Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Stich­wort: das Internationale Atomabkommen mit dem Iran, 2015 in Wien abgeschlossen.

Welche Initiativen setzt Österreich? Können Sie sich vorstellen, dass man dieses für die Region, aber auch für Wien – als internationalen Ort der Begegnung – bedeutende Abkommen wiederbelebt?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 64/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Initiativen setzt Österreich in der EU oder auf anderen Ebenen für eine Wieder­belebung des Atomabkommens mit dem Iran, das im Jahr 2015 in Wien abgeschlossen wurde?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Herr Abgeordneter, Sie haben völlig recht: Das ist ein Abkommen, für das wir uns auch moralisch verpflichtet fühlen. Es wurde in Wien verhandelt, wir haben damals schon unseren Beitrag geleistet und tun dies weiterhin. Wir sind mit allen Partnern in sehr engem Kontakt, zum Beispiel mit Rob Malley, dem Iran-Sonder­be­auftragten der USA, mit dem Vizeminister des Iran, mit Russland, aber auch mit den E3.

Wir haben momentan eine Pattsituation: Die USA und der Iran warten ab, jeder will, dass der andere den ersten Schritt tut, und ich glaube, die Europäische Union, die E3 sind in Wirklichkeit – und ich erwähne ganz besonders auch den Europäischen Auswärtigen Dienst in Brüssel – eigentlich berufen, da jetzt in den Ring zu steigen und beiden Partnern Vorschläge zu machen, damit sie schrittweise aufeinander zukommen.

In diesem Sinne habe ich in den letzten Wochen wiederholt sowohl mit dem Hohen Vertreter Borrell als auch mit Partnern in anderen Staaten Kontakt gehabt, und Österreich wird sich in diesem Sinne weiterhin einsetzen. Ich glaube, wir müssen alles tun, damit dieses Abkommen erhalten wird, denn das Schlimmste, das uns geschehen kann, ist ein Zusammenbruch des Abkommens, ein Rüstungswettlauf am Golf, der unsere Sicherheitssituation in Europa massiv beeinträchtigen würde.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Das Stichwort Rüstungswettlauf ist natürlich sehr naheliegend, allein wenn man sich ansieht, wie Saudi-Arabien aufrüstet.

Meine Zusatzfrage betrifft den Iran: Wie beurteilen Sie – in aller Kürze natürlich – die bilateralen Beziehungen Österreichs zum Iran?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Wir haben immer danach getrachtet – das ist, glaube ich, der richtige Ansatz –, gute, stabile, tragfähige und vertrauensvolle Dialogkanäle mit dem Iran zu haben. Das heißt nicht, dass wir in den Gesprächen – mit Außenminister Sarif telefoniere ich im Durchschnitt alle fünf Wochen – nicht auch sehr deutlich werden. Wir haben zum Beispiel auch bilaterale Problemfälle – denken wir nur an die österreichi­schen Doppelstaatsbürger, die dort in Haft sind –, die wir natürlich regelmäßig an­sprechen. Das geht aber eben auch nur, weil man offene, stabile Dialogkanäle hat, und das Vertrauen des Iran, dass er uns auch Dinge sagen kann, die wir eventuell Partnern weitergeben, ist vorhanden. Wir haben letztlich in Wien mit der Internationalen Atom­energiebehörde, mit deren Leiter Rafael Grossi ich fast wöchentlich in Kontakt bin, eine Organisation, die in dieser ganzen Iran-Thematik immens wichtig ist.

Ich würde sagen, die Beziehungen zum Iran sind über Jahrhunderte gewachsen, es gibt einen Dialogkanal, wir scheuen uns aber nicht davor, auch hin und wieder sehr deutlich jene Punkte aufzuzeigen, bei denen wir mit der iranischen Politik – seien es Exekutionen, seien es Atom- oder Urananreicherungen – nicht einverstanden sind.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Gerstl. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister, als Vorsitzender der Freundschaftsgruppe Österreich-Iran auf Parlamentsebene möchte ich Ihnen zu Beginn ein ganz herzliches Dankeschön sagen für Ihre Unterstützungen, die Sie für den Iran und auch für die Welt – im weiteren Sinne – leisten, wie Sie zuvor ausgeführt haben.

Meine Frage geht noch ein bisschen weiter, denn wir sprechen ja nicht nur über Non­proliferation, sondern überhaupt über Abrüstung. Ein Engagement, das Österreich ganz besonders auszeichnet, ist jenes für das Verbot von Killerrobotern. Können Sie uns sagen, welche weiteren Schritte Sie als Vertreter Österreichs im Bereich der Abrüstung setzen und was Ihnen da besonders wichtig ist?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Danke, Herr Abgeordneter – ich glaube, das Thema künstliche Intelligenz und humanitäres Völkerrecht, künstliche Intelligenz und Menschenrechte ist ein, wenn nicht sogar das Zukunftsthema. Wir sehen gerade in anderen Staaten, auch während der Pandemie, dass man manchmal mit dem Einsatz technischer Mittel in Wirklichkeit versucht, Grund- und Menschenrechte auszuhöhlen, zu unterminieren oder sogar einzuschränken. Ich glaube, das ist ein Zukunftsthema, welches wir auch im UNO-Menschenrechtsrat zum Thema machen werden.

Eine besondere Herausforderung in diesem Zusammenhang sind die von Ihnen genannten Killerroboter, das heißt, die autonomen Waffensysteme, bei denen in Wirk­lichkeit letzten Endes ein Algorithmus in Bruchteilen von Sekunden über Leben oder Tod entscheidet. Das geht für uns weder rechtlich noch moralisch noch ethisch. Da wollen wir an einer internationalen Verbotskonvention arbeiten, so wie wir es schon bei Streu­munition, bei Antipersonenminen und letztlich auch bei den Atomwaffen erreicht haben, und wir wollen eine gemeinsame internationale Phalanx mit Experten, Zivilgesellschaft, NGOs und Regierungen aufbauen. Es wird schon in diesem Herbst hier in Wien bei der UNO eine Konferenz geben, bei der wir genau diese Koalition, wenn man so will, zusammenführen wollen und die ersten Schritte in Richtung Bewusstseinsbildung, in Richtung einer internationalen Bewegung setzen wollen, um hoffentlich ein Verbot solcher Killerroboter zu erreichen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Litschauer. – Bitte.

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Herr Minister, wir haben über den Iran schon sehr viel gehört, ich möchte aber trotzdem darauf zurückkommen: Ich bin froh, dass wir dem Atomwaffenverbotsvertrag beigetreten sind. Aus England haben wir gehört, dass Hinkley Point C finanziert und auch die Anzahl der Atomwaffensprengköpfe wieder erhöht wird. Da sieht man, dass das sehr oft miteinander verquickt wird.

Welche konkreten Maßnahmen setzt Österreich auf bi- und multilateraler Ebene, um für die Abrüstung von Atomwaffen und gegen die Kernenergie entschiedener aufzutreten?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Für mich sind beides die zwei Seiten einer Medaille. Österreich hat eine ganz klare Linie zur Kernenergie. Wir lehnen sie ab, das ist keine Quelle erneuerbarer Energie oder Nachhaltigkeit, da haben wir eine ganz klare Politik, und ich freue mich auch sehr über einen starken Konsens von allen Parteien. Der Einsatz gegen Kernwaffen ist die andere Seite dieser Medaille, und auch da ist Österreich Speerspitze. Es ist ja Gott sei Dank der Atomwaffenverbotsvertrag, den Sie genannt haben, den wir gemeinsam mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz seit Jahren gepusht haben, in Kraft getreten. Die erste Vertragsparteienkonferenz wird Anfang nächsten Jahres hier in Wien stattfinden, wir sind da also absolute Speerspitze.

Sie haben es richtig genannt: So zu tun, als wäre diese Bedrohung abstrakt, als wäre sie nicht vorhanden, ist völlig naiv. Die Experten sagen, dass die Bedrohung heute sogar größer ist als in Zeiten des Kalten Krieges. Als wir gerade in Wien die Diskussion um die Präsentation beim Inkrafttreten des Vertrages hatten, gab es auf der Titelseite des „Economist“ das Bild eines Atompilzes und die Headline: „WHO WILL GO NUCLEAR NEXT?“ – Das ist also ein massiv präsentes Thema: die Maßnahmen in einigen Staaten, wie zum Beispiel in UK die Ankündigung, aufzurüsten; andere Staaten buttern Milliarden in moderne Trägersysteme, die die Reaktionsgeschwindigkeit oder die Reaktionszeit noch einmal verkürzen und dadurch die Risiken noch einmal erhöhen; wir haben in Aviano, 60 Kilometer außerhalb Österreichs, Atomsprengköpfe. Ich sage nur: Fukushima, ich sage nur: Tschernobyl – das wäre ein Vielfaches davon. Wir tun also gut daran, da dranzubleiben, Bewusstsein zu bilden und diesen Verbotsvertrag voranzutreiben.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 8. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Steger. – Bitte.