18.57

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob das jetzt an mir liegt, dass sich die Reihen wieder etwas lichten. (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischenruf bei der ÖVP.) – Danke für die freundliche Rückmeldung, dass es nicht so ist. Ich beginne deswegen bewusst positiv.

Die Coronakrise beschäftigt uns alle seit über einem Jahr und hat für die gesamte Bevölkerung Österreichs sehr dramatische Auswirkungen. Ich glaube, es war deswegen parteiübergreifend ein sehr, sehr wichtiger Zugang, dass wir ein Jahr Coronakrisen­management hier in diesem Saal miteinander diskutiert haben, mit Expertinnen und Experten ein Hearing abgehalten haben und auch überlegt haben: Wie hat das Krisen­management bisher funktioniert?

Wir wissen alle – das ist der traurige Befund –: Österreich ist leider deutlich härter von Corona, von der Krise getroffen worden als viele andere vergleichbare Staaten. Wir haben im Krisenmanagement leider viele Fehler gemacht. Darüber zu diskutieren ist kein Selbstzweck, sondern – und das war für mich der spannende Zugang –: Wenn man über Fehler nicht redet, wenn man nicht darüber diskutiert, warum Österreich so viel schlech­ter als andere vergleichbare Staaten durch die Krise gekommen ist, wenn man aus Feh­lern nicht lernt und die Dinge dann auch nicht anders macht, dann ist die Gefahr sehr groß, dass sich Fehler wiederholen. Ich glaube, deswegen war es sehr wichtig, dass wir miteinander darüber diskutiert haben, was die zentralen Schwachpunkte im Krisenmana­gement waren. (Zwischenruf der Abg. Greiner.)

Zum Thema Schwachpunkte im Krisenmanagement: Ich möchte jetzt nicht unhöflich sein und direkt auf Minister Anschober zu sprechen kommen, der nicht da ist. (Abg. Belakowitsch: Aber er war eh beim Expertenhearing!) Sollen wir kurz warten?

Präsidentin Doris Bures: Nur wenn ich die Sitzung unterbreche, was ich jetzt aber nicht tue. (Allgemeine Heiterkeit.) Sie sind am Wort, aber es gibt parlamentarische Instru­mente. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Abgeordneter Philip Kucher (fortsetzend): Gerade für Minister Anschober wäre es doch so wichtig, sich zu überlegen, was man auch im Krisenmanagement besser machen kann. Daher ist es doppelt schade, dass Minister Anschober das jetzt nicht mitbekommt. (Abg. Michael Hammer – erheitert –: Er liest sicher das Protokoll!) Vielleicht kann man es irgendwie aufschreiben.

Was waren die zentralen Eckpunkte, die diskutiert worden sind? – Keine zentrale Ko­ordination, der öffentliche Gesundheitsdienst hat nicht schnell genug reagiert. Also ein Punkt, der immer wieder - - (Bundesminister Anschober betritt den Saal.) – Herzlich willkommen, Herr Minister, vielen Dank! (Bundesminister Anschober: Philip, wenn ich dich höre, bin ich sofort da! – Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei Grünen und ÖVP. – Ruf: Er ist schon da!) – Ja, er ist schon da.

Was waren also die zentralen Kritikpunkte? – Es gab keine zentrale Koordination. Man hat sehr, sehr oft eher parteipolitisch agiert, haben wir gehört. Oft war die Krisen­kom­munikation nicht so wichtig, da ist es eher um PR gegangen. Wir haben gehört, der zentralste Punkt in einer Krise ist es, Vertrauen zu bewahren. Die Warnung der Ex­pertinnen und Experten war, nicht zu lügen. Ich glaube, Unwahrheiten sind das Schlimmste. Angst zu machen ist etwas, das man nicht tun soll. Das waren Dinge, die man in Österreich leider gemacht hat. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Es gab natürlich auch dramatische Versäumnisse. Wir haben die Risikogruppen nicht so geschützt, wie es sein soll. Wir haben Tausende Menschen in den Pflegeheimen leider nicht ausreichend schützen können, sie sind dann an Corona verstorben. Da hat es schon auch massive Fehler gegeben – und ich glaube, es wäre ein gemeinsamer Zugang, daraus zu lernen.

Wie kann man das Krisenmanagement in Zukunft verbessern? – Eine Ableitung wäre wirklich, in Zukunft auch verstärkt Expertinnen und Experten beizuziehen – und nicht, wie es Sebastian Kurz macht, immer wieder sozusagen von Lockdown zu Lockdown zu stolpern, keinen Plan zu haben, Öffnungen zu versprechen, die Zahlen nicht zu kennen. Es wäre auch meine Bitte, dass wir endlich zu einem professionellen Krisenmanagement gelangen, weil wir in Österreich leider deutlich schlechter unterwegs sind als viele, viele andere Staaten.

Ein Punkt, der aber positiverweise funktioniert hat, war die offensive Teststrategie – leider viel zu spät, aber da ist man nun dahinter. Es ist eine positive Nachricht, dass es nun ab März auch diese Wohnzimmertests geben soll, dass alle Menschen in Österreich fünf Wohnzimmertests beziehen können, dass diese kostenlos sind, dass man zu Hause selbst Verantwortung übernehmen und sich selbst testen kann. Das ist ein ganz, ganz wesentliches Mittel im Bereich der Eindämmung der Pandemie.

Was noch nicht so gut funktioniert, sind zwei Punkte, die wir dringend reparieren müs­sen. Es gibt auch da wieder einen Schönheitsfehler: 300 000 Menschen hat man leider vergessen, sie bekommen leider keinen Wohnzimmertest, weil sie nicht im Elga-System sind. Wir haben bereits im Ausschuss davor gewarnt; da hat es noch geheißen, das wird repariert werden, dann hat man das leider wieder vergessen. Ich bitte wirklich darum, dass alle Menschen in Österreich diese Wohnzimmertests bekommen und man nicht 300 000 Menschen vergisst.

Ein Punkt, der noch sehr wichtig wäre, ist, glaube ich, dass man, wenn man zum Friseur geht und diesen Wohnzimmer- und Selbsttest selbst vor Ort durchführt, auch ein Vier­augenprinzip hat. Selbstverständlich wäre es auch möglich, dass man sich als Ein­trittstest selbst vor Ort beim Friseur testet. Das sollte doch ein Weg sein, dass man diese Antigentests auch in diesem Maße nutzt. Das ist leider noch nicht umgesetzt, und man hat eben leider 300 000 Menschen vergessen.

Ich bitte darum: Versuchen wir gemeinsam, die Wohnzimmertests nun endlich auf Schiene zu bringen, schauen wir, dass wirklich alle Menschen in Österreich selbst Verantwortung übernehmen können, und reparieren wir wirklich noch die Fehler, die passiert sind – dass eben 300 000 Menschen diese Tests nicht bekommen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.02

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.