9.18

Bundesminister für Arbeit, Familie und Jugend Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit knapp über einer Woche darf ich nun das Amt des Arbeitsministers ausüben, und ich bin mir dieser Verantwortung bewusst. Gerade in dieser Zeit, glaube ich, müssen wir alle diese Verantwortung in der tiefsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg spüren. Wir haben aktuell 530 000 Arbeitslose, gut 60 000 davon in Schulungen. Das ist ein historisch hoher Wert – nicht der höchste Wert, der war im April 2020 erreicht –, ein historisch hoher Wert mit vielen Einzelschicksalen, die uns alle den Auftrag geben sollten, die besten Maßnah­men zu finden.

440 000 Personen sind derzeit in Kurzarbeit. Die Kurzarbeit funktioniert. Dazu möchte ich gleich noch mehr sagen.

Was den Arbeitsmarkt betrifft ist natürlich klar, dass ein Öffnen von wirtschaftlichen Be­reichen den Arbeitsmarkt entspannt hätte. Leider ist es so, dass alle Expertinnen und Experten aus der Medizin gesagt haben, dass das wegen der Mutation, die wir jetzt er­leben, wegen der Veränderung des Virus, der Variante B.1.1.7 zu riskant ist. Das heißt, wir müssen es schaffen, das Infektionsgeschehen nach unten zu bringen, um eben dann die ersten Öffnungsschritte, die auch den Arbeitsmarkt unterstützen werden, setzen zu können. Dazu brauchen wir alle gemeinsam Disziplin, das Tragen von Masken, Abstand­halten, Kontakte einschränken.

Ich weiß, dass das für alle schon schwierig ist, auch für mich persönlich, aber es gibt im Moment keine bessere Methode, um durch diese Krise zu kommen und um – das ist entscheidend – dann möglichst rasch, wenn die Infektionszahlen gering genug sind, die Wirtschaft wieder öffnen und Arbeitsplätze schaffen zu können und damit einen Rück­gang der Arbeitslosigkeit zu erreichen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In den nächsten Wochen müssen wir uns noch auf die akute Bekämpfung der Krise konzentrieren. Das tun wir vor allem mit der Kurzarbeit – der Herr Klubobmann hat es schon angesprochen –: 4,3 Milliarden Euro sind in der Phase drei an Kurzarbeitsent­schädigungen genehmigt. Es ist das wichtigste Kriseninstrument zum Erhalt von Be­schäftigung in Österreich. Wir konnten über eine Million Jobs langfristig retten. 94 Pro­zent der Personen, die im April in Kurzarbeit waren, haben ein halbes Jahr später auch noch eine Beschäftigung im gleichen Job gehabt. Das heißt, die Kurzarbeit ist keine ver­steckte Arbeitslosigkeit. Sie ist eine Überbrückung einer Unterauslastung in einer ökono­misch schwierigen Zeit und ein bewährtes Kriseninstrument, das in Österreich beson­ders gut funktioniert.

Deswegen rate ich auch davon ab, Anreize mit der Kurzarbeit zu verbinden, die mögli­cherweise die Unternehmen dazu bringen würden, dass sie die Kurzarbeit nicht so in Anspruch nehmen. Es muss ein Anreiz da sein, Kurzarbeit in Anspruch zu nehmen. Wenn man weiß, man würde später höhere Steuern bezahlen, wenn man das tut, dann entsteht der Anreiz, diese Kurzarbeit eben nicht in Anspruch zu nehmen, und das wäre in Phasen eines Lockdowns aus meiner Sicht tatsächlich fatal. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Mir ist auch wichtig, zu betonen, dass weiterhin die Möglichkeit für alle Unternehmen besteht, wenn sie einer behördlichen Schließung unterliegen, die Kurzarbeit auf 0 Pro­zent Arbeitszeit zu reduzieren. Das heißt, es ist das großzügigste Modell, das aber, wie wir sehen, am Arbeitsmarkt in der Krise funktioniert. Wie es mit der Kurzarbeit weiter­geht, dazu gibt es Gespräche mit den Sozialpartnern. Ich hoffe, dass wir sehr rasch eine Lösung präsentieren können, wie die Kurzarbeit nach dem Auslaufen der jetzigen Phase Ende März weiter gestaltet wird.

Kurzarbeit ist deswegen so gut, weil sie keine Arbeitslosigkeit entstehen lässt, denn wir wissen, dass Arbeitslosigkeit immer schwer abzubauen ist. Es ist ähnlich wie bei den Infektionszahlen: Wenn man auf einem hohen Niveau ist, dann braucht man sehr lange, um wieder herunterzukommen. Wir müssen es schaffen, mit möglichst geringen Arbeits­losenzahlen durch die Krise zu kommen. Diese sind stark gestiegen, aber dennoch hat die Kurzarbeit Arbeitslosigkeit teilweise verhindert. Es gibt zum Beispiel 60 000 Arbeits­lose weniger als in einem Worst-Case-Szenario, das vom AMS im November gerechnet wurde, geschätzt wurde. Die Kurzarbeit funktioniert also als Kriseninstrument.

Nach dieser Krise – das möchte ich auch betonen – ist es wichtig, möglichst rasch wie­der Beschäftigung zu schaffen und den Strukturwandel am Arbeitsmarkt zu begleiten. Dafür sind wir maßnahmentechnisch auch schon gut aufgestellt. Im Moment geht es aber noch um die akute Bekämpfung. Ich bin deshalb froh, dass – die Zustimmung des Parlaments vorausgesetzt – die Notstandshilfe für weitere drei Monate in der Höhe des Arbeitslosengeldes bereitgestellt wird. Damit verhindern wir, dass Arbeitslose, die es in der jetzigen Zeit ohnehin sehr schwer haben, in die Notstandshilfe und ein geringeres Entschädigungsniveau abrutschen. Wir stellen damit die Unterstützung für rund 200 000 Personen in Österreich pro Monat sicher. Gleichzeitig sorgen wir dafür, dass pflichtversicherte Selbstständige das Arbeitslosengeld weiter erhalten, auch wenn ihr Betrieb aufgrund der aktuellen Krisensituation stillgelegt ist.

Dann gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die uns in den nächsten Monaten weiter be­gleiten werden. Erstens die Joboffensive: 428 Millionen Euro, um Personen in Berei­chen, die für die Zukunft wichtig sind, zu qualifizieren. Das ist eine der wichtigsten Maß­nahmen, weil Qualifikation für die Arbeitslosen die besten Chancen bietet, um in der Zukunft wieder Arbeit zu finden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das AMS – ich möchte mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz ausdrücklich für die Flexibilität und den hohen Einsatz bedanken – steuert im Moment durch die Schu­lungen. Das ist schwierig in einer Phase, in der Schulungen in Präsenz nicht möglich sind. Es gibt nur einzelne Ausnahmen, bei denen Präsenz notwendig ist, zum Beispiel bei Ausbildungen an Maschinen, aber zum Großteil sind diese Kurse, diese Weiterbil­dungen, diese Qualifikationsmaßnahmen virtuell, online. Der Aufwand für die Organisa­tion dieser Maßnahmen ist riesig. Wir sehen, dass es gut funktioniert und dass wir damit ein Mittel haben, um Beschäftigung zu schaffen.

Das Zweite ist das Thema Homeoffice. Gerade in Lockdownzeiten wird das natürlich sehr genutzt. Es ist derzeit auch wichtig, glaube ich, um die Kontakte zu beschränken, daher noch einmal der Appell an alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer, Homeoffice zu nutzen, wenn es möglich ist – wir brauchen aber auch eine Regelung für die Zeit nach dieser Krise –, und deswegen hat eine Homeoffice­regelung für mich Priorität. Wir haben uns das Ziel gesetzt, da sehr rasch gemeinsam mit den Sozialpartnern eine Regelung vorzustellen; das soll hoffentlich in den nächsten Wochen passieren.

Dann unterstützen wir weiter natürlich Maßnahmen, die Beschäftigung auch nach der Krise fördern. Es gibt den Neustartbonus als Kriseninstrument, der die Branchen, die besonders von der Pandemie betroffen sind, unterstützt, wenn sie neue Beschäftigungs­verhältnisse schaffen, wenn es erste leichte Öffnungsschritte gibt.

Wir haben natürlich auch Maßnahmen für spezifische Zielgruppen. Wir wissen, dass zum Beispiel langzeitarbeitslose Frauen und Ältere, aber auch zum Teil Jugendliche stärker als andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von dieser Krise betroffen sind. Es gibt eine Taskforce für Jugendbeschäftigung. Wir haben eigene Angebote für diese spezifi­schen Gruppen, die ich angesprochen habe, und wir werden diese Angebote auch wei­terentwickeln, wenn es eben möglich ist, Betriebe wieder zu öffnen, die jetzt geschlossen sind, und weitere Beschäftigungen zu schaffen.

All diese Maßnahmen bringen uns dem Ziel näher, die Krise gut zu bewältigen und dann – das ist für mich noch wichtiger – rasch wieder einen Beschäftigungsaufbau zu erreichen und die Arbeitslosigkeit substanziell zu reduzieren. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die weiteren Redebeiträge sind auf 5 Minuten Redezeit beschränkt.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kopf. – Bitte.