15.30

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Herr Bundesminister, wir haben mit Ihnen im letzten Jahr ja schon sehr viel erlebt, wenn es um Grundrechtseinschränkungen ging. Sie haben, wenn Sie sich vielleicht erinnern, Betretungsverbote im gesamten öffentlichen Raum erlassen, obwohl Sie das gar nicht durften. Sie haben Menschen aufgrund dieser Verordnung, die rechtswidrig war, auch gestraft. Menschen haben Strafen zahlen müssen, und Sie haben es bis heute nicht für notwendig empfunden, dass Sie den Menschen, die trotz der Tatsache, dass sie nichts Rechtswidriges gemacht haben, Strafen zahlen mussten, diese Strafen zu­rückzahlen. Sie haben mit dem Ostererlass versucht, der Polizei die Möglichkeit zu ge­ben, dass sie de facto ohne Grund in Privatwohnungen hineinkann.

Herr Bundesminister, ich könnte diese Aufzählung wahrscheinlich noch stundenlang weiterführen, nur haben wir nicht die Zeit dafür, aber, Herr Bundesminister, Sie sind jener Bundesminister, der dafür verantwortlich ist, dass die massivsten Grundrechtseinschrän­kungen in der Zweiten Republik gekommen sind, und Sie allein haben zu verantworten, dass fast alle dieser Grundrechtseinschränkungen nicht verhältnismäßig und dement­sprechend auch rechtswidrig waren. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Und, Herr Bundesminister, immer dann, wenn man glaubt, es geht nicht mehr schlimmer, immer dann, wenn man glaubt, Sie haben aus einem Fehler gelernt und Sie schränken die fundamentalen Freiheiten der Menschen in diesem Land vielleicht nicht noch einmal so massiv ein, immer dann, wenn man das glaubt, wird man von Ihnen eines Besseren belehrt. Jede einzelne Grenze, die Sie überschreiten, hindert Sie nicht daran, immer noch eine neue Grenze zu finden, über die Sie drübergehen – über die Sie mutwillig drübergehen! –, womit Sie die fundamentalen Freiheitsrechte der BürgerInnen in diesem Land mit Füßen treten. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das, was Sie jetzt mit dieser Ausgangsregelung hier planen, ist der gravierendste Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte in der Zweiten Republik. Es ist der massivste Angriff auf all die Rechte, für die Menschen Hunderte Jahre lang gekämpft haben, und es ist das wiederholte, aber dieses Mal wahrscheinlich das ultimative Eingeständnis der Grü­nen hier im Parlament, dass sie von Grund- und Freiheitsrechten nicht den Funken einer Ahnung haben und sich offensichtlich auch noch nie damit beschäftigt haben. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Sie wissen, die jetzigen Regelungen zur Ausgangssperre – also die, die derzeit noch gelten, die Sie jetzt ändern wollen – sehen vor, dass Sie dann eine Ausgangssperre erlassen können, wenn alle sonstigen Maßnahmen ausgeschöpft sind und die Aus­gangssperre die einzige Möglichkeit ist, dass Sie den Zusammenbruch der medizini­schen Versorgung verhindern können. Aber das reicht Ihnen nicht. Sie wollen unsere Freiheiten jetzt noch weiter einschränken und Sie wollen in Zukunft die Möglichkeit ha­ben (Zwischenruf der Abg. Disoski), auch dann - - Frau Kollegin Disoski, hören Sie zu, dann würden Sie vielleicht verstehen, wie das System der Grund- und Freiheitsrechte in Österreich funktioniert! Vielleicht lernt es auch einmal Bundesminister Anschober. Sie haben schlichtweg keine Ahnung, wie das System funktioniert! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie haben jetzt vor, dass in Zukunft eine Ausgangssperre auch dann verhängt werden kann, wenn noch nicht alle Mittel ausgeschöpft sind, und auch dann, wenn es nur zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 sinnvoll erscheint. Was bedeutet denn das?– Der Anknüpfungspunkt für die Ausgangssperre ist nicht mehr der drohende Zusammenbruch des Gesundheitssystems - - (Zwischenruf der Abg. Ha­mann.) Da schreien die Grünen sehr nervös dazwischen. (Zwischenruf des Abg. Ko­za.) Frau Kollegin Hamann schüttelt den Kopf, Herr Kollege Koza hat offensichtlich gerade sein Einführungsseminar in Verfassungsrecht gemacht und hat das System ver­standen. (Zwischenruf der Abg. Disoski.) Ich erkläre Ihnen noch einmal, was das Pro­blem ist und wieso Sie nicht verstehen, wie Grundrechte funktionieren. (Zwischenruf der Abg. Ribo. – Zwischenruf des Abg. Kickl in Richtung der Grünen.)

Der Anknüpfungspunkt für die Ausgangssperre ist nicht mehr der drohende Zusammen­bruch des Gesundheitssystems, sondern die Verbreitung von Covid-19. Das bedeutet zum Beispiel, selbst wenn alle Menschen über 40 geimpft sind, kann der Gesundheits­minister Ausgangssperren erlassen. Er kann, weil er der Meinung ist, er will die Ver­breitung von Covid bei unter 14-Jährigen verhindern, Ausgangssperren erlassen – und er muss noch nicht einmal davor alle anderen Mittel ausgeschöpft haben. Das Gesetz gibt ihm diese Möglichkeit.

Herr Bundesminister! Vielleicht werden Sie oder vielleicht auch die Parlamentsfraktion der Grünen mir jetzt wieder erklären: Ja, das wird gar nicht passieren, der Herr Bun­desminister wird das ja nicht machen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) – Das ist halt nur leider falsch, denn jedes Mal, wenn Sie neue Macht dazubekommen haben, haben Sie diese bis zur letzten Möglichkeit ausgenützt. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Sie gehen da von der Ausgangssperre als Ultima Ratio, als letztmögliches Mittel, ab und sagen: Ja, ich kann auch dann eine Ausgangssperre machen, wenn es nur zur Verhin­derung der Verbreitung von Covid-19 notwendig ist. – Das ist nicht nur der umfassendste Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte, es ist ganz grundlegend verfassungswidrig, was Sie hier vorhaben. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Herr Bundesminister! Vielleicht weiß das niemand bei Ihnen im Ministerium, aber Grund­rechtseinschränkungen, so massive Grundrechtseinschränkungen müssen immer die Ultima Ratio sein. Sie müssen immer das letztmögliche, das letzte Mittel sein, und es müssen alle anderen Maßnahmen vorher ausgeschöpft werden, bevor Sie Menschen mit Ausgangssperren zu Hause einsperren können. So geht das einfach nicht, Herr Bun­desminister! So, wie Sie sich das vorstellen, funktioniert das System der Grundrechte nicht! (Zwischenruf des Abg. Koza.)

Und wenn Sie das im Ministerium selbst nicht wissen, wenn das bei den Grünen keiner weiß, wenn das bei der ÖVP keiner weiß, wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie die Menschen, die sich mit den Grundrechten auskennen! (Zwischenruf des Abg. Koza.) Herr Kollege Koza, lesen Sie die Stellungnahme – ich weiß, Sie tun das vielleicht nicht so oft – des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (Zwischenrufe der Abgeord­neten Voglauer und Disoski), wo Ihnen namhafte Juristen, wo Ihnen Verfassungsjuris­ten erklären, wie eine einfache Grundrechtsprüfung funktioniert und wieso das, was Sie hier vorschlagen, schlichtweg verfassungswidrig sein muss! (Beifall bei NEOS und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Das andere, das in Bezug auf die Veranstaltungen, haben wir schon angesprochen. Dazu fällt mir noch eine praktische Frage ein, und darauf weist auch die Stellungnahme des Gemeindebundes hin: Also wenn sich in Zukunft mehrere Leute aus unterschiedli­chen Haushalten treffen, kann das anzeige- oder bewilligungspflichtig sein. Wie funktio­niert denn das? – Also, Herr Bundesminister, stellen Sie sich vor, mehrere Tausend Leute treffen sich – zeigen das dann alle bei der BH oder beim Magistrat an? Wie das rein faktisch funktionieren soll, stelle ich mir sehr spannend vor. – Ich glaube, es wird nicht administrierbar sein. (Zwischenruf des Abg. Koza.)

Herr Bundesminister, ich verspreche Ihnen, ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, dass dieser umfassendste und massivste Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte so rasch wie möglich wieder Geschichte ist! Herr Bundesminister, wir sehen uns garan­tiert wieder beim Verfassungsgerichtshof! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

15.37

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Tan­da. – Bitte. (Abg. Loacker – in Richtung Abg. Scherak –: Jetzt kommt aber eine Replik, du!)