22.07

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Vielleicht kann ich darauf gleich von meiner Warte aus erwidern: Es ist ja so – deswegen auch die Eile –, dass die Finanzmittel fürs Rote Kreuz rück­wirkend kommen, und die Bilanzen müssen bis Jahresmitte vorgelegt werden. Das ist sozusagen das, was jedes Jahr selbstverständlich, wenn Steuermittel eingesetzt wer­den, vom Roten Kreuz in aller Vertrautheit vorgelegt werden wird. Da wird also nicht erst in drei Jahren evaluiert, sondern die Bilanzen werden schon heuer vorliegen.

Nun komme ich zurück: Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Gerade diese Woche wurde das wieder augenscheinlich, was wir auch schon im Ausschuss besprochen haben, nämlich dass das außenpolitische Rad nicht aufhört, sich zu drehen.

Wir haben am Montag im Rat der EU-Außenminister eine sehr intensive Diskussion zu Russland gehabt und uns da wegen der inakzeptablen Umgangsweise mit Alexei Nawalny geeinigt, Sanktionen auf den Weg zu bringen. Wir haben eine sehr klare Linie zum Militärputsch der Junta in Myanmar gefunden – sofortige Freilassung aller politi­schen Gefangenen –, auch da haben wir die Rute von möglichen Sanktionen gegen diese Militärjunta, und man kann es nicht anders bezeichnen, ins Fenster gestellt. Und – was sehr wesentlich war – es gab einen ersten, wirklich sehr interessanten Austausch mit dem neuen amerikanischen Außenminister, Secretary of State Tony Blinken, zum Beispiel über den Iran. Das ist ein Thema, das uns unmittelbar betrifft, und wo Rafael Grossi, der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde hier in Wien, am Wochenende in Teheran ganz wesentliche Verhandlungen geführt hat, die uns zumindest eine Atempause von drei Monaten verschaffen, damit Diplomatie wieder Fuß fassen kann und wir eventuell einen irreparablen Schaden vom Wiener Atomabkommen mit dem Iran abwenden können.

Das ist nur ein Kurzüberblick. Wir haben noch Themen wie Belarus, Horn von Afrika, Hongkong, Sahelzone besprochen, am Rande der Ratstagung natürlich auch das Grenz­management mit den deutschen und den italienischen Kollegen.

Sie sehen also: Die Welt um uns herum bleibt nicht stehen. Wir dürfen daher, glaube ich, unbedingt auch in dieser Zeit der Pandemiebekämpfung langfristige Perspektiven nicht aus den Augen verlieren. Diese zwei Tagesordnungspunkte, das Gesetz zum Roten Kreuz und das Amtssitzgesetz, sind genau solche langfristigen Perspektiven, um die es uns allen gehen sollte. Einerseits, und das wurde jetzt schon erwähnt, ist das die nach­haltige Absicherung von Österreich als internationalem Amtssitz und als traditionellem Ort des Austausches und des Dialoges – etwas, worauf wir, glaube ich, alle hier in die­sem Haus zu Recht stolz sind.

Andererseits wollen wir die Zusammenarbeit mit dem wesentlichsten Partner der Öster­reichischen Entwicklungszusammenarbeit und der österreichischen Nichtregierungs­organisationsszene auf ganz neue Beine stellen. Ich glaube, behaupten zu können, dass diese beiden Punkte und dieses Ansinnen um eine langfristige Perspektive in diesem Haus – zumindest bis auf die FPÖ – auf einen sehr breiten Konsens stoßen, und ich bin eigentlich sehr erfreut darüber. Wie es auch Abgeordneter Reimon gesagt hat, gliedert sich das in ein breites Bemühen ein. Wir haben den AKF wesentlich aufgestockt, wir haben die humanitäre Hilfe und die EZA aufgestockt und wir werden auch in den anderen Bereichen noch voranschreiten.

Ich kann auch den Abgeordneten Brandstätter beruhigen: Der Ruf Österreichs als inter­nationaler Ort des Dialoges ist tadellos. Wir hatten letztes Jahr die strategischen Gespräche zwischen Russland und den Vereinigten Staaten hier in Wien. Ich hatte vor Kurzem wieder Kontakt mit Robert Malley – das ist der neue Sonderbeauftragte des US-Präsidenten für den Iran –, der gesagt hat: I expect to be in Vienna a lot. – Wir hoffen also, dass es wieder zu Irangesprächen kommen wird, wir bemühen uns darum. Das sind natürlich nicht die einzigen Dialogforen, um die wir uns bemühen. Vergessen wir nicht: Wir sind Sitzstaat von 51 internationalen Organisationen. Wir sind ein Hub für Sicherheit und Nachhaltigkeit. Wesentliche Zukunftsthemen, wie Energie, Entwicklung und Klimadiplomatie, werden hier besprochen, aber – ich habe es schon im Ausschuss gesagt, und das muss uns ganz klar sein – die Konkurrenz schläft nicht.

Es ist nicht gottgegeben, es ist nicht in Stein gemeißelt, dass wir diesen Amtssitz haben, dass diese 51 Organisationen hier angesiedelt sind. Es geht nämlich nicht nur darum, dass wir uns bemühen, Neues nach Wien zu ziehen, sondern auch darum, das, was derzeit schon da ist, abzusichern, es zu konsolidieren. Die Konkurrenz schläft nicht und sie liegt nicht nur in Europa. Wir hatten direkte, wenn man so will, „Angriffe“ – unter Anführungszeichen – von einigen europäischen Städten, aber wir haben in der Zwischenzeit schon Konkurrenz von Doha, Dubai, Abu Dhabi und anderen Städten, die sehr attraktive Angebote auf den Tisch legen, um internationale Organisationen anzu­ziehen.

Da muss ich auch ganz klar sagen: Warum machen das diese Staaten? Warum gibt es jedes Mal sozusagen auch Neid gegenüber Wien und warum gibt es jedes Mal so einen Kampf und eine Konkurrenz um die Ansiedlung von internationalen Organisationen? – Na, weil es ein Sicherheitsfaktor und ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor ist. (Zwischenruf des Abg. Stefan.) Abgeordneter Lopatka hat es ja schon erwähnt: Denken wir allein daran – die IHS-Studie hat es kürzlich gezeigt –: 19 000 Arbeitsplätze werden gesichert. Wir haben einen Bruttowertschöpfungseffekt von 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Natürlich entfällt der Löwenanteil auf Wien – und ich muss auch sagen, die Zusammen­arbeit mit der Stadt Wien funktioniert in diesem Punkt gut –, aber auch die Bundesländer profitieren. Dort gibt es einen Bruttowertschöpfungseffekt von 483 Millionen Euro, und die Kostennutzenrechnung geht sich, egal, wie man es dreht und wendet, auf jeden Fall aus, denn die direkten und indirekten Ausgaben für den Amtssitz liegen unter 100 Mil­lionen Euro pro Jahr. (Abg. Stefan: ... Steuer! ... Steuern ...!) Dem gegenüber stehen Steuer- und Abgabeneinnahmen von 527 Millionen Euro. Jedes Bemühen, den Amtssitz abzusichern, ist folglich ein Bemühen, das nicht nur unseren Standort, sozusagen un­sere internationale Präsenz am diplomatischen Parkett stärkt, sondern das auch einen wesentlichen Wirtschaftseffekt bedeutet. Ich glaube, jeder hier sollte dem zustimmen. Ich könnte sogar salopp formulieren, dass das Außenministerium mit einem Budget von circa 550 Millionen Euro eigentlich dazu beiträgt (Abg. Stefan: Welche Steuern zahlen denn die?), dass wir ein Dreifaches an Wertschöpfung und an Einnahmen generieren. Ich glaube, that’s well invested money. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Lassen Sie mich noch ganz kurz auf den Initiativantrag zum Rotkreuzgesetz eingehen! Ich glaube, wir alle in diesem Saal wissen, dass wir eigentlich täglich erschreckende Nachrichten aus Krisenhotspots rund um die Welt bekommen – dem Jemen, Äthiopien, Myanmar, der Sahelzone. Das heißt, unser humanitäres Engagement darf nicht enden, darf nicht in einem Lockdown und sozusagen im Schatten der Pandemie verschwinden. Laut UNO-Angaben hat sich die Zahl der von Hungersnot betroffenen Menschen 2020 fast verdoppelt. Die extreme Armut ist zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder auf dem Vormarsch, und wir laufen Gefahr, in den Sustainable Development Goals, also den SDGs, um Jahre zurückzufallen. Sich in dieser Gemengelage zu engagieren und zu ver­suchen, wesentliche Akteure in der humanitären Arbeit in Österreich zu stärken – und das Österreichische Rote Kreuz ist nun einmal die Nummer eins in diesem Zusam­menhang –, ist, glaube ich, sehr sinnvoll.

Das Rote Kreuz ist ein von uns im Außenministerium geschätzter langjähriger Partner in der österreichischen Zusammenarbeit – nicht nur bei der Abwicklung der humanitären Auslandshilfe, sondern bei der Entwicklung des humanitären Völkerrechts. Das ist ganz wesentlich, und darum geht es ja auch in diesem Gesetz. Allein seit 2010 haben wir 13,1 Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds über das Rote Kreuz Österreich abgewickelt. Derzeit laufen 13 Projekte mit dem Roten Kreuz, die von der Austrian Development Agency kofinanziert werden. Die Gesamtsumme beträgt 6,3 Mil­lionen Euro.

Zwei wesentliche Punkte, die vorhin schon kurz angesprochen wurden, sind in dieser Novelle enthalten. Zum einen ist das die Einrichtung dieser Nationalen Kommission. Ich kann Abgeordnetem Kassegger sagen: Die 2 Millionen Euro Basisabgeltung haben gar nichts mit dieser Nationalen Kommission zu tun. Diese Nationale Kommission hat als Zielsetzung die Umsetzung des humanitären Völkerrechts; da kommen die Ressorts, Fachleute, Experten und Nichtregierungsorganisationen zusammen. In den meisten anderen Staaten haben diese Kommissionen eine Rechtsgrundlage, in Österreich gab es die noch nicht. Nun wird diese Kommission rechtlich auf feste Beine gestellt, es wird dazu auch eine internationale Konferenz in Wien geben. Da geht es einerseits um die Absprache der humanitären Hilfsprogramme, die wir machen, aber eben auch um wesentliche Bereiche des humanitären Völkerrechts, wie zum Beispiel unsere Initiativen im Abrüstungsbereich oder beim Verbot besonders gefährlicher Waffen.

Die Basisfinanzierung halte ich für essenziell – und es ist sozusagen eine Anerkenntnis dessen, was das Rote Kreuz hier in der Vergangenheit geleistet hat, was es auch in Zukunft als Partner leisten wird. Sie stellt diese Zusammenarbeit auf stabile und leis­tungsfähige Beine und sichert sie ab. Ich glaube, dass beide Tagesordnungspunkte summa summarum das traditionelle Engagement, das wir in Österreich haben und auf das wir zu Recht immer stolz waren, für die Stärkung des humanitären Rechts, für den Dialog, für Wien als Ort des Dialoges und des Amtssitzes, widerspiegeln. Daher hoffe ich auf breitestmögliche Zustimmung. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

22.17

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Berlakovich. – Bitte.