13.03

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Can I fix it? (Die Rednerin stellt eine Tafel mit einem Telefonsymbol und der Aufschrift „Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800222555“, „www.gewaltschutzzentren.at“, „Polizei: 133“ auf das Rednerpult.) – Yes, I can. (Zwi­schenruf bei der FPÖ.) Wir haben aber noch einiges zu fixieren. Der Internationale Frauentag ist ja jedes Jahr aufs Neue der Tag, an dem wir sehen, dass wir noch viele Themen vor uns haben, dass auch noch viele Geschichten erzählt werden müssen.

Ich möchte Ihnen heute eine Geschichte von meiner Freundin erzählen. Sie hat zwei Teenagertöchter, und die hatten eine Vorführung der freiwilligen Feuerwehr an ihrer Schule. Sie waren von der freiwilligen Feuerwehr total begeistert. Das ist großartig! Feuer löschen, helfen, Kameradschaft, Zusammenarbeit, tolle Dinge miteinander erle­ben – das wollen sie auch. Die Mutter war ebenso begeistert, hat gesagt: Gut, auf zur freiwilligen Feuerwehr, wir melden euch jetzt dort an! Und dann kam die Enttäuschung. Mädchen bei der Feuerwehr? – Ah, das geht nicht, das haben wir hier überhaupt noch nie gemacht. Der Feuerwehrkommandant konnte sich beim besten Willen nicht vor­stellen, dass es Mädchen bei der Feuerwehr gibt. Ich meine schon: Gläser waschen beim Feuerwehrfest, spenden, zuschauen, das dürfen Frauen und Mädchen – aber mitmachen?

Die Idee, dass Frauen gleichberechtigte Menschen sind, ist wie eine Vision von einem anderen Planeten. Das ist aber für viele Frauen und Mädchen Alltag, und ich frage mich: Wie kommt es eigentlich dazu, dass sich Frauen und Mädchen ständig etwas erkämpfen müssen, nur weil es einem Mann an Fantasie dafür fehlt? Heute im Jahr 2021 können Mädchen nicht zur freiwilligen Feuerwehr, weil sich ein Kommandant das nicht vorstellen kann. (Ruf bei der ÖVP: Blödsinn!)

In wenigen Jahren sind sie dann Mütter und müssen sich zwischen Berufstätigkeit oder dem Zuhausebleiben entscheiden, weil ein Bürgermeister sich nicht vorstellen kann, dass es Kindergartenplätze braucht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Covid und seine Folgen haben auch sehr deutlich gezeigt, wie einzementiert diese alten Geschlechterrollen sind. Wir haben heute schon öfter davon gehört. Homeschooling neben dem Job, beruflich zurückstecken, wenn es eng wird: All das haben Frauen erledigt. Warum nehmen wir es aber als selbstverständlich hin, dass Frauen zurück­stecken? Warum ist das halt einfach so? Wir stehen mitten in dieser Pandemie in einem riesigen Scherbenhaufen, den uns unter anderem auch unsere überforderte Regierung eingebrockt hat, und wir werden viel Arbeit und viel Geld investieren müssen, um da wieder herauszukommen.

Das führt mich auch zum European Recoveryfund: Wenn wir jetzt 3,3 Milliarden Euro abrufen können, ist es wichtig, dass wir überhaupt einmal Projekte präsentieren. Bis April müssen wir einmelden, wofür wir dieses Geld verwenden wollen. Und es ist essenziell, dass dieses Geld auch für Projekte verwendet wird, die Frauen dabei unterstützen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Im Klartext bedeutet das – noch einmal – Kinder­betreuungsplätze und nicht den nächsten Ziegensteig zubetonieren. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zum Geld gehört auch das Genderbudgeting; wir haben dazu heute einen Antrag eingebracht. Genderbudgeting ist seit 2009 in der Verfassung verankert. Das bedeutet – für alle, denen das noch nichts sagt –, dass darauf geschaut wird, wie die Verteilung öffentlicher Gelder zwischen den Geschlechtern vonstattengeht, also ob Männer und Frauen gleichermaßen betrachtet und unterstützt werden.

Der Budgetdienst schreibt in seiner Budgetanalyse 2021, dass Genderbudgeting „nur in Einzelfällen umgesetzt“ wird und auch „nur wenige Wirkungsziele“ betrifft. – So geht das nicht! So geht das nicht vor allem in Zeiten, in denen besonders viel öffentliche Gelder fließen. Unsere Regierung gibt 31,6 Milliarden Euro für Hilfsmaßnahmen aus, Fixkos­tenzuschuss, diverse Maßnahmen wie den Umsatzersatz, und wir wollen wissen, ob diese Summe auch fair zwischen Männern und Frauen verteilt wird. Wir wollen wissen, wohin dieses Geld geht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir werden auch sehr laut und hartnäckig darauf pochen, dass hier auch Maßnahmen gesetzt werden, die eben Frauen wieder auf die Beine helfen. Ich betone es noch einmal: Dazu gehören eben auch – und das ist der Schlüssel! – die Kinderbetreuungsplätze. Nach wie vor entscheidet ein Bürgermeister darüber, ob eine Frau zu Hause bleibt oder einen Beruf ergreift oder Vorstandsvorsitzende wird, denn er entscheidet darüber, ob es Kinderbetreuungsplätze gibt. Und bei Bürgermeistern muss man gar nicht gendern, weil die meisten Bürgermeister nun einmal Männer sind.

Die fehlenden Kinderbetreuungsplätze bringen eine ganze Reihe weiterer Probleme mit sich. Sie drängen Frauen in lange Karenzzeiten und anschließend in schlecht bezahlte Teilzeitjobs. Diese langen Karenzzeiten und diese langen Teilzeitjobs führen unmittelbar in die Abhängigkeit, in die Abhängigkeit vom Partner, in die Abhängigkeit vom Staat, und beides ist nicht erstrebenswert. (Beifall bei den NEOS.)

Zum Thema Abhängigkeit hat ja auch die Pandemie das Schlechteste bei den Menschen hervorgeholt – ich spreche von häuslicher Gewalt. Wir brauchen einen sinnvollen, modernen Gewaltschutz und nicht einen, in den nach wie vor Peanuts investiert werden.

Und wenn das alles einmal kein Thema mehr ist, wenn Kinderbetreuung da ist, wenn wir tolle Jobs haben, wenn wir glücklich und zufrieden leben, dann arbeiten Frauen immer noch mehr als die Hälfte mehr im Haushalt und verdienen für die gleichen Jobs aber deutlich weniger. Dann sagen viele: Die Frau muss sich halt entscheiden. Sie muss sich dafür entscheiden: für technische Berufe, für Mint-Fächer. Ja, das können sie, aber wenn sich ein Feuerwehrkommandant nicht einmal vorstellen kann, dass Mädchen zur Feuerwehr gehen sollen und können (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt ja nicht!), dann braucht man von Mint-Fächern überhaupt nicht erst zu reden, denn dann krankt es ja schon da. Dann dämmert Ihnen vielleicht auch, dass es mit der Chancengerechtigkeit noch nicht sehr weit her ist.

Als liberale Feministin stelle ich den Menschen in den Mittelpunkt, aber wir dürfen die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass Frauen und Männer immer noch unter­schiedliche Chancen in unserer Gesellschaft haben, und deshalb müssen wir endlich Rahmenbedingungen schaffen, die es allen Menschen ermöglichen, ein selbstbestimm­tes, freies und selbstbewusstes Leben zu führen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.10

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Hanger zu Wort gemeldet. – Bitte.