10.23

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! (In Richtung Bundeskanzler Kurz:) Nun sag, wie hast du’s mit dem Rechtsstaat? Du bist ein leidlich guter Mann, allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon. – Ich habe mir erlaubt, die berühmte Gretchenfrage aus Goethes „Faust“ in den heutigen Kontext zu stellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der Justiz – das ist die Gretchenfrage jeder Demokratie. (Beifall bei den NEOS.)

Der Rechtsstaat kristallisiert ganz im Besonderen an der Frage aus, ob er in der Lage ist, ohne Ansehen der Person Recht zu sprechen. Nur wenn sich die Bürger darauf ver­lassen können, dass die Gerichte unabhängig und ohne Ansehen der Person handeln, akzeptieren sie auch die Entscheidungen, mögen sie auch manchmal nicht ihren Vor­stellungen entsprechen.

Eine gute und verlässlich funktionierende Justiz, Herr Bundeskanzler, ist so etwas wie die Visitenkarte des Rechtsstaates. Die Justizbehörden und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen für die Wahrung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden in Öster­reich, und ich möchte ihnen dafür einmal ganz ausdrücklich danken. (Beifall bei den NEOS.)

Durch die hohe Qualität ihrer Arbeit genießt die Justiz in Österreich, wie wir wissen, sehr hohes Vertrauen. Dieses Vertrauen ist ein unverzichtbares Fundament für die Freiheit, für die Sicherheit und für das Recht.

Herr Bundeskanzler, ich arbeite schon mehr als 34 Jahre als Rechtsanwalt, und ich be­haupte, ich habe in diesen Jahrzehnten eine recht gute Innensicht in den Justizbetrieb in Österreich gewonnen. Ich sage Ihnen jetzt eines: Ich lege für die österreichische Justiz meine Hand ins Feuer, und ich stelle damit keineswegs in Abrede, dass auch im Justizbetrieb – wie in allen Systemen, in denen Menschen arbeiten – Fehler passieren. Der Justizbetrieb ist aber dadurch gekennzeichnet, dass er über ein ausgeklügeltes internes Korrektursystem verfügt, Instanzenzug genannt. (Abg. Steinacker: Disziplinar­verfahren ...!) Gegen eine Hausdurchsuchung, von der man glaubt, dass sie zu Unrecht erfolgt ist, kann der Betroffene am Oberlandesgericht Beschwerde erheben. Da braucht es keine Zurufe aus der Politik und schon gar nicht von Ihnen, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Die von Ihnen und Ihren Leuten so vielfach als Verfehlung der WKStA ins Treffen geführte BVT-Hausdurchsuchung wurde im Beschwerdeweg bekämpft, und es wurde festgestellt, dass es nicht gepasst hat – so funktioniert das! (Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Auch der Finanzminister hätte gegen die Durchsuchung seiner Privatwohnung Beschwerde erheben können – das wäre der richtige Weg gewesen. Er wird seine Gründe gehabt haben, warum er das nicht getan hat, vielleicht hat er gefürchtet, dass das OLG den dringenden Tatverdacht einzementieren könnte – was auch immer. Es ist aber keines­falls zulässig und der Würde des Amtes des Bundeskanzlers angemessen, wenn Sie nun der WKStA per Brief falsche Fakten andichten wollen. Sie beschädigen mit diesem Vorgehen nicht nur die Justiz, sondern vor allem auch Ihr eigenes Amt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Unsere Verfassungsarchitektur ruht auf drei Säulen: Legislative, Exekutive und Justiz. Es ist gute Tradition, dass sich die obersten Repräsentanten dieser drei Säulen nicht medial etwas ausrichten. Es steht Ihnen nicht gut an, Herr Bundeskanzler, die Justiz ständig medial zu attackieren. (Zwischenruf des Abg. Eypeltauer.) Wenn Sie Mängel im Justizbetrieb feststellen: Es gibt kaum jemanden, der so viele Möglichkeiten hat, das abzustellen, wie Sie.

Sie könnten das Budget erhöhen, Sie könnten gesetzliche Rahmenbedingungen ändern. Warum haben Sie das alles nicht gemacht? Das Justizministerium war jahrelang in der Hand von ÖVP-Ministern, da ist es fast zum stillen Tod der Justiz gekommen. Jetzt plötzlich, weil gegen einen ÖVP-Minister ermittelt wird, sehen Sie Handlungsbedarf, jetzt soll plötzlich alles passieren. Häppchenweise bekommen wir die Neuigkeiten serviert: Heute haben wir gelesen, dass offenbar geplant ist, die Pressefreiheit einzuschränken. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Hörl: So ein Blödsinn!) Es soll nicht mehr möglich sein, aus Justizakten zu berichten. – Ja, wo führt denn das hin?

Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler: Wieso diskreditieren Sie in Hintergrundgesprächen ständig die WKStA? Wieso beschädigen Sie damit die Visitenkarte unseres Rechts­staates? (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Es hat den Anschein, Sie fürchten die Leichen im Keller und Sie fürchten sich genau vor jener Behörde, die diesen nachgeht – das ist eben die WKStA. Wenn Sie es mit der Strafjustiz gut meinen, Herr Bundeskanzler, dann setzen Sie sich bitte dafür ein, dass die Weisungshierarchie nicht durch partei­politisch besetzte Institutionen wahrgenommen wird, dass die Arbeit der Staatsanwälte zur Gänze einer rechtsstaatlichen Kontrolle der Gerichte unterworfen wird (Abg. Hörl: Redezeit!), dass der Anschein jeder parteipolitischen Einflussnahme unterbleibt - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (fortsetzend): - - und dass auch weiterhin über das, was die Strafjustiz macht, berichtet werden darf.

Meine Damen und Herren, allein ein hübsches Etikett Bundesstaatsanwalt macht es nicht aus. Wir werden da sehr genau schauen, dass die Weisungsspitze, wenn sie geändert wird, so geändert wird, dass sie den Anforderungen eines demokratischen Rechtsstaates entspricht. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.29

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich bedanke mich beim Herrn Bundeskanzler und beim Herrn Bundesminister fürs An­wesendsein.