11.26

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wertes Mitglied der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle­gen! Nur ganz kurz zu meinem Vorredner: Dass die FPÖ im Zusammenhang mit der Demonstration am Samstag von Missbrauch spricht, ist mutig. Dass diese Demonstra­tion keine Verteidigung der persönlichen Freiheiten war, sondern vielmehr ein Auf­marsch von AnhängerInnen rechtsextremer und verschwörungstheoretischer Ideologien (Abg. Amesbauer: Schwachsinn! Lüge! Holler!), und dass diese FPÖ auch noch stolz in der ersten Reihe aufgetreten ist (Abg. Belakowitsch: Nein, mittendrin!), sagt mehr als jede fehlgeleitete Rede eines FPÖ-Abgeordneten hier. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte zum eigentlichen Thema dieser Europastunde zurückkommen, und zwar zur europäischen Dimension der Terrorbekämpfung. So sperrig sich der Titel dieser Euro­pastunde auch liest, so nahe sind uns die Auswirkungen in diesem Bereich. Nur circa 1 000 Meter von hier entfernt werden nach wie vor Kerzen in Erinnerung an den verhee­renden Terroranschlag vom 2. November des Vorjahres aufgestellt, als Zeichen der Trauer. (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.) Gleichzeitig ist das aber ein Aufruf an die Politik, alles zu unternehmen, dass so etwas nie wieder passiert, nicht in Wien, nicht in Paris, Nizza oder Brüssel, nicht in der Welt. (Beifall bei den Grünen.)

Wie vieles andere auch funktioniert Terrorbekämpfung nur vereint und grenzüberschrei­tend. Als Europaabgeordnete muss ich einleitend betonen, dass Geheimdienste, um die es ja heute geht (Abg. Belakowitsch: Es geht um ... Geheimdienste, Frau Kollegin!), und auch die Organisation des geheimdienstlichen Nachrichtenaustausches vollständig in nationale Kompetenz fallen, nicht in die der Europäischen Union. Die existierenden grenzüberschreitenden geheimdienstlichen Austauschstrukturen wie der viel zitierte Ber­ner Club oder auch das EU Intelligence Analysis Centre, das ein Organ des Europäischen Auswärtigen Dienstes ist, sind rein nationale Koordinationsnetzwerke ohne parlamenta­rische Kontrolle, meistens ohne Rechtsgrundlage. Das Europäische Parlament oder auch nationale Parlamente haben kein Einsichtsrecht. Das ist demokratiepolitisch mehr als bedenklich, sollen Geheimdienste doch, wenn es sie schon geben muss, zum Schutz unserer Demokratie agieren. Deshalb braucht es da dringend einen Ausbau parlamen­tarischer Kontrollmöglichkeiten.

Umso mehr begrüßen wir Grüne den umfassenden Ansatz der Europäischen Kom­mission bei der im Dezember präsentierten Antiterroragenda für eine Sicherheitsunion, die mehr ist als Überwachung und Strafverfolgung.

Dazu ein Zitat des zuständigen EU-Kommissars Schinas, der sagt: „Der inklusive und rechtebasierte Ansatz, der das Fundament unserer Union bildet, ist unser bester Schutz gegen terroristische Bedrohungen. Wenn wir inklusive Gesellschaften schaffen, in denen jeder seinen Platz finden kann, verlieren extremistische Narrative ihre Anziehungskraft.“ Ich denke – und das sage ich nicht sehr oft –, dass die Europäische Kommission genau den richtigen Ansatz gewählt hat. Wir Grüne sagen aus Überzeugung: Sicherheit ist un­trennbar mit sozialer Integration und Inklusion verbunden. Nur eine gerechte Gesell­schaft ist eine sichere Gesellschaft. (Beifall bei den Grünen.)

Auch das Europaparlament verfolgt diesen ganzheitlichen sicherheitspolitischen Ansatz. Deradikalisierung, Antidiskriminierung und Förderung der Demokratie und der Grund­rechte müssen Grundpfeiler der Antiterrorpolitik sein. Konkret bedeutet das aus grüner Sicht: Das geplante neue Mandat von Europol darf nicht in europäische Grundrechte eingreifen. Massenüberwachung führt zu Generalverdacht, ist ineffektiv und bedroht unsere offene Gesellschaft. Gerade der Terroranschlag in Wien hat gezeigt, es gibt kein Überwachungsdefizit, sondern der größte Mangel ist ein Vollzugsdefizit. Ebenso wäre das vom Rat angedachte Verschlüsselungsverbot ein Ende des digitalen Briefgeheim­nisses, es bietet aber keinen effektiven Schutz vor Terrorismus. Das Europaparlament ist in dieser Hinsicht eindeutig positioniert.

Ein Letztes – es wurde schon angesprochen –: Die jüngsten Waffenfunde in der rechts­extremen Szene zeigen, dass dringender Handlungsbedarf bei der Bekämpfung des na­tionalen Rechtsterrorismus herrscht. Selbst Europol warnt im neuesten EU-Terrorismus­report vor einer Unterschätzung des Rechtsextremismus bei der Evaluierung begange­ner Anschläge und macht darauf aufmerksam, dass viele der offiziell bekannten Terror­anschläge erst nachträglich dem Rechtsextremismus zugeordnet wurden – Zitat –: Die Bedrohung durch den Rechtsterrorismus hat in den letzten Jahren zugenommen. – Das heißt, die politische Voreingenommenheit an dieser Stelle muss ein Ende haben. Auch die Sicherheitsbehörden dürfen auf dem rechten Auge nicht blind sein. (Präsidentin Bu­res gibt das Glockenzeichen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vertrauen ist nämlich entscheidend, wenn es um Fra­gen der Sicherheit geht. Dabei geht es um Vertrauen zwischen den Behörden, aber auch – das möchte ich als Grüne besonders betonen – um Vertrauen zwischen den Bür­gern und Bürgerinnen, der Zivilgesellschaft und den Sicherheitsapparaten: Das gilt in Österreich, in Europa und weltweit. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

11.32

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste ist die Europaparlamentarierin Claudia Gamon zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.