfristigen Studien gezeigt hat, dass diese Impfstoffe – anstatt die Virusinfektion zu verhindern – eine abnorme Immunantwort des menschlichen Körpers ausgelöst haben. Mit anderen Worten: Die Probanden erkrankten danach stärker und wurden tatsächlich schwerer krank als ohne Impfung. Das renommierte "Science Magazin" warnt etwa davor, dass „Risiken im Zusammenhang mit der Impfstoff­entwicklung für COVID-19-Antikörper, die Viren binden, ohne die Infektiosität zu neu­tralisieren, durch erhöhte Virusreplikation oder Bildung von Immunkomplexen, die sich im Gewebe ablagern und mit Entzündungen verbundene Komplementwege aktivieren, Krankheiten verursachen können.“

Kein Ersatz für Impfschäden

Hinzu kommt, dass zu befürchtende gesundheitliche Schäden aufgrund der Impfung, von der bisher nicht einmal bekannt ist, ob sie die Übertragung des Virus durch die Geimpften verhindert, nicht durch das Impfschadengesetz abgedeckt sind. Ein ent­sprechender Antrag der FPÖ wurde durch die Regierungsparteien abgelehnt. Während in der Vergangenheit etwa die Pockenimpfung explizit im Impfschadengesetz genannt wurde, möchten Kurz und Anschober eventuelle Ansprüche nur über den Verord­nungs­weg regeln. Das halten wir Freiheitliche für Augenauswischerei und fordern weiterhin, die geplante COVID-19-Impfung namentlich in das Impfschadengesetz aufzunehmen, um Opfer allfälliger Spätfolgen zumindest finanziell entschädigen zu können und ihnen Rechtssicherheit zu bieten. Die unsubstantiierte Ankündigung der EU-Kommission, die Mitgliedstaaten würden für Schäden aufkommen, ist hier nicht ausreichend. Die Herstellerfirmen weigern sich – aufgrund der kurzen Entwicklungszeit – offensichtlich, die finanzielle Verantwortung für gesundheitliche Folgeschäden ihrer Produkte zu über­nehmen, und sind ausschließlich daran interessiert, den maximalen Profit sicherzu­stellen.

Die hektische Betriebsamkeit rund um Tests und Impfungen ist umso bemerkenswerter, als das gesundheitspolitische Betätigungsfeld zur effektiven Bekämpfung der Corona-Krise klar umrissen wäre. Wir wissen heute, dass die Risikogruppen – also gesund­heit­lich vorbelastete Patienten, immunsupprimierte sowie alte und gebrechliche Menschen – von COVID-19 hauptsächlich betroffen sind. Diesen Bevölkerungsgruppen gilt es allen Schutz und jede Hilfe zukommen zu lassen. Die schwarz-grüne Bundesregierung versagt aber gerade, wenn es darum geht, hier entsprechende Maßnahmen zu setzen, sodass ein überwiegender Teil der mit oder an Corona verstorbenen Personen nach wie vor Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sind.

Anstatt hier endlich effektive Maßnahmen zu setzen, werden Kinder durch das verpflich­tende Tragen der Mund-Nasen-Maske während des Unterrichts gequält, obgleich heute eindeutig und klar nachweisbar gerade in den Schulen keinerlei Corona-Hotspots gemeldet worden sind. Und jetzt geht es der Kurz-Regierung offenbar darum, der Pharmalobby Milliarden an Steuergeldern hinterherzuwerfen, um einerseits völlig überteuerte Corona-Gentests zu kaufen und auf der anderen Seite die Österreicher zur Impfung mit einem unausgegorenen Impfstoff zu treiben.

Besonders verwerflich ist es, wenn etwa im Fall der AntiGen-Tests für die Massen­testungen der massive Verdacht besteht, dass das Bundeskanzleramt den konkreten Beschaffungsprozess zugunsten eines Unternehmens beeinflusst hat, mit dessen Vorstandsvorsitzenden der Kanzler persönlich eine Bekanntschaft, möglicherweise sogar eine Freundschaft pflegt. Es sei darauf verwiesen, dass es sich dabei nur um ein


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prominentes Beispiel handelt. Beschaffungen zugunsten von ÖVP-(Partei-)Freunden wurden seit Beginn der Krise bereits in großer Zahl bekannt.

Folgenreiches Scheitern in der Corona-Krise

Was die Regierung in den vergangenen Monaten hervorgebracht hat, hat bislang die Gesundheitskrise nicht einmal ansatzweise gelöst. Dafür wurden und werden zigtau­sende bisher erfolgreiche Betriebe in ihrer Existenz bedroht und dadurch hunderttau­sende Arbeitsplätze aufs Spiel gesetzt. Dem für Österreich wirtschaftlich zentralen Wintertourismus wird gerade der Todesstoß versetzt – und damit auch zahlreichen anderen Unternehmen in der Lieferkette. Die Regierung schadet massiv unseren Kindern und Jugendlichen, indem sie durch eine völlig undurchdachte und chaotische „Schule zu – Schule auf“-Politik massive Bildungsverluste und durch den Maskenzwang und die Isolation der Kinder auch psychische Schäden verursacht. Kurz und Co. missbrauchen unsere Sicherheitsapparate – sowohl Polizei als auch Bundesheer – zur Durchsetzung verfassungsrechtlich höchst bedenklicher, unverhältnismäßiger und grundrechtswidriger Maßnahmen bzw. zur Organisation sinnloser Massentests. Gleich­zeitig tun sich katastrophale Lücken beim Schutz des Staates und seiner Bürger auf, welche den Terroranschlag vom 2. November in Wien ermöglicht und vier Menschen das Leben gekostet haben. Zur Kaschierung dieses Totalversagens läuft eine bisher in diesem Ausmaß nie dagewesene Lawine des Medienkaufs. Die Ausgaben für Regie­rungsinserate – fast ausschließlich aus den ÖVP-Ressorts – sind im Jahr 2020 mehr als doppelt so hoch wie sonst. Und die Medien sollen offenbar bis zum turnusmäßigen Ende dieser Regierung im Jahr 2024 weiter in diesem Ausmaß angefüttert werden, wie sich aus der aktuell laufenden Ausschreibung eines Inseratenvolumens von 180 Millionen Euro ergibt.

Bürger werden zu Untertanen degradiert

All das geschieht in einer Art und Weise, die Bürger des Staates Österreich noch im Jahr 2019 für unmöglich gehalten hätten. Die Bürger werden zu Untertanen gemacht. Sie werden in Angst und Panik versetzt, bedroht oder gar beschimpft, um für die totalitären Maßnahmen gefügig gemacht zu werden. Dass diese Maßnahmen nicht nur falsch, überschießend und wissenschaftlich unhaltbar sind, sondern auch im Kleid eines bisher nicht gekannten legistischen und kommunikativen Dilettantismus dem Volk oktroyiert werden, ist aufgrund der mit antragslosen Sonderförderungen überhäuften Medien kaum Thema in der breiten Öffentlichkeit.

Obwohl fachlich und ressortmäßig ohne jede Kompetenz in der Corona-Krise, tragen sämtliche Maßnahmen zur vorgeblichen Bewältigung der Corona-Krise deutlich die Handschrift des „Heilands“ Kurz, der Österreich nach eigener Darstellung vor hundert­tausend Toten bewahrt hat und das Volk demnächst mit einer Zwangsimpfung von der Seuche erlösen wird.

Angesichts dieses Umstandes stellen die unterzeichneten Abgeordneten zum Natio­nalrat an den Bundeskanzler folgende

Anfrage

1)          Welches Menschenbild veranlasst Sie, als Bundeskanzler Maßnahmen, wie sie im Zusammenhang mit dem 3. COVID-Lockdown, den Zwangstestungen und Zwangs­impfungen vorgesehen sind, zu beschließen?

2)          Welchen materiellen Inhalt werden die am 22. Dezember 2020 zur Behandlung kommende Anträge des Gesundheitsministers auf Herstellung des Einvernehmens mit


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dem Hauptausschuss hinsichtlich der Verordnung, mit der die 3. COVID-19-Schutz­maß­nahmenverordnung geändert wird, haben?

3)          Welche Bewertung der epidemiologischen Situation gemäß § 1 Abs 7 des COVID-19-Maßnahmengesetzes liegt den am 22. Dezember 2020 dem Hauptaus­schuss vorzulegenden Anträgen zugrunde?

4)          Auf Basis welcher Bewertung der epidemiologischen Situation gemäß § 1 Abs 7 des COVID-19-Maßnahmengesetzes konnten Sie bereits am 18. Dezember wissen, dass dem Hauptausschuss am 4. Jänner 2021 erneut Anträge des Gesundheitsministers zum Zwecke der Verlängerung von Ausgangsbeschränkungen vorgelegt werden?

5)          Auf Basis welcher Bewertung der epidemiologischen Situation gemäß § 1 Abs 7 des COVID-19-Maßnahmengesetzes konnten Sie bereits am 18. Dezember wissen, dass für Nicht-Teilnehmer an einem für 15. bis 17. Jänner 2021 angekündigten Mas­sentest Hausarrest-Maßnahmen verhängt werden?

6)          Inwiefern und warum erachten Sie eine mehrheitliche Zustimmung des Haupt­ausschusses zu weiteren Corona-Maßnahmen am 22. Dezember, 4. Jänner und voraussichtlich 14. Jänner zu weiteren Ausgangssperren für selbstverständlich, zumal die epidemiologische Situation sich im Verkauf dieser Zeit stark ändern und eine Bewertung zu diesen Termin daher heute noch in keiner Form vorliegen kann?

7)          Müssen COVID-19-Genesene ebenfalls an den für 15. bis 17. Jänner 2021 angeordneten Massentests teilnehmen, um ihren Ausschluss von wesentlichen Be­reichen des Gesellschaftslebens zu verhindern?

8)          Wenn ja, warum und auf welcher Grundlage?

9)          Werden die Teilnehmer der für 15. bis 17. Jänner 2021 angeordneten Mas­sentestes eine „Freiheitsbestätigung“ oder eine andere Form von Teilnahmebestätigung erhalten?

10)        Wenn ja, wer wird diese Bestätigung herstellen und ausgeben?

11)        Wenn ja, welche Beschaffungsvorgänge, Auftragsvergabe und sonstige Verfah­ren wurden oder werden gestartet und welches Bundesministerium wird dies feder­führend umsetzen?

12)        Wenn ja, wer soll diese Bestätigung bei der Benützung von Verkehrsmitteln, in der Gastronomie, im Handel, im Kunst- und Kulturbetrieb, im Sport und im sonstigen Veranstaltungswesen kontrollieren?

13)        Wird bei Vorweisen dieser „Freiheitsbestätigung“ in der Gastronomie trotzdem eine verpflichtende Registrierung notwendig sein?

14)        Ist die Teilnahme an dem geplanten Massentest Voraussetzung für den Besuch eines anderen Haushalts bzw. dafür, selbst Besuch empfangen zu dürfen? Wen trifft hier die Kontrollpflicht?

15)        Wer wird künftig diese Teilnahmebestätigung bei allen Lehrern, allen körper­nahen Dienstleistern, allen Mitarbeitern in der Gastronomie, allen Mitarbeiter im Handel, allen Mitarbeitern in den Verkehrsbetrieben, dem gesamten Personal im Gesund­heits­bereich mit regelmäßigem Patientenkontakt und allen Mitarbeiter in der gesamten Bauwirtschaft einmal wöchentlich kontrollieren?

16)        Können Sie ausschließen, dass es nach dem 18. Jänner 2021 zu weiteren Mas­sentests kommen wird, an die sich bei Nichtteilnahme ein Ausschluss aus dem ge­sellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben knüpft?


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17)        Können Sie ausschließen, dass es nach dem 18. Jänner 2021 zu einer Auswei­tung der wöchentlichen Zwangstestungen für weitere Berufsgruppen neben den bisher bereites festgelegten Berufsgruppen (Lehrer, körpernahe Dienstleister, Mitarbeiter in der Gastronomie, Mitarbeiter im Handel, Mitarbeiter in den Verkehrsbetrieben, Personal im Gesundheitsbereich und in der gesamten Bauwirtschaft) kommt?

18)        Wenn nein, welche weiteren Berufsgruppen stehen hier bereits in Diskussion?

19)        Können Sie ausschließen, dass die Ausgangssperren nach dem 24.Jänner 2021 zwischen 20 Uhr Abend bis 6 Uhr früh aufrechterhalten werden?

20)        Können Sie ausschließen, dass die Ausgangssperren zwischen 6 Uhr früh und 20 Uhr Abend nach dem 24. Jänner 2021 wiedereingeführt werden?

21)        Können Sie ausschließen, dass die Schulschließungen nach dem 18. Jänner 2021 verlängert werden bzw. es zu neuerlichen Schulschließungen ab diesem Zeitpunkt kommen wird?

22)        Können Sie ausschließen, dass die Schließung der Gastronomie und/oder des Handels nach dem 18. Jänner 2021 verlängert wird bzw. es zu neuerlichen Betriebs­schließungen ab diesem Zeitpunkt kommen wird?

23)        Können Sie ausschließen, dass es ab dem 27. Dezember 2020, – dem avisierten Beginn der COVID-19-Massenimpfungen, zu Einschränkungen der persönlichen Freiheit und einem Ausschluss von der Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben, für Nichtgeimpfte kommen wird?

24)        Wenn nein, wie begründen Sie das?

25)        Wenn ja, inwiefern ist diese Zusage vertrauenswürdiger als das von Ihnen so­eben gebrochene Versprechen einer völligen Freiwilligkeit von Massentests?

26)        Planen Sie, in Österreich ein Nachweissystem über den Impfstatus oder COVID-Teststatus mitsamt Ausweisfunktion – wie zB. in Israel in Form des „Grünen Passes – zu etablieren?

27)        Wenn ja, bestand oder besteht bereits mit Regierungsstellen und Institutionen in Israel Kontakt in Zusammenhang mit dem Projekt „Grüner Pass für COVID-19-Ge­impfte?

28)        Ist geplant, Informationen über den Impfstatus oder COVID-Teststatus syste­matisch zu verarbeiten, um im Sinne eines Social-Scoring-Systems Wohlverhalten und Konformität zu belohnen und Zuwiderhandeln zu sanktionieren?

29)        Wenn ja, inwiefern soll dafür der Funktionsumfang der Stopp-Corona-App adaptiert werden?

30)        Inwiefern können Informationen und Daten, die aus den bisherigen und geplanten Massentests gewonnen werden, für die Vorbereitung und Umsetzung der Corona-Impfung eingesetzt werden?

31)        Welche Unternehmen wurden vom Bundeskanzleramt oder anderen Ressorts im Rahmen der bereits erfolgten bzw. in Aussicht genommenen Abwicklung von Mas­sentests mit Agenden in den Bereichen der Datenerfassung, Datenverarbeitung und Datenkontrolle sowie mit der Wahrung des Datenschutzes beauftragt?

32)        Auf welche Höhe werden sich die dafür aufgewendeten Ausgaben insgesamt sowie pro beauftragtem Unternehmen gemäß vertraglicher Vereinbarung belaufen?

33)        Mit welchen konkreten Aufgaben in diesem Zusammenhang wurde das Unter­nehmen „Accenture“ betraut? In welchem finanziellen Umfang und von welcher Stelle?


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34)        Treten Sie dafür ein, auch die Impfungen im Rahmen eines dem Massentest vergleichbaren Szenarios – also in „Impfstraßen“ – durchzuführen?

35)        Können Sie garantieren, dass Personen, die sich nicht impfen lassen, von Sanktionen bzw. Restriktionen wie der Einschränkung der persönlichen Bewegungs­freiheit verschont bleiben?

36)        Können Sie ausschließen, dass es ab dem 27. Dezember 2020 – dem Zeitpunkt der Covid-19-Massenimpfungen – zu einer Einschränkung der beruflichen Tätigkeit für Nichtgeimpfte kommen wird?

37)        Wenn ja, in welcher Form können Sie das garantieren?

38)        Wenn nein, welche Berufsgruppen könnten mit Einschränkungen zu rechnen haben und in welchem Ausmaß?

39)        Wie deuten Sie insbesondere § 17 Abs 3 Epidemiegesetz in Zusammenhang mit einem möglichen Impfzwang für Mitarbeiter im Gesundheitswesen?

40)        Wie deuten Sie insbesondere § 17 Abs 4 Epidemiegesetz in Zusammenhang mit einem möglichen Impfzwang für alle Bürger und Einwohner Österreichs?

41)        Warum wird das Impfschadengesetz im Zusammenhang mit den ab 27. Dezember 2020 anlaufenden Covid-19-Impfungen nicht novelliert, um eine ausdrückliche Grundlage für die Schadensgutmachung für Covid-19-Impfopfer zu garantieren?

42)        Zumal die Regierungsparteien eine dahingehende Novellierung des Impfscha­den­gesetzes bisher abgelehnt haben: Auf welche Weise können Sie sonst garantieren, dass alle gesundheitlichen Schäden in Folge einer Covid-19-Impfung finanziell abgegol­ten werden?

43)        Mit welchen Auswirkungen des 3. COVID-19-Lockdowns auf die Anzahl der Arbeitslosen, Notstandshilfebezieher, Mindestsicherungsbezieher und Arbeitnehmer in Kurzarbeit rechnen Sie?

44)        Mit welchen weiteren Auswirkungen auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit rechnet die Bundesregierung im Verlauf des Jahres 2021 aufgrund der Corona-Maßnahmen?

45)        Mit welchen weiteren Auswirkungen auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit rechnet die Bundesregierung im Verlauf des Jahres 2021 aufgrund von Maßnahmen, die gegen Nicht-Teilnehmer an Massentests bzw. an der Covid-19-Impfung ergriffen werden?

46)        Welche ökonomischen Auswirkungen wird der 3. COVID-19-Lockdown insgesamt auf die österreichische Volkswirtschaft haben?

47)        Welche Auswirkungen wird der 3. COVID-19-Lockdown auf die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen ab Jänner 2021 haben?

48)        Werden Österreicher in den Semesterferien ins Ausland reisen dürfen, ohne sich nach ihrer Rückkehr verpflichtend in Quarantäne begeben zu müssen?

49)        Können Sie einen 4. Covid-19-Lockdown bzw. weitere Covid-19-Lockdowns im Jahr 2021 ausschließen?

50)        Inwiefern ist für Sie die Einschränkung und Löschung von Informationen, welche der Linie der Bundesregierung widersprechen, ein geeignetes kommunikatives Mittel, um eine höhere Akzeptanz der von Ihnen dekretierten Maßnahmen in der Bevölkerung durchzusetzen?


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51)        Begrüßen Sie die Löschung von Reden, welche von Abgeordneten des Parla­ments in Ausübung ihres freien Mandats gehalten werden, durch Social-Media-Giganten wie Facebook und YouTube, wenn diese Maßnahme dazu beiträgt, Kritik an den von Ihnen verfügten Maßnahmen zu unterdrücken?

52)        Begrüßen Sie die Löschung von Beiträgen renommierter Wissenschaftler durch Social-Media-Giganten wie Facebook und YouTube, wenn diese Maßnahme dazu beiträgt, Kritik an den von Ihnen verfügten Maßnahmen zu unterdrücken?

53)        In welchem Umfang wurde der von Ihnen eingerichtete digitale Krisenstab im Bundeskanzleramt seit dem Beginn der Corona-Pandemie von Facebook, Google oder anderen Betreibern marktbeherrschender Social-Media-Plattformen über die erfolgte oder geplante Löschung von Redebeiträgen aus dem Parlament oder von Einschät­zungen renommierter Wissenschaftler informiert?

54)        In welchem Umfang hat der von Ihnen eingerichtete digitale Krisenstab im Bundeskanzleramt seit dem Beginn der Corona-Pandemie von Facebook, Google oder anderen Betreibern marktbeherrschender Social-Media-Plattformen die Löschung von Redebeiträgen aus dem Parlament oder von Einschätzungen renommierter Wissen­schaftler verlangt oder diese angeregt?

55)        In welchem institutionellen Rahmen und in welcher Häufigkeit finden seit Beginn der Corona-Pandemie die Zusammenarbeit bzw. der Informationsaustausch zwischen dem von Ihnen eingerichteten digitalen Krisenstab im Bundeskanzleramt und Betreibern marktbeherrschender Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Google statt und welche wesentlichen Inhalte werden dabei behandelt?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile Herrn Abgeordneten Herbert Kickl als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


16.27.24

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vielleicht mit einer Frage beginnen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die Dringliche Anfrage ist eine solche, die sich an den Bundeskanzler dieser Republik richtet, und ich würde jetzt gerne wissen, ob der Bundeskanzler gedenkt, an dieser Veranstal­tung teilzunehmen, oder ob er das Weite gesucht hat. Vielleicht kann man das in der Zwischenzeit einmal klären und die Uhr anhalten. (Vizekanzler Kogler: Da muss man die Sitzung unterbrechen, da muss man unterbrechen, sonst läuft ja die Zeit!)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir könnten die Sitzung unterbrechen, wenn das gewünscht ist – aber der Bundeskanzler ist bereits da. – Bitte schön.


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Na, dann fange ich noch einmal von vorne an, nicht?

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren und vor allem liebe Bürger der Republik Österreich! (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir haben heute das zweite Mal das Vergnügen, uns sozusagen von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen beziehungsweise -zusitzen. Ich halte es für notwendig, Herr Bundeskanzler, dass wir das tun, weil wir uns mit der sogenannten Regierungserklärung, die Sie heute am


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Vormittag abgegeben haben – und ich glaube, da geht es vielen Österreicherinnen und Österreichern so –, nicht abspeisen lassen.

Deswegen haben wir Sie heute noch einmal hierhergebeten, um uns 55 ganz konkrete Fragen zu beantworten, und zwar im Zusammenhang mit dem von Ihnen am letzten Freitag in einer großen Pressekonferenz angekündigten dritten Lockdown, vor allem aber zu Ihrem Konzept des Hausarrests für weite Teile der österreichischen Bevöl­kerung, die sich nicht an der von Ihnen offenbar für die zweite Jännerhälfte geplanten Welle an Massentests beteiligen wollen.

Ich weiß, Herr Bundeskanzler, dass Sie inhaltlich nicht der Zuständige sind – Gesund­heitskompetenz ist Ihre Sache nicht –, Sie sind es auch formell nicht, weil ja natürlich die einzelnen Regierungsmitglieder jeweils für ihr eigenes Ressort zuständig sind. Trotzdem haben wir Sie hierhergebeten, weil Sie de facto eigentlich der Strippenzieher dieser gesamten Aktivitäten sind, weil ich Ihr Selbstverständnis als Bundeskanzler kenne und weil ich weiß, dass Sie sich nichts mehr wünschen als diese Richtlinienkompetenz, die Ihr großes Vorbild Angela Merkel in Deutschland hat. Da Sie diese so nicht haben, da Sie sie gesetzlich gedeckt nicht haben, leben Sie sie in der operativen Wirklichkeit; gesetzliche Grundlagen sind Ihnen ohnehin mehr oder weniger egal.

Sie sind also im Zusammenhang mit den beiden Dingen, die Sie da letzte Woche verkündet haben, der Master of Disaster. Das Zerstörungswerk, das in der Wirtschaft weiter voranschreitet, das Gegeneinander-Aufbringen von Teilen der Gesellschaft, der Tsunami, der uns im kommenden Jahr am Arbeitsmarkt noch erreichen wird, vor allem aber die Unterdrückung der Bürger – für all das zeichnet dieser Bundeskanzler verant­wortlich.

Besonders schlimm an dieser ganzen Sache ist, dass das alles – der Niedergang eines einst blühenden Landes – passiert, ohne dass Sie im Gegenzug an der Gesundheitsfront irgendwelche messbaren Erfolge erzielen würden. Schauen Sie sich an, was in den Alten- und Pflegeheimen passiert, nachdem Sie nun gut ein Jahr dieses Virus bekämp­fen: Sie haben keinen einzigen Erfolg nachzuweisen. Und dann wollen Sie mir erklären, dass Ihre Strategie die richtige ist! – Das Gegenteil ist der Fall. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, dass es legitim ist, in diesem Fall auch den Bundeskanzler – auch wenn es nicht in seinen Regie- und Tagesplan hineinpasst – hierher vor den Nationalrat, vor die Volksvertretung zu bitten; nicht so sehr, damit er mir und der Freiheitlichen Partei entsprechende Antworten gibt, sondern damit er sich vor der eigenen Bevölkerung rechtfertigt, nicht vor ein paar ausgewählten Journalisten, handverlesen, vielleicht in Hintergrundgesprächen präpariert, und auch nicht in Form irgendwelcher Erklärungen, denen dann ja meistens nur Debatten folgen, die nicht von Rede und Widerrede leben.

Herr Bundeskanzler, ich würde es so nennen – früher hätte ich gesagt, es sind Lügen, das Wort nehme ich jetzt nicht mehr in den Mund –, ich sage, es sind Unwahrheiten, die Ihren Weg in der Coronakrise pflastern. Wir denken an die 100 000 Toten, vor denen Sie gewarnt haben, wir denken an die grauenhafte Angstpropaganda, die Sie über ganz Österreich gelegt haben, bei der Sie nicht davor zurückgeschreckt haben – das muss man auch einmal ganz deutlich sagen –, Kinder in Wahrheit zu instrumentalisieren, Kinder zu traumatisieren und ihnen sozusagen Schuldgefühle einzureden.

Es ist ganz, ganz schrecklich, was Sie hier zu verantworten haben, wir haben das alles nicht vergessen. Wir kennen Ihre Ankündigung, dass jeder jemanden kennen wird, der an Corona gestorben ist, wir kennen auch Ihre Unwahrheit von der raschen und unbürokratischen Hilfe, die jeden sofort ereilen wird – nichts davon ist wahr –, und wir kennen vor allem aus der letzten Zeit ihre aggressiven Attacken gegen all jene, die Ihnen nach all den enttäuschten Erwartungen, die Sie geweckt haben, einfach nicht mehr geglaubt haben. Das Vertrauen ist verloren gegangen, und Ihre Antwort ist Aggression


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gegen diejenigen, die gesagt haben: Na, selbstverständlich wird es einen weiteren Lockdown geben. – Sie haben es bestritten, der Gesundheitsminister hat es bestritten, und jetzt haben wir ihn.

Aggression ist auch das, womit Sie gegen diejenigen vorgehen, die Ihnen sagen: Na, selbstverständlich wird es bei den Testungen zu Zwangsmaßnahmen kommen. – Sie haben es bestritten, nun haben wir sie. Aggression ist auch Ihr Rezept gegen jene, die sagen: Auch beim Impfen wird es selbstverständlich darauf hinauslaufen, dass Sie zu Zwangsmaßnahmen gegen die eigene Bevölkerung greifen.

Ihre Freiwilligkeitsankündigungen in dem Zusammenhang sind, möchte ich sagen, wahrscheinlich die größte, die dreisteste und die folgenschwerste – Lüge darf ich nicht sagen, deshalb nenne ich es Unwahrheit. Sie haben mit dieser Ankündigung bei Ihrer Seuchenpressekonferenz am letzten Freitag das ohnehin schon eingerissene Band zwischen Ihnen und der Bevölkerung endgültig gekappt. Zuerst haben Sie sich von den Fakten befreit, jetzt haben Sie sich von der Bevölkerung abgekapselt. Das, was Sie da gesagt haben, diese Ankündigung einer Hausarrestverordnung für weite Teile der österreichischen Bevölkerung, heißt ja nichts anderes, als dass Sie den Menschen im eigenen Land nicht mehr vertrauen.

Wenn der Bundeskanzler und seine Regierungsmitglieder den eigenen Staatsbürgern nicht mehr vertrauen, dann kann es ja nur eine einzige Antwort darauf geben – und die lautet, dass die Vertretung der Bevölkerung – das heißt, der österreichische Natio­nalrat – auch Ihnen aus diesem Grund umgekehrt das Vertrauen entziehen muss. Das ist etwas, was vollkommen logisch ist und auf der Hand liegt. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb werden wir heute im Zuge dieser Debatte auch einen Misstrauensantrag gegen Sie und die gesamte Bundesregierung einbringen, und ich bin gespannt, wie sich die SPÖ, die auch kein gutes Haar an diesen jüngsten Maßnahmen gelassen hat, verhalten wird. Ich bin gespannt, wie sich die NEOS verhalten werden, und ich weiß nicht, ob es bei den Grünen noch Restbestände der so viel strapazierten Zivilcourage gibt, die Sie immer dann bemühen, wenn Sie uns erklären, dass Sie vor 70, 80, 100 oder 200 Jahren in Krisensituationen selbstverständlich selbstlos für die Freiheit und alles andere gekämpft hätten, im Hier und Jetzt aber versagen Sie und fallen das eine um das andere Mal um. – Schauen wir einmal, ob es in den Reihen der Grünen noch Reste von Zivil­courage gibt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was Sie hier neben dem dritten Zerstö­rungswerk namens Lockdown machen, ja, das ist eine absolute Grenzüberschreitung, ich nenne es Testapartheid. Etwas anderes ist es nicht, was Sie da einführen, und wäre ich Bundespräsident, so würde ich nicht beschämt schweigen, wie es der gegenwärtige tut, sondern ich hätte die Bundesregierung aufgrund dieser Tatsache entlassen.

Ich glaube, Sie werden diesen Satz immer öfter hören und er wird immer lauter werden – er wird auch durch die verschlossenen Fenster Ihres Bundeskanzleramtes dringen –, Sie werden sich an den Satz gewöhnen müssen, dieser Satz, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat drei Worte: Kurz muss weg. Kurz muss weg! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kirchbaumer ballt die Fäuste und bewegt die Unterarme Richtung Ober­körper.)

Ich weiß im Übrigen gar nicht, wie Sie sich die Umsetzung dieses Testapartheidmodells vorstellen. An drei Tagen wollen Sie neun Millionen Österreicher, sollten sie Ihrer Nöti­gung Folge leisten, durch eine Teststraße oder durch verschiedene Teststraßen dieses Landes treiben. Ja, ich weiß nicht, haben Sie mit Ischgl noch nicht genug angerichtet? Das war doch das erste Superspreaderevent, das Sie zu verantworten haben, die Infektionen sind hinaus nach ganz Europa gegangen, wir leiden bis heute darunter – und jetzt wollen Sie das nächste Superspreaderevent organisieren, wenn Sie neun Millionen


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Leute in drei Tagen durch eine solche Testung schicken. (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das Fatale an der ganzen Sache ist: Es geht Ihnen ja schon lange nicht mehr um die Gesundheit der Menschen. Das wissen Sie doch, dass Massentests überhaupt nichts mit dem soliden Gewinn von gesundheitsstrategischen Erkenntnissen zu tun haben, nicht einmal ansatzweise. Ich habe es Ihnen heute schon gesagt, da brauchen Sie nur das eigene Papier, die Teststrategie des Gesundheitsministeriums, zu lesen, dann wissen Sie, was los ist.

Nein, es ist etwas ganz anderes, das Sie reitet: Es ist gekränkte Eitelkeit, die in der Zwischenzeit zur bestimmenden Konstante, zu Ihrem bestimmenden politischen Motiv geworden ist. Sie können es einfach nicht verkraften, dass die Österreicher ein gutes Gefühl und einen guten Instinkt dafür haben, dass es nichts bringt, wenn man sich testen lässt, weil das Ergebnis dieses Tests in kürzester Zeit schon wieder sinnlos ist. Das ist so ähnlich wie eine Fußspur, die Sie im Saharasand hinterlassen: Wenn sie sich umdrehen, ist sie auch schon wieder weg – und wenn Sie Pech haben, dann verlassen sie die Teststraße und stecken sich beim Heimfahren mit dem öffentlichen Verkehrs­mittel an. (Abg. Gabriela Schwarz: ... keine Masken ...!) Die Menschen haben ein gutes Gespür dafür, und das war auch der Grund, warum so viele gesagt haben, sie nehmen an diesen Testungen nicht teil. – Ja, Frau Abgeordnete Schwarz, Sie können sich zwei Sonden implantieren lassen, die dann sozusagen jeden Tag eine Dauermeldung über Ihren Status abgeben, weil es ein bisschen aufwendig werden wird, wenn Sie sich alle zwei Tage in die Nase fahren lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Leute haben Ihnen allerdings die Gefolg­schaft verweigert – und dafür müssen sie bestraft werden. Nach außen treten Sie dann ganz cool hin und verkünden mit einer Eiseskälte dieses Erpressungsmodell gegenüber der eigenen Bevölkerung. Ich kenne Sie aber auch schon ein bisschen, ich weiß, innen drin brodelt es ganz gewaltig, innen drin kocht es in Sebastian Kurz, weil man diese Schmach nicht auf sich sitzen lassen kann.

Ehrlich gesagt, Herr Bundeskanzler, ich muss Ihnen das sagen: Sie tun mir leid, Sie tun mir leid ob dieser Motivation, die Sie antreibt, ich kann aber keine Rücksicht darauf neh­men, weil ich es für gefährlich halte, dass unser Land von einer narzisstischen Per­sönlichkeit geprägt wird, die nun in ihrer Eitelkeit verletzt ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist der Grund dafür, warum Sie die Maßnahmen am Freitag so gesetzt haben, wie Sie sie setzen (Abg. Prinz: ... Kickl!) – fakten- und evidenzbefreit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Bundeskanzler, kommen Sie mir nun auch bitte nicht mit Ihren Zahlenketten von positiv Getesteten daher, die ja noch lange keine Infizierten sind, die noch lange keine Kranken sind und die schon gar keine Intensivpatienten sind! Sie manschen das in Ihrer Angststrategie alles immer durch­einander. Kommen Sie mir auch nicht mit Inzidenzen und R-Werten daher, weil wir ja in der Zwischenzeit wissen, dass Sie sich immer nur den Teil herauspicken, der Ihnen gerade passt, der sozusagen Ihr gegenwärtiges Propagandamodell entsprechend stützt! Sie haben es in der Zwischenzeit so weit gebracht, dass man Ihnen nicht einmal mehr eine seriöse Zahl abnimmt – das ist auch eine Leistung, nach einem Jahr Corona­management. Sie wissen, dass die negativen Spitzenwerte im Spitalsbereich und bei den Intensivpatienten schon vor Beginn des zweiten harten Lockdowns erreicht gewe­sen sind, Sie wissen, dass die Höchstwerte bei den positiv Getesteten und bei der soge­nannten 7-Tage-Inzidenz schon einige Tage davor, noch in der ersten Novemberhälfte, erreicht worden sind.

Jetzt können Sie aber nicht hergehen und sagen, dass Ihre Maßnahmen – das heißt der harte Lockdown, der gerade hinter uns liegt – dafür verantwortlich waren; das war


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bestenfalls begleitend. Das passt auch zu Studien der WHO – die ÖVP kennt sich damit ja sehr gut aus und zitiert die WHO gerne –, die belegen, dass Maßnahmen wie ein harter Lockdown, etwa im Zusammenhang mit der Verbreitung der Influenza, so gut wie keine Auswirkungen haben. Warum sollte es dann bei diesem Virus anders sein, Herr Wöginger? – Sie werden mir diese Frage sicher beantworten können.

Die Werte haben sich gegenüber dem Höchststand massiv gebessert, und Ihre Antwort darauf ist der nächste Lockdown – selbstverständlich wie immer ohne jede konkrete Begründung für die einzelnen Maßnahmen. Das kennen wir ja schon von Weihnachten: Sie können bis heute nicht erklären, warum es zehn Leute aus so und so vielen Haushalten sein dürfen, ich glaube, Sie würfeln in Ihren strategischen Runden. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) Genauso ist es bei diesem Lockdown: keine Erklärung für die Sperrung der Geschäfte, keine Erklärung für die Schließung der Schulen. – Warum? Die Erklärung gibt es nicht. Es gibt keine Erklärung für die ganztägigen Ausgangssperren und auch keine Erklärung für sinnlose Dinge wie verpflichtende FFP2-Masken am Sessellift – in den Verkehrsmitteln aber braucht man sie nicht. Es geht drunter und drüber, es ist ja ein System der Willkür, das Sie betreiben. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hörl.)

Apropos Ausgangssperren – das muss ich Ihnen auch sagen –: Sie hatten ja schon die eine oder andere Auseinandersetzung mit einer Institution, die Sie selbst gefeiert haben – ich spreche vom Verfassungsgerichtshof. Den lassen Sie ja hochleben, auch bei Ihren Jubiläumsfeiern anlässlich des 100. Geburtstages der österreichischen Verfas­sung. Sie hatten schon Ihre Auseinandersetzungen, und Sie wissen ja, dass der Verfas­sungsgerichtshof Ihnen und der gesamten Regierung hat ausrichten lassen: Bitte schön, es geht um Verhältnismäßigkeit, und es geht um Zweckmäßigkeit! – Falls Sie es verges­sen haben: Das war das, was Sie als Spitzfindigkeit bezeichnet haben. Ich möchte sagen: eine Sternstunde der Rechtsstaatlichkeit nach 75 Jahren Zweiter Republik – eine Sternstunde!

Der VfGH hat Ihnen auch gesagt, dass für diese Überprüfung ein Instrumentarium not­wendig ist, und das ist der Hintergrund, warum Sie dem Hauptausschuss des National­rates alle zehn Tage entsprechende Rechenschaft ablegen müssen, nämlich im Zusam­menhang mit der Verhältnismäßigkeit und der Zweckmäßigkeit dieser Maßnahmen.

Ich finde interessant, dass Sie letzten Freitag schon gewusst haben, dass es am 4 Jänner eine neuerliche Verlängerung geben wird. Das ist ja viel länger als zehn Tage, Herr Bundeskanzler! Jetzt weiß ich nicht: Haben Sie in Ihrer Parteizentrale eine Zeitmaschine, mit der Sie in die Zukunft gereist sind und dadurch jetzt schon wissen, was am 4. Jänner los sein wird? Anders kann ich mir nicht erklären, dass Sie jetzt schon wissen, dass am 4. Jänner die Zahlen so sein werden, dass diese Maßnahmen verlän­gert werden müssen. Das gibt es doch gar nicht! Sie können diese Entscheidung nur auf Basis von Zahlen treffen, die Sie gar nicht haben.

Genau das gleiche Spiel: Sie haben am Freitag auch schon gewusst, dass beim über­nächsten Hauptausschuss – wahrscheinlich am 14. Jänner – diese sozialen Ächtungs­maßnahmen auf die Österreicher zukommen. Bitte schön, wie soll das gehen? Sie wissen, dass in der zweiten Jännerhälfte für all jene, die an den Massentests nicht teil­nehmen, die Ausgangssperre, die gesundheitspolitische Schutzhaft, der Hausarrest – wie auch immer man das nennen will – kommen: auf Basis welcher Zahlen, Herr Bun­deskanzler? Sie wissen ja überhaupt nicht, wie die Entwicklung bis Mitte Jänner sein wird. Wie können Sie so etwas bereits verkünden? Sind Sie ein Zeitreisender, Herr Kurz? – Möglicherweise, aber dann lassen Sie uns doch bitte an diesem Geheimnis teilhaben!


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Nein, es geht dabei nicht um Evidenz, es geht nicht um Zahlen und Fakten, und das beweist auch diese Vorgangsweise. Es geht um etwas anderes: Es geht um die gekränkte Eitelkeit. Herr Bundeskanzler, ich muss Sie enttäuschen: Gekränkte Eitelkeit ist bis dato noch kein Prinzip unserer Bundesverfassung, auch wenn Sie vielleicht hart daran arbeiten, es hineinzubekommen. Noch ist es nicht so weit, und wir Freiheitlichen werden es zu verhindern wissen. Deshalb ist das, was Sie machen, verfassungswidrig. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt natürlich noch einen Grund, warum das so durchgeführt werden muss, wie Sie es für die zweite Jännerhälfte planen: Sie wissen ja nicht, was Sie mit diesen Tests, die Sie für die Massentests angekauft haben, machen sollen. Die Propagandawalze hat nicht funktioniert, Sie haben das Geld beim Fenster rausgeschmissen. Die Bevölkerung war so schlau, zu erkennen, dass Ihre Ankündigung, dass man damit das Weihnachts­fest rettet, überhaupt nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Jetzt sitzen Sie auf diesem Glumpert und müssen es irgendwie zur Anwendung bringen. Deswegen rollen Sie dieses System aus. Oft sind ja die Erklärungen ganz, ganz einfach: Da brauchen Sie sich nicht hinter irgendwelchen gesundheitlichen Schutzmaßnahmen zu verbarrika­die­ren – das ist die einfache Wahrheit.

Herr Bundeskanzler, die Österreicher haben durchschaut, dass Sie ein hervorragender Schauspieler sind, dass Sie ein begabter Machtmensch sind – all das stimmt –, sie haben aber auch eines durchschaut: Sie sind kein verantwortungsbewusster Staats­mann, auch wenn Sie gerne einer wären. Die Einträge, die dereinst über Sie in den Geschichtsbüchern dieser Zweiten Republik verfasst sein werden, werden wenig schmeichelhaft sein – das sage ich Ihnen jetzt schon. Sie werden sich nicht in die Reihe der großen Ahnen der Volkspartei stellen können, wie Sie das so gerne möchten. Dabei wird Ihnen im Übrigen auch der Kauf der Medien nicht helfen.

Jetzt noch ein wichtiger Punkt: Ein Aspekt, der in der Debatte manchmal zu kurz kommt, sind die Begleitmaßnahmen. So sehr Sie im gesundheitspolitischen Bereich dahin­dilettieren, so perfekt arbeitet Ihre Maschinerie dort, wo es um das Zurückstutzen der Grund- und Freiheitsrechte geht, dort, wo es darum geht, ein Zensursystem aufzubauen. Ich halte das für besonders arg.

Ich habe zum Beispiel am letzten Freitag erlebt, dass ein Ausschnitt meiner Face­bookseite – ein Ausschnitt eines Diskussionsbeitrags von Servus-TV, in dem Professor Bhakdi nichts anderes gemacht als gewarnt und gesagt hat: Schauen wir doch bei dieser Impfung genauer hin, welche Gefahren auf uns zukommen könnten! – von Facebook gelöscht wurde. Es gibt viele solche Beispiele: Reden von Nationalratsabgeordneten werden von Facebook oder Youtube zensiert. Man möchte doch meinen, dass der Bun­deskanzler dieser Republik oder andere Regierungsvertreter ob dieser Form der Zensur durch internationale Konzerne, die immer mehr voranschreitet, aufschreien. Sie tun es nicht, und das bringt mich auf eine andere Idee: Vielleicht stecken Sie ja sogar dahinter, Herr Bundeskanzler! (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sie haben doch im Bundeskanzleramt einen digitalen Krisenstab eingerichtet, der sich mit Fakenews befasst. Sie mit Ihrer Initiative gegen Hass im Netz sind doch derjenige, der diesen Konzernen in Wahrheit noch die offizielle Legitimation gibt, selbst Zensur­urteile über politisch Missliebige, über Andersdenkende auszusprechen, anstatt dass sie von österreichischen Gerichten ausgesprochen werden. Sie betreiben dieses System ja noch, und das halte ich für besonders arg. (Beifall bei der FPÖ.)

Anders kann ich mir nicht erklären, dass Sie sich in diesem Zusammenhang aus­schweigen. Das betrifft nicht nur die freie Rede hier im Parlament, um die ich mir im Übrigen auch große Sorgen mache, nicht nur die Meinungsfreiheit von Abgeordneten,


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sondern das betrifft auch die Freiheit der Wissenschaft, die unter die Räder zu kommen droht, wenn man in dieser Art und Weise mit Zensur vorgeht.

Am Ende, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird die Zwangsimpfung stehen. (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.) Das liegt auf der Hand. Sie haben sich mit Ihrer Bezugnahme auf Israel verraten: Sie haben das israelische Modell gelobt, und das läuft darauf hinaus, dass nur jene Menschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, die sich impfen lassen. Das haben Sie klipp und klar auch in Ihrer Presse­konferenz gesagt, und das ist verabscheuenswürdig. Das ist ein Apartheidsystem, das Sie vorantreiben. (Präsident Hofer gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein letzter Satz: Ich bin auf Ihre Ausführungen gespannt. Für mich läuft das alles auf diktatorische Maßnahmen hinaus, und für die, die es nicht glauben: Diktatur kommt immer im Namen des Guten daher und brezelt sich recht ordentlich und verträglich auf. Kein Diktator ist gekommen und hat gesagt: Ich will euch Böses. – Seien wir vorsichtig, dass wir es nicht übersehen! Ich bin gespannt auf Ihre Erklärungen, Herr Bundeskanzler! Ich bin sehr gespannt, wie Sie Maßnahmen erklären wollen, die man in einer Diktatur nicht zu erklären braucht und in einer Demokratie nicht erklären kann. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

16.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Bevor sich der Herr Bundeskanzler zu Wort meldet, gibt es noch eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung von Herrn Abgeordneten Hafenecker. – Bitte.

*****


16.48.47

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich habe mich gemeldet, weil es ja aussieht, als wäre es abgesprochen: Herr Klubobmann Kickl hat gerade von Zensur gesprochen, und sie findet gerade wieder statt. Nicht nur, dass die Sitzung heute nicht auf ORF 2 übertragen wird – sie ist auf ORF III übertragen worden –, die wichtige Begründung dieser Dringlichen Anfrage an den Herrn Bun­deskanzler wurde vom ORF schon wieder auseinandergeschnippelt. Während Klubob­mann Kickl gesprochen hat, ist eine ZIB 100 eingeblendet worden, irgendwelche Beiträge aus England und Herr Drosten, damit alles abgerundet ist. (Unruhe im Saal. – Ruf bei der ÖVP: ... beim ORF beschweren!)

Herr Präsident, ich ersuche Sie im Rahmen meiner Geschäftsordnungswortmeldung wirklich, mit dem ORF Kontakt aufzunehmen und sicherzustellen, dass auch kritische Beiträge von Abgeordneten hier im Hohen Haus unzensuriert im ORF übertragen werden können. (Beifall bei der FPÖ.)

16.49

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, wir sind vom ORF darüber in Kennt­nis gesetzt worden, dass ORF III die Sitzung heute bis 19.15 Uhr live und kom­mentiert und danach weiter in der TVthek sendet und sie von ORF 2 nicht übertragen wird. Diese Information haben wir vom ORF bekommen, wir werden aber in der nächsten Präsidiale auch darüber sprechen, wie Sitzungen übertragen werden.

Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage ist nun Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundeskanzler.



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16.50.13

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! (Abg. Martin Graf: Der ORF reagiert schon: ist schon wieder live!) Wenn ich Ihnen zuhöre, Herr Klubobmann Kickl (Abg. Belakowitsch: Na hoffentlich hören Sie zu!), und Bemerkungen fallen wie die Vorbereitung eines Apartheidsystems (Abg. Belakowitsch: Na ist es ja!), diktatorische Zustände (Abg. Rauch: Das ist Ihr Naturell!), wir testen jetzt, weil wir nicht wissen, wohin mit den beschafften Tests – vorhin gab es andere Kollegin­nen und Kollegen von Ihnen, die gesagt haben, geimpft wird wegen der Pharmakon­zerne, mit denen stecken wir unter einer Decke –, das Ziel am Ende ist sowieso die Zwangsimpfung für die gesamte Bevölkerung (Abg. Belakowitsch: Ja, eh! Jetzt haben wir die Zwangstestung und dann die Zwangsimpfung!), wenn ich all das höre, dann fällt es schwer, jetzt auf jedes einzelne Detail einzugehen.

Bevor ich das mache, muss ich mit Ihnen eine Geschichte teilen, an die mich das alles ein Stück weit erinnert hat. Ich möchte den Blick ein bisschen aus Österreich hinaus richten, in die USA. Dort gab es vor einigen Jahren immer wieder Behauptungen, es gebe im Team von Hillary Clinton Kinder, die missbraucht würden, und absurde Theorien von Verbrechen - - (Abg. Belakowitsch: Was hat das jetzt mit Corona zu tun? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Hören Sie mir einmal ganz kurz zu! Ich habe Ihnen zugehört, geben Sie mir die Chance, ganz kurz zu replizieren! Ich verspreche Ihnen, ich werde die Redezeit nicht überschreiten. (Abg. Martin Graf: Märchen sind verboten!)

Da gab es absurde Theorien von Verbrechen, die da stattfinden. Am Anfang hat das jeder für absurd gehalten, für wenig glaubwürdig, für erfundene Behauptungen. Dann wurden diese Theorien mit immer mehr Substanz unterlegt, es wurde ganz konkret beziffert, um wie viele Kinder es sich handelt, gesagt, wer aller involviert sein könnte. Der Höhepunkt war dann, dass man ausfindig gemacht hat, wo das alles stattfindet, nämlich in einer kleinen Pizzeria mitten in den USA. Die Theorien wurden immer konkreter, die Unterstellungen wurden immer detailreicher, bis dann am 4. Dezember 2016 ein mit einem Sturmgewehr bewaffneter Mann vor der Pizzeria gestanden ist und das Schloss aufgeschossen hat, in die Pizzeria hineinmarschiert ist und in den Keller wollte, um die Kinder zu befreien. Überraschenderweise fand er dort nicht nur keine gefangen gehaltenen Kinder vor, sondern auch keinen Keller, denn die Pizzeria hatte nicht einmal einen. Er hat Gott sei Dank niemanden getötet oder verletzt, hat sich wieder zurückgezogen und ist von der Polizei verhaftet worden.

Wenn man sich die Frage stellt: Wie kommt jemand auf die kranke Idee, mit einem Sturmgewehr eine Pizzeria zu stürmen, um Kinder im Keller zu befreien?, dann wirkt das relativ absurd. Wenn man aber die unzähligen Behauptungen, Gerüchte, Andeutungen und Unterstellungen davor liest, dann denkt man sich: Wenn jemand all das konsumiert, dann kann er vielleicht am Ende des Tages relativ verwirrt dastehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Insofern, Herr Abgeordneter Kickl, möchte ich doch in einigen Punkten im Detail auf das eingehen, was Sie von sich gegeben und mir unterstellt haben.

Sie haben gesagt, die Bundesregierung schüre Ängste. (Abg. Belakowitsch: Das tun Sie ja! – Abg. Rauch: Das ist richtig! – Abg. Kickl: Das steht in Ihrem Strategiepapier!) Ich kann Ihnen nur sagen, das Virus ist real. Ich habe zu Beginn des Jahres den Satz gesagt: Ich hoffe nicht, dass es so weit kommt, aber ich glaube, es wird am Ende jeder jemanden kennen, der an Corona gestorben ist. (Abg. Belakowitsch: Das haben Sie nicht gesagt! Das haben Sie nicht gesagt! – Abg. Kickl: Das ist jetzt Geschichts­verfälschung!) Wir wissen mittlerweile, dass wir über 5 000 Tote haben. Ich persönlich kenne jemanden, der an Corona gestorben ist, und ich kann Ihnen nur sagen: Bitte hören


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Sie auf damit, so zu tun, als gäbe es das Virus nicht! (Abg. Kickl: Das hat kein Mensch behauptet! – Abg. Belakowitsch: Bleiben Sie bei der Wahrheit!) Man ist nicht sonderlich männlich, wenn man keine Maske aufsetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Man ist nicht sonderlich hart im Nehmen, nur weil man sagt: Mir persönlich kann nichts passieren! (Abg. Brandstätter: Wo war der Schutz der Altersheime? Warum haben wir so viele Tote? – Weil Sie die Menschen in den Altersheimen nicht geschützt haben!) – Jetzt wird Herr Brandstätter zum größten Verteidiger von Herbert Kickl, das ist auch interessant. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte Ihnen nur eine kurze Geschichte von einer sehr lebensfrohen Dame erzäh­len, die im Frühling, als wir sehr, sehr gut durch diese Pandemie gekommen sind, immer wieder gesagt hat: Das ist alles übertrieben!, und den einen oder anderen Mitarbeiter von mir aufgezogen hat: Ihr mit euren Masken, ihr werdet dann im Hoch­sommer bei 40 Grad auch noch Masken aufhaben! Fürchtet euch nicht, kommt her, mir könnt ihr eh die Hand geben!

Vor einiger Zeit hat sie uns ausrichten lassen, sie zieht alles zurück, sie geniert sich dafür, dass sie uns verorscht hat, sie ist selbst an Corona erkrankt, und es war alles andere als eine Kleinigkeit für sie. (Abg. Deimek: „Verorscht“ ist sicher mit der Würde des Hauses nicht vereinbar!)

Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Abgeordneter Kickl, es gibt viele Menschen, für die eine Coronainfektion unproblematisch verläuft, es gibt viele Menschen, die keine Symptome haben, aber es gibt einige, für die eine Ansteckung sehr dramatisch ist. Es gibt einige, bei denen sie zu einem schweren Verlauf führt, und es gibt einige, bei denen sie zum Tod führt. (Abg. Rauch: Weil Sie die Altenheime nicht geschützt haben!) Und ich bitte Sie: Respektieren Sie das und reden Sie der Bevölkerung nichts anderes ein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zur zweiten These (Abg. Kickl: Was war jetzt die erste These?): Wenn Sie den Eindruck erwecken wollen, wir in Österreich hier irren mit unseren Maßnahmen und es wäre doch wesentlich besser, keinen Lockdown durchzuführen, einfach anders zu agieren, dann kann ich Ihnen nur sagen: Ich bin im engen Austausch mit allen europäischen Regie­rungs­chefs. Wissen Sie, wer mir vor einiger Zeit gesagt hat: Wahrscheinlich geht es auch ohne Lockdown, der erste Lockdown war vielleicht zu hart!? (Abg. Yılmaz: Der Orbán wahrscheinlich!) Es war Premierminister Babiš aus Tschechien, der mittlerweile den zweiten und den dritten Lockdown durchgeführt hat.

Der Gesundheitsminister in Deutschland, Jens Spahn, hat selbstkritisch reflektierend im Sommer gesagt: Vielleicht war der erste Lockdown zu hart, eine neuerliche Schließung des Handels würden wir wahrscheinlich nicht mehr machen. – Was hat in Deutschland bei einer wesentlich geringeren Ansteckungszahl stattgefunden? – Ein harter Lockdown inklusive Schulschließungen und Schließungen des Handels! (Abg. Kickl: Herr Bun­deskanzler, ich kenne den politischen Herdentrieb! Ich kenne das!)

Es ist ganz egal, welche Partei eine Regierung in europäischen Mitgliedstaaten anführt, von liberal über bürgerlich, von links bis rechts, egal ob Sie nach Frankreich, nach Spanien, nach Ungarn oder nach Polen schauen (Abg. Kickl: Dass das den Regierun­gen gefällt, das glaube ich Ihnen sogar!): Alle versuchen mit den gleichen Maßnahmen, mit vergleichbaren Konzepten, die Pandemie zu bekämpfen. Insofern möchte ich Ihnen nur mit auf den Weg geben: Wenn Sie der Meinung sind, der Weg ist falsch, dann sagen Sie bitte auch dazu, dass Sie der Meinung sind, dass alle Regierungen in Europa irren, auch die, die von rechten Politikern geführt werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Dritter Punkt: Sie sind gegen Einschränkungen – das respektiere ich. Sie sind gegen Tes­tungen – das respektiere ich. (Abg. Kickl: Ich bin für die Freiwilligkeit, Herr Bundeskanzler!


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Freiwillig! Freiwillig!) Sie sind gegen Impfungen – ich respektiere auch das. (Abg. Kickl: Freiwillig! Nicht das Wort im Mund umdrehen!) Ich frage mich am Ende des Tages nur: Was ist denn dann das Konzept, wenn Sie die Maßnahmen, die Testungen und die Impfungen ablehnen? Dann kann ja nur das Konzept sein: Corona für immer, bis es sich dreifach durch die Bevölkerung durchgefressen hat! – Das kann doch nicht unser Weg sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Belakowitsch: Haben wir eh für immer! Das werden wir sowieso für immer haben!)

Und zu guter Letzt, Herr Klubobmann Kickl, nachdem wir auch einmal gemeinsam in diesem Land regiert haben, eine Frage – Sie waren selber in der Regierung –: Glauben Sie wirklich, es ist populär für eine Regierung, den Leuten zu sagen, dass es einen Lockdown gibt? Glauben Sie wirklich, es ist populär für eine Regierung, den Menschen zu sagen, dass sie nicht in den Handel einkaufen gehen dürfen? Glauben Sie wirklich, es ist populär, einem Hotelier zu sagen, dass er sein Hotel nicht aufsperren darf? Glauben Sie wirklich, es ist extrem populär, jungen Menschen zu sagen, dass sie am Abend nicht ausgehen dürfen? Oder glauben Sie, es ist total populär, zu sagen: Es gibt Ausgangsbeschränkungen; wir müssen jetzt festschreiben, wann man das Haus ver­lassen darf!? Glauben Sie wirklich, dass das populär, angenehm oder wünschenswert ist? (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Kickl: Sie haben den Boden auf­bereitet!) Daher meine letzte Frage an Sie: Was hätten wir denn von all diesen Maßnahmen? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Was bringt denn das einer Regierung, das zu tun, wenn es nicht absolut notwendig ist und diese Maßnahmen gesetzt werden müssen? (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Daher abschließend: Herr Klubobmann, ich respektiere Ihre Kritik. Ich kann nur dazu­sagen: Ich weiß genau – denn das kann ich antizipieren –, sie wird immer stattfinden, egal was wir tun. Wenn wir Maßnahmen setzen, dann sind die Maßnahmen falsch, wenn wir keine Maßnahmen setzen, dann haben wir verschlafen, wie die Situation ist, und sind schuld daran, dass die Ansteckungszahlen steigen. (Abg. Belakowitsch: Sie haben sie ja verschlafen! – Widerspruch bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Wissen Sie das?) – Ich kenne Sie mittlerweile gut genug, Herr Klubobmann. (Heiterkeit des Redners. – Abg. Kickl: Das glaube ich nicht! – Heiterkeit bei der FPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Insofern darf ich abschließend dafür plädieren, dass wir eine etwas sachlichere Form der Auseinandersetzung führen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es ist total legitim, zu argumentieren, dass Frau Schmid von der Ampelkommission der Meinung sei, dass Schulschließungen nicht notwendig sind. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Es ist aber genauso legitim, der Leopoldina und Herrn Prof. Drosten zu vertrauen, dass Schulschließungen genauso einen Effekt haben wie andere Schritte, die gesetzt werden. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Es ist absolut legitim, wenn Sie sich gegen die Schließung des Handels aussprechen, es ist aber genauso legitim, wenn man sagt, ein Lockdown funktioniert eben nur, wenn er möglichst breite Bereiche des Lebens erfasst. (Abg. Hafenecker: Dann kann ich ja gleich der Angela Merkel ...!) Es ist absolut legitim, gegen Maßnahmen einzutreten, aber seien Sie so fair und sagen Sie dann auch dazu, dass das automatisch immer auch mit höheren Ansteckungszahlen Hand in Hand geht!

Insofern würde ich mir wünschen, dass die Debatte etwas respektvoller geführt wird (Abg. Belakowitsch: ... Respekt! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), dass sie von unterschiedlichen wissenschaftlichen Thesen getragen ist, denn es gibt mittlerweile Experten, die in die unterschiedlichsten Richtungen argumentieren, und ich würde Sie bitten, dass man vielleicht mit der einen oder anderen Verschwörungstheorie, mit der einen oder anderen Unterstellung etwas behutsamer umgeht. (Abg. Amesbauer: Die einzige Verschwörungstheorie ...! Sie haben jetzt ...! – Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Ich darf nun zu den Fragen kommen, die schriftlich an uns ergangen sind, und ich möchte die Antworten der Reihe nach verlesen. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Zur Frage 1:

Seit Beginn der Pandemie arbeiten wir intensiv daran, Österreich bestmöglich durch die Krise zu bringen. Das ist keine Frage des Menschenbilds, sondern von medizinischer, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Expertise geprägt, auf deren Basis wir in der Bundesregierung auch Entscheidungen treffen und diese selbstverständlich auch im Parlament diskutieren.

Zur Frage 2:

Zur Debatte im morgigen Hauptausschuss stehen die Verordnungen, die Ihnen am heutigen Tag bereits übermittelt wurden, zur Verfügung.

Zu den Fragen 3 bis 5:

Für die Einschätzung der epidemiologischen Lage werden sowohl die Entwicklung der Neuinfektionen als auch die Auslastung der Kapazitäten im Gesundheitsbereich berück­sichtigt. Die Entscheidungen über die notwendigen Maßnahmen werden auf Basis der Prognoseberechnungen und der Einschätzungen unterschiedlicher Experten getroffen.

Zur Frage 6:

Es ist uns ein Anliegen, im Rahmen der Bekämpfung der Pandemie in enger Abstim­mung mit dem Parlament zu arbeiten. Deswegen wurde im Rahmen des COVID-19-Maßnahmengesetzes für gewisse Maßnahmen vorgesehen, dass das Einvernehmen mit dem Hauptausschuss in einer gewissen Regelmäßigkeit herzustellen ist. Das ist gut so, und wir hoffen natürlich, dass auch in Zukunft eine möglichst breite Zustimmung zu notwendigen Maßnahmen erreicht werden kann.

Zu den Fragen 7 bis 18:

Neben den allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln und der Einschränkung von sozialen Kontakten ist regelmäßiges und breites Testen eine der effektivsten Methoden, um Infektionsketten zu unterbrechen. In gewissen Berufsgruppen, die Kontakt zu vielen Menschen haben, ist regelmäßiges Testen von noch größerer Bedeutung, um das Infek­tionsgeschehen unter Kontrolle zu halten. Deswegen erarbeitet das Gesundheitsminis­terium gerade die Detailregelungen, wie es gelingen kann, entsprechende Anreize zu setzen, dass sich möglichst viele Menschen regelmäßig testen lassen.

Zu den Fragen 19 bis 25, 48 und 49:

Wir befinden uns weiterhin inmitten der größten Gesundheitskrise seit 100 Jahren. Die Situation und die Entwicklung der Pandemie in Österreich werden regelmäßig evaluiert, und die notwendigen Maßnahmen werden entsprechend festgelegt. Mit der heutigen Zulassung des ersten Impfstoffes gibt es die Chance, dass wir in absehbarer Zeit wieder ein einigermaßen normales Leben führen können. Je mehr Menschen sich impfen las­sen, desto schneller können wir diese Krise gemeinsam überstehen.

Zu den Fragen 26 und 27:

Die Dokumentation zur Covid-Impfung soll im Wege des E-Impfpasses erfolgen. Das Gesundheitsministerium stellt diesbezüglich die entsprechenden Vorbereitungen zum Projekt an.

Zu den Fragen 28 und 29:

Nein.


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Zur Frage 30:

Wir können teilweise auf Erfahrungen und Erkenntnisse aus den bevölkerungsweiten Testungen zurückgreifen, insbesondere hinsichtlich der organisatorischen und logis­ti­schen Durchführung.

Zu den Fragen 31 bis 33:

Seitens des Bundeskanzleramts wurden keine Unternehmen beauftragt.

Zur Frage 34:

Solche Einrichtungen sind Teil der Impfstrategie, die bereits vom Gesundheits­minis­terium veröffentlicht wurde.

Zu den Fragen 35 bis 40:

Eine allgemeine Pflicht zur Impfung gegen Sars-Cov-2 oder zu Impfungen im Allge­meinen ist, wie vielfach betont, nicht geplant.

Zu den Fragen 41 und 42:

Aufgrund der heutigen Zulassung der ersten Covid-19-Impfung durch die EMA wurde diese in die Verordnung über empfohlene Impfungen aufgenommen. In dieser Verord­nung hat der Gesundheitsminister Impfungen zu bezeichnen, die nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft im Interesse der Volksgesundheit zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung empfohlen sind. Im Zusammenhang mit dieser Verordnung regelt das Impfschadengesetz die Entschä­digung, die der Bund zu leisten hat.

Zu den Fragen 43 bis 45:

Wifo und IHS haben kürzlich eine umfassende Prognose zur Entwicklung der öster­reichischen Wirtschaft, darunter auch des Arbeitsmarkts, erstellt. Diese Prognosen sind öffentlich verfügbar. Die Wirkung einzelner Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-Pandemie wird dabei nicht gesondert errechnet.

Im Jahresdurchschnitt rechnet das Wifo im Lockdownszenario mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit um 5,1 Prozent, das umfasst auch Notstandshilfebezieher. Für den Vollzug der Sozialhilfe sind die Bundesländer zuständig.

Zu den Fragen 46 und 47:

Von der Regierung wurden mehrere Maßnahmen getroffen, um die österreichische Wirt­schaft während der Pandemie zu unterstützen. Dazu zählen unter anderem der Umsatz­ersatz und der Fixkostenzuschuss.

Eine nachhaltige Bekämpfung der Infektionszahlen und eine damit verbundene rasche Rückkehr zu einer Öffnung des Wirtschaftslebens kann kurzfristig zu einer Dämpfung des Wirtschaftslebens führen, mittel- und langfristig aber wird aus unserer Sicht ein beschleunigter Aufholeffekt damit größer.

Zur Frage 50:

Die umfassende Information der Menschen in unserem Land, speziell im Zusammen­hang mit dem Coronavirus, ist der Bundesregierung besonders wichtig. Auf unseren digitalen Kanälen erreichen uns täglich unzählige Nachrichten und Anfragen der Bür­gerin­nen und Bürger, die durch unser Team beantwortet werden.

Es findet keine Löschung von Usermeldungen auf den digitalen Kanälen des Bun­deskanzleramts statt. Zur Aufrechterhaltung der Gesprächskultur auf unseren Kanälen hat die Verbreitung von Hasskommentaren und strafrechtswidrigen Inhalten aber keinen Platz. Wir bitten dafür um Verständnis.


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Zu den Fragen 51 und 52:

Die Entscheidungen und die Arbeitsweise von Privatunternehmen sind kein Gegenstand der Verwaltung und fallen daher auch nicht in meinen Vollzugsbereich.

Ganz grundsätzlich vertreten wir jedoch die Position, dass soziale Medien künftig mehr Verantwortung übernehmen sollen, und zwar in jede Richtung. Wir unterstützen daher die Maßnahmen auf europäischer Ebene und den kürzlich von der EU-Kommission vorgestellten Vorstoß, der den Plattformen künftig mehr Verpflichtungen und eine höhere Transparenz in ihrer Arbeit auferlegen soll.

Zu den Fragen 53 und 54:

Die Mitarbeiter der digitalen Kommunikation im Bundeskanzleramt haben keine Löschun­gen auf sozialen Plattformen angeregt und sind auch über keine Löschungen durch die Platt­formen informiert worden.

Zur Frage 55:

Es findet auf nationaler wie auch auf EU-Ebene ein genereller Austausch mit Online­plattformen statt, wie mit vielen anderen Stakeholdern im Informations- und Kommuni­kationsbereich auch, zuletzt im Zusammenhang mit dem kürzlich auf den Weg ge­brachten Paket Hass im Netz.

Abschließend, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich, um meinen Redebeitrag vielleicht etwas positiver und optimistischer zu beenden, noch auf etwas eingehen, auch wenn Ihnen, Herr Klubobmann Kickl, das wenig Freude macht: Ich bin der Auffassung, dass heute ein sehr guter Tag ist, denn die EMA hat heute ihre Zulassung für den ersten Impfstoff erteilt. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nach zehn Monaten Pandemie – die eine sehr, sehr schwere Zeit für uns alle in Öster­reich, in Europa und auch auf der ganzen Welt bedeutet – mit unglaublichen gesund­heitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen gibt es jetzt eine Trendwende: Heute ist von der EMA für den Impfstoff von Biontech und Pfizer die Zulassung in Europa erteilt worden – ein Impfstoff, von dem wir in den ersten drei Monaten 900 000 Dosen erhalten sollen. Wir werden damit 450 000 Menschen impfen können. Ich bin froh über diese Zulassung und freue mich, Ihnen bekannt geben zu dürfen, dass wir aufgrund dessen die Möglichkeit haben, in Österreich am 27. Dezember die ersten Impfungen durchzuführen. Das ist der Anfang des Sieges über die Pandemie. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei den Grünen. – Abg. Kickl: Kennt man aus Nordkorea!)

17.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte, Frau Doktor.


17.11.44

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Frau Bundesminister! Ich habe Ihnen sehr genau zugehört, Herr Bundeskanzler. Sie haben sich hierhergestellt, haben eine Geschichte von Hillary Clinton erzählt, haben dann irgendwie versucht, sich als der Gute, der Konstruktive, als der­jenige, der im Sinne der Bevölkerung arbeitet, darzustellen. (Abg. Michael Hammer: Sie haben wirklich gut zugehorcht!) Was Sie aber nicht dazugesagt haben: Ihnen sind die Bürger dieses Landes eigentlich vollkommen egal. Das ist Tatsache, das haben Sie aber nicht gesagt. Sie gehen her und schränken Grund- und Freiheitsrechte ein – damit haben


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Sie im März begonnen. (Abg. Michael Hammer: Wer hat das zuerst gefordert? Das sagen Sie nicht dazu!) Herr Bundeskanzler, es sind Protokolle von Ihnen aufgetaucht, Sie haben in internen Sitzungen gesagt: Wir müssen den Leuten Angst machen, die Leute haben noch zu wenig Furcht! Wir müssen Ihnen aber die Sicherheit geben, dass Lebensmittelgeschäfte offen bleiben! – Das ist Teil Ihrer Angststrategie gewesen.

Und dann haben Sie gesagt – jetzt komme ich zu einer tatsächlichen Berichtigung; das haben Sie nämlich tatsächlich gesagt, das ist im ORF auch mehrmals wiederholt worden –: Es wird der Tag kommen, an dem jeder jemanden kennen wird, der an Corona gestorben ist. – Das haben Sie gesagt. (Bundeskanzler Kurz: Bald, bald!) – Nein, Sie haben nicht bald gesagt! Herr Bundeskanzler, bleiben Sie bitte bei der Wahrheit, das würde diesem Hause und auch der österreichischen Bevölkerung guttun! Man kann ja im Internet jederzeit nachhören, was Sie tatsächlich gesagt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben Ihre gesamte Politik der letzten Monate – des letzten Jahres, des letzten Drei­vierteljahres zumindest – auf Angst aufgebaut und haben versucht, die Leute einzu­schüchtern. Vom Nährboden dieser Angst ausgehend sind Sie dann weitergegangen und haben die Grund- und Freiheitsrechte wie selbstverständlich immer weiter aus­gehöhlt. Sie haben die Rechtsstaatlichkeit abgeschafft, Sie haben Ausgangssperren verhängt. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Der von Ihnen gerade zitierte deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn hat übrigens gesagt: Mit heutigem Wissen hätte es im Frühjahr gar keinen Lockdown gebraucht! – Nur so viel dazu.

Das mache ich jetzt niemandem zum Vorwurf, im Frühling war die Situation eine ganz andere. Da wussten wir ja tatsächlich nicht, was auf uns zukommt. Heute sind wir schon etwas weiter: Heute wissen wir, dass es Risikogruppen gibt, die tatsächlich stärker betroffen sind. Das sind genau die Gruppen, die Sie – Ihre Regierung und Ihre Parla­mentsklubs – eben nicht schützen: Die Altenheime, die Pflegeheime, im Übrigen werden auch ganz sensible Krankenhauseinrichtungen nicht geschützt. Über 40 Prozent aller, die verstorben sind, haben zuvor in einem Pflege- oder Altenheim gelebt, meine Damen und Herren.

Es gibt noch eine Gruppe von Risikopatienten. Ich erzähle Ihnen die Geschichte einer Familie, die ein schwer krebskrankes Kind zu Hause hat. Diese Familie kann jetzt ent­scheiden, ob der Vater in die Arbeitslosigkeit geht oder ob er jeden Tag arbeiten geht und so sein Kind gefährdet. Das sind Risikopatienten. Für diese Gruppe von Menschen haben Sie überhaupt nichts getan; das heißt, Sie haben nichts für die Risikopatienten gemacht, weder für die in den Altenheimen noch für die, die im familiären Verband leben. Alle anderen aber haben Sie eingesperrt.

Sie haben auch die Schulen geschlossen, Herr Bundeskanzler. Wenn Sie sich hier­herstellen und erklären, wie großartig Ihre Leistungen waren und dass wir hier gegen alles sind, dann muss ich Ihnen sagen: Das stimmt so überhaupt nicht! Wir haben zahl­reiche Anträge eingebracht, aber in einem gebe ich Ihnen recht: Gegen Schul­schließun­gen waren wir von Anfang an, weil Schulschließungen nicht notwendig sind und weil wir wissen, dass Kinder nicht die Überträger sind.

Zu den Schulschließungen möchte ich noch etwas sagen: Es gibt Jugendliche, die seit Oktober zu Hause sind. Da frage ich mich, Herr Bundeskanzler: Was denken Sie angesichts dessen? Macht Ihnen das überhaupt keine Sorgen, welche Auswirkungen das auf diese jungen Menschen haben wird? Ist Ihnen das wirklich vollkommen egal? Ist es Ihnen auch egal, dass Kinder zu weinen anfangen, weil sie im Jänner schon wieder zu Hause bleiben müssen? Ist Ihnen egal, welche Auswirkungen Ihre Politik hat?

Eine Wiener Schule fordert die Kinder auf: Aktiviere deine Klassenkameraden! Geht alle zum Test! „Bitte deine Familie [...] einen Schnelltest am Ende des Lockdowns [...] zu machen! [...] Bringe dein Testergebnis [...] in die Schule“! Jedes Kind, das „ein Attest


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mitbringt, bekommt einen Hausübungsgutschein“! – Meine Damen und Herren, das ist Freiwilligkeit?! – Das ist Psychoterror auf dem Rücken der Kinder, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Unglaublich!)

Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass Sie sich um die Sicherheit der Bürger sorgen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Schauen wir uns die Genese dieser Massentests an! Sie sind hergegangen und haben gesagt: 60 Prozent wären ein Erfolg! – Es haben Ihnen aber 80 Prozent gesagt: Interessiert uns nicht, wir gehen nicht hin! – Sie reagieren wie ein trotziges Kind: All jene, die in weiterer Folge auch nicht hingehen, kommen in eine politische Schutzhaft und werden wie Verbrecher mit Fußfessel behandelt, die dürfen nämlich das Haus auch nicht verlassen. Das ist Ihre Politik. Offensichtlich sind Menschen, die keinen Massentest machen wollen, Ihrer Wahrnehmung nach, in Ihrer Politik entsprechend mit Verbrechern gleichzusetzen. Das sind offensichtlich die neuen Schwerverbrecher laut dieser ÖVP.

Herr Bundeskanzler, das ist das, was die Bevölkerung nicht mehr versteht. Auch wir verstehen das nicht, weil es überhaupt keine Evidenz als Basis dafür gibt. Sie denken sich das aus. Ich frage mich schon die ganze Zeit – Sie haben selbst die Frage gestellt: Glauben Sie, dass es schön ist, wenn wir so etwas verkünden müssen? –: Was ist der Grund dafür, Herr Bundeskanzler? Warum tun Sie das alles? Haben Sie einen Lust­gewinn, wenn Sie Kinder wegsperren? (Heftiger Widerspruch bei der ÖVP. – Rufe bei der ÖVP: Wahnsinn! Das ist eine Unterstellung! So tief! Das ist unfassbar! Wirklich unglaublich! Ein Wahnsinn! – Abg. Michael Hammer: Der Herr Präsident schämt sich für seine Partei! – Abg. Wöginger: Zu Recht!)

Oder freut es Sie, wenn kleine Kinder mit Masken herumgehen müssen? (Zwischenruf des Abg. Hanger. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Herr Bundeskanzler, erklären Sie uns, warum Sie diese Maßnahmen setzen! Erklären Sie uns doch, warum Sie solche Maßnahmen setzen! (Abg. Wöginger: Ein Wahnsinn!) – Ja, es ist ein Wahnsinn, Kollege Wöginger, es ist tatsächlich ein Wahnsinn! (Ruf bei der FPÖ: Ja, ja! Stimmt ja! – Ruf bei der ÖVP: Herr Präsident! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Diese Bundesregierung geht in ein autoritäres System über. Wir leben offensichtlich nicht mehr in einer Demokratie. Die einzige Freiheit, die Sie akzeptieren, ist die Freiheit, der Mei­nung der Bundesregierung zu sein. Das ist die einzige Freiheit, die Sie akzeptieren. Jeder, der in diesem Land dieser ÖVP widerspricht, jeder, der eine andere Meinung hat, und jeder, der ein anderes Verhalten an den Tag legt, wird von Ihnen bestraft, und das ist unredlich. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ein Wort noch zu Ihrer vielgepriesenen Impfung: Herr Bundeskanzler, das wird nichts ändern, denn die WHO fordert jetzt schon für die Zeit nach der Impfung, Maske zu tragen, Abstand zu halten. (Zwischenrufe der Abgeordneten Haubner und Melchior.) Sie wissen das ganz genau, und Sie werden auch das durchdrücken, weil Sie es durchdrücken wollen, weil Sie sich daran ergötzen, wenn Sie den Leuten etwas vorschreiben können. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Zur Geschäftsordnung!)

17.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zur Geschäftsbehandlung. – Bitte, Herr Klubobmann Wöginger.

*****


17.19.05

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident, ich schätze Sie sehr, weil wir uns sehr lange kennen, aber das geht nicht: Was Abge­ordnete Belakowitsch jetzt von sich gegeben hat – dass der Bundeskanzler eine Freude


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hat, wenn er Kinder wegsperrt, und dass wir sozusagen die autoritäre Partei schlechthin in diesem Land sind –, ist unerhört.

Wir bemühen uns Tag und Nacht, alles zu tun, damit wir gemeinsam diese Pandemie bekämpfen. Herr Präsident, ich bitte Sie wirklich, hier einzuschreiten. Das geht einfach zu weit. Das nehmen wir so nicht hin. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Klubobmann, ich habe mir alle Redebeiträge sehr genau angehört und entscheide, ob es etwas gibt, was in - - (Abg. Michael Hammer: Sie sind Parteichef auch!) – Bitte? (Abg. Michael Hammer: Sie sind auch Parteichef!) – Ich habe Sie leider nicht verstanden. (Abg. Michael Hammer: Sie sind auch Parteichef!) – Ja, aber ich bin hier als Präsident und nicht als Chef der Partei und ich höre mir jeden Redebeitrag sehr genau an. (Abg. Steinacker: Deswegen kann sich der Herr Kickl wünschen ...! – Abg. Lausch – in Richtung ÖVP –: Überparteilicher als Sobotka auf jeden Fall!) Es gibt ja die Möglichkeit, dann auf Aussagen auch zu antworten, meine Damen und Herren!

Wenn etwas so gestaltet ist, dass es weit unter der Gürtellinie liegt oder dass es dem Vorwurf eines Verbrechens nahekommt, dann schreite ich ein. Ich kann versichern, dass ich jeden gleich behandle. (Abg. Steinacker: Vielleicht können Sie sich das Protokoll noch einmal anschauen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie haben die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden, Frau Kollegin. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

*****

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Saxinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.20.36

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Liebe Minister! Ich glaube, es tut uns allen gut, ein bissl zu kalmieren. Rein medizinisch gesehen: Ein ständig hoher Geräuschpegel und eine Daueragitiertheit schaden der Gesundheit, erhöhen den Blutdruck von uns allen, und das wollen wir doch nicht! Es ist auch den Zusehern und uns nicht zumutbar! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Noch zu den Kindern und den Schulen, weil wir das heute schon mehrmals gehört haben: Kinder sind natürlich auch Träger von Viren und die Schulen ein Ort, an dem sie weitergegeben werden können. Laut einer aktuellen Studie, die ich Ihnen gerne geben kann, sind Kinder in Schulen häufiger mit Corona infiziert als andere Altersgruppen und können natürlich die Infektion so auch weitergeben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Generell wähne ich mich manchmal in einem falschen Film: Da haben wir weltweit eine Pandemie, Millionen Menschen sind infiziert und erkrankt – Stand heute: 1 519, die Zahl der Neuinfektionen geht also Gott sei Dank durch unsere Maßnahmen zurück, die Zahl an Coronatoten ist mit 84 leider noch immer sehr hoch. Die ganze Welt versucht mit allen Mitteln, das Virus zu beherrschen, es ist nicht nur eine gesundheitspolitische Katastrophe, sondern es ist auch eine ökonomische und gesellschaftspolitische Herausforderung. Was macht man normalerweise? – Es heißt, in solchen Tiefen, in solch bisher nicht ge­kannten Krisen packen wir es an, helfen wir zusammen, unterstützen wir uns gegen­seitig, schalten wir unser Hirn ein, vergessen wir einmal den kleinkarierten politischen Hickhack! Was erwartet sich die Bevölkerung von der Politik? – Ich sage Ihnen: Kein Mensch hat derzeit Verständnis für eine Radikalpolitik und für Streit.


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Wenn es wirklich darauf ankommt, wenn es um die Sache und das Allgemeinwohl geht, dann sieht man, wem es wirklich um Parteipolitik und Wählerfang geht. Das muss man Ihnen, liebe FPÖ, wirklich vorwerfen! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.) Ihnen geht es nicht um die Sache, um das Wohl, sondern es geht Ihnen um das Diffamieren, um den Streit, um das Polarisieren. Auf Ihre Kritik zum Beispiel, dass Wissenschaftler entscheiden sollen und dass sie die besseren Politiker wären, sei Ihnen gesagt: Die Wissenschaft kann Grundlagen für die Entscheidungen liefern, sie liefert Evidenzen, aber die Politik muss nach Abwägen dieser Grundlagen entscheiden. Es ist oft eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera, und rein virologisch zum Beispiel wäre es sinnvoll gewesen, die Geschäfte über viele Monate geschlossen zu halten, aber das ist niemandem zumutbar, und das halten wir auch ökonomisch nicht aus.

Wer sind denn die Experten, die uns beraten? Es sind Epidemiologen wie zum Beispiel Frau Professor Schernhammer, es sind Intensivmediziner wie Professor Markstaller, es sind Virologen wie die Professoren Kollaritsch und Drosten. Das sind alles Experten, jeder ist auf seine Art und Weise ein Spezialist, jeder trägt dazu bei, liefert Fakten für uns, aber entscheiden müssen dann wir. Und das tun wir, und zwar faktenbasiert, ausgewogen, verhältnismäßig und sinnvoll! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Ernst-Dziedzic und Maurer.)

Viele Menschen, mit denen ich in den letzten Wochen geredet habe, sagen: Ich möchte jetzt nicht in eurer Haut stecken. (Ruf bei der SPÖ: Ha, ha!) – Wir entscheiden so, wie es die Bevölkerung von uns erwartet. Da geht einer voran, klar fokussiert, das Ganze im Auge behaltend, und das ist unser Kanzler und mit ihm die ganze Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Das Problem der FPÖ ist nicht zu viel Kritik – das halten wir aus, und das gehört auch irgendwie dazu –, sondern es ist eine mangelnde Differenzierung. Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele: Ich kann zum Beispiel konsequent Maske tragen, was ich mir sehr wünsche, und Abstand halten und trotzdem die Regierung kritisieren. Ich kann den Sinn von Massentests bezweifeln und mich dennoch im Sinne des Allgemeinwohls testen lassen. Und ich kann die – Gott sei Dank! – kommende Impfung kritisch beäugen (Zwi­schenruf des Abg. Hafenecker) und trotzdem das Prozedere der Impfstrategie unter­stützen. Geht es um das Impfen, sind wir zu emotional. Wir sollten sachlich bleiben. Es geht nicht um Schwarz-Weiß-Denken, um die Suche nach Schuldigen, sondern darum, gemeinsame Wege aus der Krise zu finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Impfungen stehen sozusagen als Weih­nachtsgeschenk vor der Tür, und die EMA hat uns vor zwei Stunden wirklich ein Geschenk gemacht.

Diese Impfung wird erfolgreich sein, mit oder ohne Polarisierer. Wir dürfen das Feld nicht den Querulanten, den Impfgegnern, den Panikmachern überlassen. Ich empfehle diesen Personen auch, einmal ins nächste Krankenhaus zu gehen – ich lade Sie gerne ein – und Ihre Verschwörungstheorien den Ärzten und Pflegern zu präsentieren, die völlig ausgepowert von der überfüllten Covid-Intensivstation kommen. Die würden Ihnen – und das ist freundlich ausgedrückt – etwas husten!

Skeptikern, die dem Impfstoff gegenüber Vorurteile haben, wie beispielsweise, das sei alles zu schnell oder nicht gründlich genug geprüft, sei gesagt: Weltweit haben Forscher mit riesigem Aufwand, mit riesigem Tempo gearbeitet – aber nicht auf Kosten der Sicherheit! Ich persönlich würde mich lieber gestern als heute impfen lassen. (Abg. Wurm: Das kannst ja machen! Ist ja kein Problem!)

Ich möchte mich auch nicht an Dutzende Tote täglich durch Covid gewöhnen, das möchte ich nicht akzeptieren. Berufsbedingt kenne ich leider sehr viele Verstorbene, aber mittlerweile kennt wirklich fast jeder jemanden, mindestens eine Person persönlich,


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die an Covid verstorben ist. Auch in unseren eigenen Reihen haben wir Verluste zu beklagen. Vorige Woche ist zum Beispiel der 59-jährige Gemeindeparteiobmann und Vizebürgermeister von Kirchheim im Innviertel nach drei Wochen Kampf auf der Intensivstation verstorben. Mein Beileid und Mitgefühl soll in dieser schwierigen Zeit allen Angehörigen der Verstorbenen gelten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir tun jedenfalls alles, um den Menschen in den nächsten Monaten wieder ein einigermaßen normales Leben zu ermöglichen.

Blau ist an sich eine schöne Farbe, ich liebe blau, derzeit fällt mir zu blau aber ein: flau, mau, viel Radau und oft wenig Tau! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei der Abg. Maurer.)

Abschließend noch: Tun wir alle mit, durch die Impfung ist Licht am Horizont! Frohe Weihnachten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.27.13

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich vielleicht mit einer erfreulichen Anmerkung beginnen: Ich freue mich wirklich, dass wir uns alle nach dieser kurzen Zeit, die wir vor zwei Wochen miteinander verbracht haben, noch einmal sehen dürfen. (Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen.) Es tut wirklich gut, Sie alle noch einmal zu sehen! Ich frage mich aber schon: Warum musste denn das wirklich sein? – Wenn man das hinterfragt, dann kommt man schon einer gewissen Serie, wenn ich es einmal so nennen darf, auf die Spur. (Ruf bei der FPÖ: Das ist aber eine andere ...!) Die Regierungsparteien haben es leider wieder einmal – und dieses Wort, das ich jetzt verwende, spricht schon für sich, denn es hat es beim Wort des Jahres in der Grazer „Kleinen Zeitung“ in die Top 3 gebracht – verblümelt, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage mich, warum geschieht das so oft? Sind das einzelne Fehler, oder ist da etwas anderes? Ich erinnere an die Coronaapp, die nicht funktioniert hat, die Coronaampel, die inzwischen entsorgt ist, das Contacttracing, das nicht funktioniert, und da könnte man – meine Redezeit ist ja nicht so lange – aufzählen, aufzählen, aufzählen, man würde fast nicht fertig werden. Ich darf Sie nur daran erinnern: Wäre die Sozialdemokratie nicht gewesen und hätte es die Sozialdemokratie nicht entdeckt, dann wäre die Republik zahlungsunfähig gewesen (Ruf bei der ÖVP: Ah geh!), und die Polizistinnen und Polizisten würden in den Wohnzimmern der Österreicherinnen und Österreicher stehen.

Geschätzte Damen und Herren! Mit so vielen Fehlern ist das keine Krisenbekämpfung – so geht Krisenbekämpfung einfach nicht! Das muss man auch einmal klar aussprechen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Aber was ist es? Was ist der Grund? – Der Grund ist das System, das dahintersteckt. Es ist schon öfters angesprochen worden: Das System ist, dass es nicht um die Qualität der Rechtshandlungen geht, sondern mehr um die Show.

Das Gesetz geht nun einmal nicht von der Pressekonferenz aus, Herr Bundeskanzler, sondern das Gesetz entsteht hier. Es waren bis jetzt gezählterweise, wenn ich nicht falsch gezählt habe, 127 Pressekonferenzen, die aber nicht dafür gesorgt haben, dass es eine gute und qualitative Gesetzgebung gibt, sondern die haben für die Show gesorgt und dass wir hier ständig irgendwelche Fehler beheben müssen. Geschätzte Damen


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und Herren, das soll auf Dauer nicht unsere Aufgabe sein, dafür, glaube ich, ist unsere Zeit wirklich zu schade. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht aber nicht nur um die Show, es geht auch um die Missachtung des Parlaments. Wie oft haben wir darüber diskutiert, dass es nicht gut ist, wenn Anträge überhastet, übereilt eingebracht werden und deshalb schlampig verarbeitet sind, schlampig einge­bracht werden! Dieses Haus hat alle Mechanismen, um Fehler zu vermeiden. Es gibt Ausschüsse, es gibt Begutachtungen, es gibt Hearings und so weiter und so fort.

Warum haben Sie auf all das verzichtet? Wollen Sie, dass schlechte Gesetzgebung betrieben wird, oder wollen Sie manchmal verschleiern, was Sie tun? Ich glaube, es ist Letzteres, und das ist auch etwas, was dieses Hauses nicht würdig ist. Wir sollten uns langsam wirklich alle gemeinsam dagegen zur Wehr setzen, denn es schadet den Regierungsfraktionen genauso wie allen anderen. Es schadet der Würde dieses Hauses, und deshalb sollten wir wenigstens in Zukunft in diesem Haus vernünftige Gesetzgebung machen, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Ja, es ist das Motto: Speed kills. Das haben wir schon vor ungefähr einem Jahrzehnt einmal gehört, und es scheint jetzt wohl eine Wiedergeburt dieses Begriffs zu geben. Ich sage Ihnen eines: Wenn man die letzten Monate verfolgt, würde die parlamentarische Demokratie, würde die Kontrolle, würde die Transparenz, ja, würde der Anstand nicht mehr diese türkis-grüne Regierung wählen, geschätzte Damen und Herren. (Abg. Michael Hammer: Ist da noch wer da bei euch da drüben?)

Es ist die stärkste Krise seit 1946, die dieses Haus und dieses Land erlebt haben. Es braucht zwei Dinge: Es braucht gute Arbeit und Solidarität. Über die Arbeit habe ich mich bereits geäußert, jetzt komme ich zur Solidarität. Solidarität in so einer Zeit bedeutet, dass die Menschen, die in der Früh aufstehen und für ihr Geld hart arbeiten, die beste Unterstützung von dieser Regierung, die beste Unterstützung vonseiten der Politik bekommen. Das ist Solidarität in Zeiten wie diesen. Und ich muss eines sagen: Diese Regierung trägt Solidarität nicht vor sich her. Diese Regierung trägt alles, was Solidarität ist, höchstens als Privatmeinung vor sich her, geschätzte Damen und Herren: Finanz­transaktionssteuer kommt nicht, ist Privatmeinung; Solidarabgabe für Onlineriesen kommt nicht, ist Privatmeinung; Millionärssteuer kommt nicht, ist Privatmeinung; Schenkungs­steuer kommt nicht, ist Privatmeinung.

Geschätzte Damen und Herren! Wir sehen das anders. Da gäbe es die Chance, 5 Milliarden Euro im Jahr für die Menschen zu lukrieren, die für ihr Geld hart arbeiten. Das ist unser Zugang zu Solidarität im Gegensatz zu Ihrem, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir aber auch nicht wollen, ist, dass dieses Land jetzt noch stärker ins politische Chaos entgleitet. Wir stehen vor der größten Impfaktion der Geschichte, und, Herr Bundeskanzler, ich sehe das auch so: Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto besser, und es muss alles getan werden, damit das funktioniert. Es gibt unglaublich viele Menschen in unserem Land, die um ihre Existenz kämpfen; auch ihnen muss geholfen werden. Es gibt unglaublich viele Menschen – und es werden immer mehr –, die Angst um ihre Lieben haben, die Angst um ihre Freunde haben, die Angst um ihre Eltern, um ihre Großeltern haben.

Da braucht es jetzt eine stabile, verlässliche, einschätzbare Sozialdemokratie, die ein starker, haltbarer Anker für diese Menschen ist und die sie ein bisserl in Sicherheit bringen kann, die Fehler aufzeigt, die Fehler verhindert und die insbesondere für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintritt und heute, Herr Bundeskanzler, eines einmahnt: Sie haben und Ihre Regierung hat in dieser Zeit viele Fehler gemacht. Das macht mir große Sorgen, weil die Menschen in unserem Land darunter leiden und weil es ihnen nicht gut geht. Sie haben keine Einsicht gezeigt und auch nicht wirklich auf


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diese Fehler reagiert. Deshalb bitte ich Sie nur um eines – das haben zwar nicht Sie gesagt, sondern Ihr Gesundheitsminister, aber es gilt für die gesamte Regierung –: Sagt nicht zu den Menschen in Österreich, sie sollen sich zusammenreißen! Reißt euch selber ein bisserl zusammen, dann wird es für die Zukunft vielleicht helfen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Mag.a Meri Disoski ist die nächste Rednerin. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


17.34.35

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Leichtfried, ich weiß nicht, ob du Erinnerungslücken hast, aber ich glaube, an der Abschaffung der Erbschaftssteuer und Vermögensteuer wart ihr nicht ganz unbeteiligt, an der Kürzung der AMS-Gelder genauso nicht. (Beifall bei den Grünen.) Ich helfe dir aber gern dabei, dich daran zu erinnern. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Herr Kickl, ich habe die heute von Ihnen hier eingebrachte, neun Seiten umfassende Dringliche als studierte Sprach- und Literaturwissenschafterin mit einem, sagen wir einmal, professionellen Interesse gelesen. Kommen wir zuerst zum Titel: „Freiheit und Selbstbestimmung statt Massentest und Hausarrest“ (Abg. Wurm: Der ist gut, gell?) – schlecht gereimt, okay. Freiheit und Selbstbestimmung stellen Sie da in einer, nehme ich an, antithetischen Intention Massentests und Hausarrest gegenüber. Offensichtlich liegt es nicht so ganz im Rahmen Ihres Denkhorizontes, es ist für Ihre Partei nicht vorstellbar, dass Menschen freiwillig und selbstbestimmt zum Coronatest gehen, so wie ich das zum Beispiel tue (Beifall bei Grünen und ÖVP – Abg. Kickl: Um die geht’s ja nicht! Um die geht’s ja nicht! Es geht ja um die anderen!) – freiwillig und selbstbestimmt, so wie ich das tue und so wie viele hier das tun, zu meinem Schutz, zu unser aller Schutz, zum Schutz jener Menschen, die wir gernhaben, aus Verantwortungsgefühl, aus Solida­ritätsgefühl. Was für ein Gedanke, Herr Kickl! Stellen Sie sich das vor: freiwillig und selbstbestimmt zum Coronatest! Das können Sie probieren, dauert nicht lang (Zwischen­ruf des Abg. Kickl), ist schnell erledigt, tut nicht weh, ein bissel unangenehm ist es, aber kann im Ernstfall Leben retten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Herr Kickl, ich habe Ihre Dringliche Anfrage auch deshalb mit einem gewissen literatur­wissenschaftlichen Interesse gelesen, weil sie voller Mutmaßungen, voller Fakenews, Polemik und falscher Behauptungen ist. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Es han­delt sich hierbei, wenn man in der literaturwissenschaftlichen Diktion bleiben möchte, um ein fiktionales Werk, ein frei erfundenes Werk, das mit der Realität kaum etwas zu tun hat.

Was machen Sie mit dieser Dringlichen Anfrage? – Sie verharmlosen auf eine unglaub­lich verantwortungsvolle Art und Weise eine globale Pandemie (Abg. Kickl: Verantwor­tungsvoll!), die bisher weltweit knapp zwei Millionen Menschen das Leben gekostet hat (Abg. Kickl: Verantwortungsvoll hat gepasst! Da ist Freud mit Ihnen durchgegangen!), zwei Millionen Menschen, mittlerweile auch in Österreich über 5 000 Todesopfer. (Abg. Hafenecker: Das kommt davon, wenn man es aufschreibt und nicht frei sprechen kann!) Was machen Sie? – Sie gehen her und schreiben neun Seiten lang Verharmlosungs­rhetorik. Sie verharmlosen die größte Gesundheitskrise seit 100 Jahren und kritisieren im selben Atemzug die Bundesregierung für die Umsetzung genau jener Maßnahmen, die Sie vor ein paar Monaten selber noch gefordert haben. (Abg. Kickl: Wir haben dazugelernt! ... die ganze Welt hat dazugelernt!)

Ich habe mir das angeschaut. Damals haben Sie – Zitat – „harte Maßnahmen“ gefordert, um das „exponentielle“ Wachstum der „Neuinfektionen“ zu bremsen; konkret haben Sie


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damals auch die Schließung von Geschäften und Restaurants gefordert. Sie haben damals gemeint – ich zitiere –: „Die Bevölkerung werde solche Maßnahmen im Rahmen eines ,rot-weiß-roten Anti-Corona-Schulterschluss‘ verstehen“. (Abg. Kickl: Aber die Zeit ist nicht stehen geblieben, Frau Abgeordnete!) Das haben Sie damals gefordert, und heute kritisieren Sie genau das, was Sie damals gefordert haben. Was interessiert mich mein Gewäsch von gestern, Herr Kickl? Was interessiert mich mein Gewäsch von gestern? (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Werfen wir doch einmal einen Blick auf die Sprache, derer Sie sich hier im Parlament in der Dringlichen Anfrage und auch in Ihren Redebeiträgen bedienen! Herr Kickl, Sie haben von einer „Testapartheid“ gesprochen. Das ist eine unglaublich geschmacklose und zutiefst respektlose Analogie, die Sie hier zu ziehen versuchen. Wissen Sie, was die Apartheid war? (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Ganz genau! Ganz genau, und Sie wissen es! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Wissen Sie, was die Apartheid war, Herr Kickl? Was war die Apartheid? (Zwischenruf des Abg. Wurm.) – Das war eine Periode der staatlich organisierten Rassentrennung, Unterdrückung und Diskriminierung in Südafrika. Das war eine selbst erklärte Vorherrschaft der – unter Anführungszeichen – „weißen“ Bevölkerungsgruppe gegenüber anderen. Und wenn Sie jetzt mit Blick auf Corona von „Testapartheid“ sprechen, dann diskreditieren Sie einen zentralen Baustein in der globalen Virusbekämpfung, die Testungen, und verharmlosen gleichzeitig im selben Schritt Rassismus, systematische Ausgrenzung und Unterdrückung (Abg. Kickl: Jessas na! Jessas na!), aber das gehört ja zum Kerngeschäft Ihrer – unter Anfüh­rungszeichen – „Einzelfall“-Partei. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was noch zum Kerngeschäft Ihrer – unter Anführungszeichen – „Einzelfall“-Partei ge­hört, ist Inkompetenz; das haben Sie als Schlimaz, als schlechtester Innenminister aller Zeiten, bewiesen. (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP.) Wir erinnern uns exem­plarisch an die BVT-Affäre. Inkompetenz hat aber auch FPÖ-Gesundheitsministerin Hartinger-Klein in ihrer Amtszeit an den Tag gelegt. Sie erinnern sich, das war jene – unter Anführungszeichen – „Sozialministerin“ der FPÖ, die gemeint hat, dass man von 150 Euro im Monat leben kann. Gut, dass wir jetzt einen Sozialminister haben – der gerade wieder in den Saal zurückgekommen ist –, dem es ein ehrliches Anliegen ist und für den es oberste Priorität hat, zu verhindern, dass aus dieser Gesundheitskrise eine soziale Krise wird! (Abg. Belakowitsch: Wie denn?!)

Beate Hartinger-Klein war auch jene Gesundheitsministerin, die die Generaldirektion für öffentliche Gesundheit abgeschafft hat. Das ist eine für die österreichische Gesundheit im österreichischen Gesundheitssystem zentrale Stelle, die im Fall von Seuchen, im Fall von Pandemien, von Epidemien Strategien entwickelt, um die Ausbreitung dieser Seuchen einzudämmen. Diese zentrale Stelle hat Ihre Parteikollegin abgeschafft (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), die zuständige Sektion ist zerschlagen worden. Wäre die Ministerin so drauf gewesen, dass sie ihr Ressort nicht offensichtlich parteipolitisch motiviert geführt hätte, hätte diese Stelle jedenfalls weiterhin bestehen müssen. Das hätte uns vor allem auch in der Anfangsphase der Epidemiebekämpfung einen sehr großen Vorteil verschafft. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Hättiwari nützt uns jetzt aber nichts. Es ist gut, dass Gesundheitsminister Anschober diesen Fehler Ihrer Parteikollegin korrigiert hat und wir fortan mit Katharina Reich wieder eine kompetente Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich komme zum Schluss, sehr geehrte Damen und Herren. Ihre Dringliche Anfrage, Herr Kickl, lässt mich ob ihres fiktionalen Charakters also ratlos zurück – so, wie mich auch der Zickzackcoronakurs der FPÖ insgesamt ratlos macht und mit Erstaunen erfüllt.


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VorrednerInnen haben sich heute am Schluss ihrer Reden, drei Tage vor Weihnachten, Verschiedenes gewünscht. Ich möchte mir nichts wünschen, sondern an Sie alle hier im Hohen Haus und an alle, die uns heute zuschauen, appellieren, und ich möchte Sie bitten: Halten Sie sich an die Hygieneregeln, halten Sie Abstand, auch wenn das gerade jetzt während der Feiertage, während der Weihnachtszeit besonders schwerfällt! Lassen Sie sich testen, zu Ihrem Schutz, zum Schutz Ihrer Mitmenschen! Ja, diese Pandemie ist extrem mühsam, ja, sie bringt uns an die Grenzen dessen, was wir aushalten können, ja, sie ringt uns extrem viel ab. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Sie ist eine Zumutung, aber sie ist eine Zumutung, die wir nur gemeinsam bewältigen können, und auf den letzten Metern darf uns jetzt nicht die Puste ausgehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Ihre Wähler sind auch sprachlos!)

17.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


17.40.55

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Gesundheitsminister! Ich bin ganz grundsätzlich ein Freund von differenzierter Argumentation, und deswegen werde ich auch jetzt hier versuchen, das entsprechend zu machen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt, Sie freuen sich über den Impfstoff. Diese Freude teile ich, und deswegen ist es mir auch sehr wichtig, vielleicht noch einmal darauf einzu­gehen, was ich vorhin gesagt habe. Es ist mir wichtig, dass die Bevölkerung Argumente dafür hört, wieso dieser – meines Erachtens unverantwortliche – Umgang der FPÖ mit Testungen und Impfungen schlichtweg falsch ist. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben es schon gehört: Es gab natürlich ein entsprechendes Zulassungsverfahren für die Impfstoffe. Ja, das ist schneller als sonst passiert, das ist richtig. Wir sind in einer Notsituation, und dementsprechend haben die Wissenschaftlerinnen und Wissen­schaft­ler in der EMA das auch schneller gemacht.

Die Freiheitlichen fragen immer öfter in die Runde, ob wir denn wissen, was in diesem Impfstoff drinnen ist. Herr Klubobmann Kickl, Sie haben diese Frage bei einer ATV-Diskussion gestellt, wer denn weiß, was da drinnen ist. Ich sage Ihnen etwas: Ich habe mich Zeit meines Lebens impfen lassen. Ich habe vorhin kurz nachgedacht, wie viele Impfungen es waren; und ich habe das immer gemacht, weil ich an die Wissenschaft und an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler glaube. Ich glaube, ich habe alle Impfungen gefunden. Ich kann es Ihnen vorlesen: Ich habe mich gegen Masern, Mumps, Röteln impfen lassen, gegen FSME, gegen Polio, gegen Tetanus, gegen Diphterie, gegen Japan-B-Enzephalitis, gegen Gelbfieber, gegen Tollwut, gegen Hepatitis A, gegen Hepatitis B, gegen Typhus, dieses Jahr übrigens auch erstmalig gegen die Grippe. (Zwi­schenruf des Abg. Hafenecker.)

Ich sage Ihnen etwas: Ich habe sicher noch welche vergessen, aber ich wusste bei keiner einzigen Impfung, was da drinnen ist, weil ich Vertrauen in Menschen habe, die vom Fach sind, weil ich überzeugt davon bin, dass Wissenschaftlerinnen und Wis­senschaftler, dass Ärztinnen und Ärzte wissen, was sie machen (Abg. Kickl: Ich habe auch nicht gefragt, was drinnen ist, ich habe gefragt, was es bewirkt! Sie waren ja dabei!), und wissen, dass Impfungen, wenn sie entsprechend getestet sind, auch ungefährlich sind. (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Es mag ja sein, dass Sie mir nicht glauben. Ich empfehle Ihnen Folgendes: Steven Pinker hat ein ausgezeichnetes Buch geschrieben, es heißt „Aufklärung jetzt“, und er hat


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darin ausgerechnet, wie viele Menschenleben aufgrund von Impfungen gerettet werden konnten. Nur ein einziges Beispiel von einer Impfung: Es ist so, dass nach den WHO-Berechnungen alleine durch die Masernimpfung im Zeitraum von 2000 bis 2017 21 Mil­lionen Menschenleben gerettet werden konnten. Ich glaube, das ist ein ausgezeichneter Erfolg und ein guter Grund, Vertrauen in Impfungen zu haben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein letztes Argument – weil ich vorhin den Zwischenruf von Kollegen Wurm gehört habe: Es darf sich eh jeder impfen lassen! –: Das ist richtig, und ich bin auch überzeugt davon, dass es nichts bringt, da Zwang anzuwenden, aber der Punkt ist: Es geht nicht darum, ob ich mich impfen lasse. Schauen Sie, ich bin noch vergleichsweise jung, bin halbwegs gesund. Der Punkt ist: Es geht da nicht um mich, es geht darum, dass ich mich impfen lasse, damit ich andere Menschen, die nicht die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen – weil sie beispielsweise besondere Allergien haben, weil sie eine Vorerkrankung haben, weswegen das nicht geht –, nicht anstecken kann. (Abg. Belakowitsch: Dafür ist die Impfung nicht geeignet, Herr Kollege!) Wir brauchen die Herdenimmunität, dazu braucht es eine gewisse Durchimpfungsrate, und das geht nur, wenn so viele wie möglich dabei mitmachen – und da wünsche ich mir, dass die Bevölkerung da auch entsprechend mittut. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Das wissen Sie schon, dass die Impfung diese Funktion nicht erfüllt!?)

Um jetzt bei der differenzierten Argumentation zu bleiben: Ich habe gerade gesagt, wie groß mein Vertrauen in die Wissenschaft ist. Herr Bundeskanzler, das ist bei Ihnen immer ein bisschen schwieriger – sowohl betreffend Ihre Erklärung zu Mittag als auch Ihre Ausführungen jetzt. Da fehlt mir in vielen Bereichen das Vertrauen. Sie haben gesagt, immer dann, wenn Maßnahmen nicht gesetzt werden, gibt es entsprechend höhere Infektionszahlen, und alle in Europa haben Maßnahmen gesetzt. – Das stimmt, ganz viele haben Maßnahmen gesetzt, auch sehr unterschiedliche. Eine Sache, die wir immer angesprochen haben – ich habe mir vorhin noch einmal die Zahlen angeschaut –, sind die Schulschließungen, die in Irland nicht passiert sind. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Kurz.)

Irland hat weniger Einwohner, aber selbst auf pro Kopf runtergerechnet hat Irland niedrigere Infektionszahlen, weniger Tote gehabt – und sie haben die Schulen offen gelassen. Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen hier machen. (Beifall bei den NEOS.)

Der Vertrauensverlust in die Bundesregierung hat vier konkrete Gründe: Erstens ist es die Intransparenz, mit der Sie gehandelt haben, zweitens sind es die falschen Infor­mationen, die uns oft übermittelt wurden, es ist Chaos, und es ist Ignoranz.

Allein die Intransparenz: Wir haben die Ages-Daten, die wir x-mal verlangt haben, immer noch nicht, es gibt immer noch keinen Cofag-Unterausschuss, in dem wir die Wirt­schafts­hilfen entsprechend überprüfen können.

Zu den Falschinformationen von Ihrer Seite – ich habe es zu Mittag schon einmal gesagt –: Letzte Woche am Mittwoch im Hauptausschuss kein Wort davon, dass eventuell ein Lockdown notwendig ist, am Donnerstag im Bundesrat kein Wort davon, am Donnerstag im Tourismusausschuss kein Wort davon – gleichzeitig haben Sie diese Verordnung plus die Pressekonferenz natürlich schon vorbereitet. Sie informieren uns schlichtweg nicht richtig.

Sie richten Chaos an. Sie machen gesetzwidrige Verordnungen. Bis heute gibt es keine Amnestie für all die Menschen, die zu Unrecht aufgrund Ihrer verhängten Betretungs­verbote bestraft wurden. Sie richten Chaos mit den Schulschließungen an, es gibt keine Planbarkeit für Unternehmerinnen und Unternehmer.


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Letztes Beispiel, Sepp Schellhorn hat es als direkt Betroffener angesprochen: Ein Unternehmer weiß jetzt nicht, ob es überhaupt möglich sein wird, in einem Skigebiet Essen to go anzubieten, oder nicht, es ist unmöglich, entsprechend zu planen.

Sie erzählen etwas von Zwangstests, für die es bis jetzt keine gesetzliche Grundlage gibt, obwohl Sie das offensichtlich glauben, und es gibt mehr als 2 000 Tote in Pflegeheimen, weil Sie es nicht geschafft haben, die Risikogruppen entsprechend zu schützen.

Vierter Punkt: Sie reden immer von diesem Schulterschluss. Sie haben nur leider Gottes kein Interesse am Schulterschluss. (Beifall der Abg. Doppelbauer.) Alle Oppositions­parteien haben wichtige Vorschläge gemacht. Wir haben beispielsweise im April gesagt: Es braucht die Testungen in den Pflegeheimen!, und es ist nicht passiert. Wir haben vorgeschlagen, dass wir gemeinsam – das tun wir jetzt bis zu einem gewissen Grad – zu erreichen versuchen, dass die Menschen sich impfen lassen. Wir haben bei den Wirtschaftshilfen Vorschläge gemacht, die ignoriert wurden.

Sie haben insgesamt weder die notwendigen Maßnahmen in Bezug auf den Schutz der Risikogruppen gesetzt, noch haben Sie aus unserer Sicht die richtigen Maßnahmen in Bezug auf die Wirtschaftshilfen gesetzt. Es ist jetzt doch so, dass endlich der Verlust­ausgleich kommt und es keine Umsatzersätze mehr gibt, die überfördern. Insgesamt haben Sie es aus unserer Sicht nicht geschafft, am Feld der Gesundheit die richtigen Maßnahmen zu setzen, auch nicht im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise.

Sie reagieren und regieren immer noch über Pressekonferenzen. Sie halten die Bundes­verfassung und unsere Grund- und Freiheitsrechte für juristische Spitzfindigkeiten, Sie nehmen dieses Parlament nicht ernst, und ich sage Ihnen: Dementsprechend haben wir das Vertrauen in Sie verloren. (Beifall bei den NEOS.)

17.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Susanne Fürst. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


17.47.59

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Scherak, ich bin auch ein Freund der differenzierten Argumentation. Ich glaube Ihnen, dass Sie sich impfen lassen werden. Sie haben gesagt, obwohl diese Krankheit für Sie nicht gefährlich sein wird, werden Sie es tun, um andere zu schützen.

Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass auch die WHO – nicht dass ich alles glaube, was von der WHO kommt – sagt (eine entsprechende Unterlage zeigend), dass die Impfung jetzt einmal dazu da ist, einen schweren Krankheitsverlauf bei einem selbst, also beim Geimpften, zu vermeiden, dass uns aber Abstandhalten, Masketragen und so weiter – nicht zu früh freuen! – trotz der Impfung erhalten bleiben, weil das Virus trotzdem weiterverbreitet werden kann.

Die Impfung, die hier so als ganz generelle, pauschale Lösung und als Heil bringend verkauft wird, dürfte nicht das halten, was hier versprochen wird. Ich kenne das auch aus einem Papier der Bundesregierung – aber vielleicht bekommen wir hier auch einmal Aufklärung, was jetzt wirklich das Heil Bringende ist, wenn das Virus trotzdem weiter­verbreitet wird, auch wenn man geimpft ist.

Herr Bundeskanzler, Sie haben in einem Interview – und jetzt auch einige Abgeordnete der ÖVP – gesagt, Sie kennen bereits jemanden oder auch mehrere Personen, die an Corona verstorben sind. Gott sei Dank kenne ich noch niemanden, jeder Todesfall ist bedauerlich. Ich kenne eine über 80-jährige Frau aus Oberösterreich, die aus Angst vor


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dem zweiten Lockdown, aus Angst vor der Einsamkeit aus dem Fenster ihrer Wohnung gesprungen ist. Ich habe den Fall in den Medien nicht gefunden, obwohl er, denke ich, sehr aufsehenerregend ist.

Ich kenne einen 64-jährigen Mann aus Oberösterreich, dessen Hüftoperation im März dieses Jahres verschoben wurde, und das ohne Not. Wir wissen, die Kapazitäten waren bei Weitem nicht ausgelastet, aber weil die Betten für Coronapatienten, die nicht ge­kommen sind, frei gehalten wurden, wurde seine dringend notwendige Operation abge­setzt. Er ist im Sommer nach monatelangen Qualen verstorben.

Ich kenne einen Jungen, der sich nun den ganzen Tag die Hände wäscht und mit seinen Eltern nirgendwo hingehen will, weil die Angstpolitik so gegriffen hat. Er hat Ihnen jedes Wort darüber geglaubt, wie tödlich das Virus ist. Er will nicht.

Das sind drei Fälle, die mir bekannt sind. Ich möchte all diese Fälle nicht aufwiegen, aber mir kommt vor, Sie machen das mit Ihrem totalen Fokus auf die Coronapatienten und -verstorbenen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Diese Politik führt zu Kollateralschäden in sozialer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht, die sich nun schon rechts und links türmen – aber Sie sehen sie nicht.

Man hätte den Sommer ja auch ein bisschen anders nützen und Kapazitäten aufbauen können. Sie wussten, gegen Herbst/Winter kommen wieder Infektionswellen – wir alle wissen, dass da die Zahlen wieder ansteigen. Ich weiß, Sie haben uns den Vergleich mit der Grippe verboten. Ich gehe jetzt das Risiko ein, dass Sie mich als dumm ansehen, trotzdem ziehe ich einfach den naheliegenden Vergleich zur Grippe, auch hinsichtlich der Gefährlichkeit.

Ich bin Mutter von zwei Kindern. Ich habe, jedes Jahr unterschiedlich, Folgendes mitbe­kommen: halbe Schulklassen, ganze Klassen, die vom Schulskikurs mit Grippe nach Hause gekommen sind, überfüllte Spitäler, Meldungen in den Zeitungen über Gang­betten, vor allen Dingen in Wien – das wird jetzt von der SPÖ nicht so gerne zugege­ben –, erschöpftes Pflegepersonal, Patienten, die abgewiesen werden müssen – das war also alles schon da. Es ist nicht der erste und einzige Notstand, und man hätte ja, wie gesagt, vielleicht auch Kapazitäten aufbauen können. Das hat man nicht gemacht, das haben Sie auch nicht einmal behauptet – das ist mir unverständlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gab zu Beginn dieser Pandemie, als das Coronavirus aufgetaucht ist, schon War­nungen eines sehr renommierten Universitätsprofessors, der sich mittlerweile im Corona­leugnereck befindet. Dieser hat gesagt: Passt auf die Alters- und Pflegeheime auf! – Dort kam es in Italien auch zu den Infektionen. Die Leute sind ins Krankenhaus gekommen und haben dort weitere Personen angesteckt. So hat sich das ausgebreitet, und so ist es auch zu einer sehr hohen Sterblichkeit gekommen – weil das sehr alte Leute waren.

Hätte man diesen Ratschlag wirklich von Anfang an beherzigt, hätten wir vielleicht vieles verhindern können. (Beifall bei der FPÖ.) Jetzt, zehn Monate später, ist das noch immer nicht gelungen. Sie beschäftigen sich mit Massentests für Hunderttausende gesunde Leute; in den Alters- und Pflegeheimen sind diese noch nicht lückenlos durchgeführt. Das ist eigentlich geradezu unglaublich, und da geht es vor allen Dingen darum, dass es bei entsprechenden Maßnahmen in den Alters- und Pflegeheimen nicht zu dieser Überlastung des Gesundheitssystems gekommen wäre, die aber der Grund für alle Maßnahmen ist.

Aus diesem Grund, weil das hier mitgetragen wird, ist der Misstrauensantrag für mich auch gegen die gesamte Bundesregierung auszusprechen. Es sind nicht nur die Maß­nahmen unverhältnismäßig und daher verfassungswidrig, sondern ich finde sie einfach menschlich katastrophal. Sie haben sich mit anderen Dingen befasst: zu moralisieren,


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zu belehren, die einen als Gefährder zu bezeichnen, die Kinder – ich werde Ihnen leider wirklich nie verzeihen, was Sie mit den Kindern in den Schulen machen – jetzt auch dazu zu zwingen, im Unterricht stundenlang die Maske zu tragen. Das alleine ist für mich ein Grund für den Misstrauensantrag gegen die Bundesregierung.

Der dritte Lockdown mit der jetzt auch angekündigten Maßnahme, dass Menschen, die sich nicht testen lassen, nur mit FFP2-Maske auf die Straße gehen dürfen, ist für mich wirklich ein trauriger Tiefpunkt. Ich fürchte, es geht beim dritten Lockdown nicht darum, das Coronavirus in die Knie zu zwingen – das geht ohnehin nicht; wir werden immer mit Infektionskrankheiten leben müssen –, ich glaube, dass die Menschen in die Knie gezwungen werden sollen: Sie sollen sich testen lassen, sie sollen sich impfen lassen, und sie müssen sich vor allen Dingen irgendwie kennzeichnen lassen, wenn sie nicht mittun.

Bitte kehren Sie von diesem Kurs wieder um! Das ist ein Tabubruch, da geht es um die Einführung eines sozialen Belohnungs- und Bestrafungssystems – Testen, Impfung, Coronaapp, Überwachen. Ihr Spezi, wenn ich so sagen darf, beziehungsweise Ihr Partei­freund Harald Mahrer, der Chef der Wirtschaftskammer, hat ja eigentlich verraten, worum es geht: Man nimmt sich die asiatischen Länder, Singapur als Vorbild. – Ja, Singapur ist wirklich erfolgreich: reich, friedlich, sicher, aber von einer Demokratie kann man dort nicht sprechen. Es gibt seit 50 Jahren eine Einheitspartei, die Opposition wird unterdrückt, es gibt Zensur und totale Überwachung.

Ich glaube, das ist nicht der Weg, den wir gehen wollen, das ist Gott sei Dank nicht unsere Mentalität. Das hat nichts mit Demokratie zu tun, nichts mit der Freiheit, die ich meine oder die unsere Verfassung meint. Daher bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Misstrauensantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung und den Staatssekretären“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung und den Staatssekretären wird gemäß Art. 74 Abs. 1 iVm Art. 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen ver­sagt.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

17.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

§ 55 GOG-NR

des Abgeordneten KO Herbert Kickl

und weiterer Abgeordneter


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betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung und den Staats­sekre­tären

eingebracht in der 75. Sitzung des Nationalrates am 21. Dezember 2020 im Zuge der Debatte zur dringlichen Anfrage des Abgeordneten KO Herbert Kickl und weiterer Abgeordneter an den Bundeskanzler betreffend Freiheit und Selbstbestimmung statt Massentest und Hausarrest.

Mit dem dritten Lockdown von 26. Dezember bis inklusive 17. Jänner kündigt der Bun­deskanzler weitere, bis vor kurzem unvorstellbare Maßnahmen an: Unbescholtene und gesunde Bürger, die nicht bei den Massentestungen von 15. bis 17. Jänner mitmachen können oder wollen, müssen sich eine weitere Woche in Hausarrest begeben. Sie dürfen nicht zum Einkaufen, in Restaurants, Hotels, zu körpernahen Dienstleistern wie Friseu­ren und möglicherweise nicht einmal in die Schulen. Es kommt zu massiven Einschrän­kungen der persönlichen Freiheit und einem stigmatisierenden Ausschluss vom gesell­schaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben. Dieser Ausschluss soll vorerst bis 24. Jänner 2021 dauern. Eine Verlängerung nicht ausgeschlossen, sondern wahrschein­lich.

Der Test, mit dem man sich „freitesten“ kann, ist jedoch im besten Fall eine Moment­aufnahme, verbunden mit dem Risiko eines falsch-positiven oder falsch-negativen Ergeb­nisses. Schon beim Warten auf die Testung besteht eine erhöhte Ansteckungs­möglich­keit. Der Massentest ist darum ein völlig untaugliches und somit unverhältnismäßiges Mittel für die Verhängung einer solchen Freiheitsbeschränkung und greift dem vor, wovor die freiheitliche Petition www.impfzwang.at warnt.

Neue Normalität am Rande des demokratischen Modells

Die schwarz-grüne Bundesregierung, federführend dabei ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz und der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober, haben drei Phasen für den Zeitraum ab dem Stefanitag 2020 (26. Dezember 2020) definiert:

•             In Phase 1 sollen zwangsweise alle sozialen Kontakte gegen Null herunter­gefahren werden.

•             In Phase 2 sollen Massentests inklusive massiver Sanktionen und sozialer Stigmatisierung bei Nichtteilnahme ausgerollt werden.

•             In Phase 3 kommt die Massenimpfung, die Teile der Regierungsparteien und viele Regierungsexperten ebenfalls bei Nichtteilnahme mit massiven Sanktionen belegen wollen.

Auf Basis der Ankündigungen könnte das bedeuten:

Ab 26. Dezember 2020 bis 24. Jänner 2021 gelten den ganzen Tag über Ausgangs­beschränkungen. Handel und körpernahe Dienstleistungen werden geschlossen und öffnen erst wieder ab 18. Jänner 2021. Alle österreichischen Schulen sind bis inklusive 17. Jänner 2021 im sogenannten „Distance Learning“, effektiv bleiben die Schulen also geschlossen.

Outdoor-Sport – auch die Inbetriebnahme von Skiliften ab 24. Dezember 2020 – bleibt hingegen weiterhin möglich. Über den Umfang entscheiden die einzelnen Bundesländer oder Bezirke nach Gutdünken. Vorgegeben ist das Tragen von FFP2-Masken.

Von 15. bis 17. Jänner 2021 werden trotz des Scheiterns im Dezember – die Teilneh­merzahlen blieben weit hinter den Erwartungen zurück und die Positivquote der Tests lag österreichweit nur bei etwa 0,2 Prozent – neuerlich Covid-19-Massentests durch­geführt. Ausschließlich Bürger, die daran brav und untertänig teilnehmen, können einen Teil ihrer Bewegungsfreiheit wiedererlangen. Zumindest Treffen mit einem anderen


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Haushalt und die Teilnahme am Handel werden dann wieder gestattet. In der Woche vom 18. bis 24. Jänner 2021 gelten weiterhin ganztägige Ausgangsbeschränkungen für diejenigen, die sich nicht „freitesten“ und keinen Antigen-Test vorweisen können, der nicht älter als eine Woche ist. Die Türen von Schulen, Handel und Gastronomie bleiben für diese Menschen verschlossen.

Auch für alle anderen bleiben nach dem 18. Jänner 2021 die Ausgangsbeschränkungen von 20 Uhr bis 6 Uhr weiterhin aufrecht. Ein Ablaufdatum für diese Regelungen ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Auch für „Freigetestete“ bleibt somit beispielsweise die Gastronomie weiterhin ab 20 Uhr abends geschlossen.

Willkürlich von der schwarz-grünen Bundesregierung bestimmte Berufsgruppen sollen zudem ab 18. Jänner 2021 entweder verpflichtend wöchentlich an einem Test teilneh­men oder sie müssen stets eine FFP2-Maske tragen. Betroffene sind:

•             alle Lehrer,

•             alle körpernahen Dienstleister,

•             alle Mitarbeiter in der Gastronomie,

•             alle Mitarbeiter im Handel,

•             alle Mitarbeiter in den Verkehrsbetrieben,

•             das gesamte Personal im Gesundheitsbereich mit regelmäßigem Patienten­kon­takt,

•             alle Mitarbeiter in der Bauwirtschaft.

Es sei denn, man testet sich „frei“

Somit darf nur, wer sich „freitestet“, in einem „Lockdown-Light“ – andere sprechen von der „neuen Normalität“ – weiterleben. Darüber hinaus sollen alle nicht-getesteten Bürger ihren Wohnbereich auch in Ausnahmefällen nur mit FFP2-Masken verlassen dürfen, damit es ein augenscheinliches Erkennungsmerkmal gibt und entsprechender sozialer Druck auf die „Verweigerer“ aufgebaut werden kann.

Von der schwarz-grünen Bundesregierung wurde ebenfalls willkürlich bestimmt, dass in jenen Regionen, in denen die Neuinfektionen eine bestimmte Sieben-Tages-Inzidenz überschreiten, zwangsweise Massentests durchgeführt werden und dort ein regionaler Lockdown verhängt werden kann.

Impfzwang bereits in Vorbereitung

Den weitgehenden Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben hat der Bundeskanzler nun offensichtlich auch als zweckmäßiges Mittel definiert, um eine hohe Beteiligung an der ab 27. Dezember geplanten Corona-Impfung zu erwirken. Kurz kündigte an, sich am israelischen Modell des „grünen Passes“ zu orientieren, der nur geimpften Menschen ihr „normales Leben“ zurückgeben soll, während alle anderen dauerhaft von Reisen, Res­taurantbesuchen und ähnlichem ausgeschlossen bleiben. Angesprochen auf diese Maß­nahme, sagte der Kanzler in seiner Pressekonferenz am 18. Dezember:

„Ich möchte niemanden zu irgendetwas zwingen, aber ich respektiere, dass es Men­schen gibt – mich eingeschlossen –, die trotz Pandemie ein möglichst normales Leben führen wollen. […] Daher halte ich dieses Modell für ein absolut zukunftsträchtiges.“

Der offensichtlich geplante Impfzwang durch die Hintertür beeinträchtigt nicht nur die freie Entscheidung der Bürger über ihre körperliche Unversehrtheit massiv, sondern macht sie auch zu Versuchskaninchen der Impflobby.


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Wer weiß, wie komplex ein Zulassungsverfahren für Impfstoffe bis vor wenigen Monaten war und wie viele Testreihen für die Genehmigung eines Impfstoffes bislang nötig waren, und nunmehr hört, dass etwa der COVID-Impfstoff des Pharmakonzerns Moderna im Jänner in nur zwei Tagen entwickelt wurde, bei dem sollten alle Alarmglocken schrillen. Seriöse wissenschaftliche Arbeit und Goldgräberstimmung der Pharmalobby sind zwei Paar Schuhe. Es geht nicht an, dass ganz Österreich von Kurz und Anschober zu einem Versuchslabor gemacht wird. 

Impfstoffe gegen SARS, MERS und RSV kamen über das Entwicklungsstadium nie hinaus, weil sich in langfristigen Studien gezeigt hat, dass diese Impfstoffe – anstatt die Virusinfektion zu verhindern – eine abnorme Immunantwort des menschlichen Körpers ausgelöst haben. Mit anderen Worten: Die Probanden erkrankten danach stärker und wurden tatsächlich schwerer krank als ohne Impfung. Das renommierte "Science Magazin" warnt etwa davor, dass „Risiken im Zusammenhang mit der Impfstoff­entwick­lung für COVID-19-Antikörper, die Viren binden, ohne die Infektiosität zu neutralisieren, durch erhöhte Virusreplikation oder Bildung von Immunkomplexen, die sich im Gewebe ablagern und mit Entzündungen verbundene Komplementwege aktivieren, Krankheiten verursachen können.“

Kein Ersatz für Impfschäden

Hinzu kommt, dass zu befürchtende gesundheitliche Schäden aufgrund der Impfung, von der bisher nicht einmal bekannt ist, ob sie die Übertragung des Virus durch die Geimpften verhindert, nicht durch das Impfschadengesetz abgedeckt sind. Ein ent­sprechender Antrag der FPÖ wurde durch die Regierungsparteien abgelehnt. Während in der Vergangenheit etwa die Pockenimpfung explizit im Impfschadengesetz genannt wurde, möchten Kurz und Anschober eventuelle Ansprüche nur über den Verordnungs­weg regeln. Das halten wir Freiheitliche für Augenauswischerei und fordern weiterhin, die geplante COVID-19-Impfung namentlich in das Impfschadengesetz aufzunehmen, um Opfer allfälliger Spätfolgen zumindest finanziell entschädigen zu können und ihnen Rechtssicherheit zu bieten. Die unsubstantiierte Ankündigung der EU-Kommission, die Mitgliedstaaten würden für Schäden aufkommen, ist hier nicht ausreichend. Die Herstellerfirmen weigern sich – aufgrund der kurzen Entwicklungszeit – offensichtlich, die finanzielle Verantwortung für gesundheitliche Folgeschäden ihrer Produkte zu über­neh­men, und sind ausschließlich daran interessiert, den maximalen Profit sicherzu­stellen.

Die hektische Betriebsamkeit rund um Tests und Impfungen ist umso bemerkenswerter, als das gesundheitspolitische Betätigungsfeld zur effektiven Bekämpfung der Corona-Krise klar umrissen wäre. Wir wissen heute, dass die Risikogruppen – also gesund­heitlich vorbelastete Patienten, immunsupprimierte sowie alte und gebrechliche Men­schen – von COVID-19 hauptsächlich betroffen sind. Diesen Bevölkerungsgruppen gilt es allen Schutz und jede Hilfe zukommen zu lassen. Die schwarz-grüne Bundesregie­rung versagt aber gerade, wenn es darum geht, hier entsprechende Maßnahmen zu setzen, sodass ein überwiegender Teil der mit oder an Corona verstorbenen Personen nach wie vor Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sind.

Anstatt hier endlich effektive Maßnahmen zu setzen, werden Kinder durch das verpflich­tende Tragen der Mund-Nasen-Maske während des Unterrichts gequält, obgleich heute eindeutig und klar nachweisbar gerade in den Schulen keinerlei Corona-Hotspots gemel­det worden sind. Und jetzt geht es der Kurz-Regierung offenbar darum, der Pharmalobby Milliarden an Steuergeldern hinterherzuwerfen, um einerseits völlig überteuerte Corona-Gentests zu kaufen und auf der anderen Seite die Österreicher zur Impfung mit einem unausgegorenen Impfstoff zu treiben.

Besonders verwerflich ist es, wenn etwa im Fall der AntiGen-Tests für die Massen­testungen der massive Verdacht besteht, dass das Bundeskanzleramt den konkreten


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Beschaffungsprozess zugunsten eines Unternehmens beeinflusst hat, mit dessen Vor­standsvorsitzenden der Kanzler persönlich eine Bekanntschaft, möglicherweise sogar eine Freundschaft pflegt. Es sei darauf verwiesen, dass es sich dabei nur um ein prominentes Beispiel handelt. Beschaffungen zugunsten von ÖVP-(Partei-)Freunden wurden seit Beginn der Krise bereits in großer Zahl bekannt.

Folgenreiches Scheitern in der Corona-Krise

Was die Regierung in den vergangenen Monaten hervorgebracht hat, hat bislang die Gesundheitskrise nicht einmal ansatzweise gelöst. Dafür wurden und werden zigtau­sende bisher erfolgreiche Betriebe in ihrer Existenz bedroht und dadurch hunderttau­sende Arbeitsplätze aufs Spiel gesetzt. Dem für Österreich wirtschaftlich zentralen Wintertourismus wird gerade der Todesstoß versetzt – und damit auch zahlreichen anderen Unternehmen in der Lieferkette. Die Regierung schadet massiv unseren Kindern und Jugendlichen, indem sie durch eine völlig undurchdachte und chaotische „Schule zu – Schule auf“-Politik massive Bildungsverluste und durch den Maskenzwang und die Isolation der Kinder auch psychische Schäden verursacht. Kurz und Co. miss­brauchen unsere Sicherheitsapparate – sowohl Polizei als auch Bundesheer – zur Durchsetzung verfassungsrechtlich höchst bedenklicher, unverhältnismäßiger und grundrechtswidriger Maßnahmen bzw. zur Organisation sinnloser Massentests. Gleich­zeitig tun sich katastrophale Lücken beim Schutz des Staates und seiner Bürger auf, welche den Terroranschlag vom 2. November in Wien ermöglicht und vier Menschen das Leben gekostet haben. Zur Kaschierung dieses Totalversagens läuft eine bisher in diesem Ausmaß nie dagewesene Lawine des Medienkaufs. Die Ausgaben für Regie­rungsinserate – fast ausschließlich aus den ÖVP-Ressorts – sind im Jahr 2020 mehr als doppelt so hoch wie sonst. Und die Medien sollen offenbar bis zum turnusmäßigen Ende dieser Regierung im Jahr 2024 weiter in diesem Ausmaß angefüttert werden, wie sich aus der aktuell laufenden Ausschreibung eines Inseratenvolumens von 180 Millionen Euro ergibt.

Bürger werden zu Untertanen degradiert

All das geschieht in einer Art und Weise, die Bürger des Staates Österreich noch im Jahr 2019 für unmöglich gehalten hätten. Die Bürger werden zu Untertanen gemacht. Sie werden in Angst und Panik versetzt, bedroht oder gar beschimpft, um für die totalitären Maßnahmen gefügig gemacht zu werden. Dass diese Maßnahmen nicht nur falsch, überschießend und wissenschaftlich unhaltbar sind, sondern auch im Kleid eines bisher nicht gekannten legistischen und kommunikativen Dilettantismus dem Volk oktroyiert werden, ist aufgrund der mit antragslosen Sonderförderungen überhäuften Medien kaum Thema in der breiten Öffentlichkeit.

Obwohl fachlich und ressortmäßig ohne jede Kompetenz in der Corona-Krise, tragen sämtliche Maßnahmen zur vorgeblichen Bewältigung der Corona-Krise deutlich die Hand­schrift des „Heilands“ Kurz, der Österreich nach eigener Darstellung vor hundert­tausend Toten bewahrt hat und das Volk demnächst mit einer Zwangsimpfung von der Seuche erlösen wird.

Angesichts der von der Bundesregierung ausgehenden totalitären Tendenzen stellen die unterfertigten Abgeordneten den folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 98

„Der Bundesregierung und den Staatssekretären wird gemäß Art. 74 Abs. 1 iVm Art. 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen ver­sagt.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


17.56.22

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Gesundheitsminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht zuerst einmal kurz zu den NEOS: Kollege Scherak sagt, die Grund- und Freiheitsrechte werden ignoriert. – Wir beide schätzen die Grund- und Freiheitsrechte, wir arbeiten auch im Menschen­rechts­aus­schuss gut zusammen, und ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte gesagt hat: Maßnahmen, die in einer Pandemie notwendig sind, widersprechen den Grund- und Freiheitsrechten nicht.

Ich will mich jetzt aber nicht mit den NEOS befassen, sondern wir haben hier sehr, sehr viel betreffend die Freiheitlichen zu besprechen, und bei dem, was ich heute sagen möchte, lasse ich einmal ganz bewusst alles weg, was hier eine Beleidigung war, Läs­terungen der feinsten Art, die hier gekommen sind, auch wie über KollegInnen, die vielleicht irgendwo in ihrer Rede einen Versprecher hatten, geredet wurde – all das lasse ich weg, weil sich der Wähler und die Wählerin über den Ton, den Sie in dieses Hohe Haus hereinbringen, selber eine Meinung bilden soll, ich möchte aber über die Inhalte sprechen.

Herr Klubobmann Kickl hat mehrere Gelegenheiten wahrgenommen, uns hier ein bisschen zu verwirren. Einerseits sagt er ja, wir brauchen keinen Lockdown, auf der anderen Seite macht er sich ganz große Sorgen, dass sich die Leute in den Teststraßen anstecken. Er will Weihnachten retten – und wir retten auch Weihnachten, weil wir nämlich eine Balance finden und das Fest in einem geschützten Rahmen feiern –, aber gleichzeitig sagt Frau Kollegin Belakowitsch – das wurde schon mehrfach zitiert, aber meine Kinder konnten es fast nicht glauben, als sie selber auf dieses Zitat gestoßen sind –: „Wenn Sie Weihnachten in Ruhe feiern [...] wollen, dann lassen Sie sich nicht testen“.

Ja was ist denn das für eine Haltung? – Das ist nämlich die eigentliche Weihnachts­bombe! Die Weihnachtsbombe sind nicht irgendwelche Maßnahmen, sondern dass ein Freiheitlicher unter dem Christbaum sitzt und seine Verwandten ansteckt, die dann nur noch kurz die Weihnachtsfreude genießen können und dann ganz andere Dinge erleben werden (Beifall bei der ÖVP) – das ist nämlich die Superspreaderbombe. (Abg. Belakowitsch: Symptomlose ...!)

Das, liebe freiheitliche Kollegen, ist egoistisch, diese Haltung ist egoistisch. Im Titel dieser Dringlichen Anfrage heute gibt es die Gegenüberstellung von Freiheit und Mas­sentests. Vielleicht muss man aber etwas anderes gegenüberstellen, nämlich den Frei­heits­begriff auf solidarischer Basis und jenen auf egoistischer Basis. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Ihr Freiheitsbegriff, der sagt: Ich will meine Freiheit, und alle anderen sind mir egal!, und ihre Maskenverweigerung sind Beispiele für Letzteren, aber auch Ihre Empörung darüber, dass man Anreize setzt, damit die Menschen zu den Testungen gehen, ist ein Beispiel für den Freiheitsbegriff auf egoistischer Basis. (Abg. Belakowitsch: Zwang! Zwang! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.)


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Der solidarische Freiheitsbegriff, der für uns hier wichtig ist, ist ganz anders. Er sagt nämlich: Solidarisch in Freiheit heißt, dass möglichst alle Menschen in Freiheit und Sicherheit leben können. Wir verhalten uns in unserer Gesellschaft in vielen Punkten solidarisch: Wir zahlen zum Beispiel Steuern – ja, wir würden auch lieber keine Steuern zahlen (Zwischenruf des Abg. Rauch–, oder wenn man mit dem Auto fahren will, muss man eine Führerscheinprüfung machen, auch das ist viel Arbeit. All das ist Solidarität, um sich und andere zu schützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Sie wissen sicherlich – oder Sie sollten wissen –, dass die Hälfte der Infektionen durch jene zustande kommt, die keine Symptome zeigen. Es geht darum, andere Menschen zu schützen.

Liebe FPÖ, es fällt Ihnen kein Stein aus der Krone, wenn Sie sich testen lassen, aber vielleicht haben Sie einen tieferen Grund, warum Sie so gegen das Testen sind (Zwischenruf der Abg. Steger), denn Sie glauben ja, dass Corona gar nicht gefährlich ist. Und, Frau Kollegin Fürst: Der Grippevergleich hat einen langen Bart. Alle Studien und Daten zeigen uns, dass Corona viel gefährlicher als die Grippe ist. (Zwischenruf der Abg. Fürst.) Wenn aber Corona nicht gefährlich ist, dann muss es ja einen anderen Grund geben, warum wir Maßnahmen setzen. – Ach ja, der Grund ist, dass wir eine Diktatur ausrufen wollen! Heute hat Klubobmann Kickl unsere Arbeit ja schon mit der DDR, mit einem kommunistischen, diktatorischen Regime verglichen – das kann doch bitte schön nicht sein! (Rufe bei der FPÖ: Richtig so! Guter Vergleich!)

Frau Kollegin Belakowitsch hat uns letztens ein Bild gezeigt, auf dem scheinbar Vertreter der ÖVP auf einem Fest zu sehen sind und die Maßnahmen allen egal sind – und dann sind wir draufgekommen, das Bild ist ja von Weihnachten 2019! Frau Kollegin Belakowitsch, das hätten Sie anhand der Weihnachtspullover auch im Mai, als Sie das vorgelegt haben, sehen können. (Abg. Belakowitsch: Ich hab kein Bild vorgelegt!)

Also vielleicht ist die Zugangsweise der Freiheitlichen Partei – Fakenews glauben und verbreiten – eine solche, dass man meinen könnte, das F in FPÖ steht nicht für Freiheitliche, sondern für Fakenews.

Wenn Sie meinen, dass die Krankheit nicht gefährlich ist, dann fragen Sie bitte jene, die in Krankenhäusern, auf Intensivstationen arbeiten, fragen Sie Betroffene und fragen Sie Hinterbliebene! (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Sie, liebe Kollegen von der FPÖ, tragen Verantwortung für jene Menschen, die Ihnen das alles glauben, denn die infizieren sich vielleicht selbst und andere. Ist Ihnen diese Verantwortung parteipolitisches Kleingeld wert? (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten von Grünen und NEOS.)

Jenen, die sich bemühen, die Maßnahmen einzuhalten, um sich und andere zu schüt­zen, und die Sie lächerlich machen, sollten Sie danken, und jenen, die sich durch ihre Arbeit selbst in Gefahr bringen, aber das für andere tun, jenen, die sich unter großen Opfern an die Maßnahmen halten, um die Menschen zu schützen, jenen, die einen Verzicht in Kauf nehmen – und das ist der ganz große Teil dieser Bevölkerung, denn Weihnachten hat auch eine Botschaft, und die Weihnachtsbotschaft ist auch, an andere Menschen zu denken. Das gilt auch für Sie (Abg. Brandstätter: Moria!), weil wir nämlich nicht egoistisch sind oder für uns alleine leben – denn das ist die Definition von Ge­meinschaft. (Abg. Brandstätter: Moria! Moria!)

Liebe FPÖ, Sie haben heute Glück - - (Abg. Brandstätter: Kinder! Schlamm! Kinder! Schlamm! Ratten! Kinder! Schlamm! Ratten! Bitte eine Meldung dazu!) – Ich sage jetzt fertig, was ich zum Thema FPÖ zu sagen habe (Abg. Brandstätter: Kinder! Schlamm! Ratten): Die FPÖ hat großes Glück, dass die Zwischenrufe, die Sie heute getätigt haben,


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für die Zuhörerinnen und Zuhörer nicht hörbar sind, denn als meine Kollegin heute von über 5 000 Toten in Österreich gesprochen hat, haben Sie höhnisch gelacht. (Abg. Wurm: Was haben wir?)

Das ist eine Verachtung dessen, wofür wir Menschen hier in Österreich in Solidarität stehen. Nur mit einem solidarischen Freiheitsbegriff und mit einem Verständnis von Gemeinschaft werden wir diese Krise überwinden.

Ich wünsche Ihnen allen, auch den Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, in diesem Sinne frohe Weihnachten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Wurm: Dagmar, wir haben nicht gelacht!)

18.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Belakowitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.03.24

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Abgeordnete Kugler hat in ihrer Rede gesagt, dass ungefähr 50 Prozent aller, die sich mit Corona angesteckt haben, von Symptomlosen angesteckt wurden. – Das ist unrichtig. Ich be­richtige tatsächlich: Zahlreiche Studien belegen, dass von Symptomlosen überhaupt niemand angesteckt wird.

Frau Kollegin Kugler hat weiters behauptet, die Grippe sei weit gefährlicher als das Coronavirus. Auch das berichtige ich tatsächlich: Die WHO hat schon vor drei Monaten gesagt, dass die Sterblichkeit bei Corona zwischen 0,23 und 0,27 Prozent liegt und damit nur unwesentlich höher ist als bei der tatsächlichen Influenza.

Frau Kollegin Kugler hat weiters behauptet, ich hätte im Mai hier ein Bild gezeigt. Das ist unrichtig. Ich habe im Mai hier kein Bild gezeigt. (Ruf bei der ÖVP: Unglaublich!)

Frau Abgeordnete Kugler hat weiters hier behauptet, als sie von 5 000 Toten gesprochen hat, hätten Abgeordnete in den Reihen der FPÖ höhnisch gelacht. Das ist auch unrichtig. Ich berichtige tatsächlich: Es hat niemand höhnisch gelacht.

Im Übrigen, Frau Kollegin Kugler, haben wir jedes Jahr 85 000 Tote. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

18.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Yildirim. – Bitte.


18.04.42

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Mit­glieder der Bundesregierung! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Seit Mitte März ist die Coronapandemie das alles bestimmende Thema, nicht nur in Österreich, sondern auf der ganzen Welt. Das sind inzwischen fast zehn Monate, in denen die Bundesregierung von ÖVP und Grünen einen Fehler nach dem anderen produziert, Entwicklungen verschläft, Husch-pfusch-Maßnahmen setzt und damit die Bevölkerung zunehmend verunsichert.

Für die Bewältigung einer Pandemie und einer Krisensituation ist das ganz und gar kontraproduktiv. Eines hat die Regierung jedenfalls seit Ausbruch der Pandemie stets durchgehalten, nämlich das Spiel mit der Angst, gepaart mit Drohungen, Spaltung und Zwang. Und was mir jetzt auffällt, ist, dass die Erzählung der ÖVP ist: Die anderen sind schuld, die Opposition, die Angst schürt und verunsichert. – Auch Sie, Herr Bundes­kanzler, haben heute in Ihrer Rede wieder mit der Angst gespielt. Sie weisen auf andere und verweisen auf andere Staaten, in denen die dritte Welle schon begonnen hat. An


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dieser Stelle darf ich darauf hinweisen, dass Österreich unter der Führung Ihrer Regie­rung vom Musterknaben zum weltweiten Schlusslicht geworden ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Der Herr Vizekanzler erklärt uns heute, dass alles eh logisch und super ist. Ich sage Ihnen eines: Alles richtig gemacht – eine derartige Einschätzung hat bereits ein Tiroler Landespolitiker von sich gegeben, und das ist ihm nicht gut angestanden.

Herr Bundeskanzler, Ihr neuer Spin lautet sinngemäß: Ich bin so arm, denn egal, was ich mache, es gibt immer Leute, die das kritisieren. – Es ist schon richtig interessant: Dieser Satz kommt und ist zu hören, wenn es eng wird, wenn es in der Argumentation eng wird, wenn kritische Fragen gestellt werden, wenn auf die verfassungswidrigen Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten hingewiesen wird.

Aber wie sagte der Herr Bundeskanzler? Wie sagten Sie unlängst sinngemäß? – Was interessiert mich die Verfassungskonformität der unter meiner Führung erlassenen Restriktionen? Bis die Rechtswidrigkeit festgestellt wird, sind sie eh nicht mehr in Kraft! – Das ist eine Einstellung, Herr Bundeskanzler, die sehr tief blicken lässt. Die Menschen in Österreich wissen selbst genau, wie sie Derartiges beurteilen. Eines ist aber klar: Die Regierung wurde gewählt, um verständlich, nachvollziehbar, aber vor allem auch gesetzes- und verfassungskonform zu handeln.

Die Verkündung von Maßnahmen in Pressekonferenzen, deren Grundlagen überhaupt noch nicht ausgearbeitet sind, die in laufenden Parlamentssitzungen mittels Initiativ­antrag eingebracht werden und dann von der Regierungsmehrheit schnell beschlossen werden, hebelt unsere Demokratie aus. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Aber es sind ja immer die anderen schuld – seien es im Sommer die Reiseheimkehrer, seien es die jüngeren Menschen, die sich nicht opportun verhalten, seien es die Kritiker, die sich trauen, Unverständliches aufzuzeigen, oder sei es einfach die gesamte Bevöl­kerung, die, um es mit dem Vizekanzler zu sagen, ganz einfach das Logische nicht nachvollziehen kann.

Ja, man kann immer auf andere hinweisen und ihnen die Schuld zuschieben. Ich frage mich wirklich ernsthaft: Was haben Sie den gesamten Sommer über gemacht? Hätten Sie die Millionen in Experten und Expertisen investiert, anstatt die Regierung besser zu verkaufen oder unzählige Pressekonferenzen zu veranstalten und nur auf PR zu setzen, würden wir heute ganz anders dastehen.

Dass nun ein Quasitestzwang kommen soll, mit dem sich die Menschen freitesten können, ist wieder einmal ein besonderes Negativhighlight von Türkis-Grün. Was die rechtliche Situation anbelangt, dass dieser Quasizwang einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof standhalten soll: Also ich erkenne da keine Verhältnismäßigkeit, und wir werden da die nächste Bruchlandung erleben.

Die andere Seite ist, sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung und der Regierungs­parteien: Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen Ihnen in der Bewältigung der Krise nicht mehr. Das ist tatsächlich fatal, denn die Menschen sind besorgt. Was ich in den letzten Tagen an Mailverkehr, Anrufen und persönlichen Gesprächen erleben musste: Die Angst und die Sorgen sind immens groß geworden. Es gilt, diese Sorgen ernst zu nehmen und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen. Das geht nun einmal nicht mit einer Zwangstestung, mit Zwangstests, die maximal eine Moment­aufnahme sind und von denen Expertinnen und Experten sagen, dass sie nur etwas bringen, wenn sie regelmäßig und in kurzen Abständen durchgeführt werden, wie das unsere Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner übrigens seit Monaten immer wieder vor­schlägt.


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Nun frage ich mich, welche Vorbereitungen die Regierung getroffen hat, um sicherzu­stellen, dass zum Beispiel in Wien an einem Wochenende tatsächlich ausreichende Testkapazitäten zur Verfügung stehen. Welche Maßnahmen wurden getroffen? Wie war es denn bei der ersten Massentestung? Ist sichergestellt, dass die EDV funktioniert? Ist das Organisatorische, das Datenschutzrechtliche geklärt? Wie werden Pannen vermie­den? Oder ist es der Regierung völlig egal, dass testwillige Personen, testwillige Men­schen mangels Testkapazitäten gar keine Möglichkeit zum Freitesten haben werden?

Herr Klubobmann Wöginger beschwert sich heute auch noch darüber, dass im Parla­ment darüber diskutiert wird. Ja, aus seiner Sicht wäre es wohl besser, gar nicht zu diskutieren.

Es gilt wirklich, das ernst zu nehmen und das Vertrauen der Bevölkerung zurückzu­gewinnen. Das gelingt nicht mit Zwangstests. Das gelingt in dieser unsicheren Zeit aber auch nicht – das muss ich Ihnen sagen, werte Abgeordnete von der Freiheitlichen Partei – mit einem Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung. Daher werden wir diesen Antrag heute nicht unterstützen.

Nicht Angst- und Schreckensmeldungen braucht es in der Krise, nicht eine Predigt, dass wir alle nicht in der Lage seien, das einzig Logische zu verstehen. Nein, was es braucht, sind Kompetenz, Nachvollziehbarkeit, Zuversicht. Dann werden die Menschen in unse­rem Land auch freiwillig das Richtige tun.

Leider wird aber der Mangel an Kompetenz und Nachvollziehbarkeit mit einem Satz deutlich zum Ausdruck gebracht: Ich bin so arm, weil es, egal was ich mache, immer Leute gibt, die es kritisieren.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen, liebe Zuseherinnen und Zuseher, werte Abge­ordnete, Hohes Haus, frohe Weihnachten, trotz all der Sorgen und Ängste. Ein gutes neues Jahr! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Doppelbauer.)

18.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.


18.12.08

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Minister! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Ich muss kurz noch einmal auf den Redebeitrag von Kollegin Fürst eingehen. Kollegin Fürst hat eben erst so gesprochen, als ob das, was sich in den letzten Wochen und Monaten in den Krankenhäusern abgespielt hat, eh normal wäre, wenn einmal eine etwas stärkere Krankheit ausbricht.

Also, Kollegin Fürst – Sie sind Oberösterreicherin –, reden Sie einmal mit den Mitarbei­terinnen und Mitarbeitern im KUK, im Welser Krankenhaus, fragen Sie im Krankenhaus Braunau nach und, und, und! Fragen Sie überall dort nach, wo Coronastationen sind! Reden Sie mit den Pflegerinnen und Pflegern! Wenn Sie das wirklich getan hätten, wie Sie gerade behauptet haben, dann wüssten Sie auch, wie es sich dort wirklich abgespielt hat. Nicht einfach sich hier hinstellen und sagen: Na ja, das ist ja eh normal! (Abg. Belakowitsch: Eh!) Entschuldigung, aber ich finde es nicht normal. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich habe mir gerade erst die Zahlen der Ages angesehen: Der Stand beträgt heute 5 356 Verstorbene in Summe, 88 514 aktive Fälle aktuell, 475 aktive Fälle auf der Intensivstation und 2 412 Fälle in den Spitälern. Das Ganze kommt von einer Krankheit, die uns jetzt seit Februar, März begleitet, einer Krankheit, die sich über Aerosole über­trägt.


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Damit man sich das kurz einmal vorstellt – die Kolleginnen und Kollegen, die im Haupt­ausschuss sind und sich zumindest ab und zu die fachlichen Begründungen des Minis­teriums ansehen, wissen was jetzt kommt; in den fachlichen Begründungen des Ministe­riums zu den Verordnungen ist auch immer eine Verbreitungsanalyse oder Simulation mitangeführt –: Wenn 36 Personen sich in einem Raum aufhalten, sind das 1 260 Infek­tionswege für eine solche Krankheit, die über Aerosole übertragen wird. Halten sich diese 36 Personen in zwei Gruppen auf, sind sie also sozusagen voneinander getrennt, dann sind es 612 Infektionswege, und bei 36 Personen in neun Gruppen sind es 108 In­fektionswege.

Warum sage ich Ihnen das? – Ich sage es Ihnen, weil das unter anderem untermauert, warum wir dauernd davon reden, dass man die Kontakte minimieren soll, warum wir dauernd davon reden, dass man einen Mund-Nasen-Schutz tragen soll, warum wir ständig davon reden, dass die Hygienemaßnahmen einzuhalten sind, und warum wir ständig davon reden, dass man Abstand voneinander halten soll. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das andere ist: Die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ haben heute hier schon so getan: Na ja, was ist denn das für eine Krankheit, die man durch einen Test nachweisen muss? – Na ja, also wenn ich mich mit Medizinerinnen und Medizinern unterhalte, können mir die sofort ein paar Krankheiten aufzählen, die man per Test nachweisen muss. Der Arzt, die Ärztin geht her und macht eine Annahme und überprüft mit einem Test, ob diese Annahme richtig oder falsch ist. Das ist der Job eines Arztes, einer Ärztin.

Es hier so darzustellen, als ob der Test dazu da wäre, die Krankheit zu erfinden, so wie Sie es ja immer und immer wieder zumindest darzustellen versuchen und so wie das diejenigen, die auch gestern, wie ich heute schon einmal erwähnt habe, durch die Stadt gezogen sind und dort Corona geleugnet haben, ständig tun, ist aus meiner Sicht unredlich.

Zum Thema Impfungen noch, weil ja jetzt die Empfehlung der EMA da ist und zumindest der eine Impfstoff von Biontech und Pfizer freigegeben ist: Ich finde es eigentlich auch unredlich, hier so zu tun, als ob diese Impfung als Zwangsimpfung kommen soll.

Ich frage mich ja generell bei der FPÖ, was sie dauernd mit ihren Zwängen hat. Ich bin gespannt, vielleicht finden sich einmal Psychologiestudierende, die sich damit im Rahmen einer Masterarbeit auseinandersetzen wollen. Es ist echt spannend, wie viele Zwänge es bei euch offensichtlich gibt.

Ich finde es einfach unredlich, wie hier mit der Angst, mit der zum Teil auch berechtigten Angst vor etwas Neuem, die es in der Bevölkerung gibt, umgegangen wird, wie hier einfach versucht wird, das Ganze schlechtzureden. Ich würde mir wünschen, dass wir Impfungen nicht per se schlechtreden. Ich würde mir wünschen, dass wir die Impfungen als solche auch als etwas Positives sehen. Das wäre eigentlich die richtige Heran­gehensweise.

In diesem Sinne möchte ich abschließend den Kolleginnen und Kollegen von den Parteien hier herinnen fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr wünschen. Ich hoffe, wir sehen uns heuer nicht mehr – bitte nicht falsch verstehen! –, im nächsten Jahr werden wir uns dann hoffentlich eh bald wiedersehen. Den Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ ganz besonders noch ein fröhliches Gehabt euch wohl! Diejenigen von euch, die sich auskennen, werden es verstehen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.



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18.16.46

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundes­kanzler! Herr Staatssekretär! Herr Minister! Zu Abgeordneter Kugler, ich wollte sie eigentlich fragen – leider ist sie jetzt nicht da (Abg. Rauch: Sie betet gerade!) –: Wie geht es jemandem, der im Parlament einen Gebetskreis initiiert, der im Parlament mit den Abgeordneten betet, von Solidarität, Gemeinschaftlichkeit, Barmherzigkeit spricht und dann einen Antrag der SPÖ zur Aufnahme von Kindern aus Moria ablehnt? Wie geht es so jemandem?

Das habe ich mich zuerst gefragt. Was muss man da machen? Wie muss man sich dabei verstellen, Herr Präsident? Wie muss man sich verstellen, wenn man auf der anderen Seite in ein paar Tagen das Herbergslied singt? (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.)

Das finde ich schändlich. Es kommen wahrscheinlich noch ein paar grüne Abgeordnete heraus, die genau das Gleiche sagen, die sich zwar aufregen, aber dann, wenn es ans Abstimmen geht, sitzen bleiben. Das finde ich in solchen Zeiten, wenn wir uns alle gemeinsam frohe Weihnachten wünschen, echt erbärmlich – das muss ich Ihnen sagen. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Ich würde mich nicht nur schämen, sondern ich würde auch meine eigenen Werte hinterfragen. – Das ist der Punkt.

Nun komme ich aber zu der Anfragebeantwortung, Herr Bundeskanzler. Ich möchte hier auch konstruktiv sein, und ich lasse mir dann nicht den Vorwurf gefallen, dass wir Populisten seien, weil wir auch Vorschläge bringen. Ich denke, das muss man nicht nur bei den Unternehmerinnen und Unternehmern so sehen, sondern auch bei den Kunst- und Kulturschaffenden ist es genau das Gleiche. Was an Hilfen ankommt, ist nicht das, und was da an Coronamissmanagement geschaffen wurde, kann man im Grunde genommen mit keiner Coronahilfe wiedergutmachen.

Damit meine ich ganz speziell die Wirtschaftshilfen, und damit meine ich ganz essenziell auch das, was für nächstes Jahr geplant ist. Ich habe nämlich nichts gehört, ich höre auch nichts.

Ich will Ihnen ein paar Punkte, die ganz wichtig sind, zu Ihrer Anfragebeantwortung bezüglich der Fragen 46 und 47 sagen. Es braucht ein Konzept von Schließen und Sanieren, und das muss langfristig sein. Es braucht steuerliche Maßnahmen wie eine Aufwertungsbilanz, damit man Programme zur Eigenkapitalstärkung forcieren kann. Es braucht einen KMU-Equityfonds nach Luxemburger Modell, nach Beteiligungsmodell. Es braucht Risikokapitalbereitstellung. Das habe ich heute in Ihrer Anfragebeantwortung vermisst.

Es braucht das Modell der Verlustkompensation. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Es braucht auch für mittelbare Unternehmer Konzepte. Das habe ich eingangs schon bei meiner vorigen Rede erwähnt.

Es gibt sehr, sehr viele Arbeitslose, die Weihnachten feiern, während sie vor einer ungewissen Zukunft stehen, weil sie nicht wissen, ob sie im Jahr 2021 Jobs finden: Ich glaube, dass es ganz wichtig und vordringlich sein wird, dass wir uns gerade um diese Menschen kümmern. Der Faktor Arbeit gehört dramatisch entlastet, damit Unternehmen auch Luft haben, mehr Beschäftigung zu schaffen. Das ist ganz, ganz wichtig. (Beifall bei den NEOS.)

Damit meine ich auch die Punkte 43 und 44 in Ihrer Anfragebeantwortung, weil wir ge­rade darauf hinsteuern müssen, dass es mehr Beschäftigung gibt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch eine Zukunft sehen – nicht nur in den Dienstleistungsbranchen. Der Handel und weitere Zweige werden enorm betroffen sein.


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Ich habe immer gesagt: Stirbt der Hotelier oder stirbt der Gastwirt, dann stirbt auch der Tischler. Es braucht da Konzepte, und die vermisse ich jetzt. Ich will sie aber bald mit Ihnen diskutieren, weil wir Ihnen nach wie vor in aller Konstruktivität unsere Hand reichen, weil wir auch der festen Überzeugung sind, dass wir die besseren oder zumin­dest sehr gute Argumente und Konzepte haben. Ich glaube, das sollten wir uns für 2021 und 2022 alle gemeinsam anschauen. Das ist ein wichtiger Punkt.

Jetzt lassen Sie mich noch einmal zu den Schnelltests kommen! Ich muss Sie jetzt noch einmal fragen, weil Sie mir zuerst keine Antwort gegeben haben. Zu diesem soge­nannten Freitesten: Herr Bundeskanzler, Sie haben in einem Interview gesagt, dass es sehr bald, wahrscheinlich schon im Jänner, Schnelltests für zu Hause, für jede einzelne Person, für jeden Haushalt geben wird. Ich frage Sie jetzt noch einmal: Wie schaut das in der Praxis aus? Jemand testet sich zu Hause selber und sagt: Ich bin negativ! Vielleicht bin ich positiv, aber ich sage einmal, ich bin negativ! – Wer schreibt dann das Attest, dass er in ein Wirtshaus oder in den Handel oder wohin auch immer gehen kann? Wer macht das? Macht er das selbst? Macht das Dr. Spock? (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wer macht das? Ich hätte gerne eine Anleitung, wie das gehen kann, und die brauchen wir jetzt, weil es sonst wahrscheinlich am 15.1. wieder heißt: Wir sind mit den Schnelltests noch nicht so weit!, und es bricht wieder das Chaos aus.

Diese Planbarkeit herzustellen ist genauso ein leichtes Unterfangen, wie es, Herr Ge­sundheitsminister, keine Raketenwissenschaft ist, dass man uns Unternehmern, allen Unternehmern, nicht nur den touristischen, auch jenen im Handel und allen anderen, heute einen Inzidenzwert nennt, bei dem man dann aufsperren kann. Sagen Sie: 500. – Es ist mir wurscht. Sagen Sie: 100. – Auch schön! Sagen Sie: 80. – Wunderbar! Wir haben aber dann in Eigenverantwortung vielleicht eine Leitlinie, an der wir uns orien­tieren können, und die haben dann auch alle Kunst- und Kulturschaffenden. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Sie sagen es nur nicht. Das ist das Problem. Der Wert ist schon viel weiter unten als noch vor 14 Tagen, und es rührt sich noch immer nichts. Sie sagen uns nicht, was am 18.1. sein wird.

Ich verlange für alle Wirtschaftstreibenden, für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeit­neh­mer, die einen unsicheren Job haben, die nicht wissen, ob sie im Jänner einen Job haben, dass Sie ihnen jetzt sagen, ab welchem Inzidenzwert wahrscheinlich aufgesperrt werden kann. Das ist wirklich nicht schwierig. Fassen Sie sich ein Herz! Sagen Sie uns einfach die Zahl! Es ist mir völlig wurscht, welche. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

18.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Amesbauer. – Bitte. (Zwischenruf bei der SPÖ.)


18.23.50

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, Sie haben Ihre Ausführungen vorhin damit begonnen, dass Sie eine Verschwörungstheorie namens Pizzagate aus dem US-amerikanischen Wahlkampf des Jahres 2016 bemüht haben. Sie haben erklärt, mahnend erklärt, dass das Virus ja real ist. – Na geh, meine sehr geehrten Damen und Herren! Na geh, Herr Bundeskanzler!

Das ist ja keine Glaubensfrage. Die Frage ist vielmehr: Wie gehen wir damit um? Sie sind es aber, genau Sie sind es, die hier immer wieder irgendwelche Verschwörungs­theorien ins Spiel bringen. Das macht nämlich außer Ihnen während der gesamten Sitzung kein einziger Redner hier. Sie fangen mit den Verschwörungstheorien an.


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Das Ganze dient ja nur einem Zweck: Das ist eine gezielte Strategie, um einen offenen Diskurs zu vermeiden und jedem Kritiker Ihres Weges, Ihrer Maßnahmen den Aluhut aufzusetzen und ihn als unglaubwürdig abzukanzeln, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

In Wahrheit ist es ja so, dass Sie seit Monaten im Blindflug unterwegs sind. Seit Monaten haben Sie und Ihre Regierung es verabsäumt, die gefährdeten Gruppen gezielt zu schützen. Wir wissen, dass es im Bereich der Pflegeheime bisher fast 2 300 Tote gibt, die an oder mit Corona gestorben sind. Was haben Sie gemacht, Herr Bundeskanzler? – Und ich meine mit gezieltem Schutz nicht das unmenschliche Wegsperren der Bewohner von Pflegeheimen, sondern – eine hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben – einen maximal möglichen Schutz für die Bewohner, für das Personal und auch für die Besucher zu gewährleisten. Das haben Sie nicht gemacht.

Das fordern wir im Übrigen seit März. Das muss auch einmal gesagt werden, weil Sie immer sagen, wir tragen nichts bei und haben keine Vorschläge, meine sehr geehrten Damen und Herren. Sie haben es verabsäumt, die gefährdetste aller Risikogruppen wirksam zu schützen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Was machen Sie? – Sie produzieren seit Monaten einen Flop nach dem anderen: die Stopp-Corona-App – ein Flop; die Ampel – ein Flop; das Kaufhaus Österreich – eine Blamage, meine Damen und Herren; der Massentest – ein Massenflop. Das hat an Ihrem Ego gekratzt, Herr Bundeskanzler. Das können Sie nicht auf sich sitzen lassen.

Dass es so, wie Sie diese Massentestungen in Österreich veranstalten, nicht zielführend ist, sagt ja nahezu jeder Experte, zum Beispiel auch der Infektiologe Dr. Weiss. Der Herr Gesundheitsminister wird ihn gut kennen, er ist nämlich Mitglied Ihres Coronaberater­stabes im Gesundheitsministerium und ein Wissenschaftler, der grundsätzlich sehr stark den Regierungskurs unterstützt. Auch er hat aber zu den Massentests gesagt: „Es gibt wenig Evidenz. Kein anderes europäisches Land empfiehlt es“, das so zu machen. Zum Beispiel die Slowakei: Dort hat man es damals schon mit indirektem Zwang versucht, als fast die gesamte Bevölkerung teilgenommen hat, und es war kein nachhaltiger Erfolg. Man ist auch davon abgekommen, es zu wiederholen.

Der Antigentest ist laut Weiss „nicht das richtige Instrument“, um massenhaft Asympto­matische zu testen. Besser wären gezielte Testungen und „nicht quer durch den Gemüsegarten“, weil das zu vielen falschen positiven Tests führt. Das ist schlecht für die falsch positiv Getesteten und deren Kontaktpersonen. Es führt aber auch zu falsch negativen Tests, was die Menschen in falscher Sicherheit wiegt. Man kann sich ja schon 1 Stunde nach einer negativen Testung – ob die jetzt richtig oder falsch war, ist völlig irrelevant –, nach der Teilnahme an einem Test anstecken, meine Damen und Herren.

Da die Bevölkerung Ihnen bei dieser Maßnahme nicht gefolgt ist, wollen Sie es jetzt mit einer indirekten Pflicht, mit Zwang durchsetzen. Es muss ein Erfolg sein, weil es von Ihnen kommt, und Ihr Weg ist ja immer alternativlos, egal was die Bevölkerung davon hält und egal was sämtliche Experten dazu sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Das, was Sie jetzt machen, wenn jene, die die Braven sind, von der Obrigkeit gnädiger­weise belohnt werden, indem sie ein bisschen mehr Freiheiten bekommen, und jene, die nicht mitmachen wollen, die Bösen sind, orientiert sich sehr stark an dem Sozial­kreditsystem, das wir aus China kennen, meine Damen und Herren, wo die Guten belohnt und die Bösen bestraft werden. Der Unterschied, Herr Kurz, ist: China ist eine kommunistische Diktatur. Ich hoffe schon, dass wir uns sehr, sehr scharf von diesen Systemen abgrenzen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)


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Das, was Sie machen, ist eine Spaltung der Gesellschaft, eine Befeuerung des Denun­ziantentums, eine Stigmatisierung der Nichtgetesteten, eine Erpressung der Bevölke­rung.

In die gleiche Richtung wird es ja auch bei der Impfung laufen. Ich sage jetzt auch ganz offen: Ich persönlich bin grundsätzlich ein Impfbefürworter, aber ob und wann ich mich impfen lasse, entscheide ich selbst. Es ist immer das Recht des Einzelnen, zu entscheiden, ob er einen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit zulässt oder nicht.

Meine Damen und Herren! Wir haben es mit einem Bundeskanzler zu tun, der in Komplizenschaft mit dem Herrn Gesundheitsminister – und der Gesundheitsminister ist ja bekanntermaßen ein Serienverfassungsbrecher – mit Verordnungen fuhrwerkt, die nicht begründet werden, mit Maßnahmen, die nie evaluiert werden, mit Verordnungen, die Bestimmungen enthalten, die in sich nicht schlüssig sind, die widersprüchlich sind, die nicht verhältnismäßig sind, die teilweise verfassungswidrig sind. Sie verwüsten unsere Grund- und Freiheitsrechte, und Sie versuchen immer wieder, den Menschen die Polizei ins Haus zu schicken. Das passiert Ihnen ja nicht.

Herr Bundeskanzler, Sie schaffen es nicht mehr, Vertrauen in der Bevölkerung zu erzeugen. Sie schaffen es nicht mehr, die Menschen mitzunehmen, zu überzeugen. Es ist Ihnen entglitten. Sie können es einfach nicht. Der ehemalige Finanzminister der Sozialdemokraten, Herr Androsch, hat das Krisenmanagement der Regierung mehrfach pauschal als Dilettantismus bezeichnet.

Meine Damen und Herren! Hören Sie endlich auf, Angst zu machen! Versuchen Sie, wieder Hoffnung zu machen, die Leute zu überzeugen, mitzunehmen, aber hören Sie auf, zu drohen! Die Menschen sind vernünftig, sie brauchen keinen Regierungskrampus, der ihnen immer wieder die Rute ins Fenster stellt und ihnen droht.

Der Misstrauensantrag wird heute vermutlich keine Mehrheit finden – noch keine Mehr­heit finden. Er ist aber ein wichtiges Symbol.

Abschließend habe ich noch eine Bitte an Sie, Herr Bundeskanzler, und an Ihre drei Mitstreiter bei den zahllosen Pressekonferenzen: Lassen Sie die Leute über die Feier­tage in Ruhe! Verschonen Sie uns zumindest für die wenigen verbleibenden Tage dieses Jahres mit Pressekonferenzen, denn davon haben wir mehr als genug gesehen! (Beifall bei der FPÖ.)

18.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hanger. – Bitte.


18.30.46

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir kommen jetzt schön langsam zum Ende der Debatte über die Dringliche Anfrage, und ich glaube, das ist eine gute Gelegenheit, auch ein bisschen Resümee zu ziehen.

Einleitend möchte ich festhalten, dass ich natürlich Verständnis dafür habe, dass die Pandemie ein bisschen an den Nerven zerrt, bei uns allen. Da geht es um das medi­zinische Personal in den Krankenhäusern, da geht es um das Pflegepersonal, da geht es um die Sicherheitskräfte in unserem Land, da geht es um die Verkäuferin oder den Verkäufer im Einzelhandel und viele andere mehr. Eines ist aber schon auch klar: Frau Abgeordnete Belakowitsch sagte als Ärztin hier in ihrem Redebeitrag, Symptom­lose könnten keine Infektionsträger sein. Das schreit zum Himmel, denn das ist ganz einfach die Unwahrheit, und die FPÖ ist nicht Teil der Lösung, sondern sie ist Teil des Problems! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Da wäre schon ein bisschen mehr Gemeinsamkeit gefordert, um diese Pandemie ge­mein­sam zu bekämpfen. Ich werde mich jetzt auch hüten, Virologen, Simulationsforscher oder Mediziner zu zitieren, ich möchte versuchen, wirklich nur mit dem Hausverstand zu argumentieren.

Zuallererst: Die Infektionszahlen sind aktuell zu hoch. Wir hatten einen leichten zweiten Lockdown, einen stärkeren zweiten Lockdown, und wir haben Gott sei Dank stark rück­läufige Zahlen bei den Neuinfektionen, aber sie sind ganz einfach noch zu hoch. Es ist Aufgabe der Politik, Entwicklungen zu antizipieren. Weihnachten steht vor der Tür. Die Anzahl der Sozialkontakte hätte wieder stark zugenommen, insbesondere um Silvester herum. Da muss ich kein Simulationsforscher sein, um zu wissen, dass ohne Maßnah­men danach natürlich die Infektionszahlen wieder gestiegen wären. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zum Zweiten, auch eine wichtige Zahl: Heute ist von Frau Abgeordneter Fürst so salopp gesagt worden: Na ja, eine Grippe, das gibt es doch, und in den Krankenhäusern herrscht eine ganz normale Situation. – Frau Abgeordnete Fürst, das haben schon meine Vorredner gesagt: Ich lade Sie wirklich ein, sprechen Sie mit dem Pflegepersonal in den Intensivstationen! Ich persönlich habe einen guten Freund, der Bürgermeister einer kleinen Landgemeinde und selber Pfleger auf einer Intensivstation ist. Der sagte vorige Woche zu mir: Andreas, du kannst dir nicht vorstellen, wie es bei uns zugeht. Bei uns sterben täglich Menschen. – Dann so salopp zu sagen: Na ja, okay, das ist eine normale Situation!, halte ich tatsächlich für unverantwortlich. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Belakowitsch: Das ist in einer Intensivstation tatsächlich normal!)

Für unverantwortlich halte ich auch, wenn man über Todesfallzahlen – heute schon mehrmals erwähnt, gestern wieder 140, insgesamt mittlerweile über 5 000 – so locker hinweggeht: Na ja, es gibt auch andere Gründe, weswegen man stirbt. – Das ist dem Coronavirus geschuldet, und wir müssen ganz ernsthaft damit umgehen. Aus meiner Sicht ist es fast ein bisschen eine Verhöhnung, wenn man die unmittelbar betroffenen Familien anspricht. Herr Klubobmann Wöginger hat mir vorhin zum Beispiel erzählt, dass ein Bürgermeister in seinem Bezirk vor Kurzem gestorben ist. Das ist also ganz, ganz ernst, und darüber irgendwie locker hinwegzugehen kann doch keine Politik sein. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Zu den Maßnahmen: Liebe FPÖ, ein paar Dinge kann ich überhaupt nicht verstehen. Reden wir ein bisschen über die Massentestungen! Was Sie da von sich gegeben haben, Frau Abgeordnete Belakowitsch, sei jetzt einmal dahingestellt. Ihr Bundesparteiobmann hat Sie dann ja ein bisschen zurückgepfiffen. Wie kann man gegen Massentests sein? Ich bin kein Mediziner, aber die Logik dieser Massentests ist doch ganz einfach: Man will Personen identifizieren, die den Virus in sich tragen, damit man sie dann aus der Infektionskette herausnehmen kann. Das ist doch ganz logisch. Je mehr Personen an diesen Massentestungen teilnehmen, umso besser wird es.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich bin durchaus ein bisschen enttäuscht gewesen, dass auch in meiner eigenen Gemeinde eigentlich nur relativ wenige Personen diese Chance genutzt haben. Ich sage Ihnen aber auch: Es ist gelungen! Wir hatten zum Beispiel eine Familie – die war ganz überrascht –, die hat den Antigentest gemacht und dann natürlich den zweiten Test, weil der Antigentest ja eine bestimmte Unsicherheit hat. Es hat sich herausgestellt, dass die gesamte Familie das Coronavirus in sich trägt. Das ist doch nur logisch. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Man kann das also sehr positiv sehen und ent­sprechend argumentieren.

Mit einer Mär möchte ich auch noch aufräumen: Von den Oppositionsparteien wurde querbeet permanent erzählt, dass das Pflegepersonal nicht getestet wird. Zum einen liegt die Zuständigkeit für das Pflegepersonal bei den Ländern, und natürlich wird dieses


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schon seit vielen Wochen getestet. Das war natürlich eine der ersten Maßnahmen, die man gesetzt hat.

Zum Dritten: Ich würde wirklich alle gemeinsam darum ersuchen, dass wir doch ein bisschen einen positiveren Zugang zum Thema Impfen finden. Es ist die einzig realistische Chance, die Pandemie tatsächlich zu bekämpfen. Können wir nicht auch ein bisschen stolz darauf sein, was die internationale Wissenschaft da in den letzten Monaten auf den Weg gebracht hat? Natürlich ist Aufklärungsarbeit notwendig, keine Frage. Glauben wir jedoch bitte nicht diesen Verschwörungstheorien, die durch die sozialen Medien kursieren! Das ist keine seriöse Information. Es wurden ja auch ent­sprechende Informationsprogramme angekündigt. Das ist mir ganz wichtig. Finden wir doch einen gemeinsamen Zugang! Wir haben von der ersten Sekunde der Pandemie an gesagt: Die Impfung ist die große Chance, die Pandemie in den Griff zu bekommen, und dann können wir auch wieder optimistisch in die Zukunft gehen, dann wird das Wirt­schaftswachstum, das wir zum Beispiel auch für unseren Arbeitsmarkt dringend brauchen, wieder anspringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zwei Dinge noch: Es gibt ein Zitat, das mir persönlich sehr intensiv durch den Kopf geht. Die meisten Parlamentarier werden es kennen. Dieses Zitat lautet: „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.“ (Zwischenruf des Abg. Kickl.) – Dieses Zitat müssen wir als Parlamentarier uns schon zum Maßstab nehmen. Wir haben eine Verfassung beschlossen, Verfassungsgesetze, wir geben uns Gesetze, wir geben uns Spielregeln, die das Zusammenleben der Menschen ordnen, damit wir gut miteinander leben können. Dieses Zitat verstehe ich schon auch ein bisschen als Appell an jene, die immer meinen, nur die Freiheit des Einzelnen ist alles. Wir brauchen schon auch Solidarität in der Gesellschaft – das ist mir sehr wichtig –, Zusammenhalt und Solidarität in der Gesellschaft, dann werden wir letztendlich auch diese Pandemie besiegen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Soll der Staat den Menschen dienen oder die Menschen dem Staat?)

Abschließend noch ein Wort zu Moria: Ganz ehrlich, mir gehen, uns allen gehen diese Bilder natürlich nahe, aber ich halte ausdrücklich fest, dass wir in dieser Frage eine klare Linie haben. Christlich-soziale Nächstenliebe ist auch Hilfe vor Ort. (Ruf bei der SPÖ: Ja, ja!) Wir haben die Mittel des Auslandskatastrophenfonds sehr stark erhöht. Es gibt ein neues Programm der Bundesregierung mit SOS-Kinderdörfer, 500 Kinder vor Ort zu betreuen. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Vergessen Sie auch nicht, dass wir im Rahmen des normalen Asylverfahrens dieses Jahr 5 000 Kinder aufgenommen haben. Das ist christlich-soziale Politik. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

18.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Nussbaum ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


18.38.27

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Wir als SPÖ haben schon recht klar gesagt, dass wir dem Misstrauensantrag nicht zustimmen werden. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden sind. (Abg. Kickl: Das heißt es leider schon!)

Wir als SPÖ fordern seit Mai eine bundesweite, ressortübergreifende Teststrategie. Auch heute, neun Monate nach Ausbrechen der Coronapandemie, gibt es diese noch immer nicht. Seit Monaten überlegen sich Ministerien im Alleingang Testszenarios.


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Erinnern wir uns zurück an den Juni, als Ministerin Köstinger gesagt hat, dass es für den Tourismus Testungen gibt! Der Sozialminister hat – als Gesundheitsminister, muss man in diesem Fall sagen – von 15 000 Tests pro Tag gesprochen. Die wurden nie gemacht. Im September ist dann das Bildungs- und Wissenschaftsministerium aufgewacht, weil die Schule wieder begonnen hat. Hat es da eine Teststrategie gegeben? – Nein, es gibt absolut keine Klarheit. Es wird irgendwie getestet oder, besser gesagt, gar nicht.

Und diese Unsicherheit spiegelt sich dann in diesen Massentests, die als einmalige Massentests angekündigt wurden, wider. Da fragen sich die Leute: Warum soll ich da hingehen? – Jetzt wollen sehr viele testen gehen, weil sie sagen, sie wollen Weih­nachten gemeinsam mit ihrer Familie und mit älteren Menschen verbringen. Jetzt bekommen sie aber keinen Termin, wenn sie sich testen lassen wollen. Das ist also alles komisch. Und jetzt wird wieder angekündigt, dass es im Jänner abermals Massentes­tungen geben soll – aber dann, wenn sich die Bevölkerung freiwillig bereit erklärt, testen zu gehen, gibt es nichts oder, sagen wir es so, zu wenig Kapazitäten. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt möchte ich wirklich noch einmal das Thema Schulen ansprechen. Das ist heute schon sehr oft gekommen, und daran sieht man, dass das Thema nicht nur uns allen hier im Hohen Haus, sondern auch der Bevölkerung wirklich unter den Nägeln brennt. Da müssen jetzt endlich einmal Klarheit und Planbarkeit her, bitte, für die LehrerInnen, für die SchülerInnen und für die Eltern. (Beifall bei der SPÖ.)

Es kann nicht sein, dass schon fast im Wochentakt Benachrichtigungen kommen: Es gibt Präsenzunterricht, jetzt gibt es dann wieder Homeschooling oder Distancelearning. Die Skilifte werden aber offen gelassen. Ich verstehe das alles nicht mehr. Es gibt Ex­pertInnen, die immer gesagt haben: Die Schulen sollen offen bleiben. Sie, Herr Bun­deskanzler, wollten die Schulen geschlossen haben. Das heißt, die Schulen wurden geschlossen. Ich verstehe nicht, warum man überhaupt noch Expertenkommissionen hat, wenn man dann ohnehin nicht auf sie hört. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann komme ich noch auf einen zweiten Punkt, der ganz wesentlich ist: Die meisten Infektionen seit März gibt es in Alten- und Pflegeheimen und ebendort auch leider Gottes die meisten Todesfälle. Bis heute gibt es keine flächendeckende Strategie mit Tests für das Personal. Jetzt wird dann groß die Impfung herbeigesehnt. Wieso testet man denn nicht einmal, damit auch diese Menschen wieder Besuche bekommen können?

Dann möchte ich auch auf die Situation von Menschen mit Behinderungen zu sprechen kommen, für die der Lockdown im März eine Katastrophe war. Man hat sie in den Einrichtungen mehr oder weniger eingesperrt. Sie sind isoliert worden, und sie werden immer mehr aus unserer Gesellschaft gedrängt und immer unsichtbarer. Bei allen Maßnahmen, die die Bundesregierung gesetzt hat, hat sie zunächst einmal auf Men­schen mit Behinderungen völlig vergessen. Erst durch Interventionen vom Behinderten­rat, von den Behindertenorganisationen oder von uns Oppositionsparteien wurde dann repariert.

Da möchte ich jetzt noch einmal darauf hinweisen, dass ich bereits vor zwei Wochen gefragt habe: Warum werden kostenlose FFP2-Masken nicht auch an Menschen mit Behinderungen beziehungsweise an Menschen, die den Risikogruppen angehören, geschickt? Das ist nicht nachvollziehbar. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Wenn man das alles so Revue passieren lässt: Es war alles extrem chaotisch und von der Bundesregierung unkoordiniert. Ausbaden darf das immer die Bevölkerung durch massive Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte. Wir kommen von einem Lockdown in den anderen, von einer Ausgangssperre zur anderen. Dazu möchte ich jetzt auch noch betonen: Lockdown ist nicht gleich Lockdown. Während der Kulturbereich seit Monaten stillsteht, fällt die Bundesregierung vor dem Handel auf die Knie und öffnet die Geschäfte


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vor Weihnachten. Im letzten Lockdown wurden Buchabholboxen verboten, die Waffen­geschäfte durften aber offen gehalten werden. Welche Strategie ist da dahinter? Auch religiöse Treffen bleiben weiterhin erlaubt.

Werte Mitglieder der Bundesregierung, beenden Sie bitte sofort dieses Chaos und ermöglichen Sie den Menschen in Österreich wieder ein planbares Leben mit Stabilität! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Reimon. – Bitte.


18.44.10

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Heute habe ich – so wie wahr­scheinlich einige von Ihnen oder fast alle – E-Mails zu dieser Sitzung, zu diesen Anträgen bekommen. Die bemerkenswerteste hat mich dazu aufgerufen, für diesen Misstrauensantrag zu stimmen, denn die Regierung hat im Sommer Moskitos aus­gesetzt, die die Krankheit verbreitet haben, damit sie jetzt im Winter möglichst groß aufschlägt, und sich schon vorbereitet, im nächsten Sommer angesichts der Impfung wieder Moskitos auszuschicken. Das Ziel ist nämlich, mittels dieser Moskitos die Diktatur einzuführen und uns alle zu versklaven. (Abg. Kickl: Das haben Sie sich wahrscheinlich selber geschrieben!) – Auf diesem Niveau sind Sie und Ihre Unterstützer, Unterstüt­zerinnen, Herr Kickl – auf diesem Niveau! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn sich die FPÖ hier herstellt und sagt, sie sind keine Verschwörungstheoretiker mehr, denn sie erkennen jetzt an, dass es Corona gibt, dann machen sie nur das, was all die Verschwörungstheoretiker da draußen jetzt machen: Es gibt mittlerweile Millionen Tote, Corona lässt sich nicht mehr bestreiten, jetzt wird das Impfen bekämpft und behauptet, dass Impfen zur Diktatur führt. Das ist die neue Verschwörungstheorie, die Sie mit Anträgen wie diesem von vorne bis hinten durchzukriegen versuchen. Sie ver­suchen, die österreichische Demokratie in eine Richtung zu schieben, die völlig inakzep­tabel ist. Sie isolieren sich mit solchen Methoden vollkommen vom demokratischen Betrieb. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Man kann Oppositionspolitik auch ganz anders machen. Sowohl die Art und Weise, wie die SPÖ das macht, als auch jene, wie die NEOS das machen, sind absolut wertvoll in einem demokratischen Diskurs. Ich muss nicht alles teilen, was sie sagen, no na, das ist ja nicht einmal innerhalb einer Koalition so, aber grundsätzlich geht das in die richtige Richtung: Wenn sie sich zu Wort melden und etwas sagen, habe ich grundsätzlich immer den Eindruck, es geht darum, den Menschen zu helfen. Wenn die SPÖ einen Antrag zu Moria einbringt und hier darum kämpft, dass diese Menschen gerettet werden, dann geht es darum, dass es Menschen besser geht, dass da geholfen wird und dass denen unter die Arme gegriffen wird – daran ist nichts verwerflich. Wenn sich Sepp Schellhorn hier herstellt und für die UnternehmerInnen kämpft, habe ich den Eindruck, da geht es zumindest darum, dass es denen besser geht.

Jetzt frage ich Sie: Wem geht es besser, wenn Sie diese Verschwörungstheorien da hereinbringen? Es gibt Tausende Tote in Österreich, 5 300 Tote. Was soll eine Impfung Schlimmeres anrichten als 5 300 Tote? Haben Sie überhaupt keine Verantwortung, für nichts, sodass Sie diese Verschwörungstheorie in die Welt hinausposaunen? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben heute die niedrigste Anzahl an Toten seit langer, langer Zeit – 84. Wenn das so bleiben würde, wenn wir das so hochrechnen, sind das Hunderte Tote bis Ende


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Jänner – Hunderte Tote, gegen die wir angehen müssen, und jeder Einzelne, um den es weniger wird, ist wertvoll. Es ist wichtig, dass wir Politik machen. Jeder einzelne Tote, den Sie mehr produzieren, wenn Sie diesen Verschwörungstheoretikern, diesen Impf­gegnern Raum geben, Luft geben, das Gefühl geben, dass es das Richtige ist, was sie tun, ist ein Schaden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kickl: Aha, das ist das Wahrheitsministerium!)

Das ist unerträglich, das ist absolut unerträglich! (Abg. Kickl: ... Versagen der Grünen!) Ich hätte mir gewünscht, das muss ich sagen, dass es in diesem Parlament ein Contain­ment gibt, wenn man so will, dass Menschen, die diese Methoden anwenden, die diese Verschwörungstheorien herumstreuen, für sich alleine bleiben. Ich finde es schade, dass die NEOS einer solchen Intention nachgeben und da mitstimmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Moralisches Totalversagen der Grünen! – Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

18.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Künsberg Sarre. – Bitte.


18.47.48

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Präsident! Werte Bundes­regierung! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! In einer Krise – und das ist fast wie ein Gesetz – offenbart sich wahre Führungsqualität. Sie haben in den letzten Monaten eindrucksvoll bewiesen, dass diese Bundesregierung, dass Sie über keinerlei Führungsqualitäten verfügen. (Beifall bei den NEOS.)

Wir bräuchten in dieser Zeit nämlich Menschen, die zuhören, die auf Expertinnen und Experten hören, die in Szenarien denken können, die transparent kommunizieren, die dann reden, wenn es wirklich etwas zu sagen gibt, und die nicht dauernd ihren Kurs ändern, je nachdem, mit wem sie gerade gesprochen haben.

Als Bildungs- und Wissenschaftssprecherin, aber auch als dreifache Mutter sind mir natürlich die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen besonders nahe. Wie die Bundesregierung und Sie, Herr Bundeskanzler Kurz, seit März mit den Kindern umgehen, ist wirklich deprimierend und traurig. Sie erwähnen ja immer wieder andere Länder, und wie viel besser wir es im Gegensatz zu diesen Ländern machen. Sie sollten sich auch einmal im Schulbereich andere Länder zum Vorbild nehmen, denn die haben längst erkannt, dass es in dieser Pandemie auch ein Ziel sein muss, dass die Schulen offen bleiben, dass Schulen nicht dauernd geschlossen werden.

Sie sperren aber die Schulen zu, obwohl zig Expertinnen und Experten, die Corona­kommission, die Ages, Ihr Bildungsminister, alle Bildungslandesräte und viele mehr sich für das Offenhalten von Schulen eingesetzt haben. Sie sperren die Schulen bei jeder Gelegenheit zu, ohne auch nur irgendwie an irgendwelche Folgewirkungen für die Jüngsten in der Gesellschaft zu denken.

Ich vermisse von Ihnen seit Monaten das klare Bekenntnis, dass es ein Ziel ist, dass die Schulen offen bleiben, dass Sie dementsprechende Maßnahmen setzen, die auch wirken, damit die Schulen offen bleiben können, und dass Sie endlich auch die not­wendigen Budgetmittel zur Verfügung stellen, damit der Bildungsverlust, aber auch soziale Langzeitfolgen abgeschwächt werden können.

Ich habe von Ihnen in all den Monaten nicht gehört, dass Ihnen bewusst ist, dass diese Krise auch unseren Kindern und Jugendlichen ganz, ganz viel abverlangt, dass diese Krise auch den Jungen ganz, ganz viel zumutet.


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Ich habe nicht gehört, dass Sie mit jenen mitfühlen, die zu Hause keine Unterstützung bekommen, dass Sie mit jenen Oberstufenschülerinnen und -schülern mitfühlen, die in manchen Bundesländern heuer teilweise nur 85 Tage in der Schule waren und den Rest daheim ohne große soziale Kontakte verbringen mussten. Und ich habe auch nicht gehört, dass Sie mit den Studierenden, mit den Erstsemestrigen mitfühlen, wie es denen geht, denn über die spricht die Bundesregierung überhaupt gar nicht mehr.

Eine gute Führungskraft kann sich in andere hineinversetzen und trifft evidenzbasierte Entscheidungen. Ganz ehrlich, wenn Ihr Bildungsminister an einem Tag mit der Infor­mation ausreitet, dass die Ferien verlängert werden und davor getestet wird, und Sie am nächsten Tag sagen, dass die Schulen bis zum 18. Jänner eh nur eine Woche länger ins Distancelarning gehen, dann kann doch von evidenzbasierter Entscheidung keine Rede sein. Dann ist das einmal mehr ein Zeichen dafür, dass Sie alle overrulen und einfach Entscheidungen treffen, die für Sie gut und passend sind. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das aktuell traurigste Beispiel ist wohl Moria. Ich finde es wirklich haarsträubend, wie Sie sich einerseits gegenseitig ein würdevolles und schönes Weihnachtsfest wünschen können, und andererseits wissen Sie und kennen Sie die Bilder, dass die Kinder in Moria im Dreck leben. Ich verstehe nicht, was daran würdevoll ist und wie das mit einem schönen Weihnachtsfest zusammenpassen kann. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

18.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brückl. – Bitte.


18.52.38

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Werte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Vor nicht einmal zwei Wochen haben wir an dieser Stelle darüber diskutiert, dass sich unsere Kinder, unsere Jugend auf dem Weg befindet, zu einer Coronageneration zu werden. Herr Bundes­kanzler, nach Ihrer freitägigen Pressekonferenz haben wir unsere Kinder wieder einen Schritt weiter in diese Richtung gestoßen. Die Schulen sind zu, Sportstätten und Spielplätze dürfen nicht betreten werden, Fitnessstudios bleiben gesperrt, ein Vereins­leben existiert nicht.

Unsere Kinder und unsere Jugendlichen bleiben isoliert, und das alles, weil Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Regierung wie sprichwörtliche Elefanten im Porzellanladen agieren. Mit Brachialgewalt werden offenbar die eigenen Interessen durchgeboxt, ganz nach dem Motto: „Koste es, was es wolle“ – wenn notwendig auch gegen die eigenen Kinder. Der Schaden, den Sie anrichten, ist enorm, er ist irreparabel und dramatisch.

Gerade bei unseren Kindern kommt dies zum Tragen. Die Schulschließungen führen zu Bildungsrückständen, zu Bildungslücken, zu Bildungsverlust. Genauso kommt es zum Verlust von Motivation und Tagesstruktur, und ganz schlimm ist die soziale Isolation, in die Sie unsere Kinder drücken. Mit dem Zusperren der Schulen ziehen Sie den Kindern und Jugendlichen den Boden unter den Füßen weg. Sie schreiben ein Drama mit unzähligen Kapiteln auf Kosten der Schüler, der Studierenden und der Jugend.

Herr Bundeskanzler, Ihre Abgeordneten von der ÖVP sprechen hier heraußen sehr gerne ihre persönliche Betroffenheit an. Ich schildere Ihnen meine persönliche Betrof­fenheit: Mein Sohn sitzt seit Februar dieses Jahres zu Hause, weil die Universitäten geschlossen sind, weil nur noch im Distancelearning unterrichtet wird. Er hat keinen Kontakt mit seinen Studienkollegen, außer gelegentlich bei Videokonferenzen, er hat keinen Kontakt zu seinen Freunden, er hat keine Möglichkeit, neue Freunde kennen­zulernen. Er hat keine Möglichkeit, eventuell auch eine Freundin fürs Leben zu finden. Das ist es, was Sie unserer Jugend mit Ihren Maßnahmen antun, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 114

Diese Angst, Herr Bundeskanzler, manifestiert sich in vielen Bereichen. Die Bürger schreiben uns. Sie schreiben Ihnen, aber sie schreiben auch uns, was sie stört.

Und noch etwas für alle, Herr Bundeskanzler, vor allem für die Abgeordneten der Regierungsparteien und Ihre Landeshauptleute, wenn sie der Zwangsimpfung das Wort reden – Abgeordneter Saxinger ist auch ein Profi, der gerne der Zwangsimpfung das Wort redet –: Reden Sie einmal mit der Mutter von Theresa! Erklären Sie das der Mutter von Theresa, die seit 37 Jahren im Rollstuhl sitzt, die rund um die Uhr gepflegt werden muss, weil in ihrer Kindheit eine Impfung schiefgelaufen ist! Erklären Sie das ihr, erklären Sie das ihrer Familie, erklären Sie das all den Zigtausenden Menschen in unserem Land, die dasselbe Schicksal teilen!


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte um den Schlusssatz. Ihre Redezeit ist vorbei.


Abgeordneter Hermann Brückl, MA (fortsetzend): Erklären Sie Ihnen, warum es not­wendig ist, warum sie eine Zwangsimpfung brauchen! Sie werden es nicht erklären können. Auch das ist die persönliche Erfahrung, die ich gemacht habe.

Herr Bundeskanzler, ich komme zum Schlusssatz: Sie haben unser Vertrauen verspielt. Sie haben versagt, und das ist auch der Grund, warum wir Ihnen heute unser Vertrauen versagen. Und noch ein Satz zum Schluss - - (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

18.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie sind 1 Minute über Ihrem Zeitlimit, Herr Abgeordneter. Es tut mir leid.

(Beifall bei der FPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Brückl.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brandstätter. – Bitte.


18.56.25

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Zunächst möchte ich sehr klar sagen, Herr Bundeskanzler: Jeder von uns, der Verantwortung für die Pandemiebekämpfung gehabt hätte, hätte Fehler gemacht. Na selbstverständlich! Ich bin nicht böse, dass Sie Fehler gemacht haben. Was mich aber aufbringt, ist erstens, dass immer die anderen schuld sind, und zweitens, dass Sie Fehler nicht eingestehen können und auch immer wieder sagen, die anderen haben etwas falsch gemacht, und vor allem auch, dass Sie nicht bereit waren, Vorschläge anzunehmen.

Ich möchte Kollegen Loacker zitieren. Er hat im April gesagt, wir brauchen eine Test­strategie, wir müssen die Risikogruppen schützen. Es ist heute schon gesagt worden: Wir haben in Österreich doppelt so viele Tote wie in Deutschland, und das ist so, weil eben die Altenheime nicht geschützt wurden. Er hat auch gesagt, wir brauchen mehr Schutzbekleidung für die Risikogruppen, für die Pflegerinnen und Pfleger. All das ist nicht erfolgt, und das ist natürlich ein Riesenproblem.

Da wäre es nett, einmal zu sagen: Ja, wir haben Fehler gemacht! – Ich werfe es Ihnen nicht vor, aber dass noch immer die anderen schuld sind, das geht nicht. – Punkt eins.

Punkt zwei: Wenn Sie sagen, ich und Herr Kickl – im Gegensatz zu Herrn Kickl bin ich sehr froh, dass es die Impfung gibt. Ich möchte mich so schnell wie möglich impfen las­sen, und ich halte das für die Bekämpfung der Pandemie für ganz wichtig. Damit das einmal klar ist. Ich möchte aber auch, dass die Maßnahmen, die in diesem Land getroffen werden, in einem Rechtsstaat getroffen werden, dass die Verordnungen so gemacht werden, dass sie die Menschen verstehen.


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Ich komme zu einem Interview, das Sie gegeben haben. In einem langen Interview im Fernsehen haben Sie zu Herrn Bürger zwei Dinge gesagt, die ich erwähnen möchte. Erstens einmal zur Wissenschaft; da haben Sie gesagt: Na ja, sieben Wissenschaftler, zehn Meinungen! – Das ist ein Herabwürdigen der Wissenschaftler! Den Wissen­schaft­lern verdanken wir jetzt diese Impfung! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Wissen Sie, den Spruch kenne ich von meinem Jusstudium: drei Juristen, sieben Mei­nungen. – Wenn das alles ist, was Sie sich vom Jusstudium gemerkt haben, ist das zu wenig, und es ist ein Herabwürdigen der Wissenschaftler, denen wir in dieser Zeit sehr, sehr viel verdanken.

Das Zweite ist: Sie haben gesagt, die Medien schreiben irgendwelche Sachen, Sie wissen auch nicht, was das ist. – Da kann ich Ihnen schon sagen: Ich weiß, was passiert, und erzähle ein kurzes Beispiel aus meiner Zeit:

Als Sie vom Sparen im System gesprochen und die Sozialversicherung umgestellt haben, haben Ihre Presseleute angerufen und Mails geschrieben: Ihr müsst schreiben, dass die so viele Dienstautos haben und dass die so viel Geld kriegen. – Dann war von der Funktionärsmilliarde die Rede. Dann haben wir recherchiert und sind drauf­gekom­men, das stimmt alles nicht. Wir haben das Gegenteil geschrieben. Und was ist pas­siert? – Anrufe der Pressesprecher des Bundeskanzlers in den Redaktionen, beim Chefredakteur, beim Eigentümer. Druck ist gemacht worden. Erzählen Sie bitte den Menschen draußen nicht, dass die Medien dann irgendwo Informationen bekommen! Sie füttern gezielt die Medien, versuchen, ein Bild zu erzeugen, das oft ein falsches ist, und das ist ganz schlecht! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

„Die Herrschaft der Lüge“ ist ein ganz wichtiges Buch. (Der Redner hält das genannte Buch von Jean-François Revel in die Höhe.) Die Demokratie wird zerstört, wenn die Regierenden und die Medien nicht mehr darauf achten, dass das, was sie schreiben, auch stimmt.

Und jetzt komme ich zum Nächsten, nämlich zur Inszenierung. (Der Redner hält ein Bild in die Höhe, auf dem Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Kogler zu sehen sind, die einem mit einem Elefantenkostüm bekleideten Kind Süßigkeiten und ein Stofftier über­reichen.) Ich hoffe, wenn Sie sich dieses Bild anschauen, genieren Sie sich inzwischen. Bei Vizekanzler Kogler verstehe ich sowieso nicht, warum er da mitgemacht hat.

Wissen Sie, worum es geht? – Ich weiß, worum es geht. Es geht um Ihre Markenführung. Dazu habe ich mir einen Artikel von Frau Mei-Pochtler von 2003 herausgesucht. Sie schreibt: „Geliebt wird nicht der Abklatsch eigener Banalitäten, sondern der Abglanz fremder Träume.“ Sie konzentrieren sich immer nur auf Ihre Markenführung, im Moment muss aber das Land geführt werden, die Pandemie muss bekämpft werden. Ihre Marke ist im Moment wurscht, unser Land ist wichtig, und dafür müssen Sie kämpfen! (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn es um unser Land geht, geht es um Europa, geht es um unsere Werte, geht es um unsere Kinder. Das sind Kinder, die jetzt in Europa sind. Da geht es nicht um Hilfe vor Ort. Ich bin auch dafür, dass wir, wenn es andere Länder betrifft, diese mittels EZA unterstützen, aber das sind Menschen, die in Europa sind. Die Menschen sind in Moria, sie sind in Kara Tepe. Das sind keine Bilder, das sind Menschen, die dort verrecken! Das sind Menschen, die dort von Ratten gebissen werden! Ich finde es absurd, worüber wir hier reden, ich finde es absurd, wenn wir uns hier zusammenstellen und beten, uns aber nicht um diese Menschen kümmern. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 116

Da geht es um unsere Würde, da geht es auch um die Würde unseres Landes und um die Würde dieses Hauses. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, es geht auch um Artikel 56 Bundes-Verfassungsgesetz, das ist das freie Mandat. Sie können schon zustimmen, wenn Sie der Meinung sind, dass es richtig ist.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auf­nahme von Familien mit Kindern aus Lagern auf den griechischen Inseln“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Ländern, Städten, Gemeinden, kirchlichen Insti­tutionen und der Zivilgesellschaft zu ermöglichen, Kinder und Familien aus den Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen. Dafür möge die Bundesregierung die Einreise derart vulnerabler Personen ermöglichen.“

*****

Es sind nicht Bilder, es sind Menschen, es ist die Würde Europas, es geht dabei auch um unser Land. Bekämpfen wir die Pandemie, lassen wir uns impfen und nehmen wir die armen Menschen auf, die es jetzt ganz dringend brauchen! – Danke schön. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

19.02

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Aufnahme von Familien mit Kindern aus Lagern auf den griechischen Inseln

eingebracht im Zuge der Debatte in der 75. Sitzung des Nationalrats zur Dringlichen Anfrage der FPÖ

Seit Jahren hausen Asylwerber_innen unter unwürdigsten Bedingungen in Lagern in Griechenland. Aufgrund des Versagens der EU-Mitgliedsstaaten – mitverantwortet von der österreichischen Bundesregierung, die Reformen mit Vetos bedroht – eine men­schenwürdige und funktionierende gemeinsame Asylpolitik zu schaffen, verschlimmert sich die Situation von Woche zu Woche. Seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr diesen Jahres war klar, dass es eine schleunigste Evakuierung der menschen­unwür­digen Lager braucht, um insbesondere Kinder und andere vulnerable Personen aus dieser unerträglichen Lebenssituation zu holen. Die Regierung Kurz verweigerte den ent­sprechenden Anträgen der NEOS seit März 2020 die Zustimmung und setzte auf vermeintliche „Hilfe vor Ort“- eine sinnentfremdete Anwendung des Begriffes für Unter­stützung bei Katastrophenfällen außerhalb der EU. Diese Zusicherungen durch die Bundesregierung sind eine Farce angesichts der Tatsache, dass

• Güter mit hohen Kosten und mit großem Medienspektakel angeliefert wurden, um dann monatelang in griechischen Lagerhallen verbleiben;

• die von Österreich zugelieferten Zelte bei jedem Regen unter Wasser stehen;


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• internationale Hilfsorganisationen weiterhin feststellen, dass die häufigste medizinische Intervention bei Kindern mittlerweile Rattenbisse sind, die die Kinder im Schlaf erleiden;

• Kinder unter 14 Suizidgedanken äußern und deswegen zu Dutzenden bei Ärzte ohne Grenzen in diesem Jahr behandelt wurden;

• die renommierte österreichische, in 136 Ländern tätige Organisation „SOS Kinderdorf“, für die Regierung für unrealistische Projekte zum Kalmieren der sich mehrenden kritischen Stimmen hätte herhalten sollen.

Nach dem Brand des Elendslagers Moria am 9. September wurden 7.500 Menschen, ein Drittel davon Kinder, in das keinesfalls sicherere (Kriegsgerät wird weiterhin gefun­den), nicht windgeschützte und zu Überflutungen neigende Lager Kara Tepe verlegt. Auch in diesem Lager sind die sanitären Verhältnisse absolut unzureichend, Menschen leben ohne Hygienevorsorge dicht gedrängt, Kälte und Nässen sind die Zelte nicht gewappnet.

In Österreich unterstützen Städte, Gemeinden, Orte, christlich-soziale Bürgermeister, kirchliche Institutionen sowie deren Vertreter_innen wie Michael Chalupka und Kardinal Schönborn die Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Menschen, d.h. insbeson­dere Familien und Kindern. Die Ausrede von Bundekanzler Kurz und Innenminister Nehammer, dass Aufnahme irgendwen zu Migration motivieren würde, hat sich bereits mehrfach als falsch erwiesen: Es wurden nach dem Brand in Moria Kinder und auch ganze Familien im Rahmen eines Programmes der EU-Kommission in menschlich agierende EU-Länder transferiert – Migration ist ausgeblieben.

Mittlerweile erhöht sich die Zahl jener Kinder und anderen vulnerablen Personen in den Lagern auf den griechischen Inseln, denen Asyl gewährt wurde, d.h. deklariert Flücht­linge sind. Selbst von diesen Menschen hat die Bundesregierung bisher nicht vor, einen einzigen aufzunehmen.

Es ist höchste Zeit, ein weiteres Versagen der Bundesregierung bei der Vermeidung von Folter und unmenschlicher Behandlung auf europäischem Boden zu verhindern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Ländern, Städten, Gemeinden, kirchlichen Institutionen und der Zivilgesellschaft zu ermöglichen, Kinder und Familien aus den Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen. Dafür möge die Bundesregierung die Einreise derart vulnerabler Personen ermöglichen."

*****

19.02.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der


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Bundesregierung und den Staatssekretären“ gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Ver­fassungsgesetzes.

Da zu solch einem Beschluss gemäß der zitierten Verfassungsbestimmung die Anwe­senheit der Hälfte der Abgeordneten notwendig ist, stelle ich diese zuerst einmal aus­drücklich fest: Die Hälfte ist anwesend.

Die Damen und Herren, die sich für den Misstrauensantrag aussprechen, bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme von Familien mit Kindern aus Lagern auf den griechischen Inseln“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minder­heit, abgelehnt.

19.03.06Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 2 bis 6 der Tagesordnung wieder auf.

Ich bedanke mich bei den Mitgliedern der Bundesregierung, beim Bundeskanzler und beim Vizekanzler für die Anwesenheit.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


19.03.22

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Wir kommen zum Bezügegesetz und zu den Erhöhungen von Politikergehältern zurück. Geendet hat das in der vorhergehenden Debatte mit einem Märchen von Herrn Klub­obmann Kickl. Jedenfalls hat Frau Präsidentin Bures vorhin festgestellt, dass es sich bei dem, was er vorgetragen hat, um ein Märchen handelte.

Ich habe kurz nachgeschaut, was Märchen bedeutet. Ein Märchen ist prinzipiell etwas nicht Wirkliches und findet immer eher in einer wunderbaren oder abstrakten Welt statt. Der Ort und die Zeit sind unbestimmt und werden nicht näher erläutert. (Abg. Kickl: Da haben Sie nur den ersten Teil gehört! Das tut Ihnen weh!) Dem Helden wird eine Aufgabe gestellt, die er im Verlauf der Geschichte lösen muss. Das gelingt auch immer. Glauben Sie, Herr Kollege Kickl, dass Sie der Held dieses Märchens waren? Oder waren Sie vielleicht das Gegenteil – was in Märchen auch immer vorkommt – davon? – Das könnte leicht sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Meine Damen und Herren, die letzten Monate waren für uns alle in Österreich eine ganz besondere Herausforderung, und ich glaube, jeder hier in Österreich musste einen wichtigen Beitrag leisten. Der eine war mehr, der andere weniger von dieser Krise betroffen, auch viele Politikerinnen und Politiker hatten extrem viel zu tun. Für uns war es ein Jahr, das so intensiv war wie kaum ein anderes Jahr zuvor. Heute findet unsere 75. Plenarsitzung im Jahr 2020 statt. So viele Plenarsitzungen hat es in den vergangenen Jahren kaum gegeben. Wir haben auch 234 Ausschusssitzungen gehabt.

Wie schaut es nun mit den Gehältern von Politikern aus? Eine kurze Einleitung, vor allem für die Zuseherinnen und Zuseher: 1997 gab es eine große Umstellung des Bezü­gegesetzes für Politiker. Ausgangspunkt war der Nationalrat, und daher widme ich mich auch dem Nationalrat, nach dem auch alle anderen Einkünfte bemessen waren. Ein


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Nationalrat erhielt damals, im Jahr 1998, 7 267 Euro. Im Jahr 2020 bekommt er 9 092 Euro, brutto – das sei dazugesagt, weil ja auch so manche Geschichten in der Öffentlichkeit kursieren.

Die Steigerung der Politikerbezüge betrug somit in den letzten Jahren 21,4 Prozent, die Inflation 48,5 Prozent. Die Wertminderung gegenüber der Inflation betrug 27,1 Prozent. Wenn man sich die Steigerung der Tariflöhne von 1998 bis 2020 anschaut, so betrug die Erhöhung der Tariflöhne 69 Prozent, was eine Wertminderung der Politikerbezüge um 47,6 Prozent bedeutet.

Meine Damen und Herren, wir haben in den vergangenen Jahren sehr oft eine Situation gehabt, in der es für die Bevölkerung schwierig zu verstehen war, dass Politiker auch eine Gehaltserhöhung bekommen. Daher wurden diese Gehälter in den vergangenen 26 Jahren 14-mal nicht erhöht. Seit 1994 wurde also die volle Abgeltung der Inflation immer ausgesetzt. Politikwissenschaftler Hubert Sickinger hat das vor drei Jahren als eine „populistische Selbstentwertung der Politik“ bezeichnet.

Wir stehen aber nicht an, in diesen Zeiten auch ein Symbol setzen, da es für alle schwierig ist. Die Mitglieder der Bundesregierung bis zum Klubobmann haben sich bereit erklärt, auch im nächsten Jahr eine Gehaltserhöhung nicht in Anspruch zu nehmen, sondern diese auszusetzen. August Wöginger und Sigi Maurer haben daher einen entsprechenden Antrag eingebracht, mit dem wir betreffend diese Politikergehälter im nächsten Jahr wieder die Inflationsanpassung aussetzen wollen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, heute vergleicht eh niemand mehr ein Politiker­gehalt mit dem eines Vorstandsvorsitzenden eines börsennotierten Unternehmens. Dagegen ist wahrscheinlich sogar der Bundespräsident ein Armutschkerl. Vielleicht lassen sich Politiker aber mit Beamten vergleichen. Da komme ich auf die Einleitung zurück: Bis 1997 war es so, dass der höchste Beamte das gleiche Gehalt wie ein Nationalratsabgeordneter hatte. Heute ist dies vollkommen auseinandergebrochen: Der Sektionschef verdient heute um 23,2 Prozent mehr als ein Nationalratsabgeordneter, sein Stellvertreter verdient um 700 Euro mehr, und die Abgeordneten sind sozusagen nun auf Ebene drei der Beamten angelangt.

Ist es also Populismus, was wir hier tun, oder ist es der Krise geschuldet? – Ich glaube, in einer gewissen Form ist es beides, wenn ich mir erlauben darf, das so zu sagen. Wichtig ist, dass unsere Arbeit wertschätzend ist, wichtig ist, dass unsere Arbeit nämlich für uns selber wertschätzend ist, dass wir für die Menschen da sind. Wenn wir gegenüber uns selber nicht wertschätzend sind, so vertreten wir die Menschen auch nicht in dem Sinne, wie wir das gerne wollen. Daher heißt es für mich: Verantwortung zu übernehmen statt Verantwortungslosigkeit zu zelebrieren, wie das vonseiten der FPÖ heute darge­stellt wurde. Es heißt, Rücksicht auf die Personen zu nehmen, die einer Rücksichtnahme bedürfen, statt Rücksichtslosigkeit zu propagieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte.


19.09.51

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Vielleicht noch einmal zur Erinnerung, wieso wir heute eigentlich da sind: Es ging wieder einmal um einen Fehler von ÖVP und Grünen, bei dem zugegebenermaßen die Oppo­sitionsparteien auch zugestimmt haben. Man muss aber immer auch davon ausgehen, dass die Beamtenschaft in den Ministerien und in den Kabinetten doch bei Weitem


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größer ist als die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Parlamentsklubs der Oppositionsparteien.

Es reiht sich halt in diese Fehlerorgie von ÖVP und Grünen ein, die wir in den letzten Monaten schon miterlebt haben. Ich weiß nicht, ob es eine Missachtung des Hohen Hauses ist, ich weiß nicht, ob es eine Überforderung oder schlichtweg Ignoranz gegenüber den parlamentarischen Prozessen ist. Es passiert ein Fehler nach dem anderen.

Wir erinnern uns an die gesetzwidrigen Coronamaßnahmen des Gesundheitsministers, auf die man ihn mehrmals hingewiesen hat. Der Bundeskanzler hat das als juristische Spitzfindigkeiten bezeichnet. Es sind meiner Meinung nach aber keine juristischen Spitzfindigkeiten  es gibt immer noch ganz, ganz viele Menschen in Österreich, die diese Strafen bezahlt und immer noch nicht zurückbekommen haben, weil Sie sich gegen eine Generalamnestie wehren! So haben Menschen Strafen bezahlt, obwohl sie nichts getan haben, was auf irgendeine Art und Weise rechtswidrig wäre. ÖVP und Grüne verweigern den Menschen immer noch, dass sie diese Strafen zurückbezahlt bekommen.

Es sind die fehlenden Nullen im Budget gewesen, auf die uns glücklicherweise die SPÖ aufmerksam gemacht hat.

Es ist gerade vorletzte Woche das Hass-im-Netz-Paket beschlossen worden, zu dem alle Oppositionsparteien im Vorfeld gesagt haben: Da gibt es Bestrebungen auf euro­päischer Ebene, machen wir es nicht jetzt! – Nun ist der Brief der Europäischen Kom­mission da: Natürlich ist das, was ÖVP und Grüne im Verfassungsteil beschlossen haben, unionsrechtswidrig. Das haben wir Ihnen mehrmals gesagt! Das war Ihnen egal, Sie haben es ignoriert.

Es waren die fehlenden Unterschriften auf einem Abänderungsantrag – wir erinnern uns. Das sei nur etwas für Geschäftsordnungsnerds, hat die Klubobfrau der Grünen gesagt.

Jetzt ist es wieder ein sehr kurzfristig vorgelegter Abänderungsantrag zu den Luxus­pensionen gewesen, in dem Sie eine falsche Inkrafttretensbestimmung hatten. Sie hätten damals einfach dem Abänderungsantrag der NEOS zustimmen können – wir geben uns Mühe, unsere Anträge so zu schreiben, dass sie nachher auch entsprechend halten.

Es gab viele Aufhebungen von Gesetzesinitiativen von ÖVP und FPÖ durch den Verfas­sungsgerichtshof – auch darauf haben wir Sie x-mal hingewiesen –, vom Kopftuchverbot über den Bundestrojaner bis zu Sozialversicherungsreform und Kfz-Kennzeichen­erfas­sung. Die Liste ist so lange, ich könnte wahrscheinlich einen ganzen Tag darüber reden, wie schludrig Sie mit Gesetzesinitiativen umgehen.

Das passiert deswegen, weil es Ihnen nicht um gut gemachte Gesetze geht, es geht Ihnen einzig und allein um Inszenierung. Das ist das, was die ÖVP seit Jahren in den Vordergrund stellt, wobei jetzt aber auch die Grünen mitmachen. Es geht nicht um gut gemachte Gesetze, es geht Ihnen schlichtweg um Inszenierung und um Pressekon­ferenzen. (Beifall bei den NEOS.)

Deswegen wäre es auch sehr sinnvoll, dass man dort einspart, wo es entsprechend passen würde, nämlich bei der Inszenierung. Sie könnten sich überlegen, ob Sie die 210 Millionen Euro im PR-Budget entsprechend kürzen. Wir könnten uns auch überle­gen, ob wir bei der Parteienförderung etwas machen. In Wien wurde die Valorisierung jetzt zumindest für ein Jahr ausgesetzt. Das sind Maßnahmen, bei denen man ernsthaft Geld in die Hand nehmen könnte, um in der Krise gegenzusteuern.


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Eine Maßnahme – Kollege Gerstl hat sie schon angesprochen – ist eine eher symbo­lische Maßnahme, nämlich die Nulllohnrunde für SpitzenpolitikerInnen; und ja: Wenn wir da einen Beitrag leisten können, werden wir uns dem natürlich nicht verschließen. Ich glaube, wichtig wäre es aber, wenn man Maßnahmen setzen würde, die langfristiger und nachhaltiger sind. Mit der einen Nulllohnrunde wird es nicht getan sein. Nichtsdestotrotz werden wir das als symbolischen Akt natürlich mittragen. (Beifall bei den NEOS.)

19.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Blimlinger. – Bitte sehr.


19.13.46

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte (in Richtung Regierungsbank blickend) – Minister sitzen keine mehr da. Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Die Diskussion um Politikergehälter, später PolitikerInnengehälter, und Politikerprivilegien gibt es, seit es Politikergehälter überhaupt gibt – seit 1861, mit dem Beginn der Diskussionen und dem Februarpatent vom 26. Februar 1861, damals in der Reichsvertretung eingerichtet.

Schon damals gab es großes Aufsehen, weil die Abgeordneten im Reichsrat – ich nenne sie jetzt einmal Abgeordnete – für sich ein Taggeld von 10 Gulden beschlossen hatten. Das entspricht nach heutigem Wert in etwa 128 Euro, was die damalige Presse oder die Medien – damals war es wirklich nur eine Presse – natürlich als viel zu hoch angesehen haben.

Ein besonderes Ärgernis rief die Reisekostenentschädigung hervor, denn das war ein Gulden für jede Meile Entfernung des Wohnorts von Wien, und angesichts der Größe der Habsburgermonarchie waren das doch erkleckliche Beträge, wenn man aus der Bukowina, aus Triest, aus Maria-Theresiopel oder aus dem Osten der Slowakei gekom­men ist.

Die wirkliche Änderung kam dann 1917, während des Krieges, als man beschlossen hat – und das hängt auch mit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Männer 1908 zusammen –, dass Personen im Parlament sein durften, die eben kein großes Vermögen, kein großes Einkommen hatten. Um eine Gleichbehandlung der Abgeord­neten zu ermöglichen, hat man sich 1917, mitten im Krieg, dazu entschlossen, diese Remuneration, diese Taggelder oder auch das Einkommen überhaupt zu verfestigen beziehungsweise eines zu schaffen.

Auch da, mitten im Ersten Weltkrieg oder gegen Ende des Ersten Weltkriegs, gab es größte Empörung über Politikergehälter. Diese Entschädigungen wurden massiv be­kämpft, es gab sie aber genauso, und schon damals fanden sozusagen populistische Abstimmungen darüber statt, ob es sie geben soll oder nicht. Jene, die eigenes Geld hatten, waren natürlich immer dagegen, dass da etwas erhöht wird, denn sie hatten es ja, im Gegensatz zu jenen, die ausschließlich dieser Tätigkeit nachgegangen sind, nicht notwendig.

Ein besonderes Ärgernis rief hervor, dass es eine freie Jahreskarte erster Klasse für die Staatsbahnen und die Personenschifffahrtslinien gab. Da war die Empörung groß, und man hat dann später, zumindest nach 1920 – das war die Einreihung –, auf die Schiff­fahrt verzichtet.

Kollege Gerstl hat es schon angesprochen: Es ist immer eine Frage dessen, was die Politik wert ist, was sie nicht wert ist. Kollege Neisser, der ja jahrelang hier im Hohen Haus war, hat das sehr gut zusammengefasst, indem er gesagt hat, es gebe eigentlich aus diesem Teufelskreis kein Entkommen: Wenn man aus populistischen Gründen


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einerseits sagt, wir verzichten auf Erhöhungen, wir verzichten auf gute Bezahlung, entwertet man andererseits automatisch die Politik.

Vielleicht denken wir einmal darüber nach, wie wir das ganze System der Politiker­gehälter ändern können, denn ich bin zum Beispiel der Meinung, dass die Bezahlung der zahlreichen Bürgermeister und viel zu wenigen Bürgermeisterinnen im Verhältnis zu der Verantwortung, die sie tragen, viel zu niedrig ist (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS), insbesondere weil sie beispielsweise als Baubehörde erster Instanz große Verantwortung tragen.

Abschließend noch ein Wort zu Kollegen Kickl: Wenn wir die Gehälter tatsächlich nach der Sitzungsfrequenz bezahlen würden, müssten wir bei Ihnen, glaube ich, im Verhältnis weniger verrechnen. Eigentlich ist die einzige Verpflichtung, die wir wirklich haben, hier im Hohen Haus anwesend zu sein, und da lässt Ihre Anwesenheit, würde ich sagen, doch zu wünschen übrig. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. – Schöne Weihnachten! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köchl. – Bitte.


19.18.55

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte KollegInnen! Ich habe heute in den Reden des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Vizekanzlers gehört: Es ist eine ganz schwierige Zeit, es ist eine noch nie da gewesene Zeit, und es war noch nie so fürchterlich in Österreich wie jetzt, da diese Krankheit beziehungsweise die Coronakrise ausgebrochen ist.

Ich glaube, das ist ein kompletter Irrtum. Die schlimmste Zeit, die Österreich mitgemacht hat, war die Zeit nach dem Krieg, und da hat es eine Bundesregierung gegeben, die es verstanden hat, gemeinsam mit der Opposition und gemeinsam mit dem österreichi­schen Volk ein zertrümmertes Österreich aufzubauen. Wir leben heute in einer Zeit, in der wir zu Weihnachten nicht wissen, welche Geschenke wir kaufen sollen, und der Bundeskanzler redet von der schlimmsten Zeit! Ich glaube, das einzige Problem, das wir haben, ist, dass diese Regierung diese Krise nicht im Griff hat. Da glaube ich schon, dass das das größte Problem ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Die ÖVP hat es sich ja neuerdings zur Angewohnheit gemacht, dass sie vor National­ratswahlen betet. Ich frage mich wirklich: Betet ihr zum Beispiel für die Kinder in Moria oder betet ihr darum, dass es euch und euren Herrschaften von den Großkonzernen nicht so schlecht geht? (Beifall bei der SPÖ.)

Immer mehr Menschen fallen der Armut zum Opfer. Ich würde einmal für diese und vor allem für die Kinder in Griechenland beten!

Ich verstehe die Grünen nicht. Seid ihr in letzter Zeit schmerzbefreit? Wenn von Ärzte ohne Grenzen geschrieben wird: „Durch die unhygienischen Bedingungen ist das dortige Lager voller Ratten, immer wieder wurden Kleinkinder mit Rattenbissen zur Behandlung in unsere Kliniken gebracht“, meint ihr, dass das nichts ist, und helft nicht! Das ist ein Versagen dieses Bundeskanzlers und ein Versagen Europas. Es ist einfach nicht korrekt und nicht richtig, was da passiert! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr macht ja in den letzten paar Monaten auch etwas falsch: Ihr seid diejenigen, die 1 Milliarde Euro im Budget fehlen lassen und das Gesundheitssystem nicht ausbau­en. Wo kommen wir denn hin, wenn eine halbe Milliarde Euro fehlt und jetzt die


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Intensivstationen nicht ausgebaut werden und das Personal nicht nachgeschult worden ist? Was soll das Ganze?

Und jetzt seid ihr so großmütig – meine Zeit, sehe ich gerade, ist schon wieder vorbei – und sagt, dass diejenigen mit den hohen Gehältern verzichten sollen. Es wird immer wieder gejammert, dass wir als Opposition keine vernünftigen Vorschläge bringen. Wir Sozialdemokraten haben ganz klar gesagt: Verzichten wir aufgrund dessen, wie es jetzt ist, machen wir eine Nulllohnrunde ab 4 500 Euro! Das ist doch etwas Vernünftiges. Stimmt da einmal mit uns mit, das wäre doch gescheit und würde ganz einfach passen!

Zum Abschluss möchte ich noch sagen: Für die Gemeinden – die kleinste Zelle nach der Familie – habt ihr eine Mogelpackung gemacht, denn zwei Drittel von dem Ganzen zahlen die Gemeinden in den nächsten Jahren selbst zurück. (Beifall bei der SPÖ.)

19.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steinacker. – Bitte.


19.22.11

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Herr Klubobmann Kickl hat heute versucht, uns mit schalmeienhaften Tönen ein Weihnachtsmärchen zu erzählen. Das Märchen wird nicht wahrer, denn Märchen sind ja im Unterschied zu Sage und Legende frei erfunden, sie sind weder zeitlich noch örtlich festgelegt.

Die Menschen draußen, die, Herr Kickl, heute Ihre rhetorischen Versuche einer Märchenerzählung gehört haben (Abg. Kickl: Danke für die Bewerbung!), können sehr wohl zwischen dem Realen und dem, was Sie uns heute aufgetischt haben, unter­scheiden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Rechnungshof hat im Dezember bekannt gegeben, dass die Bezüge aufgrund des Bundesbezügegesetzes, so wie es ist, um 1,5 Prozent angehoben werden müssen. Es gibt hier im Haus die Usance, dass wir dann oftmals doch Änderungen vornehmen, wenn es aufgrund von besonderen Umständen gegeben erscheint. Deswegen sind die Klubobleute von ÖVP und Grünen gemeinsam an die Opposition herangetreten: Wir wollten alle davon überzeugen, dass es wirklich Sinn macht, dass insbesondere die Staatsspitze auf diese Anpassung verzichtet.

Das heurige Jahr hat mit vielen negativen Auswirkungen sicher gezeigt, wie wichtig es ist, letztendlich ein Zeichen zu setzen und die Erhöhung der Politikergehälter auf der höchsten Ebene ausfallen zu lassen. Kollege Gerstl hat ja schon gesagt, wie viel diese verschiedenen Verzichte in den letzten Jahren insgesamt ausgemacht haben. Es gab verschiedene Maßnahmen – im Jahr 2019 solche wie diesmal, 2018 haben alle Abgeordneten bis zum Bundesrat verzichtet, manchmal ist auch eine Kürzung der Politikerbezüge vorgenommen worden –, es gab viele Maßnahmen, um immer wieder aus gegebenem Anlass eine Anpassung vorzunehmen.

30 Spitzenpolitiker verzichten nunmehr, und ich glaube, das ist auch wichtig; es ist aber genauso wichtig, dass genau diese Regelung greift. Die geschätzte Kollegin Blimlinger, die gerade vorhin am Rednerpult war, hat ja auch das Beispiel der Anpassung der Gehälter der Bürgermeister gebracht. Ich glaube, dass unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gerade in dieser Zeit extrem wichtig sind, um die Maßnahmen, die wir brauchen, umzusetzen, um mit den Menschen vor Ort zu reden, um der Krise gegen­zusteuern, in jedem kleinen Bereich. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei unse­ren Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, und über ihr Gehalt kann man sicher gut reden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Kollegin Blimlinger, die ich sehr schätze, hat auch darüber gesprochen, was wir denn selbst wert sind. Dazu muss ich sagen: Ja, jeder von uns weiß – das sei nebenbei auch bemerkt –, dass wir hier im Parlament auch einen großen Einsatz geleistet haben, nicht nur zu den normalen Zeiten, sondern auch in den Nachtstunden und vor allem auch an den Wochenenden.

Zu Frau Kollegin Belakowitsch, die uns, die ÖVP, in ihrer Rede dazu aufgefordert hat, dass wir doch spenden mögen: Frau Kollegin Belakowitsch, wir haben das heuer gemacht. (Abg. Belakowitsch: Ja, eh!) 150 000 Euro haben wir im ÖVP-Klub – unter allen Abgeordneten, allen Bundesräten und allen EU-Abgeordneten – zusammenge­sam­melt, und wir haben je 25 000 Euro für sechs ganz, ganz wichtige und maßgebliche Projekte gespendet: für Lerncafés der Caritas, in denen jungen Menschen, die gerade jetzt Unterstützung beim Lernen brauchen, geholfen wird, für die Lebenshilfe, für das St.-Anna-Kinderspital, für das Hilfswerk, für das Rote Kreuz und für die St.-Elisabeth-Stiftung, die jungen Frauen in Not – sowohl Schwangeren als auch Alleinerziehenden – mit finanzieller Unterstützung hilft.

Meine Damen und Herren: Tu Gutes und sprich darüber – nicht weil wir so gut sind, sondern weil Sie diesem Beispiel folgen können! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Wir Menschen in Österreich, wir Politikerinnen und Politiker haben ein Jahr erlebt, das voller Herausforderungen war. Ich selbst habe so eines in den Jahren, in denen ich hier im Hohen Haus arbeiten darf, noch nie erlebt. (Abg. Kickl: Jetzt gibt es ja ein Trostpflaster dafür!) Ich glaube, wir haben uns alle ernsthaft und redlich bemüht, diese Herausforderungen zu meistern und zum Wohle aller Regelungen zu finden, um aus dieser Gesundheits- und Wirtschaftskrise gut herauszukommen. Wir haben versucht, die Notwendigkeiten zu erledigen, wir haben versucht, zu helfen und die finanziellen Aus­wirkungen dieser Krise bestmöglich abzufedern.

Ich finde, unsere Lösung ist vernünftig. Ich bedanke mich, dass im Sozialausschuss nicht nur wir, sondern auch die NEOS diese Maßnahmen und diesen Vorschlag mitgetragen haben! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Brandstötter. – Bitte.


19.27.09

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Kollegin­nen und Kollegen! Es war ja heute schon recht infantil, und ich habe auch einen für Sie: Wie macht der Babyelefant? (Die Rednerin zwinkert demonstrativ in Richtung Bundes­minister Kogler.) – So macht der Babyelefant! (Die Rednerin greift sich mit der rechten Hand an die Nase, steckt den linken Arm durch den so entstehenden Zwischenraum und macht mit der linken Hand winkende Bewegungen in Richtung Bundesminister Kogler.)

Ist das eine adäquate Art und Weise, mit Ihnen zu sprechen? – Nein. Ist es der richtige Ort, um so etwas zu tun? – Ebenfalls nicht; aber es beschreibt die bizarre Szene am Samstag im Bundeskanzleramt sehr genau. Dorthin wurde zu einem der beliebten Feelgoodtermine eingeladen, einer Pressekonferenz mit extra wenig Inhalt. Ein generv­tes Kind im Elefantenpyjama wurde vor die klickenden Kameras gezerrt und ihm Schokolade überreicht. Und was bleibt nach dem Abgang von Bundeskanzler, Vize­kanzler und dem Kind im Elefantenpyjama? – Peinlich berührte Ratlosigkeit über die Performance der Bundesregierung. Solche jenseitigen Shows dürfen auch nicht noch extra abgegolten werden. Insofern begrüßen wir den Entschluss, die Bezüge von Poli­tike­rinnen und Politikern heuer nicht zu erhöhen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 125

Es gäbe aber ganz andere Bereiche, in denen diese Regierung weitaus treffsicherer sparen könnte. Ganz ungeniert wird ja noch der Plan verfolgt, in den kommenden vier Jahren 210 Millionen Euro für Eigenwerbung auszugeben. 210 Millionen Euro in vier Jahren, das sind 52 Millionen Euro pro Jahr, das ist 1 Million Euro pro Woche – 1 Million Euro pro Woche für Selbstbeweihräucherung!

Ich habe Ihnen letzte Woche schon vorgerechnet, was das an Inseratenvolumen be­deutet. Sie kaufen sich eine Medienlandschaft, in der Sie die lauteste Stimme haben. Bezüge einzufrieren – das kann man in Krisenzeiten schon machen, wir sind auch gerne dabei, leider aber bringt das keine einzige Antwort auf die vielen Fragen, die die Österreicherinnen und Österreicher haben. (Beifall bei den NEOS.)

Ihre Pressekonferenzen tun das auch nicht, ganz im Gegenteil: Nicht nur der Fototermin am Samstag mit dem armen Kind im Elefantenpyjama war denkwürdig, sondern auch die Regierungspressekonferenz am Freitag, am Tag davor, war ein einziges Verwirrspiel aus unfertigen Halbsätzen, Widersprüchen und Aussagen, über die Sie sich ganz offensichtlich in dem Moment, in dem Sie sie ausgesprochen haben, selbst gewundert haben. Es war völlig jenseitig!

Bei allem Verständnis dafür, dass dieses Jahr wirklich herausfordernd ist und war: Wir alle sind auch müde! Die Menschen sind müde und sie sind verwirrt, weil man einfach keinen einzigen Plan mehr fassen kann, egal, ob es sich um einen Businessplan, um Urlaubspläne oder um den ganz normalen Alltag zwischen Familie, Beruf und Home­schooling handelt. Wir können keine Pläne mehr fassen! Die Entscheidungen der Regierung dazu sind wirr, inkonsequent und extrem schlecht argumentiert.

Und was macht der Kanzler, um davon abzulenken? – Er verzichtet ganz generös auf ein paar Euro Gehaltserhöhung, diskreditiert aber im nächsten Atemzug umgehend Wis­senschaftlerinnen und Wissenschaftler, denn es haben ja sieben von ihnen zehn ver­schiedene Meinungen, und er wirft dann auch gleich noch den Medien vor, dass sie mit Berichten über diese unterschiedlichen Meinungen für Verwirrung sorgen. – Ja wo kom­men wir denn da hin?! Wo kommen wir da hin, denn: Widersprechen tun wir uns nur selbst, und am liebsten gleich in einem Satz!

Damit aber trotzdem alle und vor allem die Kritiker verstehen, wie großartig, wie einmalig und wie außergewöhnlich diese Regierung ist, erklärt man uns das zukünftig mit 1 Million Euro Werbung pro Woche. Ich frage Sie: Klingt das nach der Sparsamkeit, die man uns so gerne vorgaukelt? Klingen die 59 PR-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter im Bundes­kanzleramt nach Sparsamkeit? – Für mich klingt das nach Showpolitik um wirklich jeden Preis.

Bezüge einfrieren? – Geschenkt, kann man machen. Wenn Sie aber sinnvoll sparen wollen, dann sparen Sie an diesen irrsinnigen Werbebudgets, die die Regierung ausge­ben möchte! Sparen Sie beim Versuch, die Öffentlichkeit mit Werbegeld unter Kontrolle zu bringen, und trampeln Sie nicht auf einer der wichtigsten Säulen der Demokratie  den Medien  herum wie ein Riesenelefant!

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „drasti­sche Reduzierung der Summe für Regierungswerbung, um wirklich Steuergeld zu spa­ren“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 126

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Volumen für Regierungswerbung drastisch zu beschränken, anstatt die festgesetzten 210 Millionen Euro an Steuergeld zu ver­schwenden.“

*****

(Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend drastische Reduzierung der Summe für Regierungswerbung, um wirklich Steuergeld zu sparen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 75. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1194/A der

Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre und das

Bundesbezügegesetz geändert werden (618 d.B.) – TOP 3

Das Vorhaben der Regierungsparteien, die Politker_innenbezüge einzufrieren, unter­stützen wir Neos. Dieses Einfrieren für Bezüge, der im Bundesbezügegesetz in § 3 Abs. 1 Z 1 bis 11 genannten Organe, spart jedoch nur etwas mehr als 100.000 Euro. Es wirkt jedoch angesichts der momentan herrschenden Probleme, wie der offensichtliche Versuch, genau von diesen abzulenken. Der Spin, dass sich die Regierung dadurch sehr sparsam zeigt und bei sich selbst sparen, will, wirkt angesichts der Werbebudgets der nächsten 4 Jahre mehr als grotesk. Denn die Regierung hat am 02.11.2020 über die BBG Rahmenverträge über 180 Millionen Euro für vier Jahre für Mediaagenturleistungen Bund (Geschäftszahl 5202.03733) sowie 30 Millionen Euro für vier Jahre für Kreativ­agenturleistungen Bund (GZ: 5202.03685) ausgeschrieben.

Das bedeutet: Die Regierung möchte von 2021 bis 2024 über 52 Millionen Euro an Steuergeld pro Jahr für Werbung, insbesondere für Mediaschaltungen, und Agenturleis­tungen ausgeben können. Das sind 1 Million Euro pro Woche – und damit ist die Regierung einer der größten Werbekunden des Landes. Es lässt sich nicht nachvoll­ziehen, weshalb es diese Summen braucht, um die Bevölkerung über die eigene Arbeit zu informieren – zusätzlich zu den bis zu 4 Pressekonferenzen täglich, die ebenfalls live übertragen werden. Das Problem ist überdies, dass die Regierung weder transparente Kriterien angibt, nach denen die Mittel verteilt werden, noch sinnvolle, festgeschriebene Kommunikationsziele der Regierung existieren, nach denen man die umgesetzten Kampagnen evaluieren könnte. Vor allem aber wird mit den ausgeschriebenen Etats für "Leadagenturen" ein Konstrukt geschaffen, das sich jeder parlamentarischen Kontrolle entzieht. Subauftragnehmer_innen der Leadagenturen für den 30 Millionen-Kreativ-Etat sowie für den 180 Millionen-Media-Etat und deren Leistungen sind vom Interpellations­recht nicht erfasst. Somit werden u.a. potentiellen Scheingeschäften Tür und Tor ge­öffnet.

Inserate sind jedoch keine Medienförderung. Aus diesem Grund muss es das Ziel sein, die teuren PR-Kampagnen der Regierung zu reduzieren und nicht vier Jahre im Voraus mit einem äußerst üppigen Budget festzuschreiben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 127

Anstatt medienwirksame Vorhaben umzusetzen, wäre es sinnvoller, bei den wirklich wichtigen und üppigen Töpfen beim Sparen anzusetzen. Gerade die unverschämt hohe Summe für Regierungswerbung wäre da ein guter Anfang.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Volumen für Regierungswerbung drastisch zu beschränken, anstatt die festgesetzten 210 Millionen Euro an Steuergeld zu ver­schwenden. "

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt – ich sehe zumindest fünf entsprechende Unterschriften. Ich würde bitten, darunter auch den Namen zu setzen, ich kann das sonst nicht verifizieren. (Abg. Scherak: Das ist der Schellhorn! – Abg. Schellhorn nickt zustimmend.) Ich nehme aber an, dass es fünf sind, und damit steht der Antrag mit in Verhandlung.

Zuletzt zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tomaselli. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


19.32.21

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Ich bin die letzte Rednerin heute, und ich möchte schon etwas sagen: Ich finde es wahnsinnig traurig, wie wir hier den drittletzten Tag vor Weihnachten verbringen. Inmitten einer Pandemie, die täglich über 100 Menschenleben kostet, zündet die FPÖ eine derartige Nebelgranaten­diskussion wie jene über die PolitikerInnengehälter an. (Abg. Kickl: Ah so! Was ist aus den Grünen geworden?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen! Dass Sie geradezu weltmeis­terlich in Selbstzerstörung sind, beweisen Sie durch Ihre zahlreichen Korruptions- und Kriminalfälle (Abg. Hafenecker: Wir sind nicht aus dem Parlament rausgeflogen!) – Buwog, Telekom, Part-of-the-Game-Staatsbürgerschaft, die Scheinrechnungen bei den Österreichischen Lotterien, Hypo Alpe-Adria, Ibiza, Prikraf, Sidlo. Und was ist Ihre Lösung? – Anstatt sich einmal selber zu hinterfragen und zu schauen, wieso eigentlich, wenn FPÖ auf einer Regierung draufsteht, immer ein Scherbenhaufen zurückbleibt, versuchen Sie mit solchen Anträgen, Ihre Kollegenschaft als selbstgerechte, überbe­zahlte Kaste hinzustellen. Das geht einfach nicht! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Ich glaube, Sie sollten die Koalition auflösen! Lösen Sie die Koalition auf!)

Ich sage Ihnen etwas: Sie werden mit diesem Schmäh sicher nicht durchkommen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kickl), denn ich frage jeden Einzelnen von Ihnen: Wie glaubhaft ist es, wenn eine Partei einen solchen Antrag stellt, nämlich auf Begrenzung der Politikergehälter, wo doch jeder in ganz Österreich weiß, dass der langjährige Parteichef mit Sporttaschen voller Geld in Verbindung gebracht wird, wo doch jeder weiß, dass Sie diejenigen sind, die Ihren Parteifunktionären Zehntausende Euro im Monat für Taschen und Mieten zum Gehalt dazuzahlen?! Das nimmt Ihnen doch kein Mensch ab! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Stögmüller: Privatjets! – Zwi­schenruf des Abg. Deimek.  Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 128

Ich halte das, was Sie hier machen, für absolut unaufrichtig, und es ist einfach unglaub­lich, denn wir leben in einer Zeit, in der es – das kann man durchaus sagen – einen Vertrauensverlust in die Politik gibt, und in dieser Zeit sollte es eigentlich darum gehen, dass wir gemeinsam, Zentimeter für Zentimeter, dieses Vertrauen zurückgewinnen. Es sollte darum gehen, dass wir gemeinsam rausgehen und für die notwendigen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung, wie zum Beispiel die Impfung, werben.

Sie tun genau das Gegenteil. Als parlamentarischer Arm der Coronaleugner und Aluhut­träger beschränken sich Ihre konstruktiven Beiträge zur Covid-Bekämpfung darauf, Taferln in die Luft zu halten und den Coronatest ins Colaglas zu strecken. So schaut’s aus! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abgeordneten Deimek und Kassegger. – Abg. Belakowitsch: Das nennt man Demokratie! – Abg. Kickl: Ich freu mich schon auf den Tag, wo das ... zurückschlägt!)

Gute Politik ist, Unpopuläres, aber Notwendiges populär zu machen. Da gäbe es im Moment, bitte, so einiges (weitere Zwischenrufe bei der FPÖ – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen): zum Beispiel die Bitte an die Bevölkerung, sich trotz der großen Versuchung über die Feiertage bitte, bitte an die Maßnahmen zu halten; rauszugehen und jeden Einzelnen draußen davon zu überzeugen, dass die Impfung der einzige Weg ist, das Virus auszurotten (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch); rauszugehen und darum zu kämpfen, dass die Menschen die Testmöglichkeiten in Anspruch nehmen. – Die Liste ist so lang, es gäbe so viel zu tun!

Und noch einmal: Gute Politik ist, Unpopuläres, aber Notwendiges populär zu machen – und eben nicht, auf den nächsten Populismuszug aufzuspringen, meine Damen und Herren! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Lassen Sie mich als letzte Rednerin in diesem Jahr und als letzte Rednerin unserer Fraktion zum Abschluss sagen: Es war ein unglaublich anstrengendes Jahr, vor allem für die Österreicherinnen und Österreicher. (Abg. Deimek: Das sind Hasstiraden!) Es war auch für uns ein unglaublich anstrengendes Jahr. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir stecken inmitten einer Pandemie, und ich befürchte, das nächste Jahr wird nicht weniger anstrengend. (Abg. Kickl: Die ÖVP lacht Sie aus für Ihre Rede!)

Umso mehr ist es mir auch ein Anliegen, mich – auch im Namen meiner Fraktion – recht herzlich bei Ihnen allen für die Zusammenarbeit, für die fraktionsübergreifende Zusam­menarbeit, zu bedanken. Ich wünsche Ihnen und auch Ihren Liebsten im Namen meiner Fraktion frohe Weihnachten (Abg. Deimek: Das können Sie sich jetzt sparen! Nach der Hasstirade können Sie sich das sparen!) und einen guten Rutsch ins neue Jahr! – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.37

19.37.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, darf ich die Fraktionen fragen: Können wir abstim­men? – Ja. Dann kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag einzeln vornehme.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2020 samt Titel und Eingang in 617 der Beilagen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zuerst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 129

Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest. Diese ist gegeben.

Wer jetzt zustimmt, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist ein­stimmig angenommen.

Ich stelle ausdrücklich fest, dass damit auch die verfassungsmäßig erforderliche Zwei­drittelmehrheit gegeben ist.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung dem Entwurf zustimmt, den bitte ich um ein dementsprechen­des Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Wiederum stelle ich fest, dass die erforderliche Zweidrittelmehrheit gegeben ist.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 618 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, damit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen, betreffend „drastische Reduzierung der Summe für Regierungswerbung, um wirklich Steuergeld zu sparen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 619 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, damit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 620 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer das tut, möge bitte ein Zeichen geben. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz geändert wird, in 621 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht.

Daher werden wir zuerst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen.

Die Abgeordneten Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend § 21 Abs. 20 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung - - Moment. (Abg. Kickl: Der nächste Lapsus!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 130

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den restlichen, noch nicht abgestimmten Teil des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­be­richtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenom­men.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer dem auch in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen. Der Gesetzentwurf ist damit auch in dritter Lesung angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

19.41.09 Abstimmung über Fristsetzungsanträge


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Schallmeiner, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1196/A eine Frist bis zum 3. Jänner 2021 zu setzen.

Wer für diesen Fristsetzungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Schallmeiner, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1197/A eine Frist bis zum 3. Jänner 2021 zu setzen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit, angenommen.

19.41.43Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1199/A(E) bis 1201/A eingebracht worden sind.

Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Abgeordneten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 2 und 6 zu verlesen, damit diese Teile mit Schluss der Sit­zung als genehmigt gelten.

Ich verlese:

Tagesordnungspunkt 2:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 617 der Beilagen – bei Anwe­senheit der vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten – in zweiter und dritter Lesung – und zwar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit – angenommen.“

Tagesordnungspunkt 6:

„Der Abänderungsantrag Beilage 6/1 wird abgelehnt [...].


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung, 21. Dezember 2020 / Seite 131

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 621 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung einstimmig angenommen.“

*****

Ich darf Sie fragen: Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieser Teile des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Diese Teile des Amtlichen Protokolls gelten daher gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäfts­ordnung mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

*****

Ich darf noch bekannt geben, dass am 23.12., also übermorgen, von 9 bis 11 Uhr Corona­tests in den Maria-Theresien-Appartements möglich sind – das ist für die Bereichs­sprecher.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, den 20. Jänner 2021, um 9 Uhr in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Ich wünsche Ihnen ein gutes Nachhausekommen. Es ist die vorläufig letzte Sitzung in diesem Jahr – man kann ja nie wissen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls geruhsame Feiertage.

Die Sitzung ist geschlossen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.43.35Schluss der Sitzung: 19.43 Uhr

 

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