13.25

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Vielleicht können Sie sich noch an die Worte des Bundespräsidenten erinnern: „So sind wir nicht“. – Das hat er gesagt, und ich gebe zu, dass ich mir manchmal wünsche, er würde auch jetzt wieder einmal das Wort ergreifen, weil das wie nach dem Bekanntwerden des Ibizavideos höchst an der Zeit wäre.

Er hat auch gesagt: „Manchmal kommen“ Politiker „von ihrem Weg ab. Überschreiten Grenzen, verletzen Menschen, zerstören Vertrauen“. Er plädierte dafür, dass auch und gerade Politiker Verantwortung tragen. „Denken Sie“, hat er gesagt, „daran, was Sie für Österreich tun können. Fragen Sie nicht: Hilft es mir bei der Wahl?“, sondern „fragen Sie: Hilft es Österreich? Hilft es uns im Inneren und stärkt es unsere Glaubwürdigkeit in der Welt?“

Nicht einmal zwei Jahre später stehen wir hier und diskutieren über wirklich peinliche Chatprotokolle, die öffentlich geworden sind und die sehr eindrucksvoll beweisen, was von dem neuen Stil der ach so neuen Volkspartei übrig geblieben ist, nämlich nichts, aber auch gar nichts. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Hafenecker.  Abg. Hafenecker: ... alte noch gescheiter!)

Diese Chats belegen meines Erachtens, dass es hier nicht nur darum gegangen ist, Posten zu vergeben, sondern dass eine Partei und eine Person – wir wissen auch, wer, nämlich der jetzige  Öbag-Chef  Thomas Schmid als Generalsekretär im Finanzminis­terium – nichts anderes als Machtmissbrauch begangen hat und sich ein Gesetz sowie eine Ausschreibung geschaffen hat, damit er diesen Posten bekommt. Er hat eine Ausschreibung natürlich für sich zurechtgezimmert, man könnte auch sagen manipuliert, und dann natürlich auch noch – und das ist besonders verstörend – den Aufsichtsrat mitausgesucht, der danach dafür gestimmt hat, dass die Position auch mit ihm besetzt wird.

Was mich besonders daran stört, ist dieses Kriterium der Lenkbarkeit, der Steuerbarkeit, das – und das sage ich hier auch als Frau – offensichtlich insbesondere dann diskutiert wurde, wenn es um Frauen ging. Das finde ich schon ganz besonders bemerkenswert. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich frage mich auch immer: Wenn ich dort Aufsichtsrätin wäre – ich sage Ihnen das ganz ehrlich –, ich würde Ihnen das hinschmeißen, denn das hätte ich mir auch nicht verdient, dass da so geredet wird.

In aller Deutlichkeit legen diese Chats aber offen, wie schamlos und wie – ehrlich ge­sagt – völlig verantwortungslos die ÖVP vorgeht, wenn es um die Versorgung von ihren Familienmitgliedern geht. Diese türkise Maske oder Marke des neuen Stils, des neuen Zugangs, die da aufgebaut wurde, ist halt wirklich gefallen, und es wird dieser ganz, ganz schlechte alte Stil sichtbar.

Der Ibiza-Untersuchungsausschuss, der, wie ich weiß, von der ÖVP und leider auch vom Vorsitzenden Wolfgang Sobotka sehr gerne diffamiert, diskreditiert und torpediert wird, ist einer der wichtigsten Untersuchungsausschüsse der Republik. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

In diesem Untersuchungsausschuss hat Sebastian Kurz eine Wahrheit gesagt. Er hat gesagt, er hat das System nicht erfunden. – Das stimmt. Was er aber nicht gesagt hat: Er und seine türkise Clique haben es durchaus perfektioniert, auf die Spitze getrieben und weitergedreht. Ich frage mich schon, ob das das Versprechen ist, das Sie 2017 und auch 2019, als es nach Ibiza vollmundige Erklärungen gegeben hat, damit ein für alle Mal aufzuräumen, abgegeben haben.

„So sind wir nicht“, würde ich gerne sagen, aber ich habe schon vor zwei Jahren gesagt, dass man eigentlich sagen müsste: So dürfen wir nicht sein, so sollen wir nicht sein! – Es ist auch möglich, dass wir nicht so sind, nämlich mit schärferen Gesetzen und we­sentlich mehr Transparenz – darauf komme ich noch zu sprechen.

Dieses Sittenbild eines korrupten Systems – und es ist natürlich Korruption, das ist kein rein strafrechtlicher Begriff; nicht das Strafrecht ist die äußerste Linie, die hier gezogen werden darf und muss –, dieses Sittenbild eines korrupten Systems von Macht und Günstlingswirtschaft ist ein Sittenbild, das letztlich auch dazu beigetragen hat, dass 2012 NEOS gegründet wurde. Es stimmt: Das hat nicht die Volkspartei erfunden. Wir haben uns 70 Jahre lang angeschaut, wie sich zwei Parteien das Land aufgeteilt haben, und haben dann auch zusehen müssen, wie die FPÖ mittendrin statt nur dabei ist, wenn es um die eigenen Futtertröge geht.

Ich sage Ihnen aber noch etwas: Diese Chats sind nicht nur ein Ergebnis eines Sitten­bilds, das wir eh schon alle kennen, sondern sie sind vor allem auch wirklich zutiefst hochnotpeinlich – man geniert sich geradezu dafür – und, wie ich Ihnen auch sage, un­professionell.

Herr Minister, Sie haben gesagt: Na ja, jeder von uns hat vielleicht einmal etwas salopp geschrieben! – Das stimmt schon, das kann schon sein: mit Freunden und so weiter. Es geht dabei aber nicht um Staatsvermögen, es geht nicht um Machtmissbrauch und es geht nicht um Steuergeld der Republik. Es geht nicht darum, dass man Leute irgend­wohin setzt, die dieses Staatsvermögen dann letztlich verwalten. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

 „Das.Ist.Nicht.Normal.“ Das hat die „Süddeutsche Zeitung“ geschrieben und, wie ich finde, wirklich sehr eindrucksvoll aufgelistet, welche Liste an Skandalen es derzeit gibt, denn es ist eigentlich ein Korruptionssumpf, den wir gerade sehen.

Es ist nicht normal, wenn Postenschacher achselzuckend zur Kenntnis genommen wird. Es ist auch nicht normal, dass man Parlament, Untersuchungsausschuss, Justiz, Verfas­sung und, ja, auch unabhängige Journalistinnen und Journalisten mit Füßen tritt.

Es ist auch nicht normal und es macht uns keinen Spaß, wenn wir den Bundeskanzler wegen einer Falschaussage anzeigen müssen, weil er im Untersuchungsausschuss Fal­sches gesagt hat.

Es ist nicht normal, wenn ein Sektionschef im Justizministerium, auch nachdem er gar nicht mehr dafür zuständig ist, Akten zugespielt bekommt und offensichtlich als Berater für einen Beschuldigten zur Verfügung steht. Das ist eine Zweiklassenjustiz. (Zwischen­ruf bei der ÖVP.) Oder kann sich jeder Beschuldigte in Österreich an Herrn Pilnacek wenden, damit er darüber beraten wird, wie seine Aussage in der Staatsanwaltschaft ausschauen soll? – Ich denke, nicht. (Abg. Hafenecker: Nein, nur die ÖVP!)

Es ist auch nicht normal, dass ein Parlamentspräsident, der eigentlich über den Parteien stehen sollte, trotz krasser Unvereinbarkeit einen Untersuchungsausschuss leitet und diesen, verzeihen Sie, immer wieder torpediert. (Abg. Kickl: Der weiß ja gar nicht, was das ist!) Das ist nicht normal.

Nennen Sie mich naiv, aber ich bin in die Politik gegangen, um einen Beitrag zu leisten, dass Politik besser wird (Zwischenrufe bei der ÖVP), dass Österreich zukunftsfitter wird, dass wir gemeinsam daran arbeiten, wie wir unser Land nach vorne bringen, und nicht daran arbeiten, wie Sie Ihre Macht ausbauen können. (Beifall bei den NEOS. – Rufe bei der ÖVP: Ja, ja!)

Viele Menschen machen sich tatsächlich Sorgen, in welche Richtung es gehen wird. Da geht es jetzt nicht einmal nur um diesen Korruptionssumpf, sondern auch um die Frage, wie Sie, die Volkspartei, damit umgehen: einmal mehr mit dem Versuch, die Justiz zu diskreditieren, unabhängige Journalisten zu diskreditieren, Aufklärerinnen und Aufklärer zu diskreditieren, zu diffamieren und den Untersuchungsausschuss zu torpedieren. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Noch einmal: Der Maßstab darf nicht das Strafrecht sein!

Es kann nicht sein, dass wir uns als Politik danach bewegen: Alles, was nicht verboten ist, können wir machen! – Das geht nicht! Das geht nicht! (Abg. Höfinger: Dann lasst den Brandstetter raus!) So eine Politik darf nicht möglich sein, und schon gar nicht darf eine Politik möglich sein, die sich ständig nur nach Umfragen richtet. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Die gute Nachricht aber, zu der ich jetzt schon kommen möchte, ist: Wir können das ändern. Wir alle haben das in der Hand – Sie haben es Ihren Wählerinnen und Wählern versprochen; Sie haben es bis jetzt gebrochen, aber Sie haben es versprochen –: durch schärfere Gesetze und rechtliche Rahmenbedingungen, in denen so ein System nicht möglich ist; durch ein System der lückenlosen Transparenz, der wirklich öffentlichen Ausschreibungen und öffentlichen Hearings, mit wirklich transparenten Parteifinanzen und einer Kontrolle durch den Rechnungshof; durch ein System, in dem illegale Par­teienfinanzierung ein Straftatbestand wird, und auch durch ein System mit deutlich geschmälerten Wahlkampfkostenobergrenzen und, wie ich finde, auch einer Amts­zeit­beschränkung, weil jede Macht nicht nur kontrolliert, sondern auch beschränkt gehört. (Beifall bei den NEOS.)

Das wären Vorschläge von NEOS, und sie alle liegen seit Jahren auf dem Tisch. Da muss man auch nicht auf die Grünen in der Regierung warten. Das ist alles möglich, dass das Parlament so etwas auch selbstbewusst beschließt. Es ist möglich, das auf den Weg zu bringen, um vor allem eines zu schaffen: das Vertrauen der Menschen in die Politik wiederherzustellen, denn dieses Vertrauen beschädigen Sie am allermeisten.

Jetzt möchte ich Ihnen noch etwas sagen, weil immer wieder gesagt wird, die Opposition delektiere sich an solchen Chats: Ich finde es ermüdend, hier zu stehen und über so peinliche Chatnachrichten, Postenschacher und Korruption reden zu müssen, während wir in der größten Krise der Zweiten Republik sind und stattdessen hier stehen und debattieren sollten, welche besten Konzepte es gibt, um unser Land wieder nach vorne zu bringen; in einer Zeit, in der wir hier stehen und überlegen sollten, wie wir Wohlstand, Aufschwung, Wachstum schaffen, wie wir die Krise bewältigen, die Arbeitslosigkeit bekämpfen und das beste Bildungssystem schaffen. Stattdessen stehen wir hier und müssen darüber diskutieren (Abg. Fürlinger: Müssen wir nicht!), nicht aus Lust der Opposition – müssen wir nicht –, sondern weil wir es den Menschen schuldig sind (Beifall bei den NEOS), weil wir denen eine Stimme geben müssen, die sagen: Wenn ihr jetzt nichts sagt, dann bleiben nur noch Macht und Allmachtsfantasien übrig und unsere Ohnmacht, die wir nicht Teil dieser türkisen Familie sind.

Mein Appell und mein Angebot ist: Schaffen wir endlich diese Korruption und diesen Postenschacher ab – das schaffen wir hier im Parlament, wenn alle gewillt sind – und widmen wir uns endlich den Zukunftsthemen! (Ruf bei der ÖVP: ... Haselsteiner ...!)

Ein Letztes noch: Selbstverständlich ist jeder Tag, an dem Sie weiter im Amt bleiben, auch ein Tag, an dem Sie dieses Amt beschädigen, Herr Blümel. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Kickl.)

13.35

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fürst. – Bitte.